Dorothea A. Christ, Das Familienbuch der Herren von Eptingen. Kommentar und Transkription (= Quellen und Forschungen zur Geschichte und Landeskunde des Kantons Basel-Landschaft, Band 41). Liestal: Verlag des Kantons Basel-Landschaft 1992. 440 S., zahlreiche Abb. Geb.

Die bei Werner Meyer in Basel entstandene Dissertation, die in opulenter Aufmachung gedruckt wurde, macht mit einer bemerkenswerten Quelle bekannt: dem Familienbuch der Herren von Eptingen. Die reich illustrierte Haupthandschrift aus dem Jahr 1621 befindet sich in Schweizer Privatbesitz; sie scheint die Vorlage der drei weiteren bekannten frühneuzeitlichen Abschriften gewesen zu sein. Man wird der Autorin dankbar sein müssen, daß sie einen bislang kaum bekannten "Schatz" gehoben hat, der unsere Kenntnis der spätmittelalterlichen Adelskultur in willkommener Weise erweitert. Gleichwohl weist die Arbeit erhebliche Schwächen auf. Bereits die Vorstellung der Handschrift als Überlieferungseinheit ist nicht geglückt: zwar wird der Text fast zu akribisch genau wiedergegeben, doch fehlen entsprechende Informationen für die Bilder, bei denen es sich meist um Wappendarstellungen handelt. Der ausführliche Bildteil (S. 127-160) ist unvollständig. Vor allem vermißt man die S. 36 erwähnte Zeichnung des Jerusalemer Heiligen Grabes auf fol. 110r. Nicht hinreichend deutlich wird der Charakter des Familienbuches als "Wappenbuch": alle Wappen, die nicht farbig reproduziert werden konnten, hätten blasoniert werden müssen. An welcher Stelle der Handschrift sich welche Wappen befinden, kann der Leser oft nur raten. Auch Interpretation und Kommentierung des Textes lassen viel zu wünschen übrig - was hier nicht im einzelnen belegt werden kann.

Die entscheidende Frage ist der Autorin durchaus bewußt: was ist der zu erschließenden spätmittelalterlichen Vorlage entnommen und welche Bestandteile sind vom Redaktor am Anfang des 17. Jahrhunderts hinzugefügt worden? Die Autorin entscheidet sich dafür, die meisten Texte Hans Bernhard von Eptingen (+1484) und seinem Bruder Ludwig zuzuschreiben (S. 57f.). Man muß jedoch ernsthaft mit der Möglichkeit rechnen, daß der spätere Redaktor allgemein verbreitete spätmittelalterliche Texte, die nicht von den beiden Eptingern stammen, diesen in den Mund gelegt hat. In jedem Fall ist der - auch in der Herrschaftsarchitektur der frühen Neuzeit beobachtbare - gezielte Rückgriff auf die mittelalterliche Tradition bezeichnend, und man wird der Autorin nicht widersprechen wollen, wenn sie das Familienbuch ein "konservatives Dokument" nennt, das "den Willen zur Bewahrung des Bewährten" spiegele (S. 125).

Das Familienbuch setzt mit Wappenreihen (Ternionen und Quaternionen) und Notizen über die Habsburger ein (S. 164-177). Es folgt die Ursprungsüberlieferung, das "Herkommen" der Eptinger, die sich von den Söhnen Catilinas ableiteten (S. 178-187). Dabei handelt es sich um eine aufschlußreiche historiographische Fiktion, die noch näherer Untersuchung bedarf. Eine kurze Ritterlehre (S. 189-192) und antiquarische Notizen über Familienmitglieder (S. 193-197) schließen sich an. Als Haupttext der Handschrift kann die ausführliche Beschreibung der Pilgerfahrt Hans Bernhards von Eptingen im Jahr 1460 gelten (S. 199-304), die bereits von August Bernoulli ediert wurde. Der folgende Text über die Burgunderkriege 1475/77 geht auf Aufzeichnungen Ludwigs von Eptingen zurück (S. 305-308), während die Beschreibung des Sieges bei Rhodos über die Türken 1480 wohl einer gedruckten Quelle des 16. Jahrhunderts entnommen wurde. Eine Abhandlung über die adelige Jagd (S. 321-330) nennt wieder Ludwig von Eptingen als Verfasser.

Besonders hervorzuheben sind die mit zahlreichen Wappen illustrierten ausführlichen Mitteilungen über Turniere und Turniergesellschaften (S. 321-390, 405-408), die teilweise sonst unbekanntes Material enthalten. So überliefern die foll. 168v-178v (S. 342-344) die Namen und Wappen der Mitglieder der Gesellschaft vom Falken und vom Fisch nach einem "Turnierblatt", das von einem Überlinger Maler für 40 Gulden gefertigt und von einem Herold wegen des in Ehingen 1481 anberaumten Turniers umhergetragen wurde. Für 1482 bezeugt die Innsbrucker Überlieferung tatsächlich den Plan eines Turniers in Ehingen (vgl. Franz Michael Weber, Ehingen, 1955, S. 129).

Die zwischen die Turnierberichte eingeschobene Beschreibung der Krönung Maximilians 1486 (S. 391-404) stammt dagegen aus einem zeitgenössischen Druck. Eine alphabetische Auflistung der in diesem Text und den Turnier-Verzeichnissen genannten Namen ohne Seitenzahlen und Identifizierung bietet der "Index" (S. 429-440). Den Schluß der Handschrift bilden familiengeschichtliche Notizen (S. 409-420), die frühestens in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts verfaßt worden sein können, und der Schreibervermerk eines Franziskanermönchs Hans Sigmund Veitler von 1621 (fol. 257r).

Es wird noch viel Kleinarbeit vonnöten sein, bis die Texte des Eptinger Familienbuchs, einer faszinierenden Quelle, als hinlänglich erschlossen gelten können. Immerhin: ein Anfang ist gemacht.

Klaus Graf

Druckfassung erschienen in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 143 (1995), S. 609-610