Hexe oder Hausfrau. Das Bild der Frau in der Geschichte Vorarlbergs. Hrsg. von Alois Niederstätter und Wolfgang Scheffknecht. Sigmaringendorf: regio Verlag Glock und Lutz 1991. 198 S. mit 12 Abb. Geb.

Der Sammelband mit neun Beiträgen zu einer sozialgeschichtlich orientierten "Frauengeschichte" ist das Resultat einer von der Volkshochschule Bregenz veranstalteten Vortragsreihe. Reinhold Bichler, Zur Rolle der Frau im Frühchristentum (S. 9-25) informiert allgemein anhand repräsentativer Textstellen aus dem Neuen Testament über die nicht zu unterschätzende Wirksamkeit von Frauen bei der Ausbreitung des Christentums. Alois Niederstätter, Frauenleben im vorindustriellen Vorarlberg: Beiträge zur regionalen Sozialgeschichte im Mittelalter und in der frühen Neuzeit (S. 26-56) gibt einen weitgespannten Überblick zur Rolle der Frau im frühen Mittelalter, im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, wobei auch die demographischen Verhältnisse herangezogen werden. Angesichts des geringen Interesses, das die Fragestellung bislang bei der regionalen Geschichtsforschung gefunden hat, kann es sich, wie Niederstätter selbst einräumt, nur um eine "erste, knappe Bestandsaufnahme" handeln (S. 26). Manfred Tschaikner, "Also schlecht ist das Weib von Natur ...": Grundsätzliches zur Rolle der Frau in den Vorarlberger Hexenverfolgungen (S. 57-75) beklagt zurecht verbreitete feministische Vorurteile über die Hexenverfolgungen. Zu den Vorarlberger Prozessen, die um 1600 ihren Höhepunkt erlebten, erfährt man dagegen kaum etwas. Immerhin kann Tschaikner auf seine Innsbrucker Dissertation "Die frühneuzeitlichen Hexenverfolgungen in den österreichischen Herrschaften vor dem Arlberg" von 1991 und weitere Aufsätze zum Thema verweisen. Wolfgang Scheffknechts Beitrag zur historischen Armuts- und Kriminalitätsforschung ("Arme Weiber": Bemerkungen zur Rolle der Frau in den Unterschichten und vagierenden Randgruppen der frühneuzeitlichen Gesellschaft, S. 77-109) wertet Vorarlberger Kriminalakten des 17. und 18. Jahrhunderts aus und kommt unter anderem zu dem Ergebnis, daß in der Gesellschaft der Fahrenden keine grundsätzlich anderen Formen des Zusammenlebens der Geschlechter feststellbar sind als in der etablierten. Karl Heinz Burmeister, Die rechtliche und soziale Stellung der Frau im Zeitalter der Aufklärung in Vorarlberg (S. 110-131) macht darauf aufmerksam, daß in dieser Epoche erstmals die Frauenproblematik erkannt und diskutiert wurde. Allerdings kam man über Teilerfolge nicht hinaus. Arno Fitz, Die Frau als Motor der Vorarlberger Frühindustrialisierung (S. 132-144) widmet sich dem Aufbrechen des hauswirtschaftlichen Systems durch die heimindustrielle Tätigkeit der Frauen im Textilgewerbe und kann sich dabei auf eine 1985 vorgelegte Monographie "Die Frühindustrialisierung Vorarlbergs und ihre Auswirkungen auf die Familienstruktur" stützen. Ulrike Ebenhoch, "Frauenehre, Frauenwürde und gute alte Vorarlberger Sitte hochzuhalten ...": Die Stellung der Frauen in Vorarlberg von 1914 bis 1933 (S. 145-161) skizziert vor allem anhand der Tagespresse die Diskussion über die Emanzipation der Frau. Meinrad Pichler, Selbstverwirklichung im Dienst an anderen: Anmerkungen zu Leben und Werk der Sozialarbeiterin Agathe Fessler (1870-1941) (S. 162-177) erinnert an die "Begründerin der modernen Sozialarbeit in Vorarlberg" (S. 175), die 1905 in Bregenz unter dem Namen "Marienheim" eine Auffangstelle für stellenlose Dienstmädchen und Fabrikarbeiterinnen errichtete. Ein poetischer Streifzug von Ulrike Längle, Die Frau am See: Eine literarisch-historisch-musikalische Reise um den Bodensee (S. 178-198) beschließt den Vorstoß in eine "terra incognita" (S. 7). Bedauerlicherweise ist dem Band kein Register beigegeben.

Klaus Graf

Druckfassung erschienen in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 140 (1992), S. 516