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Ulrich Goerdten
Wissenschaftliche Zeitschriften als E-Journals
Eine Zustandsbeschreibung

Derzeit ist nur erst ein kleiner Teil (vermutlich 10%) der weltweit produzierten Periodika in die elektronische Form überführt worden.1) Seit 1997 wächst die Zahl der Online-Zeitschriften jedoch mit zunehmender Geschwindigkeit, weil immer mehr Verlage dazu übergehen, der Papierausgabe die elektronische Publikation an die Seite zu stellen. Das elektronische Publizieren greift tief in die herkömmlichen Strukturen der wissenschaftlichen Kommunikation ein.2) Über das Thema wird denn auch in den drei betroffenen Bereichen, in den Bibliotheken, bei den Verlagen und in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit heftig diskutiert. Spezialbibliographien,3) elektronische Diskussionsforen4) und eine Zeitschrift,5) die ausschließlich Beiträge zum Thema electronic publishing enthält, zeugen von der Mannigfaltigkeit dieses Meinungsaustausches.

Bibliotheken

Für die Bibliotheken ist es nicht leicht, praktikable Lösungen für die anstehenden Probleme zu finden.6) Jedes Jahr steigen die Kosten für Abonnements von Print-Zeitschriften um bis zu 15% an.7) Um die Preissteigerungen (bei meist kontinuierlich sinkenden Etats) aufzufangen und die Zahl der Zeitschriftenabonnements halten zu können, werden Zeitschriften abbestellt oder es werden Einschnitte in anderen Erwerbungsbereichen, etwa beim Monographienkauf, vorgenommen. Zeitschriftenabbestellungen wirken aber preistreibend: die Verlage müssen bei sinkendem Absatz die Preise heraufsetzen, was die Bibliotheken zu weiteren Abbestellungen zwingt. Hinzu kommen für die Bibliotheken Speicherungs-Probleme. Die gebundenen Zeitschriften beanspruchen alljährlich viele neue Regalmeter Stellplatz. Es werden aber keine neuen Magazine gebaut. Allenfalls werden die älteren Jahrgänge der schnellen Benutzung entzogen und in abgelegenen Speichermagazinen untergebracht. Bei all diesen mißlichen Gegebenheiten erschien die Möglichkeit, Zeitschriften in elektronischer Form beziehen zu können, verlockend, solange dabei Aussicht auf Einsparungen (oder auch nur auf das "Einfrieren" der Kosten) bestand.

Verlage und Agenturen

Die Hauptmasse der Zeitschriften wird jedoch in kommerziellen Verlagen produziert, die ihre Investitions- und Betriebskosten auch bei den elektronischen Publikationen über den Verkauf wieder hereinbekommen müssen. Dabei werden die unterschiedlichsten Finanzierungsmodelle in Betracht gezogen, bis hin zu dem Vorschlag, die Produktionskosten auf die Verfasser der Zeitschriftenbeiträge abzuwälzen.8) Bei fast allen Zeitschriftenproduzenten kann die elektronische Zeitschrift nur zusätzlich zur Printversion bezogen werden. Rein elektronisch erscheinende Zeitschriften gibt es bisher nur in geringer Menge, vermutlich liegt die Zahl der für Wissenschaftler interessanten Titel bei etwa 100.9) (Viele der kostenlos zugänglichen Online-Zeitschriften bieten nur wenig wissenschaftliche Fachinformation.) Der Preis für das Gesamtabonnement beider Versionen liegt in der Regel um etwa 10 bis 30 Prozent höher als bei alleinigem Bezug der Papier-Version. So werden gerade die innovationsfreudigen Bibliotheken, die ihrer Benutzerschaft elektronischen Komfort bieten möchten, mit noch stärker anwachsenden Kosten konfrontiert. Wer der neuen Informationstechnologie ohnehin mit Vorbehalten begegnet, kann hier sein Argumentations-Arsenal leicht auffüllen.10)

Konsortien

Für die Verlage sind die Probleme nicht minder gravierend.11) Auf dem hindernisreichen Wege zur elektronischen Bibliothek bewegen sich hierzulande die beiden Partner, Verlage und Bibliotheken, auf noch ungebahnten Pfaden. Es hat manchmal den Anschein, als wollten beide Seiten erst einmal die Schmerzgrenzen der künftigen Vertragspartner erkunden, ehe sie gedeihlichere Formen der Zusammenarbeit auszuprobieren bereit sind. Leistungen und Preise, Regelungen für die Fernleihe, dauerhafte Archivierung und Zugänglichkeit sowie Bezugsformen (Kauf oder Lizenz) stehen zur Diskussion. In Deutschland sind die Bibliotheken dabei, sich zu regionalen Konsortien zusammenzuschließen, die in den Verhandlungen mit Anbietern als ein potentieller Vertragspartner auftreten. Konsortien entstehen derzeit in Baden-Württemberg, Berlin/Brandenburg, beim "Gemeinsamen Bibliotheksverbund" (GBV),12) in Hessen und Sachsen.13) Die nordrhein-westfälischen Bibliotheken haben 1997 einen Konsortialvertrag mit Elsevier abgeschlossen,14) der den Zugriff auf die mehr als 1000 Elsevier-Zeitschriften ermöglicht. In den USA und Großbritannien gibt es schon Erfahrungen aus derartigen Vertragsverhandlungen, die offenbar zu beiderseits befriedigenden Ergebnissen geführt haben, wie den Berichten darüber zu entnehmen ist.15) Es gibt auch überregionale und internationale Kontakte, die den Zusammenschluß aller betroffenen Bibliotheken und nationalen Konsortien zum Ziel haben.16)

Vom Nutzen der E-Jounals

Die Nutzer der Bibliotheken kämpfen zumeist mit Leidenschaft um die Erhaltung der Print-Zeitschriften. Sie möchten den vertrauten Umgang mit raschelndem Papier nicht missen und weiterhin auf dem Weg zur Arbeitsstätte oder in anderen leeren Zeiträumen sich dem Studium der Zeitschriftenhefte widmen können. Die Argumente für das Bewahren des Gedruckten werden aber zumeist ohne Kenntnis der Vorzüge elektronischer Medien vorgebracht. Es scheint noch weithin unbekannt zu sein, daß die Nutzungsmöglichkeiten bei elektronischen Zeitschriften weitaus komfortabler sind als bei den Printausgaben. Es ist der "elektronische Zusatznutzen", der die Sache interessant macht. Die Dokumente stehen nicht mehr isoliert für sich, sie sind durch Hyperlinks mit anderen verknüpft, die ähnliche oder weiterführende Informationen bieten: Rezensionen, Repliken, Artikel zum gleichen Sujet, bio- und bibliographische Zusätze, Zitierungen in anderen Zusammenhängen usw., die sich mit einem Mausklick eröffnen lassen. Die Inhaltserschließung erfolgt über Suchmaschinen, die auch größere Areale als die aktuell "gelesene" Zeitschrift durchmustern können.17) Das sind Vorzüge, die keine konventionelle Zeitschrift bieten kann.

Natur- und Geisteswissenschaften

Naturwissenschaftler scheinen die elektronischen Zeitschriften eher ohne größere Vorbehalte zu akzeptieren. Sie waren auch die ersten, die aus Unzufriedenheit über den schwerfälligen Publikationsapparat herkömmlicher Zeitschriften nach neuen Verbreitungsmitteln für ihre Forschungsergebnisse suchten.18) Vor der Prüfung durch kompetente Fachwissenschaftler ("peer reviewing") und vor der eigentlichen Veröffentlichung werden heute üblicherweise die künftigen Zeitschriftenbeiträge als elektronische Preprints der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dieses Verfahren ist mittlerweile so verbreitet, daß es eine Vielzahl von speziellen Preprint-Servern gibt, die den Zugang zu dieser Dokumentenart vermitteln.19)

Die Geisteswissenschaften, speziell die Philologien, sind sehr viel zurückhaltender. Dafür gibt es zwei Gründe: das Angebot ist schwach mit einschlägigen Titeln bestückt, und die älteren Jahrgänge der Zeitschriften, die hier, anders als in den Naturwissenschaften, nicht veralten, stehen nicht in elektronischer Form zur Verfügung. Bei den meisten geisteswissenschaftlichen Titeln, die dennoch in größerer Zahl in den Listen elektronischer Zeitschriften auftauchen, handelt es sich jedoch zumeist um eine Art von Minimalangebot, das nur Angaben über Titel, Herausgeber, Themengebiete, Erscheinungsfrequenz und Abonnementsbedingungen angibt. Einige Verlage bieten immerhin schon die Inhaltsverzeichnisse der letzten Jahrgänge ihrer Zeitschriften an. Betrachtet man etwa in Alan Ngs "Internet Resources for Germanists"die Liste germanistischer Fachzeitschriften,20) die beachtliche 83 Titel auf den Bildschirm bringt, so findet man nur bei 13 Titeln den Vermerk: "online texts", bei den übrigen bekommt man nur die oben beschriebenen Minimalinformationen. Falls die Inhaltsverzeichnisse der letzten Jahrgänge mitgeliefert werden, kann nur der den Inhalt der Beiträge betrachten, der über ein Password verfügt. Ähnlich verhält es sich bei der "Journals & Zines"-Sammlung von "Voice of the Shuttle", die 265 Zeitschriften aufführt.

Project Muse

Eine Ausnahmeerscheinung ist das Project Muse der Johns Hopkins University, das 46 Zeitschriften aus den Gebieten Geistes- und Sozialwissenschaften und Mathematik in elektronischer Volltextform anbietet. Die Muse-Zeitschriften können allerdings nur von wissenschaftlichen Institutionen und deren Bibliotheken gegen Bezahlung bezogen werden. Der Preis soll 10% unter dem der jeweiligen Printausgabe einer Zeitschrift liegen. Bei Bezug beider Formen kostet das Abonnement 30% mehr als die Print-Version. Es gibt dann allerdings nur die Hefte des laufenden Jahrganges einer Zeitschrift sowie drei oder vier rückwärtige Jahrgänge. Zum Kennenlernen bietet Muse den kostenlosen Zugriff auf ein frei wählbares Einzelheft einer Zeitschrift.21) Kostenlos zugänglich für alle Interessenten sind auch die Inhaltsverzeichnisse der Zeitschriften sowie die Möglichkeit, per Suchmaschine in den Inhaltsverzeichnissen und im gesamten Textangebot zu recherchieren. Trotz seiner besonderen Ausrichtung auf angloamerikanische Abnehmer bietet das Project Muse auch dem Germanisten Attraktives, wie die folgende Zusammenstellung relevanter Titel zeigen mag:

American Journal of Philology (Besteht seit 1880, ursprünglich nur mit Klassischer Philologie befaßt, heute mit interdisziplinärem Themenspektrum.)

Configurations (Dient der Erforschung der Beziehungen zwischen Literatur und Künsten einerseits, Naturwissenschaften und Technik andererseits.)

Diacritics ("Literary Criticism".)

English Literary History (Seit 1930. Englische und Amerikanische Literatur, Theorie und Geschichte.)

Literature and Medicine (Medizin und Geisteswissenschaften.)

Modern Fiction Studies (Zeitgenössische Literatur und ihre theoretischen Implikationen.)

Modern Language Notes (Die fünf Hefte eines Jahrganges sind fünf Forschungsbereichen gewidmet, der italienischen, spanischen, deutschen, französischen Literatur und der Vergleichenden Literaturwissenschaft.)

New Literary History (Literaturtheorie und Interpretation.)

Philosophy and Literature (Ästhetik, Literaturtheorie, philosopische Literaturtheorie und kritische Beiträge zu den Erscheinungen des modernen kulturellen Lebens.)

Postmodern Culture (Erscheint seit 1990 als eine der ältesten reinen Online-Zeitschriften.)

Springer Verlag Heidelberg

Zum Vergleich: im Angebot des Springer Verlags, Heidelberg, gehören von 140 wissenschaftlichen Volltextzeitschriften nur 13 zur Literaturwissenschaft und Linguistik, weitere 18 zu anderen Geisteswissenschaften (Philosophie, Religionswissenschaft, Geschichte und Kunst). Die meisten Titel stammen aus den Gebieten Medizin, Physik, Chemie. Die folgenden Titel sind für Literaturwissenschaftler und Linguisten relevant :

American Journal of Philology (Auch bei Muse!)

English Literary History (Auch bei Muse!)

Journal of Sociolinguistics

Linguistics Abstracts

Milton Quarterly

Modern Fiction Studies (Auch bei Muse!)

Modern Language Notes (Auch bei Muse!)

Modernism/Modernity

Literature and Medicine (Auch bei Muse!)

New Literary History (Auch bei Muse!)

Nineteenth Century Literature

Studia Linguistica

Yale Journal of Criticism

Auch hier kann kostenlos recherchiert werden, vom Zeitschriftentitel über das Inhaltsverzeichnis bis zum Abstract. An diesem Punkte gespanntester Neugier bricht die Kette der Verlockungen aber ab: die Texte begehrter Artikel gibt es nur gegen Bezahlung für Inhaber eines Passwords. Man kann sie sich freilich auch durch einen (meist kostenpflichtigen) Dokumenten-Lieferdienst beschaffen lassen.

Elsevier

Eindrucksvoller sind freilich die 1100 Zeitschriften, die bei Elseviers "ScienceDirect" ab 1995 erschlossen sind. Für eine kurze Prüfung der Leistungsfähigkeit der Datenbank empfiehlt es sich, die Hilfe der Suchmaschine in Anspruch zu nehmen. Hier ergab die Suche nach "linguistics" 287 Treffer, nach "linguistics and literature" 17 Treffer, nach "intertextuality" 4 Treffer, nach "whorf" 2 Treffer, die um weitere zwei durch die Frage nach "whorfian" vermehrt wurden. Der direkte Zugang zu den Dokumenten selbst steht freilich wieder nur Angehörigen von Institutionen offen, die mit Elsevier einen Vertrag zur Nutzung von ScienceDirect abgeschlossen haben, was bei allen wissenschaftlichen Bibliotheken Nordrhein-Westfalens der Fall ist.

Der Karlsruher Zeitschrifteninhaltsdienst (ZID)

Erheblich weiter entwickelt ist der Service, den der Zeitschrifteninhaltsdienst 1994-1997 (ZID) der Universität Karlsruhe bietet. Diese Datenbank enthält die Inhaltsverzeichnisse von 15000 Zeitschriften. "Das System ermöglicht, nach dem Titel einer Zeitschrift, nach Stichworten aus Artikeln oder nach Aufsätzen eines bestimmten Autors zu suchen, den Inhalt einzelner Hefte durchzusuchen und den Standort der gewünschten Zeitschrift zu ermitteln."22) Ferner besteht die Möglichkeit, eine persönliche Zeitschriftenliste anzulegen und gezielt nur die Inhaltsverzeichnisse von Zeitschriften auszuwerten, die zum eigenen Interessenprofil gehören. Ein lokaler Aufsatzlieferdienst beschafft bei Bedarf die gewünschten Aufsätze. Das alles gilt freilich nur innerhalb des lokalen Systems der Universität Karlsruhe. Von außen kann darauf nicht zugegriffen werden.

Die Möglichkeiten der Benutzung elektronischer Zeitschriften können hier nur beispielhaft und ausschnittweise vorgestellt werden. Auf die Angebote, die weitere Verlage und Lieferanten wie zum Beispiel Academic Press, EBSCO, Highwire, Swets und Wiley23) bereithalten, sei hier nur pauschal verwiesen.

Altbestände

Während die Lieferung und Archivierung des Neuesten und Aktuellsten bis zur Grenze der Leistungsmöglichkeiten betrieben wird, ist bei den meisten Anbietern die Form der dauerhaften Archivierung älterer Zeitschriftenjahrgänge noch ungeklärt. Sollen zurückliegende Jahrgänge beim Anbieter oder beim Abnehmer gespeichert werden? Wie weit rückwärts soll die Archivierung gehen? Bis in die prädigitalen oder gar bis in die präelektrischen Zeiten? Oftmals sind es ja gerade die älteren Zeitschriften mit löcherigen und zerklüfteten Beständen, die das besondere Interesse der Literaturwissenschaftler auf sich ziehen. Eine ähnlich perfekte Erschließung und Bereitstellung, wie sie beim Aktuellen angestrebt und teilweise schon erreicht wird, ist für die Zeitschriften-Altbestände vorerst nicht zu erwarten. Erst wenn die laufenden retrospektiven Digitalisierungsprojekte24) in anderen Bereichen genügend Erfahrungen erbracht haben, wird man die Möglichkeit der Digitalisierung älterer Zeitschriftenbestände auch hierzulande erwägen.

Journal Storage (JSTOR)

Anderwärts ist man da schon auf erfolgversprechenden Wegen. Um Platz in überfüllten Bibliotheksmagazinen zu gewinnen, faßte William G. Brown, Präsident der Mellon Foundation, den Plan, den Altbestand an Papierzeitschriften ins Elektronische zu transferieren und gleichzeitig den oft mühsam zu erschließenden Zeitschrifteninhalt zugänglicher zu machen. In der Pilotphase dieses Projekts wurden an der Princeton University und an der University of Michigan annähernd 750.000 Papierseiten in image files verwandelt und mit OCR-Sofware (Optical Character Recognition) bildschirmlesbar gemacht. Durch neu erarbeitete Inhaltsverzeichnisse wurde das Material für die elektronische Bearbeitung durch Suchmaschinen präpariert. Die Ergebnisse des Unternehmens stießen auf breite Zustimmung, sie brachten nicht nur die Verheißung des Platzsparens in den Bibliotheksmagazinen, sie eröffneten auch ganz neue Arbeitsmöglichkeiten und Forschungsbereiche für die Wissenschaftler. Aus dem gesponserten Pilotprojekt entstand 1995 eine unabhängige non-profit-Unternehmung mit dem Namen JSTOR (Journal Storage), die sich selbst unterhalten sollte. Heute steht dem JSTOR-Benutzer der Altbestand von 56 "Humanities"-Zeitschriften zur Verfügung, die zu folgenden Fachgebieten gehören: Anthropologie, Asian Studies, Ecology, Economics, Education, Finance, History (9 Zeitschriften), Mathematics, Philosophy, Political Science, Population Studies und Sociology. Noch fehlen "Language and Literature", aber unter den "Titels in Progress" befinden sich die Jahrgänge 1934-1994 der "English Literary History", die Jahrgänge 1962-1994 der "Modern Language Notes" und die Jahrgänge 1950-1991 des "Shakespeare Quarterly". Die Preise für den Zugang zu den JSTOR-Zeitschriften sind von der Größe der kaufwilligen Institution abhängig. Große Institutionen (Mehr als 750.000 Dollar Ausgaben jährlich für Zeitschriftenanschaffungen, mehr als 100 Promotionen pro Jahr usw.) zahlen den Maximalpreis, nämlich einmalig 40.000 Dollar oder jährlich 5.000 Dollar; "sehr kleine Institutionen" zahlen entweder einmalig 10.000 Dollar oder jährlich 2.000. Dazwischen liegen die "Medium" und die "Small Institutions". Preisverhandlungen mit Konsortien lehnt JSTOR grundsätzlich ab.

Chadwyck-Healey

Der Verlag Chadwyck-Healey verfolgt ähnliche Ziele wie JSTOR, nur mit anderen Methoden. Hier wird an Indices zur rückwärtigen Erschließung tausender geistes- und sozialwissenschaftlicher Zeitschriften gearbeitet. Der "Periodicals Contents Index" kann in zwei Formen bezogen werden: als "PCI Web Complete" (mit Indexierung der kompletten Zeitschriften vom Beginn des Erscheinens bis 1990/1991) oder als "PCI Web 1960/1961-1990/91". Im Fachgebiet Literatur werden allein 229 Zeitschriften erschlossen. Insgesamt umfaßt der PCI mehr als 8,5 Millionen Artikel in 2.074 Zeitschriften. Ziel des Verlages ist es, einmal 3.500 Zeitschriften und 15 Millionen Einzelartikel anbieten zu können. Wer im Web die Bezugsbedingungen und Preise für den Periodicals Contents Index ermitteln möchte, findet leider keine entsprechenden Informationen. Es gibt einzig einen Hinweis auf den jeweiligen "Chadwyck-Healey representative".

Computerphilologie

Immerhin gibt es auch bei den deutschen Philologen Ansätze und erste Schritte in die neue Richtung. Ein Beispiel ist die Internet-Zeitschrift "Computerphilologie", herausgegeben von Karl Eibl, Volker Deubel und Fotis Jannidis. Sie will "ein Forum für Literaturwissenschaftler bieten, die mit dem PC arbeiten. Zum einen werden hier Beiträge veröffentlicht, in denen die vielfältigen Möglichkeiten, den Computer in der literaturwissenschaftlichen Arbeit einzusetzen, vorgestellt und diskutiert werden. Zum anderen wird das Forum selbst eine Anwendung des Computers in der Literaturwissenschaft sein und als elektronische Informationsbörse dienen." Die "Computerphilologie" bringt themenspezifische Beiträge und Rezensionen, die allerdings als Preprints deklariert werden, weil sie in einem beim Schöningh-Verlag herauskommenden "Jahrbuch für Computerphilologie" in überarbeiteter Form erscheinen sollen. Daneben gibt es einige überaus nützliche Sammlungen von Adressen, Terminen und Informationen. Insbesondere ist auf den "Zeitschriften-Überblick" hinzuweisen, in dem Inhaltsverzeichnisse von 39 germanistischen und komparatistischen Zeitschriften des Zeitraumes 1996 bis 1998 zu finden sind. Will man die ermittelten Artikel allerdings lesen, muß man in altgewohnter Weise die Bibliotheken aufsuchen, um die Zeitschriftenhefte zu benutzen.

Zur Lage

Den gegenwärtigen Gesamtzustand in kurzen Worten zu beschreiben, verbietet sich bei der Fülle unterschiedlicher Aktivitäten und gegensätzlicher Entwicklungen. Das Feld wird beherrscht vom Unfertigen, noch in Aufbau und Entfaltung Befindlichen. Was heute ganz vorn liegt, kann morgen schon überholt sein, und frisch Aufkeimendes kann bald zum Beherrschenden werden. Die Germanistik ist vielleicht gar nicht schlecht beraten, wenn sie ihrem traditionell eher abwartenden Verhalten treu bleibt und erst dann aktiver wird, wenn Vollkommeneres zu haben sein wird. Das entspräche der ehemals herrschenden Haltung gegenüber neuester Literatur: erst wenn nach langem Reinigungsprozeß das Dauerhafte aus dem Zeitgebundenen hervorgestiegen war, dann schien es an der Zeit, an den kanonisch gewordenen Texten den Glanz der Theorie aufleuchten zu lassen. Aber vielleicht trügt dieser Eindruck. Ein genauerer Blick aufs Naheliegende läßt den Berichterstatter durchaus hoffnungsvolle Entwicklungen erkennen: Bei den Romanisten der FU erscheint "PhiN" (Philologie im Netz) vierteljährlich mit wissenschaftlichen Beiträgen, kleinen Mitteilungen und Rezensionen. Von den Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaftlern werden die "Fassungen" herausgebracht, ursprünglich eine "reine" Printzeitschrift, jetzt aber zusätzlich kostenlos auch im Netz erhältlich mit Artikeln zur Literatur, zu Unipolitik, mit Rezensionen und literarischen Beiträgen. Gewiß, das ist erst eine Art Anfang und vergleicht man es mit der Cyberscience der Physiker, Mathematiker und Informationswissenschaftler oder mit der Fülle der literarischen Produktionen in den E-Zines25) und anderen Internet-Adressen, an denen auf anarchische Weise die Hyper-Literatur26) wuchert, so nehmen sich die Bemühungen der Literaturwissenschaftler doch eher bescheiden aus. Vielleicht ist dies aber auch nur ein Zeichen realistischer Gesinnung, bewußter Beschränkung auf Wesentliches, das oft vernachlässigt wurde? Vielleicht blinkt ja hier ein Lichtstreif am Horizont, der darauf hindeutet, daß die Philologen, statt sich vorzeitig auf der Datenautobahn zu tummeln, sich erst einmal ihrer eigensten Aufgaben annehmen, indem sie ihre Arbeitskraft der Edition verläßlicher Textausgaben und der Erzeugung von bibliographischen Grundlagenarbeiten widmen.

1) Eine annähernd vollständige Liste aller elektronischen Zeitschriften bietet New Jour: http://gort.ucsd.edu/newjour/. Eine Sammlung von 22 Listen elektronischer Zeitschriften mit unterschiedlichen Schwerpunkten und wechselnder Vollständigkeit bietet die Colorado Alliance of Research Libraries: http://horus.coalliance.org/other.html. Eine weitere Zusammenstellung der University of Houston Libraries: sowie die Liste eines Verbundes großer Universitätsbibliotheken der USA: http://ejournals.cic.net/.

2) Grundlegende Informationen und Literaturhinweise auch in Heinrich C. Kuhns Informationsseite vom April 1997: "betr.: eJournals": http://www.gwdg.de/~hkuhn1/ejourn.html#Allgemeines

3) Zwei Beispiele: Scholarly Electronic Publishing Bibliography: http://info.lib.uh.edu/sepb/sepb.html und Electronic Serials and Related Topics: A Brief Bibliography: http://www.ix.de/ix/raven/Literature/Journals/ElJournals.html#EJ9

4) Zum Beispiel: Serialist Scope & Purpose: http://uvm.edu/~maclenn/serialist.html und NewJour, Electronic Journals & Newsletters: http://gort.ucsd.edu/newjour/NewJourWel.html und im "scholarly communications project" About Electronic Journals: http://scholar.lib.vt.edu/about/aboutejs.html

5) The Journal of Electronic Publishing: http://www.press.umich.edu/jep/

6) Für die Universitätsbibliothek der HU Berlin beschreibt Norbert Martin den Stand der Dinge im ersten Halbjahr 1998: http://www.hu-berlin.de/inside/rz/rzmit/rzm14/rzm14_11.html. Derselbe Text in leicht abgeänderter Fassung auch unter der URL: http://h-net2.msu.edu/~soz-u-kult/hptext_e/jour_e.htm

7) "Der Durchschnittspreis eines Abonnementsjahrganges wissenschaftlicher Zeitschriften an der mathematischen Fachbereichsbibliothek der Universität Bielefeld lag 1980 bei DM 224 und im Jahre 1995 bei DM 940. Dies entspricht einer Steigerung von 319% in 14 Jahren." Grötschel, Martin und Joachim Lügger: Neueste Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnik und ihre Auswirkungen auf den Wissenschaftsbetrieb: http://elib.zib.de:88/edu/gib/komplett.html

8) Tatsächlich soll es schon Zeitschriften geben, bei denen der publikationswillige Wissenschaftler 1000 Dollar erlegen muß, wenn er sein Opus verröffentlicht sehen will. Vgl. Rusch-Feja, Diann und Uta Siebeky: Wege in die Zukunft - Elektronische Zeitschriften II. Workshop in Berlin. In: BIBLIOTHEKSDIENST 32 (1998), S. 712-723. Im Internet unter: http://www.dbi-berlin.de/dbi_pub/bd_art/98_04_06.htm. Auf S. 716 ist die Rede von einem neuen Finanzierungsmodell nach dem Verursacherprinzip. "Es besagt, daß diejenigen, die veröffentlichen wollen, auch die Produktionskosten tragen sollten, so daß die wissenschaftlichen Ergebnisse für alle Leser frei zugänglich wären."

9) Entsprechende Listen: http://www.edoc.com/ejournal/ und http://www.iscm.ulst.ac.uk/~george/subjects/ejs_peer.html

10) Vgl. Jochum, Uwe und Gerhard Wagner: Cyberscience oder vom Nutzen und Nachteil der neuen Informationstechnologie für die Wissenschaft. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 43 (1996), S. 579-593. Vgl. auch Sosteric, Mike: Electronic Journals: The Grand Information Future? http://www.sociology.org/vol002.002/Sosteric.article.1996.html

11) Vgl. die umfangreichen Bemühungen amerikanischer Verlage, die "unterschiedlichen Verhaltensmuster wissenschaftlicher Aktivitäten bei Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften" zu ermitteln und daraus Schlüsse für die Gestaltung der Angebote zu ziehen, die beim Projekt "SuperJournal" immerhin zu dem wenig erstaunlichen Ergebnis geführt haben, daß Natur- und Geisteswissenschaftler unterschiedliche Erwartungen und abweichende Verhaltensweisen gegenüber wissenschaftlichen Zeitschriften haben.

12) Verbund der Bibliotheken von Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen.

13) Vgl.: Reinhardt, Werner: Konsortialvertäge: Ein Weg zur digitalen Bibliothek? Ein Bericht zum gegenwärtigen Stand in Deutschland. In: Bibliotheksdienst 32 (1998), S. 887-895. Im Internet unter: http://www.dbi-berlin.de/dbi_pub/bd_art/98_05_08.htm

14) Vgl. Niggemann, Elisabeth und Werner Reinhardt: 1000 Zeitschriften im Volltext elektronisch verfügbar. NRW-Bibliotheken und Elsevier: ein Konsortialvertrag. In: Bibliotheksdienst 31 (1997), S. 2147-2150. Im Internet unter: http://www.dbi-berlin.de/dbi_pub/bd_art/97_11_05.htm

15) Statement of Current Perspective and Preferred Practices for the Selection and Purchase of Electronic Information. Vgl. auch Elmar Mittler: International Coalition of Library Consortia (ICLOC). Auswahl und Kauf elektronischer Information. In: Bibliotheksdienst 32 (1998), S. 383-387 und Mächler, Marco/Keller, Alice: United Kingdom Serials Group (UKSG). 21th Annual Conference. In: Bibliotheksdienst 32 (1998), S. 1034-1039. Im Internet unter: http://www.dbi-berlin.de/dbi-pub/bd_art/98_06_01.htm

16) Vgl. Mittler (wie Anm. 15).

17) Die Möglichkeiten mit entwickelteren Formen der Hyperlink-Technik zu operieren beschreiben die Autoren Hitchcock, Queck, Carr, Hall, Witbrock und Tarr von der Multimedia Research Group, Department of Electronics and Computer Science, Univ. of Southampton, UK, in ihrem Beitrag: "Linking Everything to Everything: Journal Publishing Myth or Reality?" http://journals.ecs.soton.ac.uk/IFIP-ICCC97.html

18) Vgl. Grötschel/Lügger: Neueste Enwicklungen (wie Anm. 7): "Heute treten z. B. in der Mathematik beklemmend hohe Ablehnungsraten (bis zu 80% bei wissenschaftlichen Spitzenzeitschriften) und exorbitant lange Wartezeiten (bis zur Publikation 2 bis 3 Jahre) auf, und das oft nur, weil Zeitschriften aus Kosten- und Marketinggründen die Seitenzahlen beschränken."

19) Als Beispiel sei eine Liste von Preprint-Quellen der Physik angeführt: http://library.wustl.edu/~physics/prepr.htm. Die Universitätsbibliothek Göttingen bietet eine Liste von Preprint-Servern für die Fächer Philosophie, Mathematik, Astronomie und Physik an: http://www.sub.uni-goettingen.de/ebene_1/1_prepri.htm. Vgl. auch "One-Shot World-Wide Preprints Search, International Center for Theoretical Physics" http://www.ictp.trieste.it/indexes/preprints.html

20) http://polyglot.lss.wisc.edu/german/linkrest.htm#zeit

21) Für deutsche Leser bietet sich das letzte Heft (3/98) der Zeitschrift "Modern Language Notes" an: http://muse.jhu.edu/journals/mln/toc/mlnv113.htm#v113. Es enthält überwiegend Beiträge zur deutschen Literatur.

22) Schlegel, Jörg: INFOBASE - die internationale Messe für Information und Kommunikation. Zusammenfassung aus bibliothekarischer Sicht. In: Bibliotheksdienst 32 (1998), S. 1218-1227, hier S. 1222.

23) http//www.wiley.co.uk/ und http://www.interscience.wiley.com/

24) Siehe auch den Abschnitt "Digitale Bibliotheken" im Beitrag "Bibliophilie im Internet" in diesem Sammelband.

25) Vgl. Enno E. Peters Liste von 45 Magazinen: http://user.cs.tu-berlin.de/~nop/magazine.html/litmags.html

26) Den Zugang vermitteln die einschlägigen Linksammlungen von Oliver Gassner: http://www.swbv.uni-konstanz.de/olli/ und Markus Kolbeck: http://www.lipsia.de/~hesse/ sowie den Beitrag von Sabrina Ortmann in diesem Band.


Stand: 25.1.99
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