Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 7(1999) 1/4
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Die wissenschaftlichen Schmetterlingsnamen


99-1/4-480
Die wissenschaftlichen Schmetterlingsnamen : Herleitung und Deutung / von Hans-Arnold Hürter. - Bottrop ; Essen : Pomp, 1998. - 492 S. ; 25 cm. - ISBN 3-89355-176-X : DM 98.00, DM 72.00 (Subskr.-Pr. bis 31.12.98)
[5461]

Auch wenn man bei dem Titel des vorliegenden Werkes und trotz seines Umfangs von fast fünfhundert Seiten nicht davon ausgehen kann, daß damit sämtliche Arten (weltweit immerhin über 150.000) abgedeckt sind, könnte man aber doch erwarten, daß vielleicht die mitteleuropäischen Arten (auch über 3.000) erklärt werden. In der Einleitung verrät uns der Autor aber, daß es sich bei der Bearbeitungsgrundlage um den Bd. 2. Tagfalter des Werkes von Forster/Wohlfahrt[1] in der Ausgabe von 1976 handelt, so daß der Titel eigentlich anders lauten müßte.[2] Nur die darin enthaltenen Familien-, Gattungs-, Art- und Unterartnamen, insgesamt 643, werden erläutert, die aber, und das sei vorab bemerkt, überaus gründlich. Die Tagfalter[3] stellen zudem den geringeren Teil der Schmetterlingsarten, so daß die weitaus größere Gruppe der Nachtfalter im wahrsten Sinne des Wortes im Dunkeln bleibt.

Nach umfangreichen Vor-, Gruß- und Geleitworten - u.a. eines von Frau Umweltministerin Martini aus Rheinland-Pfalz (warum kein Grußwort von der Amtskollegin aus NRW, dem Erscheinungsland des Buches?) und der Einleitung werden zunächst die im Forster/Wohlfahrt vorkommenden Fremdwörter, Fachausdrücke und biologische Begriffe erläutert. Daran anschließend folgt der Hauptteil des Werkes, die Beschreibung der nach Artnummern geordneten Tagfalternamen. Fünf Anhänge, ein Literaturverzeichnis und zwei Namensverzeichnissen, nach Artnummern und alphabetisch, bilden den Abschluß.

Wie ein roter Faden durchzieht das Buch eine Erklärungs- und Verweisungswut ungeahnten Ausmaßes, von der auch Vorwort und Einleitung nicht verschont bleiben. Die Fußnoten werden auf jeder Seite neu gezählt und können schon mal die stolze Zahl von 35 erreichen. Mancher Satz über drei Zeilen gebiert bis zu sechs Fußnoten. Ist es denn wirklich nötig, Begriffe, die jedem halbwegs gebildeten Mitteleuropäer geläufig sein müßten, wie Autor, Doktor, Direktor, Genitiv, Grammatik oder seriös, meist auch noch wiederholt, ausschweifend zu erläutern?[4]

Bei den Schmetterlingsnamen, die sich in der Mehrzahl aus dem Griechischen herleiten, ist eine Übertragung in die lateinische Schrift leider nicht erfolgt, denn der Verfasser ist laut Einleitung der Meinung, daß dies niemandem dienlich wäre, viel Platz beanspruche und die Lesbarkeit des Textes merklich erschweren würde. Der Rezensent hält dies für eine krasse Fehleinschätzung, denn die Zahl der Latinisten dürfte die der Graecisten doch erheblich übersteigen. Und ob man sich die Mühe macht, anhand des Anhanges V[5] - Gegenüberstellung des griechischen und lateinischen Alphabets - zu transliterieren, ist wirklich fraglich.

Die Schmetterlingsnamen selbst sind mehr als erschöpfend behandelt. Beispielsweise erfährt man bei der Familie Pieridae (Weißlinge, zu denen so bekannte Arten wie Zitronenfalter und Kohlweißling gehören), nicht nur viel über die Landschaften Pieria und Emathia, sondern auch über den Fürsten Pierus, den Dichter Orpheus und den Göttervater Zeus, natürlich mit einer Unzahl von Verweisungen auf weitere Götter, Fürsten, Helden usw. Unverständlich ist allerdings, warum die Familiennamen der Tagfalter nicht im Hauptteil enthalten sind, sondern im Kapitel Erklärungen von Fremdwörtern und Fachausdrücken beschrieben werden. Glücklicherweise wird fleißig hin- und herverwiesen.

Der Anhang 1 erläutert Fremdwörter und Fachausdrücke aus Vorwort und Einleitung, mit den bereits oben angeführten Trivialbeispielen, die Anhänge 2 bis 4 enthalten Namenslisten von Töchtern und Söhnen mythologischer Könige nach verschiedenen antiken Schriftstellern. Und man traut seinen Augen nicht, ohne Verweisungen auf die entsprechenden Falternamen, was sich aber gerade hier angeboten hätte. Anhang 5 beinhaltet das bereits erwähnte griechische und lateinische Alphabet.

Das Literaturverzeichnis zählt etwas über 80 Titel - bibliographisch nicht sonderlich korrekt - von denen aber nur 35 % biologischen und/oder lepidepterologischen Inhalts sind. Das Bestimmungsbuch von Schauer/Caspari[6] ist nicht nur falsch zitiert, sondern auch doppelt verzeichnet; mal unter der Reihe, mal unter dem Autor. Und was der Beitrag von Walter Michels[7] mit dem Thema zu tun hat, bleibt rätselhaft.

Das nach Artnummern geordnete Namensverzeichnis erscheint entbehrlich, da ohne die Vorlage von Forster/Wohlfahrt die Nummern nichts aussagen. Das alphabetische Namensverzeichnis hingegen ist wirklich nützlich, denn nur damit kommt man schnell und gezielt zur gewünschten Erläuterung. Ein Namensverzeichnis, das vom deutschen Namen auf den lateinischen verweist, wäre angebracht und wünschenswert.

Fazit: Dieses Werk ist eine Fundgrube griechischer Geschichte und Mythologie, dargestellt am Beispiel der Schmetterlingsnamen und könnte gut als Nachschlagewerk in einer historischen Abteilung stehen. Als biologische Fachpublikation ist es nicht unbedingt zu sehen. Die Akribie, mit der sich der Verfasser über 12 Jahre hinweg dieser Aufgabe verschrieben hat, verdient Bewunderung. Bei dieser mühevollen Arbeit ist leider die Übersichtlichkeit und Klarheit auf der Strecke geblieben. Einiges erscheint, wie bereits erwähnt, entbehrlich, anderes hätte man straffen und besser gliedern können. Der Zwang zur permanenten Erläuterung und Verweisung führt zu unnötigen Wiederholungen und erschwert die Lektüre. Ironischerweise zitiert der Verfasser am Ende der Einleitung aus einem Spätwerk Ovids, was nach seiner Meinung für ihn gelten könnte: " ... so fehlt dem, was ich schrieb, leider das letzte, der Schliff." Dem ist - leider - nichts hinzuzufügen.

Joachim Ringleb


[1]
Die Schmetterlinge Mitteleuropas / von Walter Forster (Text) und Theodor A. Wohlfahrt (Geaederzeichnungen und Tafeln). - Stuttgart : Franckh. - 2. Tagfalter = Diurna (Rhopalocera und Hesperiidae). - 2., verb. und erg. Aufl. - 1976. - XI, 180 S. : zahlr. Ill. (zurück)
[2]
Etwa: Die wissenschaftlichen Namen der Tagfalter Mitteleuropas. (zurück)
[3]
Der Terminus Tagfalter bezeichnet eigentlich nur eine Gruppe tagaktiver Schmetterlinge und wird nicht einheitlich verwendet. (zurück)
[4]
Z.B. Begriff Autor S. 9 und S. 11. verweist jeweils auf Anh. 1, Einl. (zurück)
[5]
Im Inhaltsverzeichnis werden die Anhänge arabisch gezählt, im Text geht der Verf. auf die lateinische Zählung über. (zurück)
[6]
Der große BLV-Pflanzenführer : über 1500 Blütenpflanzen Deutschlands und der Nachbarländer ; [mit Bestimmungsschlüssel nach Blütenfarben] / Thomas Schauer (Text) ; Claus Caspari (Farbzeichnungen). - 7., durchges. Aufl. - München [u.a.] : BLV, 1996. - 463 S. : zahlr. Ill. - ISBN 3-405-12971-0. (zurück)
[7]
Unvergessene Dampfschiffahrt auf Rhein und Donau : historische Dokumentation in Wort und Bild, mit Einzelaufstellung der gesamten dampfbetriebenen Rheinflotte im Jahre 1935, Situationsskizzen, historischen Reedereiflaggen und Abbildungen aller Dampfschifftypen von Rhein, Bodensee uud Donau / Walter Michels. - Darmstadt : Hestra-Verl., 1967. - VIII, 160 S. : Ill., graph. Darst., Kt. (zurück)

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