Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 7(1999) 1/4
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Lexikon des Mittelalters


99-1/4-418
Lexikon des Mittelalters . - Stuttgart ; Weimar : Metzler. - 28 cm. - 1 (1980) - 6 (1993) im Artemis- bzw. Artemis-&-Winkler-Verlag München und Zürich, Bd. 7 (1995) - 9 (1998) im LexMA-Verlag München erschienen
[0791]
9. Werla bis Zypresse, Anhang. - 1998. - VIII S., 1094 Sp. - ISBN 3-89659-909-7 : DM 290.00
Registerband / erarb. von Charlotte Bretscher-Gisiger ... 1999. - 776 Sp. - ISBN 3-476-01688-9 : DM 298.00
99-1/4-419
Lexikon des Mittelalters . - [Studienausg.]. - Stuttgart ; Weimar : Metzler, 1999. - 1 - 9. - 25 cm. - ISBN 3-476-01742-7 : DM 1980.00, DM 1780.00 (Subskr.-Pr. bis 31.01.2000)
[5682]
99-1/4-420
Dictionary of the middle ages / [American Council of Learned Societies]. Joseph R. Strayer, ed. in chief. - New York : Scribner, 1982 - 1989. - Vol. 1 - 13. - Ill., Kt. ; 29 cm. - ISBN 0-684-19073-7 : $ 1670.20
[5247]
99-1/4-421
Dictionnaire encyclopédique du moyen âge / sous la direction de André Vauchez. - Paris : Éditions du Cerf [u.a.]. - 28 cm
[5482]
T. 1. A - K. - 1997. - XXVIII, 858 S. : Ill. - ISBN 3-204-05865-3 : FF 1890.00 (mit T. 2)
T. 2. L - Z. - 1997. - S. 860 - 1692 : Ill. - ISBN 3-204-05866-1 : FF 1890.00 (mit T. 1)

Mit dem Erscheinen eines Registerbandes liegt das Lexikon des Mittelalters (LexMA) seit kurzem abgeschlossen vor.[1] In wenig mehr als zwanzig Jahren (1977 - 1998) wurde damit ein Projekt erfolgreich zu Ende geführt, das mit rund 31.000 Artikeln für sämtliche mediävistischen Disziplinen ebenso wie für jeden am Mittelalter Interessierten eine unentbehrliche Informationsquelle und Orientierungshilfe darstellt. Dieter Bührle kann im Nachwort (am Schluß von Bd. 9) gar auf dreißig Jahre Arbeit am LexMA zurückblicken, denn bereits im Jahr 1969 wurde eine "Redaktion als Zentralorgan für Verpflichtung, Anleitung und Koordination der Fachgelehrten und Betreuer der Fachbereiche" eingesetzt. Was ursprünglich als chronologisch anschließende Fortführung des einbändigen Lexikons der Alten Welt[2] gedacht war, wurde aufgrund der räumlichen Ausdehnung und der viel zahlreicher sprudelnden Quellen des Mittelalters zu einem wesentlich umfangreicheren und längerfristigen Unternehmen. Ihm konnten organisatorische Zäsuren (vom Artemis Verlag zum eigens gegründeten LexMA-Verlag und abschließend zum Stuttgarter Verlag-Metzler) glücklicherweise ebenso wenig anhaben wie die fast unüberschaubare Zahl von weit über 100 beteiligten Fachbereichsbetreuern aus 14 Ländern und rund 3000 Autoren. Die beiden Redaktionen in Zürich und München haben erreicht, daß das LexMA als ausbalanciertes, in sich stimmiges und benutzerfreundliches Nachschlagewerk gelten darf. Zu Recht bezeichnet Bührle im Nachwort die Mitglieder beider Redaktionen als "Baumeister, die das Werk geplant und konstruiert, aufgebaut und ausgeführt haben".

Bei einem so umfangreichen und unterschiedliche Disziplinen umfassenden Lexikon ist es unvermeidlich, daß Wünsche offen bleiben und Spezialisten Stichwörter zu ihrem Fachbereich vermissen; ebenso könnte man auf bisweilen fehlende Verweisungen aufmerksam machen oder Schwerpunkte lieber etwas anders gesetzt sehen. Doch all dies fällt nicht ins Gewicht angesichts der hier versammelten Fülle von Informationen. Die am Ende von Bd. 9 für das Gesamtwerk zusammengestellte Errata-Liste von zweieinhalb Seiten legt in ihrer Kürze Zeugnis von der hohen Qualität der redaktionellen Betreuung des Riesenunternehmens ab. Die Beigabe einer Auswahl übergreifender Sachartikel und die Auflistung der Personen- und Ortsnamen, die zwar kein eigenes Stichwort erhalten haben, aber dennoch in anderem Zusammenhang dargestellt werden konnten, dürfte sich als ebenso sinnvolle Ergänzung und Arbeitshilfe erweisen wie die umfangreichen Regentenlisten und Stammbäume, die sich im selben Bd. 9 finden.

Kritik an Einzelheiten, die angesichts der überwältigenden Gesamtleistung an Mäkelei grenzte, soll hier nicht vorgebracht werden. Stattdessen erscheint es angebracht, das LexMA mit zwei Nachschlagewerken zu vergleichen, die als die führenden Mittelalterlexika im englischen und französischen Sprachraum gelten können. Bald nach dem LexMA, im Jahr 1982, begann das amerikanische Dictionary of the middle ages (DMA) unter Beteiligung von rund 1300 Beiträgern zu erscheinen; es lag bereits 1989 in zwölf Bänden plus Registerband abgeschlossen vor. Im Jahr 1997 schließlich erschien der zweibändige, unter der Leitung von André Vauchez erarbeitete Dictionnaire encyclopédique du moyen âge (DEMA),[3] für den indes gleich im Vorwort betont wird, daß es schon aufgrund seiner "taille restreinte" nicht beabsichtigt sei, zu den beiden weitaus umfangreicheren Lexika aus Amerika und Deutschland in Konkurrenz zu treten. Allen drei Lexika ist gemeinsam, daß sie nicht nur den lateinisch geprägten abendländischen Teil Europas, sondern auch den byzantinischen, slawischen und (mediterran-)islamischen Bereich in angemessener Weise berücksichtigen. Ebenso ist dankbar zu vermerken, daß in allen drei Nachschlagewerken zu fast allen Artikeln weiterführende Literaturhinweise gegeben werden, die zwar auch mit Rücksicht auf die potentiellen Sprachkenntnisse der Benutzer im jeweiligen (deutschen, englischen, französischen) Sprachraum zusammengestellt wurden, die internationale Forschung aber in der Regel dennoch hinlänglich dokumentieren. Im Hinblick auf Internationalität schneidet das LexMA mit seinen bibliographischen Hinweisen im Vergleich zu den beiden anderen Werken am besten ab.

Das LexMA übertrifft auch mit seiner wesentlich größeren Anzahl von Artikeln die beiden anderen hier zum Vergleich herangezogenen Lexika. Dies gilt insbesondere für die Berücksichtigung von mittelalterlichen Personen. So finden sich im LexMA etwa für den bereits im Mittelalter international beliebten Namen Johannes insgesamt 192 Träger dieses Namens unter jeweils eigenem Stichwort behandelt (gegenüber ca. 40 im DMA und 58 im DEMA), und unter dem Namen Thomas stößt man im LexMA auf 63 Einträge (DMA 8, DEMA 11). Ein Vergleich der Einträge zum Namen Ulrich ergibt ein aufschlußreiches Bild: Während im LexMA 26 Personen dieses Namens, darunter zehn volkssprachliche Autoren, aufgeführt sind, finden sich im DEMA nur zwei (St. Ulrich von Augsburg und der Dominikaner Ulrich von Straßburg), im DMA hingegen acht, und zwar ausschließlich bildende Künstler und Dichter! Darin spiegelt sich in gewisser Weise die Wahl von Schwerpunkten wider, denn generell ist im DMA der deutschsprachige und skandinavische Bereich verhältnismäßig ausführlich, im DEMA aber eher schwach berücksichtigt.

In allen drei Lexika findet sich eine Vielzahl von oft ausführlichen Artikeln zu Begriffen aus den Bereichen Philosophie, Theologie, aus Wirtschafts-, Kultur-, Sozial- und Mentalitätsgeschichte. Zum Umfang der Ausführungen zu einzelnen Stichwörtern ist anzumerken, daß diese, soweit sie in allen drei Nachschlagewerken vorkommen, vielfach eine ähnliche Ausführlichkeit aufweisen; allerdings enthält das LexMA eine sehr große Zahl kürzerer Artikel, die in den beiden anderen Lexika nicht zu finden sind.

Von den drei Lexika ist das LexMA am sparsamsten mit Abbildungen (meist Strichzeichnungen) versehen; selbst im Vergleich zum zurückhaltend mit Bild- und Kartenmaterial ausgestatteten Lexikon der Alten Welt ist hier deutlich restriktiver entschieden worden. Geradezu opulent ist dagegen die Zahl und Qualität der Illustrationen im DEMA, deren Auswahl als ausgesprochen glücklich bezeichnet werden darf, da die in den Text eingestreuten Schwarzweißillustrationen in der Regel die Artikel in hervorragender Weise ergänzen. Dies gilt leider nicht in der gleichen Weise für die in exzellenter Qualität gedruckten Farbtafeln, die in vielen Fällen nicht mit den entsprechenden Artikeln verknüpft sind. Eine Mittelstellung nimmt das DMA ein, das jeweils in direkter Nachbarschaft zu den betreffenden Artikeln eine ansehnliche Zahl von Schwarzweißabbildungen und Karten in meist zufriedenstellender Wiedergabequalität umfaßt.

Die bereits erwähnten Beigaben in Bd. 9 des LexMA (übergreifende Sachartikel sowie Orts- und Personennamen, die keinen eigenen Artikel erhalten haben aber anderweitig erwähnt werden) werden durch den eigentlichen Registerband ergänzt. In ihm sind 15 Fachbereiche durch eine Zusammenstellung der betreffenden Stichworte vertreten. Dabei handelt es sich um den islamischen, jüdischen, byzantinischen, russischen, skandinavischen und irischen Bereich; um die französische, italienische, iberische, deutsche und englische Sprache und Literatur sowie um die Spezialgebiete Architektur, Numismatik, Waffenkunde und Medizin/Pharmazie. Die Beschränkung auf gerade diese Fachbereiche wird von den Bearbeitern im kurzen Vorwort zu diesem Band nicht begründet. Leider wurde auf eine weitere Untergliederung der 15 Einzelgebiete verzichtet, die den vergleichbaren, aber weiter gespannten Index im DEMA (classement raisonné) auszeichnet. Die Wiederholung aller im LexMA gegebenen Hauptverweisungen erscheint von geringem Nutzen. Ein knapp 250 Seiten starkes Mitarbeiterverzeichnis dokumentiert unter Angabe von Band- und Spaltenzahl penibel, welche Autoren für welche Artikel bzw. Passagen verantwortlich zeichnen. Diesen Raum hätte man besser komprimiert und für ein Register genutzt, wie es in äußerst informativer und benutzerfreundlicher Weise dem DMA beigegeben wurde. Obwohl zu den meisten Artikeln des DMA direkte Hinweise gegeben werden, unter welchen Stichwörtern ergänzende Informationen zu finden sind, hat man nicht die Mühe gescheut, ein hochdifferenziertes und umfassendes Register zu erstellen. Der Herausgeber des DMA, Joseph R. Strayer, wird zu Beginn des Registerbandes mit den Worten zitiert, der Index sei der wichtigste Band des DMA. Diese Einstellung spiegelt sich in der überwältigenden Fülle von Verweisen wider, die für dieses Register zusammengetragen und systematisch geordnet wurden. Indem es alle Namen und Sachverhalte aufgreift und verknüpft, die unter einem oder mehreren verschiedenen Stichwörtern behandelt werden, weitet es den Stichwortbestand beträchtlich aus und erschließt dem Benutzer eine beeindruckende Fülle von Querverbindungen. Der Registerband des LexMA dagegen führt leider nicht zu Namen und Begriffen, die kein eigenes Lemma erhalten haben; man hat sich hier mit den Verweisungen innerhalb der einzelnen Artikel zu begnügen.

Trotz der Unzulänglichkeiten bei der Erschließung des LexMA durch die beigefügten Register bleibt festzuhalten, daß mit dem deutschsprachigen Werk die umfassendste und detaillierteste Enzyklopädie zum Mittelalter vorliegt. Dank ihrer internationalen Ausrichtung darf sie auch außerhalb des deutschen Sprachraums den führenden Platz unter den mediävistischen Nachschlagewerken beanspruchen. Um so erfreulicher ist es, daß der neue Verlag seit Oktober eine unveränderte Studienausgabe des LexMA in neun Bänden (wobei in Bd. 9 der in der Originalausgabe nicht gezählte Registerband mit enthalten ist) zu einem Preis anbietet, der auch für kleinere Bibliotheken und nicht zuletzt für Privatleute erschwinglich ist.

Christian Heitzmann


[1]
Das LexMA wurde bei Erscheinen von Lfg. 1. Aachen - Ägypten. - 1977. - Sp. 1 - 224. - ISBN 3-7608-8801-1 lediglich angezeigt: ABUN in ZfBB 25 (1978),5, S. 427 - 428.
Anfang 1979 verschickte der Verlag Brill, Leiden, eine Vorankündigung für folgenden Titel: The encyclopedia of the middle ages, renaissance and reformation / ed. in chief: Nicholas Mann ; Guillaume Postumus Meyjes ; Gerard Verbeke. - In einem etwas später, etwa 1980 erschienenen Prospekt wurde die 1. Lfg. für Anfang 1981 angekündigt; es sollten vier oder mehr Lfg. im Jahr erscheinen und das Werk 20 oder mehr Bände umfassen. Das LexMA dessen 1. Lfg. bereits 1977 erschienen war, wurde auch in diesem Prospekt nicht genannt, doch bezieht sich die folgende Aussage ganz offensichtlich auf die deutsche Konkurrenz: "In contrast to other projects at present in the course of publication, it [the Encylopedia ...] will be truly interdisciplinary in its approach, ranging widely over the whole of medieval, renaissance and reformation culture, and highligiting wherever possible the indissoluble links which bind together the various manifestations of emergent Western civilization." [sh] (zurück)
[2] Lexikon der Alten Welt / hrsg. von Carl Andresen. - Zürich ; Stuttgart : Artemis-Verlag, 1965. - XV S., 3524 Sp. - Ein unveränderter, inzwischen leider nicht mehr lieferbarer Nachdruck in drei Bänden erschien 1990:
Lexikon der alten Welt / Hrsg.: Carl Andresen ... Red.: Klaus Bartels und Ludwig Huber. - Unveränd. Nachdr. der einbd. Originalausg. von 1965. - Zürich ; München : Artemis-Verlag, 1990. - Bd. 1 - 3 ; 26 cm. - ISBN 3-7608-1034-9 [1135]. - Rez.: Buch und Bibliothek. - 43 (1991),4, S. 387 - 390. (zurück)
[3]
Die überarbeitete italienische Ausgabe umfaßt drei Bände: Dizionario enciclopedico del medioevo. - Ed. ital. / a cura di Claudio Leonardi. - Roma : La Città Nuova, 1998. - 1 - 3. - ISBN 88-311-9247-7 : Lit. 480.000. (zurück)

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