Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 7(1999) 1/4
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Encyclopedia of early christianity


99-1/4-417
Encyclopedia of early christianity / ed. Everett Ferguson. - 2. ed. - New York ; London : Garland. - 26 cm. - (Garland reference library of the humanities ; 1839). - ISBN 0-8153-1663-1 : $ 150.00
[4003]
Vol. 1. A - K. - 1997. - XXVII, 657 S. : Ill.
Vol. 2. L - Z. - 1997. - S. 660 - 1213. : Ill.

Das vorliegende Lexikon enthält 1245 Artikel zum Themenkreis frühes Christentum aus der Feder von 167 Autoren (Angaben aus dem Vorwort). In ihnen werden nicht nur theologische und religionsgeschichtliche Begriffe, sondern auch geographische, lebensweltliche, historische, kunstgeschichtliche und biographische Aspekte der antiken, spätantiken und frühmittelalterlichen Welt (bis ins 7. Jahrhundert) beschrieben und erklärt.[1] Zielgruppe des Lexikons sind sowohl Wissenschaftler als auch Laien: Anlage, Diktion, Stil, und Vokabular orientieren sich hauptsächlich an den zu erwartenden Vorkenntnissen und Interessen der zuletzt genannten Gruppe, doch will das Lexikon auch dem Fachmann nützlich sein. Aufgenommen wurden zusätzlich Artikel aus der nichtchristlichen Antike, insbesondere dann, wenn über die Konsequenzen für das Christentum, das jeweilige Verhältnis zu ihm bzw. eine spezifisch christliche Rezeption etwas mitgeteilt werden soll. Da das Christentum nun einmal innerhalb der griechisch-römischen Antike heranwuchs, kann das auch nicht anders sein. Das Lexikon beschränkt sich in diesen Fällen weitgehend auf die Wirkungsgeschichte (z.B. Aristoteles, Cicero) und die Bedeutung für das frühe Christentum. Nur unter diesem Blickwinkel dürfen z.B. auch die knappen Porträts der römischen Kaiser und sonstigen Personen (etwa Ammian) konsultiert werden. Hervorzuheben sind die kurzen Artikel zu bedeutenden neuzeitlichen Gelehrten. Das Lexikon will ausdrücklich kein Bibellexikon sein, verzichtet deshalb auf Erläuterungen zum Alten Testament (sofern diese wiederum nicht wichtig für das junge Christentum sind, z.B. Abraham oder Noah) und zur jüdischen Welt, in der das Christentum wurzelt. Die namentlich gezeichneten Artikel werden mit Quellen- und Literaturangaben (bevorzugt englischsprachige) abgeschlossen, Verweisungen auf weitere Lemmata führen zu sachlich angrenzenden Einträgen. Ein 23seitiger Index steht am Ende als ein sehr differenziertes Hilfsmittel für die Orientierung zur Verfügung. Weitere Beigaben - von allerdings eher dekorativem Wert - sind eine knappe chronologische Liste und einige wenige Abbildungen.

Wie es scheint, ist das Lexikon darum bemüht, das frühe Christentum als ein historisches Phänomen in sein geschichtliches Umfeld einzubetten, als ein zeitgebundenes, nur vor dem Hintergrund von Kenntnissen antiker Geschichte verständliches Thema zu definieren. Insofern macht die Encyclopedia auf den ersten Blick den Eindruck eines hauptsächlich historisch orientierten Nachschlagewerkes, das auch theologische Fragen der Zeit aus historischer Perspektive darzustellen versucht. Man mag zudem in der Übersichtlichkeit und Allgemeinverständlichkeit des Werkes weitere begrüßenswerte Eigenschaften sehen, und das Unternehmen, wie schon in verschiedenen Besprechungen der 1. Aufl. geschehen, als geglückte Bereicherung für die Beschäftigung mit einer durch Standardlexika noch lange nicht vollständig erschlossenen Materie würdigen. Dem ist bis zu einem gewissen Grad auch gar nicht zu widersprechen.

Leider geht das Lexikon in der Tendenz zur Historisierung des frühen Christentums nicht weit genug. Auf dem Weg vom theologischen Nachschlagewerk zum historischen Lexikon bleibt die Encyclopedia auf halbem Weg stecken. Man kann das am Umgang mit den allgemein als Schismen oder häretischen Strömungen bezeichneten Fällen von Dissens und Spaltung in der frühen Kirche sehr deutlich sehen. Beispiel Donatismus: Die Geschichte dieses auf Verhaltensweisen in der Verfolgungszeit um 300 zurückgehenden Streites in der afrikanischen Kirche wird zwar scheinbar sachlich, quellennah und im chronologischen Ablauf referiert, doch die Autorität der (zumeist späteren) Quellen (Optat und Augustinus) wird nicht in Frage gestellt und deren Bewertungen werden, wie auch in weiten Teilen der wissenschaftlichen Literatur, akzeptiert. Der Donatismus gilt demnach auch der Encyclopedia ohne den geringsten Zweifel als eine schismatische Bewegung. Daß er aber dazu erst aus der Sicht der später um Einheit der Kirche bemühten Kirchenväter wurde, und ursprünglich nichts anderes als ein auch schon im ersten und zweiten Jahrhundert vorkommender Streit war, der erst vor dem Hintergrund sich ausbildender Organisationsstrukturen der ("katholischen") Kirche als ein Abfall begreifbar werden konnte, wird nicht thematisiert. [2] Gerade das wäre aber eine echte Historisierung des Themas gewesen. Unter dem Stichwort Schism ist nachzulesen, daß Einheit als Problem erst im zweiten Jahrhundert gesehen wurde (m.E. ist auch das zu früh angesetzt; Lösungskonzepte entstanden erst im vierten Jahrhundert). Ein Stichwort Unity allerdings gibt es nicht. Warum? Wird etwa doch ganz selbstverständlich vorausgesetzt, daß die Kirche immer schon eine Einheit war oder sehr schnell wurde, wie es Theologen und Kirchenhistoriker bisweilen annehmen?[3]

Im Reallexikon für Antike und Christentum (RAC),[4] dem nach wie vor wichtigsten Nachschlagewerk zu diesem Gebiet, ist über den ereignisgeschichtlichen Ablauf hinaus noch sehr viel Aufschlußreiches über die vorchristliche Religiosität Nordafrikas und die Spuren des Saturn-Kultes in den regionalen Christengemeinden nachzulesen. Auch dieser Aspekt fehlt in der Encyclopdia. Und das hat nicht unbedingt etwas damit zu tun, daß das RAC schlichtweg sehr viel umfangreicher ist.

Vergleichbare Defizite lauern überall in Beschreibungen der Übergänge von antiker zu christlicher Welt, bei Themen wie Familie, Askese usw. Hier und in dem gleichfalls kirchengeschichtlich eingeengten Blick auf andere Bereiche und Personen (z.B. Paulus) erweist sich die Encyclopedia dann doch als ein eher konventionelles, letztlich dem Selbstverständnis der christlichen Religionen verpflichtetes Lexikon. Davon unberührt bleibt sein Wert als Erstinformationsquelle für all jene, die schnelle, knappe Einstiegsinformation suchen. Hier wird es mit seiner Art zweifellos Verdienste erwerben, zumal ganze Gruppen von Einträgen über weite Strecken von der vorgebrachten Kritik gar nicht getroffen werden, am wenigsten da, wo lediglich Daten und Fakten mitgeteilt werden. Bleibt als Fazit wie so häufig bei Nachschlagewerken nur eine bedingte Empfehlung: Es kommt auch hier darauf an, was der Nachschlagende eigentlich braucht.

Joachim Migl


[1]
Im Vergleich zur 1. Aufl. von 1990 in einem Band ist das Lexikon aktualisiert und um rund 250 Einträge bereichert worden. In seiner Anlage erinnert es an das Dizionario patristico e di antichità cristiane / Institutum Patristicum Augustinianum, Roma. Dir. da Angelo Di Berardino. - Casale Monferrato : Marietti. - 1 (1983) - 3 (1988), das 1990 in einer französischen (Dictionnaire encyclopédique du christianisme ancien) und 1992 in einer englischen Fassung (Encyclopedia of the early church) jeweils in zwei Bänden erschien. Die Auswahl der Artikel ist über weite Strecken sehr ähnlich, oft ergänzen sich aber beide gegenseitig. Das "wissenschaftlichere" Nachschlagewerk ist wohl das Dizionario. (zurück)
[2]
Was freilich auch für die Mehrheit aller Handbücher und Lexika in gleicher Weise gilt. (zurück)
[3]
Noch einmal Einheit: Im Artikel über Griechenland wird die Trennung zwischen der lateinischen Kirche des Westens und der griechischen des Ostens zwar erwähnt, aber mit dem Hinweis darauf, dies sei eine späte Entwicklung, nicht ausgeführt. Die unterschiedlichen Wege von West und Ost zeichneten sich freilich schon lange vor dem 7. Jahrhundert ab und hätten durchaus hierher gehört. Einheit der Kirche u.a. mit kurzem Blick auf die Antike in Bd. 3 (1995) des Lexikon für Theologie und Kirche / hrsg. von Michael Buchberger. - 3. Aufl. - Freiburg : Herder. (zurück)
[4]
Reallexikon für Antike und Christentum : Sachwörterbuch zur Auseinandersetzung des Christentums mit der antiken Welt / ... hrsg. von Theodor Klauser ; [später:] Ernst Dassmann. - Stuttgart : Hiersemann. Bisher erschienen Bd. 1 (1950) - Bd. 19 (Lfg. 146, 1998). (zurück)

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