Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 7(1999) 1/4
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Ostasiatische Kampfkünste


99-1/4-339
Ostasiatische Kampfkünste : das Lexikon / Werner Lind. Unter Mitarb. von Ursel Arnold ... - Berlin : Sportverlag, 1996. - 1015 S. : Ill. ; 25 cm. - ISBN 3-328-00699-0 : DM 68.00[1]
[5008]
99-1/4-340
Das Kampfsport-Lexikon : von Aikido bis Zen / von Wolfgang Weinmann. Unter Mitarb. von K. D. Alletter ... - 4. Aufl. - Berlin : Weinmann, 1998. - 191 S. : Ill. ; 21 cm. - ISBN 3-87892-044-X : DM 26.80
[5045]

Auch wenn einige ostasiatische Kampfsportarten, wie beispielsweise Judo, Karate, Kung-fu und Taekwondo, in der westlichen Welt erfolgreich Fuß gefaßt haben (so gehört z.B. der Deutsche Judo-Bund mit etwa 240.000 Mitgliedern zu den größten Fachverbänden des Deutschen Sportbundes), fällt das Verständnis der ostasiatischen Kampfkünste gerade den Bewohnern der westlichen Hemisphäre enorm schwer. Verantwortlich hierfür ist die tiefe Verwurzelung nahezu aller dieser Kampfkünste in den unterschiedlichen ostasiatischen philosophischen Richtungen, ihre oft Jahrtausende zurückreichende, eng mit der Geschichte ihres Herkunftslandes verbundene historische Tradition und schließlich ihre ausgesprochen reichhaltige und komplexe, nur schwer in westliche Sprachen übersetzbare Begrifflichkeit.

Zwar ist die in deutscher Sprache erschienene Fachliteratur zu den ostasiatischen Kampfsportarten sehr umfangreich, fast alle Publikationen behandeln jedoch nur einzelne Kampfsportarten und richten sich damit an Spezialisten. Will man sich einen Gesamtüberblick verschaffen, so ist die Quellenlage ausgesprochen spärlich. Angesichts dieser Situation war ein umfassendes Lexikon zu den ostasiatischen Kampfkünsten überfällig, und das von Werner Lind verfaßte Lexikon Ostasiatische Kampfkünste schließt diese Lücke auf sehr überzeugende Weise.

Werner Lind ist ein durch eine Reihe einschlägiger Publikationen ausgewiesener Budo-Experte. Er ist Hauptlehrer des Budo-Studien-Kreises (BSK), dessen wesentliches Anliegen darin besteht, die Kampfkünste auf ihren ursprünglichen Sinn zurückzuführen. Hierzu gehört ganz entscheidend die Abkehr vom sportlichen Wettkampf und statt dessen die Vermittlung der Kampfkünste ausschließlich zur Selbstverteidigung sowie um der Gesundheit und der Selbsterfahrung willen. Diese Sichtweise der Kampfkünste spiegelt sich in seinem Lexikon wider. Es erwuchs aus dem Bestreben, auch anderen an den Kampfkünsten Interessierten die Möglichkeit zu geben, sich über die Geschichte, Hintergründe, Inhalte und Ziele des traditionellen Budo zu informieren.

Das Lexikon ist in sechs Teile gegliedert. Die ersten beiden Teile sind der Erläuterung der chinesischen und japanischen Schrift und Sprache gewidmet. Besonders wichtig erscheint in diesem Zusammenhang der Hinweis, daß für die Wiedergabe der Aussprache der ursprünglich chinesischen Schriftzeichen der im Hauptteil des Lexikons aufgelisteten Lemmata die Pinyin-Umschrift verwendet wurde, auf die Wade-Giles-Umschrift jedoch immer verwiesen wird, weil sich viele Begriffe in dieser Umschrift eingebürgert haben.

In Teil 3 wird ein Überblick über die Geschichte der Kampfsysteme der Welt gegeben, wobei neben Asien auch die übrigen Kontinente Berücksichtigung finden. Teil 4 enthält die zeichnerischen Porträts von 15 großen Karatemeistern, deren ausführliche Biographien, Kampfsysteme und -stile im 950 Seiten umfassenden Hauptteil des Buches, der Enzyklopädie von A bis Z, nachzulesen sind.

Im lexikalischen Hauptteil werden in alphabetischer Anordnung alle asiatischen Kampfkünste ausführlich vorgestellt. Dabei erhält der Leser detaillierte Beschreibungen, die ihn bis an die Ursprünge der jeweiligen Kampfkünste zurückführen. Geschichte, Tradition und Hintergründe der unterschiedlichen Stile werden umfassend erläutert. Die Verbindungen der Kampfkünste zur Kultur und Philosophie der sie betreibenden Völker werden dabei stets hergestellt. Dies impliziert beispielsweise, daß neben dem sehr allgemeinen Artikel Philosophie und den einzelnen philosophischen Richtungen (z.B. Buddhismus, Hinduismus, Konfuzianismus, Zen) auch Artikel aufgenommen werden, die auf den ersten Blick keinen direkten Bezug zu den Kampfkünsten vermuten lassen, wie beispielsweise Akupunktur, Akupressur, Astrologie, chinesische Gesundheitslehre sowie einige Geographica, in deren Erläuterung keine direkte Verbindung zu den Kampfkünsten hergestellt wird (z.B. Himalaya). Auch wenn dem Leser die Aufnahme des einen oder anderen Artikels nicht sogleich plausibel erscheint, so ist doch die Tatsache, daß die Kampfkünste nicht nur von ihrer technischen Seite, sondern als Gesamtaspekt östlicher Denk- und Lebensweise dargestellt werden, ein großes Verdienst dieses Lexikons.

Der Zugang zum gesamten Netz des asiatischen Denkens, bei dem es sich eher um ein in sich verwobenes Ganzes als um ein geschlossenes, klares und logisch nachvollziehbares System westlichen Zuschnitts handelt, wird dem aufmerksamen und interessierten Leser durch ausführliches und weitestgehend schlüssiges System von Verweisungen erleichtert.

Im Anhang des Lexikons findet sich eine ausführliche Liste der Adressen von Kampfkunstorganisationen im In- und Ausland sowie der Anschriften einiger Budo-Versandhäuser.

Fazit: Auch wenn in einigen wenigen Einzelheiten Kritik geübt werden könnte (so ist bei einigen Artikeln - z.B. Boxen, griechisch; Capoeira; Pankration - der Grund für ihre Aufnahme auch bei näherer Überlegung nicht einsichtig, da es sich nicht um ostasiatische Kampfkünste handelt, und auch der in den Vorworten erhobene Anspruch, es handele sich eher um ein Lehrbuch als um ein Lexikon, ist vor dem Hintergrund eines fehlenden, für Lehrbücher typischen, explizit didaktischen Ansatzes nicht nachvollziehbar), ist Ostasiatische Kampfkünste das bislang umfassendste Nachschlagewerk zu diesem Thema und insofern für den Kampfkunst- bzw. Kampfsportinteressierten unverzichtbar.

Jürgen Schiffer

Im Vergleich zum Lexikon von Lind kann das Kampfsport-Lexikon des ausgewiesenen Judo-Experten Wolfgang Weinmann allenfalls als eine Einführung in die Kampfsportarten für interessierte Laien bezeichnet werden, aus der Spezialisten kaum Neues schöpfen können. Hier werden eine Anzahl der weltweit (nicht nur in Ostasien) entstandenen Kampfsysteme vorgestellt. Der in der Einleitung zu findende Hinweis, daß das detailliert beschrieben wird, "was besonders interessant erschien oder eine gewisse Verbreitung gefunden hat", macht deutlich, daß ein lexikographischer Vollständigkeits- oder Systematikanspruch auch nicht ansatzweise erhoben wird. Es sind jedoch nicht nur das begrenzte Korpus und die mangelnde Systematik, die dem Charakter eines Lexikons widersprechen, auch die Struktur des Buches ist nicht die eines typischen Lexikons. So enthält das Buch in folgender Reihenfolge 1. einige einleitende Bemerkungen über die Entwicklung der Kampfkünste und ihren Wandel zum Kampfsport sowie über die Verbindung der Kampfsportarten mit Gewaltanwendung; 2. einen nach Kontinenten und innerhalb nach Ländern geordneten Überblick über die Entstehung und Verbreitung der Kampfkünste der Welt; 3. alphabetisch angeordnete Beschreibungen der bekanntesten heutigen Kampfsportarten und daraus hervorgegangener Bewegungssysteme, und schließlich 4. Erläuterungen und Übersetzungen der international gebräuchlichen Kampfsport-Begriffe und Fachwörter.

Lediglich die letzten beiden Teile könnten rein formal (aufgrund der alphabetischen Anordnung) dem Anspruch an ein Lexikon gerecht werden. In Teil 3 werden jedoch nur 29 Kampfsportarten und Bewegungssysteme vorgestellt (Aikido, Arnis/Escrima/Kali, Boxen, Burmesisches Boxen, Capoeira, Fechten, Hapkido, Iai-Do, Jiu-Jitsu, Judo, Ju-Jutsu, Karate, Kempo, Kendo, Kick-Boxen, Kobudo, Kung-Fu/Wushu, Kyudo/Bogenschießen, Ninjutsu, Pencak Silat, Ringkampf, Sambo, Savate/La Canne, Schwingen, Sumo, Taekwondo, Tai Chi Chuan, Thai-Boxen, Viet vo Dao), wobei es sich weniger um Definitionen als um bloße Beschreibungen handelt und auf Verweisungen völlig verzichtet wird. Teil 4 ist ein lediglich 36 Seiten umfassendes Glossar mit insgesamt etwa 540 Einträgen, was angesichts der auf mindestens 8500 geschätzten Artikel in Linds Lexikon sehr wenig ist.

Wesentliche Unterschiede zum Lexikon Ostasiatische Kampfkünste sind neben Umfang, Ausführlichkeit und systematischem Vorgehen auch die Tatsache, daß Weinmann sich expressis verbis nicht auf die ostasiatischen Kampfkünste beschränkt und daß er die Kampfkünste auch in ihren versportlichten Formen behandelt (siehe vor allem Kapitel 3 Von der Kampfkunst zum Kampfsport). Summa summarum handelt es sich beim Kampfsport-Lexikon aufgrund der etwas oberflächlichen Darstellung und der für ein wirkliches Lexikon untypischen, nur auszugshaften und unsystematischen Vorgehensweise keinesfalls um eine ernsthafte Alternative zum Lexikon von Lind. Auch das Kosten-Leistungs-Verhältnis spricht eindeutig für Ostasiatische Kampfkünste.

Jürgen Schiffer


[1]
Eine seit längerem angekündigte Neubearbeitung ging erst im November 1999 ein und somit zu spät, um hier die Ausgabe von 1996 zu ersetzen. Eine Rezension ist für die nächste Ausgabe von IFB vorgesehen:
Lexikon der Kampfkünste : China, Japan, Okinawa, Korea, Vietnam, Thailand, Burma, Indonesien, Indien, Mongolei, Philippinen, Taiwan u.a. / Werner Lind. - Berlin : Sportverlag, 1999. - 791 S. : Ill., graph. Darst. ; 29 cm. - (Edition Budo-Studien-Kreis). - ISBN 3-328-00838-1 : DM 98.00 [5756]. (zurück)

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