Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 7(1999) 1/4
[ Bestand in K10plus ]

Jazz


99-1/4-315
Jazz : [der ultimative Führer zum Jazz ; 1700 Künstler und Bands von den Anfängen bis heute] / von Ian Carr ... Mit Beitr. von Chris Parker ... und Fotos von Jak Kilby ... Aus dem Engl. von Mirella Bauerle ... - Stuttgart ; Weimar : Metzler, 1999. - 762 S. : Ill. ; 24 cm. - (Rough guide). - Einheitssacht.: Jazz <dt.>. - ISBN 3-476-01584-X : DM 58.00
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Wie bereits bei dem Band Rock aus derselben Reihe[1] spart auch der vorliegende Band zum Jazz nicht mit Eigenlob. Ein Lexikon, das sich selbst als den "umfassendsten und aktuellsten Führer" bezeichnet, muß sich schon anstrengen, um diesem selbst gestellten Anspruch gerecht zu werden. Mit dem vorliegenden Band liegt wiederum etwas Neuartiges vor: war der Vorgänger ausschließlich von Fans verfasst worden, so wurde dieser fast ausschließlich von Jazzmusikern geschrieben ... sofern man Ian Carr, Digby Fairweather und Brian Priestley als Jazzmusiker durchgehen läßt. Selbstverständlich sind sie aktive Musiker, aber dem kontinentaleuropäischen Publikum sind sie eher durch ihre Publikationstätigkeiten denn als Musiker bekannt. Als Basisinformation für das Lexikon galten offensichtlich Fragebögen, die die angeschriebenen Musiker selbst beantwortet haben und deren Details in die Biographien des Lexikons eingegangen sind.

Das Lexikon verzeichnet in alphabetischer Reihenfolge ca. 1700 Biographien. Dem Musikernamen folgt das Instrument sowie die Geburts- und ggf. die Todesdaten. An den gezeichneten Artikel schließt sich eine Diskographie an, die zwar insgesamt über 3000 LPs und CDs verzeichnet, aber unter den einzelnen Musikern aufgeführt lediglich als diskographischer Hinweis durchgehen kann (vgl. hierzu die dürftigen Angaben bei George Adams, Gato Barbieri, Sunny Murray oder die völlig fehlenden Angaben bei Leon Thomas; die Auswahl der Titel bei John Coltrane ist zwar reicher, aber eher konservativ. Hier fehlen Ascension, Kulu Se Mama oder Meditations als Hinweis auf den progressiven Coltrane) oder aber als subjektive Auswahl.

Berücksichtigt wurden Musiker aus allen Bereichen des Jazz (also vom Dixie über Bebop bis zum Free Jazz usw.) sowie die Sidemen, Sänger, Begleiter und Arrangeure, die sonst nicht im Zentrum stehen. Einige Namen vermißt man dann trotzdem, auch wenn sie ebenfalls eher am Rande stehen wie Woody Allen, Clint Eastwood und Sohn, Max Greger, Fela Anikulapo Kuti, Leroi Jones, Freddy Brocksieper, Ernst Mosch, Pat Patrick, Carlos Santana, Gianluigi Trovesi, David S. Ware oder Frank Wright (zumal Manfred Krug und Klaus Doldinger erwähnt sind). Ansonsten deckt das Lexikon neben dem US-amerikanischen den europäischen Jazz sehr gut ab, insbesondere den englischen, aber auch der Bereich des europäischen (Free)-Jazz, der sonst eher vernachlässigt wird, ist gut dargestellt. Der Blues ist nicht ganz umfassend, aber ausreichend berücksichtigt; auffallend viele indische Musiker, soweit sie mit Jazzmusikern zusammengespielt haben, finden Erwähnung.

Für die Aktualität des Lexikons gilt all das, was für jede Buchpublikation gilt: sie hört mit dem Redaktionsschluss auf, der zwar nicht genannt ist, aber durch Stichproben sehr aktuell ist: bei Peter Brötzmann ist eine geplante Tournee für 1999 erwähnt; die Todesdaten von Michel Petrucciani (Januar 1999), Jaki Byard (Februar 1999), von Melba Liston (April 1999), von Leon Thomas (Mai 1999) und Mel Tormé (Juni 1999) belegen dies gleichfalls. Auch sonst enthält fast jeder größere Artikel einen Absatz über die achtziger und neunziger Jahre. Den Tod von Moondog konnte das Lexikon nicht mehr verzeichnen; beim Artikel über Günther "Baby" Sommer hätte man sich einen Hinweis auf seine Arbeit mit Günter Grass gewünscht, die weit vor der Nobelpreisverleihung an den deutschen Schriftsteller lag.

Die Frage, ob nun Jazzmusiker besser geeignet sind als Journalisten, ein Jazzlexikon zu schreiben, ist schwer zu beantworten. Die Autoren haben sich - entsprechend der im Jazz allgemein geltenden Fairneß - sehr mit Kritik an anderen Musikern zurückgehalten, manchmal zu sehr. Trotzdem scheint - insbesondere bei den längeren Artikeln - auch leichte Kritik gelegentlich durch (z.B. in dem Artikel Han Bennink, der im übrigen sehr witzig geschrieben ist und dem dargestellten Musiker dadurch auch sehr gerecht wird oder die kritischen Artikel Wynton Marsalis oder Pharoah Sanders), die aber keineswegs die Leistungen der betreffenden Musiker in Frage stellen. Politik (z.B. beim Artikel Max Roach) und Drogen kommen zwar sachlich vor, drängen sich aber nie in den Vordergrund (britisches Understatement?). Auch wenn Musiker über Musiker schreiben, erfährt man trotzdem nicht wesentlich mehr über das Privatleben der Beschriebenen als sonst auch. Im Vordergrund standen offensichtlich die nüchternen Fragebogendaten. Nur bei längeren Artikeln wie bei Louis Armstrong, Miles Davis oder Duke Ellington wird etwas mehr ins Detail gegangen.

Das Lexikon enthält zahlreiche Photographien von Musikern und Abbildungen von Schallplatten. Ein Glossar auf S. 725 - 762 enthält Begriffe, die Stilformen und Fachbegriffe des Jazz erklären. Das Lexikon regt durch die gute Typographie ausgesprochen zum Lesen oder Schmökern an, wie dies auch bereits bei dem Rock-Lexikon galt. Lediglich ein Register wäre noch eine sinnvolle Ergänzung, da in den Artikeln doch immer wieder Namen erwähnt werden, die keinen eigenen Eintrag haben.

Bernhard Hefele


[1]
Rock : [der ultimative Führer zur Rockmusik ; 1000 Künstler und Bands von den Anfängen bis heute ; mehr als 3000 CD-Empfehlungen] / geschrieben von (all) den Menschen. Hrsg. von Jonathan Buckley ... Beitragender Hrsg.: Justin Lewis ... Red. der deutschen Ausg.: Dieter Fuchs. [Übers. von Ralf Brunkow ...]. - Stuttgart ; Weimar : Metzler, 1998. - 926 S. : Ill. ; 24 cm. - (Rough guide). - Einheitssacht.: The rough guide to rock <dt.>. - ISBN 3-476-01542-4 : DM 58.00 [4831]. - Rez.: IFB 98-3/4-282. (zurück)

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