Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 7(1999) 1/4
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Taschenbuch für deutsche Sänger


99-1/4-301
Taschenbuch für deutsche Sänger / gegründet und aus unmittelbaren Mittheilungen der einzelnen Gesangvereine zsgest. von Eduard Kral. - Wien : Hoffmann & Ludwig. - 21 cm. - Reprint: Mit Einführung hrsg. von Friedhelm Brusniak und Dietmar Klenke. - Schillingsfürst : Musik-&-Methodik-Verlag
[5573]
Jg. 1 (1864). - 12, XL, 376 S. - Reprint 1996. - ISBN 3-929501-01-5 : DM 48.00

Die Einführung des Reprints bietet im ersten Teil einen guten Abriß der nationalen, zur Gründung zahlreicher Turn-, Schützen- und Gesangvereine führenden Bewegung des 19. Jahrhunderts, die eine großdeutsche Lösung (mit Österreich) verwirklicht sehen wollte. Der zweite Teil bettet den Inhalt des 1864 erschienenen Taschenbuchs für deutsche Sänger in dieses historische Panorama ein und verweist auf die verstärkte Pflege des Schubertschen Erbes im Wien der damaligen Zeit, was das als Frontispiz dienende Porträt Schuberts sowie den unten aufgeführten Schubert-Artikel erklärt. Der Einführung (S. 1* - 12*) ist außerdem zu entnehmen, daß es bereits mehrere frühere Versuche gab, die Männerchöre im Deutschland des 19. Jahrhunderts zu verzeichnen, deren erster in Form eines Aufrufs zur Meldung bereits 1831 nachzuweisen ist.

Das Taschenbuch für deutsche Sänger[1] mit Berichtsstand 1863 gab dann nach eigener Einschätzung "erstmals einen umfassenden Überblick, wie sich innerhalb weniger Jahrzehnte über den gesamten deutschen Sprachraum ein Netz neuartiger Organisationen in Gestalt von Männergesangvereinen legte" (S. 2*), die sich schließlich häufig zu Sängerbünden, gipfelnd im 1862 gegründeten Allgemeinen Deutschen Sängerbund, zusammenschlossen. Die Herausgeber messen dabei der Tatsache, daß das Taschenbuch in Wien erschien und dort zusammengestellt worden war, im Hinblick auf die Frage der klein- oder großdeutschen Lösung besondere Bedeutung bei (S. 2*). Verzeichnet sind darüber hinaus auch deutsche Chöre des Auslands.

Obwohl sich das Taschenbuch für deutsche Sänger 1864 als 1. Jahrgang ausweist und der Herausgeber Kral in seiner Vorrede darum bittet, ihm Fehler und Lücken zu melden, ist mehr nicht erschienen. Brusniak[2] und Klenke machen dafür den konkurrierenden, im selben Jahr erschienenen deutschen Sänger-Almanach Germania[3] verantwortlich (S. 8). Daß Lücken vorhanden sind, beweist das Beispiel Tübingens: zwar kann der erst 1865 gegründete Silcherbund[4] nicht verzeichnet sein, doch fehlt auch der seit 1844 existierende Weingärtner Liederkranz.[5]

Der Hauptteil besteht aus drei Teilen: 1. Einzelvereine: die Angaben reichen von knappsten Einträgen wie Bingen am Rhein. Gesangverein oder gar nur dem Ort bis zu Eintragungen mit umfangreicheren Informationen wie Gründungsdatum, Mitgliederzahl, Beiträge, Satzung, Probentermine und -orte, Hinweise auf Auftritte, Sängersprüche, Angabe verantwortlicher Personen wie z.B. Dirigent, Kassier, Schriftführer, Beschreibung der Fahne, Preise u.ä.; 2. Sängerbünde mit entsprechenden Angaben; 3. Der Allgemeine Deutsche Sängerbund: Gründung, gesamt- und geschäftsführender Ausschuß, beteiligte Sängerbünde. Es folgen dessen Satzungen sowie die Geschäftsordnung; ferner zwei Abhandlungen: Das deutsche Sängerwesen in der neuesten Zeit von Dr. Karl Pfaff in Esslingen[6] sowie Franz Schubert in seinem Verhältniss zu dem mehrstimmigen, insbesondere dem Männergesang von H. v. K. (das ist der Schubert-Biograph Heinrich Kreißle Edler von Hellborn,[7] vgl. Einf. S 1* und 10*); eine geographische und eine chronologische (nach dem Gründungsdatum) Übersicht über die Chöre; eine Liste der bestehenden Gesangszeitungen sowie Nachträge. Auf ein Abkürzungsverzeichnis wurde verzichtet, weil "die gebrauchten Abkürzungen ... von der Art [sind], dass sie jeder Sänger leicht zu vervollständigen im Stande sein wird ...". Ob auch die Leser des Reprints mit Abkürzungen wie z.B. "V.J.", "S.Z.", die öfter vorkommen, etwas anfangen können, bleibe dahingestellt und man hätte deswegen dem Reprint ein solches Verzeichnis gewünscht.

Das Taschenbuch für deutsche Sänger kann in vielerlei Hinsicht nützliche Dienste leisten: als historische Quelle veröffentlicht - wobei die Erforschung des Sängerwesens gerade eine Renaissance zu erleben scheint[8] -, könnte es darüber hinaus auch im bibliothekarischen Bereich als Ergänzung der Hilfsmittel zur Ansetzung von Körperschaften Verwendung finden.

Martina Rommel


[1]
Analog dazu: Statistisches Taschenbuch der Turnvereine Deutschlands / im Auftrage des Ausschusses der Deutschen Turnvereine hrsg. von Gottfried Hirth. - Leipzig, 1863. (zurück)
[2]
Er ist Verfasser des überwiegenden Teiles des Artikels Chor und Chormusik der neuen MGG. (zurück)
[3]
Germania : deutscher Sänger-Almanach / M. Herrmann. - Leipzig : Schäfer, 1864. (zurück)
[4]
Schwäbisches Tagblatt. - 1998-11-16: "Der Silcherbund wurde vor 133 Jahren als "Singchor des Gewerbevereins" gegründet ...". (zurück)
[5]
Das andere Tübingen : Kultur und Lebensweise der Unteren Stadt im 19. Jahrhundert / Autorenkoll.: Karl Braun ... Leitung: Martin Scharfe. [Hrsg. im Auftrag der Tübinger Vereinigung für Volkskunde.] - 1. Aufl. - Tübingen : Tübinger Vereinigung für Volkskunde e.V., 1978. - 398 S. : zahlr. Ill., Kt. - (Untersuchungen des Ludwig-Uhland-Instituts der Universität Tübingen ; Sonderbd.). - S. 205 - 220. (zurück)
[6]
Hier lesen wir u.a. einen Bericht vom allgemeinen deutschen Sängerfest: "In Reden, Liedern und Festgedichten sprach sich die Sehnsucht nach der Einheit und die Hoffnung aus, sie bald zu gewinnen. Da konnte man sich überzeugen, dass der Einheitsgedanke nicht mehr nur der schöne Traum Einzelner, sondern dass er ein Gemeingut des deutschen Volkes geworden sei. Der herzliche Empfang, welcher namentlich den Sangesbrüdern aus Oesterreich zu Theil wurde, lieferte den deutlichsten Beweis, dass man jene Politik gänzlich verwerfe, welche sie aus dem Bunde der deutschen Bruderstämme stossen will. ..." (S. 306). (zurück)
[7]
Franz Schubert / von Heinrich Kreißle von Hellborn. - Wien : Gerold, 1865. - XII, 618 S. : Ill. (zurück)
[8]
Vgl. u.a. das folgende Werk: Von Liedertafeln und Gesangvereinen im Banat / Franz Metz. - Bukarest : ADZ-Verlag, 1998. - 123, [18] S. : Ill. - (Südosteuropäische Musikhefte ; 2). - ISBN 973-98318-2-6.
1999 konnte der Schwäbische Sängerbund sein 150jähriges Jubiläum feiern und gab aus diesem Anlaß folgende Festschrift heraus: 150 Jahre Schwäbischer Sängerbund 1849 e.V. : Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft / Angelika Hauser-Hauswirth ... - Tübingen : Silberburg-Verlag, 1999. - 320 S. : zahlr. Ill., Kt., Notenbeisp. - ISBN 3-87407-316-5 : DM 35.00. (zurück)

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