Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 7(1999) 1/4
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Buchmalerei


99-1/4-240
Buchmalerei : ihre Terminologie in der Kunstgeschichte / Christine Jakobi-Mirwald. - Vollst. überarb. und erw. Neuaufl. - Berlin : Reimer, 1997. - 255 S. : Ill. ; 21 cm. - ISBN 3-496-01159-9 : DM 39.80
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Als 1991 die 1. Aufl. dieses äußerlich unscheinbaren Werks erschien, hatten Kunsthistoriker und andere Wissenschaftler, die sich mit mittelalterlichen Handschriften befassen (z.B. die Katalogisatoren im Dienst der DFG), erstmals eine praktische Hilfe bei der Benennung manchmal ziemlich abstrakter Gebilde zur Hand. Obwohl jeder, der sich mit der Materie befaßte, das Fehlen einer halbwegs einheitlichen Terminologie beklagte (besonders schmerzlich für Studenten, die sich erstmals damit beschäftigten), machte den Anfang nicht eine der Koryphäen des Fachs, sondern eine Studentin aus Marburg.

Die 2. Aufl. ist kein völlig neues Buch, aber stark überarbeitet und erweitert, wobei allerdings die Gliederung beibehalten wurde. Zu Beginn werden einige wichtige Begriffe geklärt, bevor im Hauptteil die im weitesten Sinne künstlerische Ausstattung behandelt wird, beginnend bei der Dekoration im Verhältnis zur ganzen Seite bis hin zu Einzelornamenten.

Innerhalb dieses Blocks wurde im Abschnitt Initiale eine schmerzliche Lücke geschlossen durch die Einfügung des neuen Kapitels Fleuronné. Diese Form des Initialschmucks war in der 1. Aufl. noch sehr allgemein als Einzelstichwort behandelt worden, was allerdings daran lag, daß die Forschung gerade erst angefangen hatte, diese von Kunsthistorikern eher für nebensächlich gehaltene Erscheinung genauer zu betrachten. In der Zwischenzeit ist im Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte der Artikel Fleuronné erschienen, verfaßt von einer Arbeitsgruppe unter Wolfgang Augustyn, der auch die Autorin (inzwischen promoviert) angehörte; dieser Artikel bildet die Grundlage für die zeichnerische Darstellung und Benennung der Einzelformen und ihrer Varianten. Die grundlegenden Formen sind damit erfaßt, und so ist zu hoffen, daß deren Terminologie im deutschsprachigen Raum in Zukunft einheitlich sein wird. Wer aber täglich damit umgeht, weiß auch, daß gerade diese Art des Buchschmucks den Zeichnern Gelegenheit zu Spielereien und unzähligen Abwandlungen bot, die im Rahmen dieses Büchleins natürlich nicht behandelt werden konnten. Jeder, der also Fleuronné genauer beschreiben will, wird sich in vielen Fällen auch weiterhin um den treffenden Ausdruck bemühen müssen. Der Nutzen der Beschäftigung mit dem Fleuronné zeigt sich allein schon darin, daß sich mit seiner Hilfe, ein Mindestniveau an zeichnerischer Qualität vorausgesetzt, Handschriften datieren und lokalisieren lassen. Neu ist auch das ausführliche Kapitel zum Flechtornament, das vor allem in der frühmittelalterlichen Buchmalerei eine bedeutende Rolle spielt.

Ein immer größeres Gewicht, vor allem bei unseren westlichen Nachbarn, nimmt in der Handschriftenbeschreibung die Kodikologie ein, also alles, was mit der äußeren Form, der Bindung und dem Material zu tun hat. Dieser nützliche Abschnitt wurde, wie auch der folgende über die Typen illustrierter Bücher, mit geringfügigen Erweiterungen aus der 1. Aufl. übernommen. Die Uneinheitlichkeit der kunsthistorischen Terminologie zeigt die unverändert übernommene kleine Auswahl aus einigen wichtigen Werken zur Buchmalerei.

Die meisten der berühmteren Handschriften haben im Lauf der Zeit einen von der Fachwelt akzeptierten, mehr oder weniger sprechenden Namen erhalten wie: Lorscher Evangeliar, Berthold-Missale oder Queen Mary-Psalter. Leider ist es immer noch verbreiteter Brauch, in Publikationen oder Vorträgen nur diese Begriffe ohne die korrekte Signatur zu nennen, die allein eine Handschrift eindeutig identifiziert und den schnellsten Zugriff auf weiterführende Literatur ermöglicht. In dem ebenfalls neu hinzugekommenen Kapitel Hauptwerke, das chronologisch und geographisch gegliedert nur einige der bekanntesten Handschriften anführt (es ist müßig, über die nichtgenannten zu streiten), werden dankenswerterweise auch die vollständigen Signaturen angeführt. An dieser Stelle hätte man eigens noch einmal hinweisen können auf eine ausführlichere Zusammenstellung solcher Namen mit Signatur-Auflösung,[1] auch wenn diese Publikation im Literaturverzeichnis aufgeführt ist. Handschriftensignaturen wirken allerdings auf den Leser, abgesehen von der Ortsangabe und einer Zahl, oft wie Geheimschriften; im vorangehenden Kapitel sind die Signatursysteme einiger der großen Handschriftenbibliotheken erklärt und die Abkürzungen aufgelöst.

Ein stark erweitertes, gut gegliedertes Literaturverzeichnis, das neben den älteren Standardwerken vor allem nach 1970 erschienene Literatur (ohne Zeitschriftenaufsätze) aufführt, und ein Stichwortverzeichnis schließen das Werk ab. Das benutzerfreundliche Konzept, den Stichworten auf einem breiten Rand die anschaulichen Zeichnungen direkt zuzuordnen, ist hier noch einmal hervorzuheben.

Sicher sind noch einige Wünsche offen; so wünscht man sich z.B. zum Stichwort Akanthus etwas differenziertere Ausführungen und Zeichnungen, die vor allem auch das 15. Jh. stärker berücksichtigen; über einige der vorgeschlagenen Termini wird man vielleicht streiten. Andererseits kann keine Vollständigkeit erwartet werden, und einige Ergänzungen können ja in einer späteren Auflage noch folgen; der bisherige Erfolg läßt eine solche durchaus noch erwarten, denn es ist jetzt schon ein kleines, erfreulicherweise auch erschwingliches Standardwerk, das einen wichtigen Beitrag leistet zu Einheitlichkeit und Klarheit der Terminologie eines Teilgebiets der Kunstgeschichte.

Peter Burkhart


[1]
Ocelli nominum : names and shelf marks of famous/familiar manuscripts / Wilma Fitzgerald. - Toronto, 1992. - (Subsidia mediaevalia ; 19). (zurück)

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