Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 7(1999) 1/4
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Companion to Neo-Latin studies


99-1/4-226
Companion to Neo-Latin studies / Jozef Ijsewijn. - 2., entirely rewritten ed. - Leuven : Leuven University Press. - 24 cm. - (Supplementa humanistica Lovaniensia ; ...). - Pt. 1. mit zusätzlicher Verlagsangabe: Leuven : Peeters
[1035]
Pt. 2. Literary, linguistic, philological and editorial questions. - 1998. - XIV, 562 S. - (... ; 14). - ISBN 90-6186-859-9 (Leuven Univ. Pr.) : FB 2950.00

Die Erschließung und Erforschung der seit den Anfängen des italienischen Humanismus um 1300 entstandenen lateinischen Literatur verspricht eine Fülle von Einsichten in die europäische Literatur-, Kultur- und Wissenschaftsgeschichte. Als Folge der großen Entdeckungen und der europäischen Kolonisation ist seit dem 16. Jahrhundert sogar lateinische Literatur aus Übersee, vor allem aus Lateinamerika, zu berücksichtigen. Gleichwohl ist die institutionelle Verankerung der Neolatinistik im Vergleich zur Klassischen Philologie und auch zur Mittellateinischen Philologie, die an immerhin rund fünfzehn deutschen Universitäten etabliert ist, bedauerlich schwach. Das vielleicht bedeutendste Zentrum der neulateinischen Philologie ist das Seminarium Philologiae Humanisticae an der Katholischen Universität Leuven (Belgien). Der dortige Lehrstuhlinhaber Jozef IJsewijn (+ 27.11.1998 kurz vor Vollendung des 65. Lebensjahres) gehörte nicht nur zu den Herausgebern der einschlägigen Fachzeitschrift Humanstica Lovaniensia, sondern hat vor fast zwanzig Jahren erstmals das unentbehrliche Hilfsmittel eines Companion to Neo-Latin studies bereitgestellt. Der erste Band einer stark erweiterten Überarbeitung erschien im Jahr 1990[1] und war in seinem Hauptteil nach Länderkapiteln gegliedert. Nach acht Jahren liegt nun der zweite Teil der Neubearbeitung vor, der die Geschichte der literarischen Gattungen sowie sprachwissenschaftliche und editorische Aspekte der Erforschung der neulateinischen Literatur behandelt. Es läßt sich leicht erklären, daß sich das Erscheinen dieses Bandes länger als erwartet hinausgezögert hat, denn zum einen ist die lateinische Literatur der Renaissance und der Neuzeit außerordentlich reich an Umfang und an Themen, zum anderen macht ihre Erforschung so rasche Fortschritte, daß IJsewijn vom "explosive development of Neo-Latin studies" spricht, die ein einzelner künftig kaum mehr vollständig überblicken könne.

Der größte Teil des vorliegenden Bandes widmet sich den einzelnen literarischen Gattungen und ihren Verästelungen, die - unter verständlichem Verzicht auf Theoriebildung - eine übersichtliche Gliederung des gewaltigen Stoffes ermöglichen. Nach einführenden Hinweisen auf die Bedeutung antiker, aber auch mittelalterlicher Modelle für die neulateinische Literatur folgt ein systematischer Überblick über alle Zweige der Dichtung, des Dramas, der Kunst- und der Wissenschaftsprosa. In kurz gefaßten Abschnitten werden die einzelnen Gattungen prägnant charakterisiert und mit repräsentativen Vertretern, oft auch anhand von kurzen, aussagekräftigen Textbeispielen vorgestellt. Der Darstellung schließt sich nach jedem Kapitel eine meist umfangreiche Auswahlbibliographie an, die einerseits übergreifende Studien verzeichnet, andererseits Editionen und Forschungsliteratur zu einzelnen Autoren nennt. Breiten Raum nehmen erwartungsgemäß die typisch humanistischen Gebiete der Poesie, Redekunst, Moralphilosophie und Geschichtsschreibung ein. Beeindruckend wird jedoch daneben vor Augen geführt, welche überragende Bedeutung die lateinische Sprache bis ins 18. Jahrhundert für den europaweiten Wissenstransfer im Bereich der Natur- und Geowissenschaften behielt.

Ein weiteres Großkapitel befaßt sich mit Sprache, Stil, Prosodie und Metrik. Der Bogen spannt sich von der scharfen Kritik mancher Humanisten am Latein spätmittelalterlicher Scholastiker über das Phänomen des Ciceronianismus bis zur fortwährenden Aktualisierung des lateinischen Wortschatzes in der im Vatikan erscheinenden Zeitschrift Latinitas.

Der Abschnitt über Texte und Editionen schließlich informiert über gedruckte Bibliographien und Kataloge sowie über Datenbanken, die einen systematischen Zugriff auf die kaum überschaubare Fülle von gedruckten neulateinischen Texten ermöglichen. Die Diskussion aktueller Fragen der Editionspraxis betont zu Recht die Bedeutung der Benutzerfreundlichkeit in einer Zeit dramatisch abnehmender Lateinkenntnisse. Eine knappe Skizze zur Geschichte der neulateinischen Studien und zum aktuellen Stand ihrer Organisation beschließt den Band, der durch fünf Register (Autoren, Orte, Sachen, Handschriften, bemerkenswerte lateinische Begriffe) vorbildlich erschlossen wird.

Die Bedeutung des nunmehr vollständigen Companion besteht zum einen darin, daß er eine weitgespannte Übersicht über die vorhandene Forschungsliteratur bzw. die Hilfsmittel zu ihrer Erschließung bietet und damit gleichsam ein Fundament für die laufende bibliographische Erfassung von Neuerscheinungen in den einschlägigen Jahresbibliographien legt.[2] Zum anderen kann die anregende Lektüre dieses Werks als Schlüssel zur Entdeckung des reichen Schaffens neulateinischer Autoren und als Ersatz für eine umfassende Geschichte dieser lange Zeit vernachlässigten Literatur dienen.

Christian Heitzmann


[1]
Pt. 1. History and diffusion of Neo-Latin literature. - 1990. - XII, 370 S. - (... ; 5). - ISBN 90-6186-366-X (Leuven Univ. Pr.) - ISBN 90-6831-224-3 (Peeters). - Rez.: ABUN in ZfBB 38 (1991),1, S. 68 - 69 (zurück)
[2]
Am wichtigsten sind die folgenden drei:
Instrumentum bibliographicum neolatinum (erscheint jährlich als Bestandteil der Zeitschrift Humanistica Lovaniensia : journal of Neo-Latin Studies. - Leuven: Leuven University Press).
Bibliographie internationale de l'humanisme et de la renaissance. - Genève : Droz. - Verzeichnet seit dem Berichtsjahr 1965 jährlich die Forschungen zum 15. bis zum frühen 17. Jahrhundert ohne Beschränkung auf das Neulatein.
Medioevo latino : bollettino bibliografico della cultura europea da Boezio a Erasmo (secoli VI-XV) / a cura di Claudio Leonardi e Lucia Pinelli. - Firenze : Edizioni del Galluzzo [bis 18 (1997): Spoleto : Centro Italiano di Studi sull'Alto Medioevo]. - Erfaßt seit 16 (1995) auch das 15. und frühe 16. Jahrhundert. - Rez.: ABUN in ZfBB 30 (1983),4, S. 327 und IFB 93-1/2-065. - Zur neuerdings vorliegenden CD-ROM-Ausg. vgl. IFB 99-1/4-214. (zurück)

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