Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 7(1999) 1/4
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Literatura russkogo zarubez'ja


99-1/4-216
Literatura russkogo zarubez'ja : [(1918 - 1996)] / V. V. Agenosov. - Moskva : Terra. Sport, 1998. - 540 S. : Ill. ; 22 cm. - ISBN 5-93127-002-7
[5649]
99-1/4-217
Poetessy russkogo zarubez'ja : L. Alekseeva ; O. Anstej ; V. Sinkevic / [Sost.: V. V. Agenosov ...]. - Moskva : Sovetskij Sport, 1998. - 433 S. ; 17 cm. - ISBN 5-85009-513-6
[5650]
99-1/4-218
Sovremennoe russkoe zarubez'e / [sostavlenie, vstupitel'naja stat'ja, spravocnye i metodiceskie materialy P. V. Basinskogo ; S. R. Fedjakina]. - Moskva : Olimp ; Izdat. AST, 1998. - 528 S. ; 21 cm. - (Skola klassiki). - ISBN 5-7390-0621-X (Olimp) - ISBN 5-237-00349-4 (Izdat. AST) : DM 20.00 (Kubon & Sagner, München)
[5652]

Vladimir Veniaminovic Agenosov, geb. 1942, hat sich mit einem Buch über die russische Auslandsliteratur neben Oleg Michajlov als einer der wenigen russischen Spezialisten für diesen in der Sowjetzeit unterdrückten Bereich ausgewiesen. Der aus Magnitogorsk stammende Philologe legt zwar wie bisher in Rußland üblich den Schwerpunkt auf die erste Emigration (380 Seiten), aber er geht erfreulich ausführlich auch auf die zweite, die Kriegswelle ein (80 Seiten). Hingegen die Schriftsteller der dritten, unter Breshnew ausgereisten Emigration stellt er in der Relation dazu erheblich zu knapp dar (37 Seiten). Zu diesem Bereich hat aber Boris Lanin (geb. 1961) 1997 ein Buch herausgebracht, das die Prosa von 14 wichtigen Autoren behandelt.[1] Das erste, 1995 in Rußland erschienene Buch über die Emigrationsliteratur von Oleg Nikolaevic Michajlov (geb. 1932) hat mit "Literatur des russischen Auslands" denselben umfassenden Titel wie das Agenosovs, obwohl dort die Abhandlung der Zweiten und Dritten Emigration zusammen auf nur 20 der 430 Seiten gedrängt ist.[2] Es zeigen sich die Folgen der jahrzehntelangen Unterdrückung und Verleumdung der russischen Emigration durch die sowjetische Führung, auch der gewissen Lockerung gegenüber den Emigranten der Leninzeit ab 1954. Um so erfreulicher sind die aktuellen Schritte zur Vergangenheitsbewältigung, zur Einbeziehung der gesamten im Ausland erschienenen und geschriebenen russischen Literatur. Agenosov, der sich in den Bereich neu eingearbeitet hat, während sich der ältere Michajlov schon in der Sowjetzeit um die Anerkennung wenigstens einiger Emigranten erfolgreich bemüht hatte, erwähnt dankbar die Unterstützung, die er aus dem Westen für sein Buch erhalten hat. Sie zeigt sich auch in der gleichzeitig mit Kirill Tolkacev herausgegebenen Anthologie, in der er mit Lidija Alekseeva eine Lyrikerin der ersten Welle, mit Ol'ga Anstej und Valentina Sinkevic Dichterinnen, die um 1942 zunächst nach Deutschland, später in die USA ausreisten, umfassend vorstellt. Von der ersten Emigration hat Agenosov 18 Schriftsteller für gesonderte Kapitel mit etwa 20 Seiten ausgewählt, wobei er neben bekannteren wie I. Bunin, I. Smelev, V. Chodasevic oder G. Ivanov auch A. Nesmelov aus der fernöstlichen Emigration, B. Poplavskij und G. Gazdanov aus der jüngeren Generation der Pariser Emigration einbezog. Aus der zweiten Welle hat er D. Klenovskij, I. Elagin, N. Morsen und L. Rzevskij für Einzelkapitel ausgewählt. Bei der dritten hat er sich auf ein Überblickskapitel beschränkt, wie er sie den beiden anderen Teilen vorangestellt hat. Diese Einleitungen von 65 und 30 Seiten sind wertvolle Einführungen in die zeitgeschichtlichen Zusammenhänge. Bei der Emigration der zwanziger Jahre widmet Agenosov Unterkapitel den wichtigsten Zentren (Prag, Berlin, Paris, Ferner Osten), dabei als Besonderheit auch dem "Russischen Amerika". In den Personenkapiteln stellt er - insbesondere bei den Prosaikern - einige wenige Werke ausführlich vor. Jedes der drei Überblickskapitel enthält auch kürzere Charakteristiken von etwa zehn Autoren. Besonderes Augenmerk legt Agenosov darauf, Beziehungen der Schriftsteller untereinander darzustellen, meist literarische, gelegentlich aber auch menschliche.

Das Buch enthält zwar ein Namensverzeichnis mit Lebensjahren und Kurzdefinition (z.B. Prosaiker, Dramatiker, Publizist), aber dies ist kein Register: Es fehlen die Seitenangaben. Um das Buch für wissenschaftliche Zwecke benutzen zu können, muß man sich als erstes wenigstens die Seiten der in Unterabschnitten bis zu sechs Seiten charakterisierten Schriftsteller notieren. Die Bücher von Michajlov und Lanin haben übrigens dieselbe Schwäche. Nützlich sind bei Agenosov die annotierten Bibliographien nach den 22 Autorenkapiteln, besonders weil er um einen vollständigen Nachweis der Veröffentlichungen in Rußland, die um 1987 begannen, bemüht ist. Die Orientierung auf den russischen Schulgebrauch hat zwar die Darstellung wissenschaftlich nicht gesenkt - exakte Quellenangaben bei Zitaten sind in Rußland ohnehin eine Ausnahme -, aber sie schließt Hinweise auf nichtrussische Sekundärliteratur aus.[3]

In der Anthologie werden die drei Dichterinnen mit einer guten Auswahl ihres Schaffens - bei Valentina Sinkevic 162 Gedichte - vorgestellt. Kleine Porträts stammen von verschiedenen Autoren. Sie ergänzen auch das in der Literaturgeschichte gegebene Bild, in der Agenosov für vier Kapitel ebenfalls andere Wissenschaftler herangezogen hat. Stärker hätte das Verdienst von Valentina Sinkevic, einst Zwangsarbeiterin in Deutschland, betont werden können, daß sie sich mit der inzwischen über zwanzigjährigen mustergültigen Edition einer jährlichen Lyrikanthologie Vstreci russischer emigrierter Dichter und der einzigen Anthologie der Lyriker der Zweiten Emigration Berega (1992) erworben hat.[4]

Agenosovs gründlich, mit gutem literarischem Verständnis und gegenüber der Sowjetzeit kritischen Haltung gearbeitete Literaturgeschichte kann allen Universitätsbibliotheken ebenso empfohlen werden wie seine angesichts der äußerst seltenen Einzelbände der drei Lyrikerinnen wertvolle und einmalige Anthologie.

Das in der eigentlich guten Reihe "Schule der Klassik" erschienene Buch über die russische Auslandsliteratur des 20. Jahrhunderts enthält Texte von Schriftstellern der drei Emigrationen und Kritiken von ihnen und über sie. Es ist ein Zeichen der aktuellen Bemühungen, die in der Sowjetzeit Gebannten zu integrieren. Als Nachschlagewerk ist es schlecht: kein Register, pauschales Inhaltsverzeichnis. Man findet z.B. auf 173 Seiten Gedichte von 28 namentlich nicht aufgeführten Lyrikern der ersten und zweiten Welle (von der dritten nur Prosa), zu 36 Autoren Biographisches (bekannte Lebensdaten fehlen), verschieden lange Prosa, mehrere zeitgenössische Kritiken zu einer untypischen Auswahl von sieben, allerdings wichtigen Autoren. Das meiste wirkt zufällig, keine Zeile von Bunin, Remizov, Solzenicyn, Vojnovic usw. Die miserable Redaktion macht angesichts der Fülle des oft guten Materials eine philologische Nutzung zur Qual oder zum Glücksspiel.

Wolfgang Kasack


[1]
Proza russkoj emigracii : (tret'ja volna) ; posobie dlja prepodavatelej literatury / Boris Lanin. - Moskva : Novaja Skola, 1997. - 207 S. - ISBN 5-7301-0275-5. (zurück)
[2]
Literatura russkogo zarubez'ja / O. N. Michajlov. - Moskva : Prosvescenie, 1995. - 432 S. - ISBN 5-09-003958-5. (zurück)
[3]
Auf wesentliche philologische Mängel verweist - allerdings auch ohne Seitenangaben - O. Korostelev in: Novoe literaturnoe obszrenie. - 38 (1999), S. 403 - 407. (zurück)
[4]
Rez.: Osteuropa. - 43 (1993),8, S. 798 - 799. - Zeitschrift für Slawistik. - 41 (1996),2, S. 235 - 237. - Novyj zurnal (New York). - Nr. 201 (1995), S. 330 - 334. - Nachdruck in: Die russische Schriftsteller-Emigration im 20. Jahrhundert / Wolfgang Kasack. - München : Sagner, 1996, S. 101, 342 - 344. - Bezug bei der Herausgeberin: Valentina Sinkevich, 7738 Woodbine Av., Philadelphia, Pa. 19151, USA. (zurück)

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