Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 7(1999) 1/4
[ Bestand in K10plus ]

Literatour durch Wien


99-1/4-199
Literatour durch Wien : ein literarischer Reiseführer durch die Hauptstraßen und Nebengassen der österreichischen Dichtung / Claudia Girardi. - Wien [u.a.] : Böhlau, 1998. - 188 S. : Ill., Kt. ; 22 cm. - ISBN 3-205-98907-4 : ÖS 298.00, DM 39.80
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Eine eigentliche Tour nach Etappen, d.h. einen Vorschlag zu einem systematischen Spaziergang durch die Straßen und Gassen der Donaumetropole, in denen sich literarische Gedenkstätten befinden, bietet das von Claudia Girardi herausgegebene Buch Literatour durch Wien nur im letzten der sieben Kapitel, aus denen das Werk besteht, das als Titel die Überschrift dieses Schlußteiles trägt.

Der Band konnte auch kaum einheitlich ausfallen, denn er vereinigt die Resultate der Arbeit von verschiedenen Schülergruppen - zu jeweils zwei bis vier Teilnehmern - der Maturaklasse 8B des Jahrgangs 1997/98 am Sigmund-Freud-Gymnasium zu Wien. Nur die Einleitung und das erste Kapitel stammen aus der Feder der Herausgeberin, welche die Suche ihrer Schüler nach den literarischen, meist steinernen Spuren (Tafeln, Denkmälern, Büsten usw.) in der Stadt gefördert und koordiniert hat.

Jeder Abschnitt weist deswegen eine eigene Struktur sowie einen eigenen Schwerpunkt und einen stilistisch wie inhaltlich besonderen Geschmack auf. Die Lehrerin teilt, wie es sich gehört, aufgrund der an reputierten Schulen angebrachten Tafeln mit, welche Dichter jeweils welche Lehranstalt besucht haben. Ihr Beitrag besteht, genauso wie im allgemeinen diejenigen ihrer Schüler, aus Text, Photographien und Zitaten, wobei klar zutage tritt, daß ihre literarische Sympathien unterschiedlich verteilt sind: Unter den ehemaligen Besuchern des Akademischen Gymnasiums z.B. räumt sie Peter Altenberg und Arthur Schnitzler viel mehr Platz als Hugo von Hofmannsthal ein.

Tafeln an Wohn- und Sterbehäusern von mehr oder weniger bekannten Dichtern stehen im Mittelpunkt des folgenden Abschnitts, während sich der dritte mit Statuen und Büsten von größeren oder kleineren literarischen Persönlichkeiten beschäftigt.

Das vierte Kapitel stellt eine Besonderheit dar, denn es ist "Ein Dramolett unter toten [ausschließlich österreichischen] Dichtern" - von Johann Nestroy bis Ferdinand von Saar, von Heimito von Doderer bis Thomas Bernhard -, die sich dort bitter-ironisch über das gar nicht einfach zu lösende Problem der Aufbewahrung von Dichternachlässen in Archiven unterhalten.

Unter einer für Achtzehnjährige etwas unglaubhaft anmutenden Überschrift - "Lieber Grillparzer als Grillwurst!" - konzentriert sich der fünfte Teil auf die Entdeckung der zahlreichen Wohnstätten des berühmtesten österreichischen Dramatikers des 19. Jahrhunderts, während das sechste Kapitel den Leser durch den Wiener Zentralfriedhof führt, wo zahlreiche Vertreter der Literatur begraben liegen.

Die Begeisterung und das jugendliche Engagement, die offensichtlich hinter diesem sonderbaren Unternehmen stecken, sind ohne weiteres schätzenswert. Sicher kann das Buch literarisch interessierte Laien jeder Altersklasse anspornen und ihnen auch durch den beigefügten Anhang behilflich sein, sich in der Literaturszene der Vergangenheit zu orientieren. Fachleuten teilt es nichts Neues mit, auch wenn sie jede weitere Förderung ähnlicher Projekte bei Jugendlichen nur als sehr willkommen begrüßen würden.

Gabriella Rovagnati


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