Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 7(1999) 1/4
[ Bestand in K10plus ]

Schiller-Handbuch


99-1/4-193
Schiller-Handbuch / hrsg. von Helmut Koopmann. In Zsarb. mit der Deutschen Schillergesellschaft Marbach. - Stuttgart : Kröner, 1998. - XVIII, 966 S. ; 18 cm. - ISBN 3-520-83001-9 : DM 78.00
[5084]

In Anlage und Aufmachung ist der - in Zusammenarbeit mit der Deutschen Schillergesellschaft Marbach herausgegebene - Band den anderen Autoren-Handbüchern des Verlags vergleichbar und bietet schlechthin alles an Information, was man von einem derartigen Kompendium nur erwarten kann. Der ordnenden Hand des Herausgebers, der selbst mehrere Abschnitte beigesteuert hat, ist es gelungen, trotz der großen Zahl von Mitarbeitern Überschneidungen, Wiederholungen etc. zwischen den 44 Kapiteln des Werks zu vermeiden. Das Handbuch gliedert sich in fünf Abteilungen zu folgenden Themen: Schiller in seiner Zeit (mit Kapiteln u.a. zu Biographie, Politik, Verlegern), Schiller und die kulturelle Tradition (u.a. zu Antike, Popularphilosophie, Musik und Rhetorik), Ästhetik (vor allem zu den Gattungsstilen), Werke (einschließlich der von Schiller betreuten Zeitschriften), Wirkung (einschließlich der Rezeption im Ausland).

Die einzelnen Kapitel unterrichten knapp und präzise, zugleich aber umfassend. So wird z.B. für die Schiller-Rezeption im italienischen Risorgimento nicht nur auf die Langzweitwirkung der Opern von Gioacchino Rossini (Guillaume Tell, 1829) und Giuseppe Verdi (I masnadieri, 1847, Luisa Miller, 1849) verwiesen, sondern auch auf Giuseppe Mazzinis Schrift Della fatalità considerata come elemento drammatico von 1836, die Schillers Dichtungen als Muster für Verständigungsformen deutet, die das Menschengeschlecht dereinst zur Vervollkommnung führen würden.

Die Kapitel enden jeweils mit bibliographischen Hinweisen, deren Titelaufnahmen zwar die Vornamen abkürzen, ansonsten aber vollständig sind. Was das Schiller-Handbuch zu einem Informationsmittel im höchsten Sinne des Wortes macht, ist ein 120 Seiten starker Forschungsbericht aus der Feder von Koopmann selbst. Angesichts der Masse der Schiller-Literatur - nächst Goethe ist über keinen deutschen Dichter mehr geschrieben worden - begrüßt man gerade diesen Abriß der Forschungsgeschichte besonders dankbar, der bis dicht an die Gegenwart heranführt. Die Berichtszeit reicht bis 1996. Überall verbindet sich hier die hohe Kunst des sachlichen Referats mit der kritischen Bewertung. So faßt der Herausgeber in der Passage zum Don Karlos auf einer Dreiviertelseite die vor allem auf die Briefe über Don Karlos gestützte Kernthese eines Buches von Hans-Jürgen Schings[1] zusammen, das bei seinem Erscheinen einiges Aufsehen erregt hatte: Mit Blick auf den Illuminatismus habe Schiller die Konzeption des Don Karlos geändert, den Marquis Posa zum Illuminaten umgestaltet und ihn zum Muster eines um der Durchsetzung seiner Ideen willen nach Herrschaft strebenden Intellektuellen gemacht, zum Despoten aus aufklärerischer Absicht. Koopmanns Bedenken, ob Schings die von Schiller "selbst als notdürftige Verteidigungsschrift in der Frage der Einheit des Dramas" verfaßten und vorwiegend dramaturgisch gemeinten Briefe über Don Karlos nicht in politischem Sinne überinterpretiere, damit auch den Einfluß der Illuminaten zu hoch bewerte, ist fair von dem Referat abgesetzt und leuchtet - da Schings mit dem Anspruch, seine Interpretation reiche den exklusiven Schlüssel zum Verständnis des Don Karlos, seine Studie unnötig angreifbar macht - auch dann noch ein, wenn man die zum Beleg des Einwands herangezogene ältere Arbeit von Benno von Wiese längst nicht so überzeugend findet wie die konzise Untersuchung von Schings. Möge sich die Germanistik von dem Modell des Koopmannschen Textes ermutigen lassen, auch anderen Autoren derartig hilfreiche Forschungsberichte zu widmen. Der Bedarf an solchen Wegweisern durch eine immer unübersichtlicher werdende Forschungslandschaft ist groß.

Hans-Albrecht Koch


[1]
Die Brüder des Marquis Posa : Schiller und der Geheimbund der Illuminaten / Hans-Jürgen Schings. - Tübingen : Niemeyer, 1996. - V, 247 S. - ISBN 3-484-10649-2 : DM 56.00. (zurück)

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