Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 7(1999) 1/4
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Johann Wolfgang von Goethe


99-1/4-176
Johann Wolfgang von Goethe / dargstellt von Peter Boerner. - Überarb. Neuausg., 33. Aufl. - Reinbek : Rowohlt, 1999. - 155 S. : Ill. ; 19 cm. - (Rowohlts Monographien ; 50577). - ISBN 3-499-50577-0 : DM 12.90
[5615]
99-1/4-177
Johann Wolfgang von Goethe / von Anja Höfer. - Orig.-Ausg. - München : Deutscher Taschenbuch-Verlag, 1999. - 159 S. : Ill. ; 19 cm. - (dtv ; 31015 : dtv Portrait). - ISBN 3-423-31015-4 : DM 14.90
[5660]
99-1/4-178
Goethe : eine Biographie in 16 Kapiteln / Karlheinz Schulz. - Stuttgart : Reclam, 1999. - 603 S. : Ill. ; 15 cm. - (Universal-Bibliothek ; 9745). - ISBN 3-15-009745-2 : DM 22.00
[5659]
99-1/4-179
Dichterwege : eine kleine Goethe-Biographie / Christoph Perels. - Stuttgart [u.a.] : Kohlhammer, 1999. - 143 S. ; 22 cm. - ISBN 3-17-015565-2 : DM 31.30
[5661]
99-1/4-180
Goethe : Zugänge zum Werk / Irmgard Wagner. - Orig.-Ausg. - Reinbek : Rowohlt, 1999. - 255 S. ; 19 cm. - (Rowohlts Enzyklopädie ; 55629). - ISBN 3-499-55629-4 : DM 19.90
[5734]

Seit 1964 hat sich der kleine Band auf dem Markt bewährt, den der aus Estland gebürtige Germanist Peter Boerner für die bekannte Reihe der Rowohlts Monographien verfaßt hat. Boerner hat das Kunststück fertiggebracht, das an Details überreiche Leben Goethes so anschaulich wie knapp darzustellen. Die enge Vertrautheit des heute der Indiana University in Bloomington angehörenden Gelehrten mit Werk und Leben Goethes rührte aus seiner Tätigkeit als Kustos am Düsseldorfer Goethe-Museum der Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung und aus der Herausgeberschaft der 45bändigen Goethe-Ausgabe bei dtv, die ihrerseits auf der von Ernst Beutler initiierten Artemis-Ausgabe beruhte und mit welcher der Deutsche Taschenbuch-Verlag damals den Weg zum Großprojekt im Taschenbuch eingeschlagen hatte, den er inzwischen mit der Musik in Geschichte und Gegenwart, dem Grimmschen Wörterbuch und anderen Unternehmungen so glücklich fortgeschritten ist.

Zum Konzept der von Kurt Kusenberg begründeten, heute von Wolfgang Müller und Uwe Naumann betreuten Reihe Rowohlts Monographien gehörte schon damals zum einen die reiche Ausstattung mit Abbildungen, zum anderen die Integration möglichst vieler Selbstzeugnisse in den Text der Darstellung. Die Abbildungen waren, dem seinerzeitigen Stand der Produktionstechnik entsprechend, durchweg Schwarz-Weiß-Abbildungen. In der jetzt aus Anlaß des Goethe-Jubiläums vorgelegten "überarbeiteten Neuausgabe" sind die Abbildungen durchweg farbig, wie es die vor einigen Jahren vorgenommene Neugestaltung der Reihe jetzt generell vorsieht. Die Grundanlage des Textes, also die Verschränkung der erzählenden Biographie mit zahlreichen Zitaten als Selbstzeugnissen ist geblieben. Das ist die Stärke und Schwäche dieses Bandes zugleich, der unter den kleinen Goethe-Biographien inzwischen manch achtbare Konkurrenz bekommen hat. Aber gerade wegen dieses Ansatzes, der freilich nur einer unter mehreren methodisch legitimen ist, möchte man den Boerner auch künftig nicht entbehren.

Die kleine beigegebene Bibliographie verschweigt die 1999 herausgekommenen Mitbewerber um die Gunst des nach knapper einführender Information suchenden Lesers: Da ist zum einen der frisch geschriebene und in der Machart der Abbildungen der Rowohlt-Monographie äußerlich nahestehende Band, den die Journalistin und Rezitatorin Anja Höfer für die Reihe dtv Portrait geschrieben hat. Abweichend vom Rowohltschen Konzept arbeitet man in den Bänden dieser Reihe zusätzlich mit Patterns im Text oder im Fuß der Seite.

Sodann ist bei Reclam eine deutlich umfangreichere, Überblick und Detail vorzüglich verbindende, zuweilen durch selbständig erarbeitete Urteile brillierende, vor allem aber auch den Wissenschaftler Goethe berücksichtigende Biographie von Karlheinz Schulz erschienen. Hier ist der - überaus lesenswerte - Text alles, die vereinzelt eingestreuten kleinen Bildbeigaben fallen nicht ins Gewicht.

Schließlich hat Christoph Perels, der Direktor des Freien Deutschen Hochstifts/Frankfurter Goethemuseum die Wege des Dichters nachgezeichnet für alle, "die mehr über Goethe erfahren wollen, als ein Lexikon-Artikel bieten kann, die aber - noch - nicht eine der umfangreichen Goethe-Biographien in die Hand nehmen mögen." Äußerlich entspricht der Band in seiner zurückhaltenden Aufmachung und im Verzicht auf Bilder ganz dem auf Solidität und Seriosität ausgerichteten Erscheinungsbild, das allen Büchern aus dem Hause Kohlhammer zueigen ist. (Dort hat man ja auch geduldig das so anspruchsvolle wie verdienstliche Goethe-Wörterbuch inzwischen bis zum Buchstaben G weitergeführt, das Wolfgang Schadewaldt einst als die "Magna Charta für das neuere Deutsch" begründet hatte.) Die Unauffälligkeit des Äußeren läßt nichts davon ahnen, wie vortrefflich sich in diesem Werk die sachliche Unterrichtung, die Berücksichtigung der neueren Forschung im Detail (etwa in der Auswertung der Kommentare der Frankfurter und Münchener Goethe-Ausgabe) und ein flüssiger, zuweilen hinreißend schöner Stil verbinden. Das Wichtigste aber ist, daß Perels zwar der chronologischen Ereignisfolge nach vom Leben des Dichters erzählt, recht eigentlich aber eine "innere Biographie" verfaßt. Man kann den tieferen Blick des Autors schon an den Überschriften erkennen: Was bei Boerner und Höfer Reise nach Italien heißt, bei Schulz immerhin eine Flucht nach Italien genannt wird, das ist bei Perels endlich ein Freies Künstlerleben.

In den Bibliotheken sollte keine der vier hier verglichenen Biographien fehlen.

Etwas zu eilig geschrieben mutet dagegen das Goethe-Bändchen an, das Irmgard Wagner für Rowohlts Enzyklopädie verfaßt hat, auch wenn es erst so spät im Goethe-Jahr herauskommt, daß es vom Medienrummel nicht mehr profitieren kann. Die biographischen Informationen sind nicht nur allzu knapp gehalten, sondern wiederholt auch fehlerhaft und spiegeln schon gar nicht den neuesten Stand der Forschung wider. Zum Beleg nur dies. Wagner schreibt über Goethes römischen Aufenthalt: "[...] er paßte sich an im Mitgenießen, einschließlich einer sexuellen Beziehung, seiner ersten, wie die Goetheforschung sich einig ist" (S. 21). Einspruch: Die Forschung ist sich mitnichten einig, vielmehr gibt Wagner nur unkritisch eine These aus Kurt R. Eisslers Monographie[1] wieder. Natürlich gerät jeder Autor ins Hintertreffen, der heute über Goethe und Italien schreibt, ohne für die Darstellung der Fakten die aus gründlicher Beschäftigung mit den Archivalien hervorgegangene Arbeit von Roberto Zapperi[2] zu benutzen. Das Buch von Zapperi, das in der deutschen Version seiner Frau übrigens vor dem italienischen Original erschienen ist, dürfte zu den wenigen Neuerscheinungen des Goethe-Jubiläums gehören, die überdauern werden. Ganz unzulänglich ist die kleine Bibliographie des Rowohlt-Bändchens: Es fehlen dort nicht nur der neue Zapperi, sondern z.B. auch das erwähnte Werk von Eissler, das neue Goethe-Handbuch usw. Besser gelungen sind die interpretierenden Kapitel zu einzelnen Werken, die für den Anfänger durchaus informativ sind, freilich auch gelegentlich nach Ergänzung verlangen: Natürlich kann man sagen, in Goethes Neuer Melusine versage der Mann, der sich mit dem Geld der Geliebten doch ganz wohl befindet, vor der Aufgabe, sich aus Liebe zu seiner Prinzessin in einen Zwerg zu verwandeln, nur übersieht eine solche Interpretation, daß der Protagonist sich durch die Flucht aus der Bindung an eine Zwergin der Zumutung seiner eigenen Nanufizierung entzieht - was der Autor des Märchens bekanntlich wiederholt getan hat.

Hans-Albrecht Koch


[1]
Goethe : a psychoanalytic study ; 1775 - 1786 / by Kurt R. Eissler. - Detroit, 1963. - 1 - 2. - Deutsche Übersetzung: Frankfurt a.M. - 1 (1983) - 2 (1985). - Bei Schulz (s.o. IFB 99-1/4-178) steht alles Nötige zur Auseinandersetzung der Forschung mit dieser These. (zurück)
[2]
Das Inkognito : Goethes ganz andere Existenz in Rom / Roberto Zapperi. Aus dem Italienischen von Ingeborg Walter. - München : Beck, 1999. - 298 S. : Ill. ; 21 cm. - ISBN 3-406-44587-X : DM 39.90. (zurück)

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