Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 7(1999) 1/4
[ Bestand in K10plus ]

Typography


99-1/4-095
Typography : when, who, how = Typographie / ed. by Friedrich Friedl ... Text: The Tools / Philipp Luidl. - Köln : Könemann, 1998. - 592 S. : zahlr. Ill. ; 31 cm. - ISBN 3-89508-473-5 : DM 49.90
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Wer sieben Pfund Buch kauft, weiß, daß er sich belastet. Wenn fast 600 Seiten und über 2000 Illustrationen im Folioformat 25x31 den Geldbeutel um lediglich DM 49.90 entlasten, sollte er auch wissen, daß er mit dem schweren Kauf das Typographie-Geschäft des Jahres gemacht hat. "Das vorliegende Buch ist kein Lehrbuch der Typographie. Es ist der Beginn eines Nachschlagewerks, das die Wechselwirkungen zwischen Handwerk und Technik, Theorie und Praxis, zwischen dienender und experimentierender Auffassung zeigt," erklären Friedrich Friedl, Nicolaus Ott und Bernard Stein im Vorwort. Und das Ergebnis ist mehr als bloßes Proömium!

Typography : when, who, how, oder zu Deutsch Typographie : wann, wer, wie gliedert sich in Teile Die Chronologie, Die Personen und die Institutionen, Die Werkzeuge und eine als Index fungierende Schriftenübersicht sowie eine Auswahlbibliographie. Die Chronologie führt auf 66 Seiten durch die Geschichte der Schrift von Raygun bis zu den Assyrern. Rückwärts blickend, in der Gegenwart beginnend, ist dies eine nicht unverständliche Gangrichtung. Sie irritiert jedoch, sobald man versucht, im Gewebe der Abhängigkeiten den Wirkungsspuren zu folgen. Dieser 'Webfehler' wird jedoch ausgeglichen durch ebenso konzise wie präzise, trennscharf formulierte Beschreibungen der einzelnen Bewegungen. Hier gilt, wie für den gesamten Band, daß die Illustrationen sehr gut gewählt und auch gedruckt sind. Der Teil Die Personen und die Institutionen bietet eine alphabetisch geordnete Übersicht der wichtigen Persönlichkeiten, Institutionen und Firmen in der Geschichte der Typographie bis in die Gegenwart. Begleitet werden die Einträge durch mindestens eine, meist mehrfarbige Abbildung eines typischen Werkes in stark reduzierter Größe - einer Größe, wie sie eher für Taschenbücher im Standardformat üblich ist. Die für einen derart stattlichen Band geringe Größe der Illustrationen (wenn auch immer noch weit über dem Briefmarkenformat) ist das Ergebnis der typographisch umgesetzten, marktorientierten Gesamtplanung des Bandes: er kommt dreisprachig daher (deutsch, englisch, französisch). Die Abbildungen wurden auf der Doppelseite zentriert, eingerahmt vom deutschsprachigen Text oben, dem englischen unten (jeweils über/unter der Doppelseite in Spalten fortlaufend) und dem französischen links und rechts. Die klare Einteilung reduziert das Maß der Verwirrung, man will nur kurz den begonnenen Text in der Fremdsprache weiterlesen und findet sich schnell in der immer durchsichtig bleibenden Zuordnung von Text und Bild zurecht. Die Einzeleinträge sind sehr kurz, auf den Punkt gebrachte Zusammenfassungen einzelner Karrieren, der Firmen- und Institutionengeschichte. Faktische Orientierung steht somit im Vordergrund, nicht Meinung und Bewertung. Dieses reichlich minimalistische Konzept macht die Lektüre spröde, allein die Menge der Information ist packend und reißt mit.

Die Bandbreite der Einträge - vom Kalligraphen zum Typo-Star, vom Semiotiker zum Bibliothekar - zeigt eindrucksvoll die Doppelseite 340/341. Sie führt den Philosophen und Psychoanalytiker Jacques Lacan, den Typographen Günther Gerhard Lange und den Kalligraphen Jean Larcher zusammen. Solches als eklektisch zu bezeichnen, hieße einen grundlegenden Ansatz der Autoren zu unterschätzen: "In seiner ganzheitlichen Betrachtungsweise nimmt es [das Werk] Typographie als wichtigen Bestandteil unserer Kultur wahr. Es kann ... dazu verhelfen, Schrift und Typographie offensiver wahrzunehmen." Vor dem Hintergrund einer internationalen Plazierung des Bandes fällt jedoch der deutschsprachige Hintergrund der Autoren auf. Werner Schneider, Xanti Schawinsky und Ernst Hiestand dürften sich kaum internationalen Rennomees erfreuen, Fehlenden wie Warja Lavater, Joe und Jake Tilson, George Salter, Otto Storch, Art Chantry und D. B. Updike mangelt es zwar an einem Eintrag, kaum aber an Bekanntheit.

Die Personen und die Institutionen bilden das schmackhafte Kernstück des Schinkens. Die Werkzeuge, die als Index fungierende Schriftenübersicht sowie die Auswahlbibliographie enttäuschen hingegen. Trotz der Bandbreite der aufgenommenen Werkzeuge - Faustkeil und Fischbein teilen sich die Seite mit Schreibmaschine und Digi-Satz - vermißt man hier die reichhaltige Differenziertheit des Hauptteils sowie illustrative Beigaben. Die Liste der Schriften erschließt lediglich die im Personen- und Institutionenteil erwähnten, ermöglicht jedoch leider keine zeitliche Zuordnung oder gar einen Nachweis der Schriftgießereien. Mit der unkommentierten Bibliographie teilt sie ihr Augenstaub-Design.

Noch entfernt davon, das endgültige Nachschlagewerk zu sein, ist Typographie : wann, wer, wie ein Muß für jeden Typophilen, jede Bibliothek und jeden Schnäppchenjäger.

Rudolf Nink


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