Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 7(1999) 1/4
[ Bestand in K10plus ]

Geschichte der österreichischen Kinder- und


99-1/4-030
Geschichte der österreichischen Kinder- und Jugendliteratur vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart / Hans-Heino Ewers ; Ernst Seibert. - Wien : Buchkultur Verlagsges., 1997. - 207 S. : Ill. ; 26 cm. - ISBN 3-901052-32-1 : ÖS 368.00, DM 52.80
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Eine Geschichte der österreichischen Kinder- und Jugendliteratur fehlte bisher. In den Darstellungen zur deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur wurden vereinzelt auch österreichische Autoren mit behandelt, der Aspekt, daß es sich um österreichische Autoren handelt, fand dabei nicht immer Beachtung, noch weniger wurde aufgezeigt, daß die österreichische Kinder- und Jugendliteratur eine eigenständige Entwicklung mit vielen spezifischen Besonderheiten hat.

Als Ergebnis eines Symposium zum "Beitrag Österreichs zur deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur" liegt nun ein "erster Versuch" vor, die Entwicklung dieser Literatur "des republikanischen Österreich bzw. die der ehemaligen Habsburger Monarchie ..., die durch Schriftstellerpersönlichkeiten mit Herkunft aus diesen Ländern repräsentiert wird", darzustellen. Achtzehn österreichische und fünf deutsche Pädagogen, Literatur- und Kunstwissenschaftler vermitteln in ihren Beiträgen eine Gesamtschau und zeigen, daß die österreichische Kinderliteratur "ein unverkennbar eigenes Gepräge hat."

Die Geschichte der österreichische Kinder- und Jugendliteratur wird in drei Zeiträumen dargestellt: Vom 18. Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg; Erste Republik und Exil; Nachkriegszeit und Gegenwart. Jedem Zeitraum ist eine Zeittafel vorangestellt, die eine gute Übersicht über das kinder- und jugendliterarische Geschehen in Österreich bieten. Der erste Beitrag in jeden Zeitraum gibt eine knappe Übersicht über die Periode, dann folgen Aufsätze zu Schwerpunkten bzw. bestimmten Gattungen, Themen oder Autoren.

Bereits im ersten Beitrag erläutert Ernst Seibert die unterschiedlichen Bedingungen für das Entstehen einer Kinderliteratur in Österreich, die zu ihrer Eigenständigkeit geführt haben. Seit dem Regierungsantritt Maria Theresias hatte sich in den Kronländern und Erblanden der Habsburger Monarchie eine kinder- und jugendliterarische Szenerie entwickelt, die von wesentlich anderen geistesgeschichtlichen Prämissen geprägt war als in den deutschen Nachbarländern. Stärker als in den deutschen Nachbarländern war das Erziehungsschrifttum von konfessionellen Spannungen geprägt. Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts hatte sich die Polarisierung zwischen jesuitischer und reformkatholischer Tendenz in der Jugendliteratur verstärkt, was eine lang anhaltende Abwehr des zu dieser Zeit in den deutschen Ländern in hoher Blüte stehenden Philanthropismus führte. Die erste Phase der österreichischen Kinder- und Jugendliteratur ist von Geistlichen, die für die Jugend geschrieben haben, geprägt.

Als spezifische Gattungen werden das Kindertheater, das in Österreich stark ausgeprägt war, sowie die Kinder- und Jugendzeitschriften behandelt. Zwei Autoren, Leopold Chimani und Peter Rosegger, sind eigene Artikel gewidmet. Die einzelnen Beiträge setzen Schwerpunkte wie die proletarische Kinderliteratur 1895 - 1938, die Kinderliteratur im Exil oder die Anfänge der kritischen Auseinandersetzung mit der jüngsten Vergangenheit, die sich in der österreichischen Kinder- und Jugendliteratur früher widerspiegelt als in der deutschen. Die Kinderbuchillustration findet zu Recht starke Beachtung. Vier Beiträge die von der Illustration des Biedermeier über den Jugendstil bis zum Bilderbuch nach 1945 reichen, belegen den bedeutenden Beitrag und Einfluß auf die Illustration im deutschsprachigen Raum.

Alle Beiträge betonen die Eigenständigkeit der österreichischen Kinder- und Jugendliteratur und zeigen, wie sie eigene Wege ging, wo Tendenzen und Strömungen anders verlaufen sind. Besonders interessant ist dabei der Beitrag, der eine echt wienerische Erscheinung behandelt. Rüdiger Steinlein untersucht die Psychoanalytischen Beiträge zur Kinder- und Jugendliteratur und -lektüre. Von Freud ausgehend war den tiefenpychologischen Gründen des kindlichen Vergnügens an literarischen Gegenständen nachgegangen worden.

Abgerundet wird der Band mit der Schilderung einer Abhandlung über den österreichischen Beitrag zur Theorie des guten Jugendbuchs, in dem sich Hans-Heino Ewers mit der Kinderliteraturtheorie Richard Bambergers auseinandersetzt. Der Band endet mit der Vorstellung des Kinder-Literatur-Hauses in Wien und der Abteilung für Kinder- und Jugendliteratur in der Kunstsektion des Bundeskanzleramts, eine "Koordinations - Förderungs- und Servicestelle" zur Zusammenarbeit aller mit dem Kinder- und Jugendbuch befaßten Einrichtungen und Einzelpersonen wie sie in Deutschland bisher fehlt.

Die Literaturverzeichnisse, die jeden Beitrag abschließen, sind recht unterschiedlich. Einige verzeichnen exakt Primärliteratur und Quellen sowie Sekundärliteratur. Bei vielen fehlen leider die Angaben der erwähnten Primärliteratur und das gerade bei sehr interessanten Beiträgen wie den Frühphasen der österreichischen Kinder- und Jugendliteratur oder der Kinderliteratur im Exil.

Ein Register verweist auf die erwähnten Personen. Über achtzig zum Teil farbige Abbildungen aus österreichischen Kinder- und Jugendbüchern unterstützen die als "ersten Versuch" bezeichnete profunde Einführung in die Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur unseres Nachbarlandes.

Heinz Wegehaupt


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