Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 6(1998) 3/4
[ Bestand in K10plus ]

Reclams Lexikon der Antike


98-3/4-302
Reclams Lexikon der Antike / hrsg. von M. C. Howatson. - Stuttgart : Reclam, 1996. - 708 S. : Ill., Kt. ; 25 cm. - Einheitssacht.: The Oxford companion to classical literature <dt.>. - ISBN 3-15-010417-3 : DM 118.00, DM 98.00 (Einführungspr. bis 31.05.96)
[3313]

Reclams Lexikon der Antike ist die deutsche Übersetzung der 2. Aufl. des Oxford companion to classical literature.[1] Über das Verhältnis des Lexikons zu seinem englischen Original und sein Selbstverständnis als Informationsmittel im deutschsprachigen Raum informiert ein Vorwort (S. 5 - 7). Das Lexikon sei in seinen Inhalten aktualisiert und auf moderne Benutzerinteressen besser zugeschnitten als es noch die Erstausgabe des Companion von 1937 war: das bedeute nicht nur Ergänzungen oder Überarbeitungen von Einträgen, sondern auch Orientierung an den inzwischen geschwundenen Sprachkenntnissen einerseits, den veränderten Fragestellungen andererseits. Daß die Komprimierung von Stoff dabei notgedrungen zu Verkürzungen in der Diskussion bzw. zur Vereinfachung von Sachverhalten führen muß, wird in der Vorrede zwar bedauert, versteht sich aber eigentlich fast von selbst, und ist vor allem in einem offenbar für breitere Leserkreise konzipierten Nachschlagewerk auch nicht grundsätzlich zu kritisieren. Bestimmte Themenbereiche, wie z.B. die Mythologie, sind zum größten Teil - weil andernorts, darunter im selben Verlag,[2] erschlossen - ausgespart worden. Am Ende des Buches gibt es eine Zeittafel, Karten und vier Seiten (!) bibliographische Hinweise; weshalb im Vorwort dem Leser darüber hinaus die (originalsprachigen) Textausgaben von Teubner und aus der Reieh der Oxford classical texts noch gesondert ans Herz gelegt werden, ist in einem Lexikon, das ansonsten vom altsprachlich unbedarften Leser ausgeht, nicht ganz nachzuvollziehen, zumal man doch viel eher auf die bisweilen ausnehmend gut übersetzten und kommentierten, und nicht zuletzt preisgünstigen Ausgaben antiker Texte im eigenen Verlag hätte hinweisen können.

Auf fast 700 Seiten, aufgelockert von einigen Abbildungen, präsentiert das Lexikon mehr als 3300 Einträge "über Autoren und Werke der griechischen und römischen Literatur, über die Geschichte Griechenlands und Roms (von etwa 2800 v. Chr. bis zum Untergang des Römischen Reiches), über die antike Mythologie, Religion und Kunst sowie viele Bereiche des Alltagslebens in der antiken Gesellschaft, z.B. Recht, Sklavenhaltung, Erziehung, Handwerk"; so verspricht es der Klappentext. Ganz wird das Buch diesem Anspruch freilich nicht gerecht. Nicht nur, daß im Vorwort manches wieder zurückgenommen werden muß, was der Werbetext verspricht (Mythologie!), vor allem hätte eine engere Anlehnung an den englischen Originaltitel eine dem Inhalt angemessenere Erwartungshaltung erzeugt. Es ist zwar richtig, daß schon in der Erstausgabe des Buches von 1937 mehr aufgenommen war als nur Autoren und ihre Texte - sonst wäre es ja auch "nur" eine Art Autorenlexikon gewesen. Aber textlich überlieferte Information stand ganz zweifellos im Vordergrund des Lexikons, was wiederum dazu führte, daß es gerade beim Lesen ebenjener Texte besonders hilfreich zur Seite stehen konnte. So hatte sich das Buch eigentlich verstanden, und daran hat sich auch in der deutschen Ausgabe nicht viel geändert. Es ist durch die Übersetzung keineswegs zum alle altertumswissenschaftlichen Disziplinen gleichermaßen umfassenden Lexikon geworden. Mit materiellen Überresten befaßte Disziplinen sind mit ihren Ergebnissen und Forschungsrichtungen kaum präsent, auch nicht da, wo sie am ehesten hätten Eingang finden können: bei Artikeln über Geographica z.B., oder bei der Beschreibung von Sitten und Gebräuchen (Bestattung, Essen und Trinken etc.). Auf die so stark auf Literatur und Lektüre ausgerichtete Tendenz des Lexikons weisen die Verantwortlichen m.E. nicht deutlich genug hin, und deshalb muß diese wesentliche Eigenschaft hier so nachdrücklich betont werden. Das Lexikon mag dem (noch) nicht spezialisierten Leser antiker Literatur erste Hilfestellung geben - und da keine weiterführenden Literaturhinweise bei den einzelnen Artikeln gegeben werden, kann man nur hoffen, der Wissensdurst des Nachschlagenden ist mit dem bisweilen spärlichen Informationsrinnsal auch schon gestillt. Als eine konzentrierte Zusammenfassung von Wissen über die Antike aus allen mit ihr befaßten Wissenschaften darf man es nicht betrachten.

Joachim Migl


[1]
Oxford companion to classical literature. - 2. ed. / ed. by M. C. Howatson. - Oxford : Oxford University Press, 1989. - VII, 615 S. : Kt. - ISBN 0-19-866121-5. - Die 1. Aufl. von 1937 war von Paul Harvey verfaßt. (zurück)
[2]
Reclams Lexikon der antiken Mythologie / von Edward Tripp. Übers. von Rainer Rauthe. - 5. Aufl. - Stuttgart : Reclam, 1981. - 560 S. : Ill., Kt. - Einheitssacht.: Cromwell's handbook of classical mythology <dt.> - ISBN 3-15-010371-1 : (vergriffen). (zurück)

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