Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 6(1998) 3/4
[ Bestand in K10plus ]

Die Bau- und Kunstdenkmäler des Rheinlandes


98-3/4-264
Die Bau- und Kunstdenkmäler des Rheinlandes / hrsg. vom Ministerium für Stadtentwicklung, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen in Verbindung mit dem Landschaftsverband Rheinland. - Berlin : Mann. - 26 cm. - (Die Bau- und Kunstdenkmäler von Nordrhein-Westfalen : 1, Rheinland)
[4890]
[Gattungsinventare]
Zechen und Kokereien im rheinischen Steinkohlenbergbau
Aachener Revier und westliches Ruhrgebiet / von Walter Buschmann. - 1998. - 672 S. : Ill., Kt. - ISBN 3-7861-1963-5 : DM 286.00

Die Reihe der Großinventare der Bau- und Kunstdenkmäler in Nordrhein-Westfalen wird - nach bisher recht bedächtigem Publikationstempo - endlich mit einem Spezialinventar fortgesetzt, und zwar mit einem Band zu den Zechen und Kokereien des Aachener Reviers und des westlichen Ruhrgebiets. Die Aufnahme von Spezialinventaren wie diesem rein gattungsbezogenen in die grundsätzlich gattungs- bzw. denkmaltypübergreifenden und streng topographisch strukturierten Großinventare hat sich mit zunehmender Ausweitung des Denkmalbegriffs und der damit verbundenen Anzahl zu verzeichnender Bauwerke einerseits und mit gesteigerter Qualität und Quantität in der Beschreibung der einzelnen Objekte andererseits längst schleichend angekündigt: In umfangreicheren Gesamtinventaren entwickelte sich für einzelne Orte die übliche Untergliederung der Einträge nach Denkmaltypen inzwischen zu völlig eigenständigen Bänden, etwa für die Sakralbauten, Profanbauten usw. Es konnte daher nur noch ein kleiner Schritt sein, auch Baudenkmäler, deren Beschreibung sich nur mit Mühe in "normale" Ortsinventare integrieren ließ - und dies trifft gerade für expansive Industriebauten zu - , aus einer primär ortsgebundenen Beschreibung herauszunehmen und direkt in Spezialinventaren zusammenzufassen, wenn sich der betreffende Denkmaltyp als prägend und entwicklungsgeschichtlich zusammenhängend für eine ganze Region anzusehen ist und sich damit für eine spezialisierte ortsübergreifende Verzeichnung geradezu anbot. Ein solcher Fall ist nun für Nordrhein-Westfalen mit den Zechen und Kokereien als den herausragendsten Industriedenkmälern des Landes gegeben.

Aber auch der praktische Nutzen einer speziellen Verzeichnung für diesen Denkmaltyp ist offensichtlich: Voraussetzungen, Entwicklungslinien, aktuelle Zustände und Problemstellungen lassen sich zusammengefaßt und im Zusammenhang dargestellt besser skizzieren, Spezifika des Denkmaltyps deutlicher und - gesamthaft gesehen - auch ökonomischer präsentieren. Auch für manche weitergehende Fragestellung und wissenschaftliche Auswertung ist die Bündelung der gebotenen Daten in Spezialinventaren von Vorteil: Wirtschaftshistorikern etwa wird dieser Sonderband zum Denkmaltyp "Zechenanlage" dienlicher sein als eine nach den strengen Ordnungsprinzipien des Großinventars über die verschiedenen Ortseinträge verstreute Erfassung.

Umgekehrt aber wäre es all jenen Interessenten, die vorrangig einen topographischen Zugriff auf die Gesamtheit der Denkmälerverzeichnungen brauchen, von Wert, wenn für die Denkmäler des Spezialinventars im Gesamtinventar beim entsprechenden Ortseintrag eine Kurzfassung oder wenigstens ein Hinweis auf die Sonderverzeichnung geboten würde. Andernfalls werden nämlich Grundprinzipien für die Gesamtverzeichnung und für den Gesamtnachweis von Denkmälern latent verschoben mit Folgen für Anspruch und Nutzung der Großinventare selbst und für die Aussagekraft der einzelnen Ortseinträge dort. Wie dies für die weitere Denkmälerverzeichnung in Nordrhein-Westfalen aussehen wird, steht noch dahin. Aber selbst wenn eine Verknüpfung von "normalem" Großinventar und Spezialinventar beim entsprechenden Ortseintrag geplant sein sollte, stellt sich gerade bei der sehr schleppenden Großinventarisierung in diesem Bundesland die Frage der Zeitigkeit der verschiedenen Erfassungen. Bei einem Ortseintrag für einzelne Denkmale und Denkmaltypen auf Verzeichnungen und damit auch auf Zustandsbeschreibungen zu verweisen, die ungünstigenfalls schon Jahrzehnte alt sind und entsprechend zu den anderen Eintragungen differieren - und dies dürfte mit Blick auf die heutige Praxis der Denkmalverzeichnung kein unrealistisches Szenario sein -, ergibt entweder eine inadäquate Gesamtschau oder erfordert zumindest eine kurze Datenkorrektur und Aktualisierung. Diese Anmerkungen sollen nun nicht den Wert von Spezialinventaren innerhalb von Großinventaren völlig in Frage stellen, wohl aber die besondere Problematik bei einer sehr langsam voranschreitenden Inventarisierung aufzeigen; die Schlußfolgerung kann hier nur der Wunsch nach einer zügigeren Verzeichnung und Publikation insgesamt sein.

Und ein letzter Punkt ist anzumerken: Noch ist dieses Spezialinventar aus der Perspektive der Gesamtverzeichnung für Nordrhein-Westfalen, aber vor allem auch aus der für ein Spezialinventar entscheidenden Sicht der thematisch sinnvollen Abgrenzung bzw. Abrundung unvollständig. Der Steinkohlenbergbau an Rhein und Ruhr - und somit auch seine Denkmäler - ist letzlich nur als Gesamtregion Rhein und Gesamtregion Ruhr für eine themenorientierte Darstellung und damit auch für ein Spezialinventar angemessen erfaßt und beschrieben. Die Abtrennung des westfälischen Teils der Berbauregion Ruhr für die Publikation ist gattungstypologisch, also denkmaltypspezifisch in keiner Weise signifikant und gründet nur in Zuständigkeitsstrukturen und bisherigen Ordnungs- und Bearbeitungsformen der Denkmalpflege und -verzeichnung. Wenn aber ein grundlegend topographisches und denkmalspartenübergreifendes und sich somit über Zuständigkeitsgrenzen hinweg nahtlos aneinanderfügendes Verzeichnungsprinzip, auf das die Organisationsstruktur des Gesamtunternehmens Denkmälerverzeichnung eingestellt ist, im Einzelfall zugunsten anderer primärer Ordnungsformen aufgegeben wird, so muß in diesem Fall auch die Frage nach der Adäquatheit der restlichen Rahmenvorgaben gestellt werden. Ein Denkmäler-Inventar des Steinkohlenbergbaus an der Ruhr kann nur wirklich als gattungsbezogenes Spezialinventar von eigenständigem Wert sein, wenn auch seine Erfassungsgrenzen sich am Spezifikum und nicht an Zuständigkeiten orientieren, also wenn sie das Bergbaugebiet geschlossen erfassen, somit unter - zumindest geplantem - Einschluß seiner westfälischen Teile. Ist dies nicht der Fall - und es gibt bei der für diesen Band gewählten strukturellen Einbindung in die Gesamtpublikation durchaus Indizien (etwa bei der Reihenzählung) dafür, daß hier nicht thematisch, sondern nur zuständigkeitsbezogen gedacht wurde - , dann bliebe nur der Wert eines Sonderbandes für den rheinischen Teil des Bergbaugebiets, zerfallend in das eigenständige Aachener Revier und in das Bruchstück 'westliches Ruhrgebiet'. Nichts aber ist mißlicher, als wenn innerhalb eines noch sehr fragmentarischen Gesamtinventars auch das Spezialinventar thematisch lange Zeit oder für immer ein Torso bliebe. Ein thematisch geschlossenes gattungsorientiertes Spezialinventar zum Steinkohlenbergbau an Rhein und Ruhr, das diesen Namen wirklich verdient, kann für das Ruhrgebiet nicht bei Essen enden und Gelsenkirchen, Bochum, Dortmund usw. ausschließen. Es wäre somit mehr als wünschenswert, daß die westfälische Denkmalpflege ebenfalls zugunsten einer gattungsspezifischen Präsentations- und Publikationsform für die Zechenanlagen ihres Zuständigkeitsbereichs entschiede und dies als unabdingbares Seitenstück zum vorliegenden Band in überschaubarem Zeitrahmen zum Abschluß brächte.

Doch nun zum vorliegenden Band selbst. Auf Vorwort,[1] Sigelverzeichnis für die einzelnen Zechen/Unternehmen, Kurzbibliographie (Liste abgekürzt zitierter Literatur) und Einführung folgt eine umfangreiche, monographisch konzipierte historische Einleitung zur Entwicklung des Steinkohlenbergbaus in der Region Aachen und westliches Ruhrgebiet (S.17 - 160). Von den Bergbauanfängen in vorindustrieller Zeit, der Zeit der industriellen Revolution und dem eigentlichen Beginn der Bergbauindustrie ausgehend, zentriert sich die Darstellung schließlich auf die Zeit 1850 - 1945, der bedeutendsten Epoche für diesen Industriezweig in der Region und schließt mit der Entwicklung nach 1945 und einem Ausblick auf das absehbare "Ende". Diese historische Darstellung geht dabei insbesondere auf jeweils zeittypische technische und damit verbundene bauliche Lösungen für die Anlagen ein und erläutert die entsprechenden Funktionsweisen. Erscheinungsformen wie Stollenzechen, Schachthausanlagen, Malakow-Anlagen mit ihrer typischen Turmbildung, Fördergerüstanlagen und Förderturmanlagen, um nur die wichtigsten zu nennen, werden beispielhaft vorgestellt. Hilfreich zur Verdeutlichung sind dabei zahlreiche Abbildungen, seien es historische Darstellungen, Photos, Pläne, Risse oder schematisierende Zeichnungen. Berücksichtigt werden auch (für den Gesamtzusammenhang natürlich wichtige) Aspekte wie Ausbau der Transport- und Verkehrswege und entsprechende Infrastruktureinrichtungen. Den Gebäuden und ihren Architekten wird selbstverständlich besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Insgesamt liest sich dieser Teil mit Gewinn auch als eine allgemeinere Geschichte des Steinkohlenbergbaus und seiner Technik; regionalspezifische Aspekte stehen nicht unbedingt im Vordergrund der Darstellung, schon gar nicht in der engeren Eingrenzung des nachfolgenden eigentlichen Inventars. Der historische Überblick dürfte in dieser Form aussagekräftig zumindest für das gesamte Rhein-Ruhrgebiet sein. Eine Ergänzung des Inventarteils um das westfälische Gebiet könnte an diese allgemeineren Ausführungen somit durchaus anschließen.

Es folgt das eigentliche Inventar, die Beschreibung der einzelnen Denkmale im Ortsalphabet (S. 161 - 652). Herausragend ist hier der Eintrag für das Essener Gebiet, wo allein 14 Zechenanlagen erfaßt sind. Die Quellenlage für die Verzeichnung der einzelnen Denkmäler war sehr unterschiedlich; nur zum Teil standen Unterlagen aus Betriebsarchiven zur Verfügung. Von Nutzen waren daher u.a. auch zwei bereits früher zu den Zechenanlagen des Ruhrgebiets publizierte Zusammenstellungen, die immer noch mit Recht auch an dieser Stelle als überaus hilfreiche Nachschlagewerke zum Themenkomplex genannt werden können: Es sind dies vor allem die 1987 von Joachim Huske tabellarisch konzipierte Datensammlung Die Steinkohlenzechen im Ruhrrevier[2] und die bereits in mehreren Auflagen erschienene Zusammenstellung von Wilhelm und Gertrude Hermann über Die alten Zechen an der Ruhr.[3] Beide Werke erfassen die Denkmäler des Ruhrgebiets in seiner Gesamtheit: die Arbeit von Huske in Form von reinen Chronologien zu den einzelnen Anlagen - da es keine ausformulierten Texte zu den Einzeleinträgen gibt, eignet sich diese monumentale Zusammenstellung am besten zum Nachschlagen und Datieren, weniger als Lektüregrundlage - , die Publikation von W. und G. Hermann sowohl als themeneinführende wie auch als Nachschlagewerk geeignete Darstellung. Schon aufgrund der geographischen Geschlossenheit und Vollständigkeit beider Arbeiten werden sie als unabdingbare Ergänzung zum vorliegenden Spezialinventar heranzuziehen sein. Gerade die Publikation von W. und G. Hermann konkurriert und ergänzt hier unmittelbar: sie bietet ebenfalls eine historische, wenn auch auf ein breiteres Publikum zugeschnittene Einführung, Abbildungsmaterial und ausformulierte Einträge zu den einzelnen Zechen im Ortsalphabet; ein Glossar, Register und Kartenmaterial erschließen das Werk, eine knappe Bibliographie rundet die Informationen ab. In jedem Fall ist diese Zusammenstellung zu den Zechenanlagen des Ruhrgebietes substantieller als die entsprechenden Einträge in Reclams Führer zu den Denkmalen der Industrie und Technik.[4] ø Ungleich umfangreicher sind natürlich in jedem Fall die

in dem Spezialinventar zu den einzelnen Zechen gebotenen Informationen, orientiert man sich hier doch an den Beschreibungskriterien der Großinventare, ohne diese aber immer für jeden Aspekt durchhalten zu können. Der Einzeleintrag für eine Anlage bietet vorab eine zusammenfassende Würdigung des Industriedenkmals und einen historischen Überblick und dann die detaillierte Beschreibung der Einzelbereiche der Anlage in ihren verschiedenen Ausbau- und Entwicklungsstufen. So nennt der Eintrag zu Zeche und Kokerei Zollverein in Essen-Katlenburg vorab in Kurzfassung Quellen und Literatur, bietet einen geschichlichen Abriß und begleitet die nachstehende ausführliche Bau- und Technikbeschreibung der einzelnen Ausbaustufen mit Karten und Bildmaterial. Es werden eigenständig die Gründungsanlage, dann die Anlagen der Ausbauphase 1880 - 1914 einschließlich ihrer Verbindungsbahnen, Siedlungen und veränderten Organisationsform, dann alle nach und nach hinzukommenden Schachtanlagen mit ihren einzelnen Funktionsbauten und Anlageteilen, somit auch der Ausbau der Zeche bis in die Zeit nach 1945 beschrieben. Für den nicht auf Zechenanlagen spezialisierten Nutzer des Inventarbandes präsentieren sich die rund 70 Seiten zur Zeche Zollverein nicht sehr sinnfällig strukturiert; auch die Zuordnung von Text- und Abbildungsmaterial bleibt eher unübersichtlich. Daher war es zumindest für die Rezensentin hilfreich, den entsprechenden Eintrag bei Hermann quasi als einführendes und die ausführlicheren Informationen des Inventars kondensierendes Abstract heranzuziehen; leider gilt dies für alle umfangreicheren Einträge des Inventars.

Das Inventar schließt mir Glossar, Personenregister, Orts- und Sachregister und den Abbildungsnachweisen. Bibliographische Informationen, die über die Kurzbibliographie im Eröffnungsteil des Bandes hinausgehen, sind nur über die Fußnoten im Textteil und bei den Einzelverzeichnungen im eigentlichen Inventarteil zu finden und dabei meist in überaus knapp gehaltener Form; weder in der einführenden Kurzbibliographie mit der Aufführung der Grundlagenliteratur noch bei den übrigen Zitaten kann daher bei so spartanischer Verfahrensweise in jedem Fall die Einhaltung von Zitierstandards erwartet werden. Hier wäre etwas mehr Liebe zum Detail im wortwörtlichen Sinn und Sorgfalt wirklich von Nutzen gewesen.

Alles zusammengenommen, läßt sich sicher abschließend notieren, daß grundsätzlich die Erstellung von Spezialinventaren für bestimmte Denkmalgattungen ein nützlicher und sinnvoller Weg in der Denkmälerdokumentation ist, daß aber das Spezialinventar zu den Zechenanlagen und Kokereien des Steinkohlenbergbaus in der hier vorgelegten Form weder konzeptionell noch praktisch in der Präsentation der Informationen uneingeschränkt überzeugen kann.

Angela Karasch


[1]
Das Vorwort bietet neben einleitenden Bemerkungen zur Bedeutung und Entstehung der vorliegenden Publikation auch den an dieser Stelle üblichen Dank an all jene, die zum Zustandekommen des Werks beigetragen haben. Üblicherweise ist daher auch der Autor der Publikation Autor der Dankeszeilen. Im vorliegenden Fall ist dies mitnichten so. Hier zeichnen gleich Bedankte auch für das Vorwort und somit auch für die Dankeszeilen verantwortlich. Dankt einem schon nicht der Autor, so dankt man sich halt selbst; das mutet schon etwas eigentümlich an. (zurück)
[2]
Die Steinkohlenzechen im Ruhrrevier : Daten und Fakten von den Anfängen bis 1986 / Joachim Huske. - Bochum : Deutsches Bergbau-Museum, 1987. - 1105 S. - ISBN 3-921533-29-2 (Veröffentlichungen aus dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum ; 40). (zurück)
[3]
Benutzt wurde die 3. Aufl. Die alten Zechen an der Ruhr / Wilhelm und Gertrude Hermann. - 3., völlig neu bearbeitete und erweiterte Aufl. - Königstein i.T. : Langewiesche, 1990. - 320 S. : Ill., Kt. - (Die blauen Bücher). ISBN 3-7845-6692-7. (zurück)
[4]
Reclams Führer zu den Denkmalen der Industrie und Technik in Deutschland. - Stuttgart : Reclam. - 22 cm. [1453]. - Bd. 1. Alte Länder / von Volker Rödel. - 1992. - 381 S. : Ill., Kt. - ISBN 3-15-010376-2 : DM 89.00. - Rez.: IFB 94-3/4-497. - Vgl. auch die Rez. von Bd. 2 (1998) weiter oben IFB 98-3/4-261. (zurück)

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