Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 6(1998) 3/4
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Reclams Führer zu den Denkmalen der Industrie und Technik


98-3/4-261
Reclams Führer zu den Denkmalen der Industrie und Technik in Deutschland. - Stuttgart : Reclam. - 22 cm
[1453]
Bd. 2. Neue Länder, Berlin / hrsg. von Volker Rödel. - 1998. - 391 S. : Ill., Kt. - ISBN 3-15-010377-0 : DM 98.00
98-3/4-262
Bauten der Technik und Industrie : besonders gefährdete Kulturdenkmale im Freistaat Sachsen / Hrsg.: Sächsisches Staatsministerium des Innern. In Zsarb. mit dem Landesamt für Denkmalpflege Sachsen. [Autoren: Siegbert Ludwig ...]. - 1. Aufl. - Dresden : Freistaat Sachsen, Staatsministerium des Innern, 1996. - 443 S. : Ill., graph. Darst., Kt. ; 30 cm. - (Schriftenreihe für Baukultur, Architektur, Denkmalpflege : B, Besonders gefährdete Kulturdenkmale im Freistaat Sachsen ; 3). - ISBN 3-930380-04-8 : DM 46.00
[5067]
98-3/4-263
Industriearchitektur in Dresden : [dieses Buch begleitet die Ausstellung "Industriearchitektur in Dresden"] / Fotografien von Hans-Christian Schink. Text von Tilo Richter. Hrsg. vom Deutschen Werkbund Sachsen e.V. - 1. Aufl. - Leipzig : Kiepenheuer, 1997. - 85 S. : Ill. ; 31 cm. - (Ausstellungs- und Publikationsprojekt Industriearchitektur in Sachsen). - ISBN 3-378-01019-3 : DM 49.90
[5012]

Reclams Führer zu den Denkmalen der Industrie und Technik in Deutschland, dessen erster Band für die alten Bundesländer[1] bereits 1992 erschienen ist, wird 1998 mit dem 2. Band für die Denkmäler in Berlin und den neuen Bundesländern vervollständigt. Im wesentlichen blieben Konzept wie Zielgruppe konstant: Auch wenn jetzt nicht mehr ausdrücklich aufgeführt, so bleibt der Charakter eines Führers zu Technikdenkmalen vor allem für interessierte Laien durchweg spürbar; es fehlt der wissenschaftliche Inventarisierungsapparat, Literaturhinweise bleiben spärlich und bieten meist nur Grundlegendes. Daß dennoch durchaus der Anspruch, auch Schnellinventar für Technikdenkmale in Deutschland zu sein, erhoben werden kann, liegt am Denkmaltyp. Technikdenkmale wurden von Kunst- und Kulturdenkmälerinventaren bisher eher am Rande berücksichtigt; Spezialinventare existieren erst vereinzelt und zudem in noch weitergehender typologischer wie geographischer Verengung.[2] Mit Reclams Führer zu den Denkmalen der Industrie und Technik in Deutschland liegt dagegen erstmals eine auf ganz Deutschland bezogene und alle Gattungen von Technikdenkmalen berücksichtigende Zusammenstellung vor. Daß sie - nicht nur bedingt durch das verlegerische Konzept und die Zielgruppe - nicht exhaustiv sein kann, liegt auf der Hand, gilt aber in besonderem Maße für die Verzeichnung in den neuen Bundesländern. Auf bereits früher erstellte Inventare konnte hier nicht in erforderlichem Maß zurückgegriffen werden. Selbst die noch vom Institut für Denkmalpflege der DDR herausgegebene Zusammenstellung[3] ist eher eine Bildbandauswahl denn ein Inventar und zeigt insbesondere bei den eigentlichen Industriebauten des 19. und 20. Jahrhunderts spürbare Zurückhaltung in der Präsentation. Die derzeitige Situation der Industriedenkmalpflege in den neuen Bundesländern beschreibt Rödel selbst pointiert im Vorwort: "Stärker noch als in den alten Bundesländern, in denen die Industriedenkmalpflege seit den 1980er Jahren doch einige Erfolge erzielen konnte, stehen die mit Denkmalen der Industrie und Technik beschäftigten Konservatoren in den Denkmalfach- und -schutzbehörden der fünf neuen Länder mit dem Rücken zur Wand. Gedankenlose Abrißmentalität bei Investoren, Kommunen und auch bei den Landesregierungen verkürzen die Zeit für ein Nachdenken über den behutsamen Umgang mit den Geschichtszeugnissen der vergangenen 150 Jahre, auf denen maßgeblich unsere heutige Gesellschaft fußt. Die Milliarden, die nach der Wiedervereinigung in die neuen Bundesländer geströmt sind, hätten, bei besserem gedanklichen Ansatz der Verwaltenden sinnvoll eingesetzt, viel hochwertiges Kulturgut gerade auch aus dem Bereich der Industrie erhalten können. So kann es aber vorkommen, daß eine in diesem Buch beschriebene industrielle Anlage während der Bearbeitungszeit zur Ruine wurde oder dann, wenn der Leser es zur Hand nimmt, überhaupt nicht mehr zu betrachten ist." Rödel verliert dabei vielleicht ein wenig aus dem Blick, daß auch der ruinöse Zustand so mancher Anlage selbst diesen Prozeß beschleunigt hat und es zudem geraten sein ließ, auch bei der Denkmalpflege insgesamt Prioritäten zu setzen.

Für die Denkmal-Auswahl des vorliegenden Bandes orientierte man sich vor allem an den neu erstellten Denkmallisten der einzelnen Länder; Grundlage aber bildete auch die oben genannte Zusammenstellung des Instituts für Denkmalpflege der DDR. Im Ergebnis liegt nun eine für die einzelnen Bundesländer unterschiedlich dichte Denkmalbeschreibung vor, was jedoch, wie etwa für Mecklenburg-Vorpommern, vom Herausgeber vorrangig mit Arbeitsüberlastung der Mitarbeiter begründet wird. Eine sehr knappe Einführung in die Industrialisierungsgeschichte der neuen Bundesländer, die in dieser Raffung fast nur noch Allgemeinplätze verbreitet, ist der im Ortsalphabet präsentierten Denkmalbeschreibung im einzelnen vorangestellt. Als Nachspann wird ein Glossar mit Rissen zu wichtigen Konstruktionsformen einzelner Denkmaltypen geboten, eine Chronologie nach Gattungen, eine Bibliographie, Namens- und Ortsregister sowie eine Kartenübersicht. Obwohl das Spektrum der Industrie- und Technikdenkmäler für den Nachweis recht umfänglich abgedeckt wird, zeigt sich in Darstellungsform und -umfang doch eine leichte Präferenz für die Beschreibung von Bahnanlagen, was den zahlreichen Eisenbahnliebhabern unter den technikinteressierten Laien sicher entgegenkommen dürfte.

Um insgesamt aber Erfassungsqualität und -umfang für die Denkmale dieses Reclam-Führers besser einschätzen zu können, wurde ein Beispiel herausgegriffen und dabei der Eintrag Dresden gewählt, da hier auch andere Quellen und Nachweise von Technikdenkmälern zur Verfügung stehen, nämlich der bereits 1996 erschienene Dehio-Band für den Regierungsbezirk Dresden,[4] sowie der ebenfalls 1996 publizierte Band Bauten der Technik und Industrie - eine Zusammenstellung besonders gefährdeter Kulturdenkmale Sachsens, für die zu ihrem weiteren Erhalt Käufer bzw. Investoren gesucht werden - und schließlich der 1997 vom Deutschen Werkbund Sachsen herausgegebene Bildband zur Industriearchitektur in Dresden.[5] Natürlich setzen alle diese Publikationen unterschiedliche Schwerpunkte.

Der Dehio-Band verzeichnet vorrangig Kunstdenkmäler, erfaßt aber hier im Sinne eines erweiterten Denkmalbegriffs auch Kulturdenkmäler bis hin zu herausragenden Zeugnissen der Industrie- und Technikgeschichte. Vergleicht man nun die Dehio-Auswahl an Industrie- und Technikdenkmälern für Dresden direkt mit dem Reclam-Führer, so läßt sich feststellen, daß gut zwei Drittel der im Spezialführer verzeichneten Denkmäler auch in dem umfassenderen Dehio Berücksichtigung gefunden haben. Eine markantere Schwerpunktbildung des Reclam-Führers und - hierin über Dehio hinausgehend - ist vor allem in der Auflistung von Bahnhöfen festzustellen. Andererseits bietet aber auch der Dehio mehr: da er in der Verzeichnung keinen zeitlichen Schwerpunkt auf die letzten 150 Jahre setzt, kommen insbesondere ältere Denkmäler wie etwa aus den Bereichen Verkehr und Handel zusätzlich stärker in den Blick. Unübersehbarer Vorteil der Verzeichnung beim Reclam-Führer ist jedoch die Spezialisierung bzw. Beschränkung auf die Industrie- und Technikdenkmäler. Was im Dehio - trotz einer Untergliederung der Einträge nach Denkmalgattungen und somit durch Zusammenfassung in den Rubriken Bauten für Handel und Wirtschaft und Technische Bauten und Anlagen - in der Menge der Kunstdenkmälerbeschreibungen zurücktritt, steht bei einem Spezialführer automatisch im Zentrum der Aufmerksamkeit und liest sich im Fall des Reclam-Führers mit seiner die einzelnen Technikdenkmaltypen zusammenfassenden und erzählenden Eintragsweise fast wie eine rudimentäre Industriegeschichte des Orts. Hinzu kommt beim Dehio, daß der gesamte Dresden-Eintrag in eine Vielzahl selbständiger Einträge für die einzelnen Dresdener Stadtteile und Vororte aufgesplittert ist, so daß auch die Verzeichnung der Industrie- und Technikdenkmäler des heutigen Dresdener Stadtgebiets entsprechend verstreut ist und das Fehlen eines Orts- und Objektregisters für einen schnellen Überblick hier besonders ärgerlich ist. Geht es aber darum, die Denkmale an Ort und Stelle zu besichtigen, so liegt der Vorteil der Eintragsanordnung bei Dehio auf der Hand: hier liegt im engen Sinne des Wortes ein Führer zu den Denkmälern vor, und in dieser Perspektive einer konkreten "Denkmalerfahrung" ist nicht nur die Ordnung nach Ortsteilen von praktischem Wert, sondern auch die umfassende Berücksichtigung aller Denkmalgattungen von zusätzlichem Nutzen. Mit dem Reclam-Führer läßt sich ein solcher Weg dagegen nur umständlich erarbeiten; zudem sind die Lokalisierungsangaben der Objekte oft spartanisch und unübersichtlich im Text verstreut. Auch die Objektbeschreibung selbst ist im Dehio präziser, denkmalorientierter und insgesamt informativer; zumindest für alle wissenschaftlichen Belange ist dieser Verzeichnung der Vorzug zu geben.

Darüber hinaus zeigen sich im Reclam-Führer für die Industriedenkmäler im Einzelfall erstaunliche Verzeichnungslücken: Man mag es kaum glauben, daß die Industriebauten von Richard Riemerschmied in Dresden-Hellerau (beispielsweise die Fabrik für die Deutschen Werkstätten für Handwerkskunst) im Reclam-Führer keine Berücksichtigung finden, zumal Hellerau über das Einzeldenkmal hinaus in seiner gesamten Stadtkonzeption und ihrer Einbindung auch von Fabrikanlagen ein herausragendes Ensemble ist; im Dehio-Band werden sie dagegen selbstverständlich adäquat gewürdigt. Wer sich aber von den Fabrikanlagen in Hellerau - und nicht nur von diesen, sondern insgesamt von der Industriearchitektur in Dresden - zusätzlich auch im konkreten Wortsinn ein Bild machen möchte und wem die konzeptionell durchweg abbildungslosen Dehio-Bände in dieser Hinsicht nicht weiterhelfen, dem sei der Band Industriearchitektur in Dresden empfohlen mit hervorragenden Photographien von Hans-Christian Schink und ausgezeichneten Begleittexten zur Geschichte und Architektur ausgewählter Anlagen. Der Reclam-Führer bietet zwar zu einzelnen Objekten ebenfalls kleinformatige Abbildungen, doch dienen diese mehr der Auflockerung des Textes und der "Einstimmung" der Leser als der visuellen Information.

Der Zielgruppe der Investoren und Käufer schließlich präsentiert der Freistaat Sachsen die zum Kauf oder zur Vermietung vorgesehenen, besonders gefährdeten Industrie- und Technikdenkmäler des Landes mit umfangreicher farbphotographischer Dokumentation neben Textinformationen zur Geschichte und Bedeutung der Anlagen und mit getrennter Auflistung der wichtigsten technischen und praktischen Daten (Flächengröße, Verkehrsanbindung, Medienanschlüsse, Nutzungsmöglichkeiten, Altlasten, Eigentumsverhältnisse, Baujahr, Gebäudegröße/-zustand, Betriebsanlagen, Ansprechpartner usw.). Daß eine solche Zusammenstellung, die zugleich aktuelle Bestandsaufnahme für diese Objekte ist, über die genannte Zielgruppe hinaus von überaus informativem Wert ist und für manche Fragestellungen sogar fast wie ein Großinventar genutzt werden kann, dürfte offensichtlich sein.

Kurzes Fazit: Gegen die Konkurrenz sehr nützlicher Publikationen, wie sie für Dresden vorliegen, kann sich der Reclam-Führer nicht immer überzeugend behaupten. Seine Nützlichkeit liegt in dem Überblick, den er für diese spezielle Denkmalgruppe ermöglicht; besonderen Wert gewinnt er freilich erst dort, wo andere Informationsquellen (noch) fehlen.

Angela Karasch


[1]
Bd. 1. Alte Länder / von Volker Rödel. - 1992. - 381 S. : Ill., Kt. - ISBN 3-15-010376-2 : DM 89.00. - IFB 94-3/4-497. (zurück)
[2]
Die Bau- und Kunstdenkmäler des Rheinlandes / hrsg. vom Ministerium für Stadtentwicklung, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen in Verbindung mit dem Landschaftsverband Rheinland. - Berlin : Mann. - 26 cm. - (Die Bau- und Kunstdenkmäler von Nordrhein-Westfalen : 1, Rheinland) [4890]. - [Gattungsinventare]. - Zechen und Kokereien im rheinischen Steinkohlenbergbau. - Aachener Revier und westliches Ruhrgebiet / von Walter Buschmann. - 1998. - 672 S. : Ill., Kt. - ISBN 3-7861-1963-5 : DM 286.00. - Vgl. die folgende Rezension. (zurück)
[3]
Denkmale der Produktions- und Verkehrsgeschichte / hrsg. vom Institut für Denkmalpflege der DDR, Zentraler Bereich Dokumentation und Publikation. Wolfgang Schmidt ; Wilfried Theile. - Berlin : Verlag für Bauwesen. - ISBN 3-345-00301-5. - Teil 1 (1989). - 272 S. - Teil 2. (1991). - 216 S. (zurück)
[4]
Sachsen. - Neubearb. / besorgt durch die Dehio-Vereinigung. - [München] : Deutscher Kunstverlag. - 19 cm. - (Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler) [4549], - 1. Regierungsbezirk Dresden / bearb. von Barbara Bechter, Wiebke Fastenrath u.a. - 1996. - XI, 934 S. : graph. Darst., Kt. - ISBN 3-422-03043-3 : DM 68.00. - Rez.: IFB 97-3/4-354. (zurück)
[5]
Im Rahmen des Ausstellungs- und Publikationsprojekts Industriearchitektur in Sachsen sind seit 1995 zwei weitere Bände für Chemnitz und jüngst für Leipzig erschienen. Die gleichförmig gestalteten und aufgebauten Bände enthalten jeweils knapp 50 ganzseitige, in den letzten Jahren (Dresden 1996 - 1997, Leipzig 1992 - 1993) aufgenommene Schwarzweißphotos sehr guter Qualität, denen man entnehmen kann, daß zahlreiche Gebäude bereits restauriert wurden. Dem Tafelteil schließt sich eine Geschichte der Industrie und ihrer Architektur in den jeweiligen Städten an. Es folgt ein Verzeichnis der Standorte der erwähnten Industriebauten, z.T. mit Angabe des Standes der Restaurierung und evtl. Umnutzung, aber ohne detaillierte Beschreibung der Objekte. Eine Auswahlbibliographie beschließt die Bände.
Industriearchitektur in Chemnitz 1890 - 1930 : [dieses Buch begleitet die Ausstellung "Industriearchitektur in Chemnitz 1890 - 1930"] / hrsg. vom Deutschen Werkbund Sachsen. Fotografien von Hans-Christian Schink. Ein Text von Tilo Richter. - 2. Aufl. - Leipzig : Thom, 1995. - 85 S. : Ill. ; 31 cm. - (Ausstellungs- und Publikationsprojekt Industriearchitektur in Sachsen). - ISBN 3-930383-10-1 : (vergriffen) [5035].
Industriearchitektur in Leipzig : [dieses Buch begleitet die Ausstellung "Industriearchitektur in Leipzig"] / Fotografien von Hans-Christian Schink. Text von Peter Guth, Ulrich Heß und Ulrich Krüger. Hrsg. vom Deutschen Werkbund Sachsen. - 1. Aufl. - Leipzig : Kiepenheuer, 1998. - 94 S. : Ill. ; 31 cm. - (Ausstellungs- und Publikationsprojekt Industriearchitektur in Sachsen). - ISBN 3-378-01022-3 : DM 49.90 [5031]. - [Klaus Schreiber] (zurück)

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