Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 6(1998) 3/4
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Bibliographie Karl Gutzkow


98-3/4-244
Bibliographie Karl Gutzkow : (1829 - 1880) / Wolfgang Rasch. - Bielefeld : Aisthesis-Verlag. - 21 cm. - (Bibliographien zur deutschen Literaturgeschichte ; 5). - ISBN 3-89528-180-8 : DM 258.00
[4754]
Bd. 1. Primärliteratur. - 1998. - 633 S.
Bd. 2. Sekundärliteratur. - 1998. - 566 S.

Der Bearbeiter einer Personalbibliographie Gutzkows kann heute von ganz anderen Voraussetzungen ausgehen als vor fast einhundert Jahren; 1901 mußte Houben[1] sein Vorhaben auf die selbständig erschienenen Werke des Autors beschränken, da viele der Quellenperiodika noch nicht erschlossen waren. Das änderte sich in der Folgezeit grundlegend: Houben selbst dokumentierte Gutzkows Mitarbeit an Presseorganen, in die ein wesentlicher Teil der literarischen Wirksamkeit des Autors eingegangen ist (Morgenblatt und dessen Literaturblatt, Forum der Journal-Literatur, Deutsche Revue, Deutsche Blätter, Phönix)[2] und Estermann hat diese Ergebnisse weiter verarbeitet und mit der Bibliographie des Frankfurter Telegraph und dessen Fortsetzung Telegraph für Deutschland einen Gipfelpunkt von Gutzkows Tätigkeit analysiert,[3] so daß fast nur noch die Unterhaltungen am häuslichen Herd zu verarbeiten waren, wenn es darum ging, die Spuren aus den acht Anläufen zur Gründung eigener Presseorgane Gutzkows als die Machtmittel, die er sich schuf, aufzudecken. Neben einer in den letzten Jahrzehnten mit jährlich mindestens drei Publikationen zu belegenden Sekundärliteratur über Gutzkow erschienen wesentliche Quellenpublikationen: der Geschäftsbriefwechsel mit seinen oftmals wechselnden Verlegern, seine Verlagsverträge sind weitgehend gedruckt zugänglich und geben zusätzliche Fingerzeige nicht nur über die publizistischen Aktivitäten des Autors preis, sondern auch die Umstände, unter denen seine Bücher herausgegeben, propagiert (Verteilung von Rezensionsexemplaren), in welcher Auflagenhöhe kalkuliert und verkauft wurden oder auf Lager blieben, wie dies bei wenigen Schriftstellern so genau belegt werden kann.

Diese Materialien zu nutzen, zusammenzufassen und zu ergänzen war die Aufgabe einer Personalbibliographie Gutzkows, die dessen Bild in Folge der Verlagerung des Schwerpunktes von den Buchveröffentlichungen, die den literarischen Autor in den Vordergrund stellen, hin zum Journalisten, der über zweieinhalbtausend Beiträge geliefert hat, korrigiert und bestätigt, was schon Fontane festgestellt hatte: "Er hätte Leitartikelschreiber werden müssen, ... aber vom Dichter, der er sein ganzes Leben lang hat sein wollen, hatte er gar nichts",[4] und auch Houben konstatiert, es gäbe 'kaum eine Frage, der er nicht nahe getreten ist', 'das ganze Leben Gutzkows ist ein Gewirr von Kampf und Polemik'.[5] Das Ergebnis einer 'über viele Jahre'[6] beharrlich und mit Erfolg durchgeführten Sammlung und Durchforstung der periodischen Literatur liegt hier vor und erreicht diesen Umfang, obwohl bei einer Beschränkung des Berichts auf Veröffentlichungen bis 1880 ganze Bereiche ausgespart bleiben (abgesehen von Erinnerungsschriften und beim bis in die jüngste Zeit geführten Verzeichnis der Briefdrucke). Auch die von Gutzkow nicht zum Druck gegebenen Schaffenszeugnisse werden nicht verbucht, wie die Preisschrift De diis fatalibus und die daraus abgeleitete Dissertation, das für das Verständnis von Gutzkows Mentalität und zumal der späteren Rückblicke so aufschlußreiche Dokument An die Deutschen, die zahlreichen posthum mitgeteilten Entwürfe und Bruchstücke. Der Umfang der Bibliographie resultiert zum Teil aus einer fast verschwenderisch gehandhabten Zitierweise, die nicht nur den Gebrauch von Siglen verschmäht, sondern auch eine Zählung aller Einzelpositionen durchhält, in die jeweils, wo immer es geht, Jahres-, Monats- und Tagesangabe einer Veröffentlichung integriert ist und dadurch dem Satzspiegel des bibliographischen Textes nur einen eingeschränkten Raum läßt, in dem jedes Element einer Titelaufnahme eine eigene Zeile erhält, sogar jede Zeitungsnummer bei Fortsetzungsabdrucken. Auch die sich anschließenden Verweisungen beginnen jeweils mit einer neuen Zeile. Das Verfahren ist, wie gesagt, aufwendig, weil damit keine wesentlichen Informationen vermittelt werden. Das fällt besonders auf bei der Anführung von Zeitschriften, wenn immer wieder versichert wird, daß das Morgenblatt für gebildete Leser in Stuttgart u. Tübingen, die Abend-Zeitung in Dresden u. Leipzig, der Telegraph für Deutschland in Hamburg, ja sogar tautologisch, die Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen in Berlin, die Königlich privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen auch in Berlin, die Staats- und Gelehrte Zeitung des hamburgischen unpartheiischen Correspondenten eben in Hamburg erschienen sind; dagegen kam Der Freischütz nicht in Berlin,[7] sondern in Hamburg heraus! Bei den Unterhaltungen am häuslichen Herd. Leipzig wird diese Formel stereotyp auf fast 140 Seiten hintereinander wiederholt![8]

Das Verzeichnis der Primärliteratur ist nach Publikationsformen gegliedert:[9] Werksammlungen, Einzelausgaben, Pressebeiträgen, Beiträgen in anderen Veröffentlichungen, Zeitschriften, die Gutzkow leitete, Manuskriptdrucke, Privatdrucke, Flugblätter, denen die Briefdrucke sich anschließen. Dieser Gliederung, die es nicht erleichtert, das einzelne Werk in den zeitlichen und sachlichen Zusammenhang von Gutzkows Schaffen insgesamt einzuordnen, entspricht diejenige der Sekundärliteratur nicht ganz, und so findet man eine Besprechung der Dramatischen Werke durch Taillandier nicht unter denen der Werkausgaben, sondern unter Gutzkow als Dramatiker,[10] die ausführlichste Rezension über Wullenweber nicht unter den Würdigungen des Stückes,[11] sondern man hätte sie unter den Dramensammlungen zu suchen, bis man bemerkt, daß sie auch hier fehlt und in einer Notiz über nicht autopsierte Rezensionen versteckt ist, aber hier gleich gedoppelt: Allgemeine Literatur-Zeitung mit Jahr und Seite, und als Hall. Lit. Ztg mit Jahr und Nummernzählung ohne Hinweis auf das Stück selbst.[12] Die Anhäufung von aus zweiter Hand übernommenen Rezensionen entstellt unnötig den sonst vorherrschenden Eindruck sorgfältiger Recherchierungen und es bleibt unerklärbar, warum dieselben Zeitschriften nebeneinander mit geprüften wie mit ungeprüften Zitierungen vorkommen (Jenaische allgemeine Literatur-Zeitung, Literarische und kritische Blätter der Börsenhalle, Mitternachtzeitung, Magazin für die Literatur des Auslandes, Berlinische Nachrichten usw.) und man rät fälschlich auf Wertungskriterien. Andererseits fehlen solche supplementären Hinweise, die z.B. bei Ein weißes Blatt auf Berliner Moden-Spiegel, Hannoversche Morgenzeitung, Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode, Unser Planet, Mittheilungen aus Oldenburg (alle 1843) angebracht gewesen wären. Bei Ein Hollandgang nützt die Notiz Schlesische Zeitung 1873 [oder 1874], Nr. 530[13] nicht viel; es muß heißen 14. Dez. 1873, Nr. 530, S. 3. Es fehlt eben ein Verzeichnis der systematisch ausgewerteten Publikationen (oder eine Rechenschaft). Hier kann es angesichts so vieler von Rasch beigebrachter Nachweise nicht um beckmesserische Nachträge - zu einigen hat der Autor aufgerufen - gehen,[14] sondern vielmehr um ein Erkennen des Prinzips, weil man immer wieder nicht einsehen mag, warum etwas 'nicht vorlag', was doch nicht unerreichbar war.

Wenn Fontane seine kritische Einschätzung Gutzkows fortführt "Er hat die deutsche Nation düpiert. In anderen Ländern, die mehr natürlichen Sinn für die Künste haben ..., hätte er 40 Jahre lang eine solche Rolle gar nicht spielen können",[15] erklärt das wohl auch die im Vergleich zum Umfang seines Werkes geringe Zahl von Übersetzungen in andere Sprachen. Auf sie wird anmerkungsweise hingewiesen, wobei das meiste ungeprüft aus Pressemeldungen genommen ist. Eine Annäherung an die Form der Preußischen Instruktionen[16] hat hier - wie in anderen Fällen - nicht stattgefunden. So sind die niederländischen Städtenamen[17] Deventer, Arnheem, Amsterdam nur in abgekürzter Form wiedergegeben, wie auch die Anführungen rezensierter Bücher bei den Besprechungen nicht normiert, sondern nach dem Wortlaut der wechselnden Vorlage oder unter der Überschrift der betr. Rubrik[18] zitiert oder die Verfasserangaben in buntem Wechsel[19] gebucht. Angeführt seien auch Beispiele für Übersetzungen ins Russische.[20] Schließlich mache ich noch auf einige Titelaufnahmen selbständiger Drucke aufmerksam: eine genaue und bessere Wiedergabe des Festspiels zur Jubelfeier Friedrich Ludwig Schmidt's[21] ist im Lexikon der hamburgischen Schriftsteller, Bd 3, S. 38, zu finden. Beim nicht beigebrachten Manuskriptdruck der Diakonissin[22] handelt es sich um Die Diakonissin oder Beruf und Liebe : dramatisches Seelengemälde in 5 Aufzügen. - Als Ms. gedr. - Dresden, 1852 : Teubner. - 78 S.

Von solchen Retuschierungen abgesehen, hat der Verfasser sein Ziel, die Daten eines rastlosen Schaffens einzusammeln, erreicht. Gutzkow wird als derjenige bestätigt, als den F. Engels ihn sah: 'ein geborener Journalist'.[23] Er schrieb daher pour le jour,[24] und jeder Historiker, der daran interessiert ist, wird hier ein reiches Material vorfinden.

Herbert Jacob


[1]
Gutzkow-Funde : Beiträge zur Litteratur- und Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts / Heinrich Hubert Houben. - Berlin : Wolff, 1901, S. 541 - 554. (zurück)
[2]
Houben a.a.O., S. 518 - 522. - Bibliographisches Repertorium / Heinrich Hubert Houben. - Berlin : Behr. - Bd. 3 - 4. Zeitschriften des Jungen Deutschlands. - T. 1 (1906) - 2 (1909). (zurück)
[3]
Inhaltsanalytische Bibliographien deutscher Kulturzeitschriften des 19. Jahrhunderts : IBDK / Alfred Estermann. - München [u.a.] : Saur. - 30 cm. - ISBN 3-598-23310-8. - Bd. 2. Telegraph für Deutschland (1837 - 1848). - 1995. - VI, 324 S. - ISBN 3-598-23312-4. - Vgl. IFB 96-4-388. (zurück)
[4]
Sämtliche Werke : Nymphenburger Ausgabe / Theodor Fontane. - München : Nymphenburger Verlagshandlung. - Bd. 21,2 Literarische Essays und Studien. - 1974, S. 594. (zurück)
[5]
Houben a.a.O. S. VII. (zurück)
[6]
Bd. 1, S. 20. (zurück)
[7]
Bd. 2, S. 300. (zurück)
[8]
Bd. 1, S. 372 - 508. (zurück)
[9]
Zählung (sie fehlt in Bd. 1, S. 557 - 565) und Überschriften auch im Kolumnentitel; dieser ist falsch Bd. 2, S. 133 - 139; er müßte heißen: Erinnerungen. (zurück)
[10]
Bd. 2, S. 143. (zurück)
[11]
Bd. 2, S. 350 - 353. (zurück)
[12]
Bd. 2, S. 156 - 157. (zurück)
[13]
Bd. 2, S. 251. (zurück)
[14]
Etwa zu Bd 1, S. 544: Das Buch für Winterabende ... 1844, S. 107: Weg in Deutschland ins Ministerium zu kommen; S. 545: Unsere Zeit ... 1844, S. III - XIV: Einleitung; S. 514: Neue Freie Presse 20. [!] Juli 1869 Nr. 1757, Abendausg. (32 Teile) bis 28. Aug., Nr. 1796, Abendausg.: Durch Nacht zum Licht; S. 363: Literarisch-artistisches Beiblatt zur Deutschen Allgemeinen Zeitung 7. Juli 1850, Nr. 28, S. 135 - 138 (21 Teile) bis 22. Aug., Nr. 48, S. 189 - 190 und dasselbe zu S. 363: 22. Sept. 1850, Nr. 54, S. 211 - 214 (21 Teile) bis 10. Nov., Nr. 74, S. 265-266: Die Ritter vom Geiste. 1. bzw. 2. Buch; des Raumes wegen zähle ich hier die einzelnen Nummern nicht auf. (zurück)
[15]
Fontane a.a.O., S. 594 - 595. - Vgl. auch seinen Verleger Brockhaus über Gutzkows Schaffen, "wo selbst das poetisch Scheinende nur geschickte Combination ist". (Aus den Tagebüchern / Heinrich Brockhaus. - Als Hs. gedr. - Leipzig : Brockhaus. - Th. 2 (1884), S. 282.) (zurück)
[16]
S. aber das Vorwort Bd. 1, S. 11. (zurück)
[17]
Bd. 1, S. 130. (zurück)
[18] Bd. 2, S. 136. (zurück)
[19]
Eine Erinnerung von August Becker; Lebenserinnerungen. Von Levin Schücking; Gustav Freytag: Erinnerungen aus meinem Leben. (zurück)
[20]
Neron (in: Vestnik Evropy 1869); Novye Serapionovy brat'ja (in: Vestnik Evropy 1877); Skvoz' mrak k svetu (in: Otecestvennyja zapiski 1870); Verner, ili serdce i svet (in: Repertuar russkago i panteon vsech evropejskich teatrov 1842); Uriel Akosta (in: Otecestvennyja zapiski 1872). (zurück)
[21]
Bd. 1, S. 569. (zurück)
[22]
Bd. 1, S. 582. (zurück)
[23]
In der Besprechung von Alexander Jungs Vorlesungen über die moderne Literatur der Deutschen in: Deutsche Jahrbücher für Wissenschaft und Kunst, 8. Juli 1842, Nr. 161. Diese spätere Einschätzung wird nicht nachgewiesen. (zurück)
[24]
Darum wäre neben den Namen-, Titel- und Ortsregistern auch ein Sachregister zu wünschen. (zurück)

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