Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 6(1998) 1/2
[ Bestand in K10plus ]

Spätmittelalterliche Vierungstürme im deutschsprachigen


98-1/2-105
Spätmittelalterliche Vierungstürme im deutschsprachigen Raum : Konstruktion und Baugeschichte / Philip S. C. Caston. - Petersberg : Imhof, 1997. - 232 S. : Ill. ; 30 cm. - Zugl.: Bamberg, Univ., Diss., 1996. - ISBN 3-932526-05-8 : DM 98.00
[4563]

Die Titelfassung der vorliegenden Publikation legte vom ersten Anschein her nahe, das Werk in das Besprechungsprogramm von IFB aufzunehmen und es im Rahmen einer Komplexrezension neuerer Spezialinventare zu berücksichtigen. Doch um das Fazit gleich vorwegzunehmen: Es handelt sich hier nicht um ein Nachschlagewerk im engeren Sinne, sondern vielmehr um eine 1996 an der Universität Bamberg angenommene Dissertation, die im Kern elf (und z.T. schon separat publizierte) Einzelstudien zu herausragenden spätmittelalterlichen Vierungstürmen präsentiert[1] und deren primäre Zielsetzung wohl kaum eine den Ansprüchen eines Inventars genügende Bestandsaufnahme der Kirchen mit Vierungsturm in Deutschland, Österreich und der Schweiz gewesen sein dürfte. Zwar wird eine solche Zusammenstellung als Anhang (S. 211 - 218) geboten, und diese hätte die Dissertation grundsätzlich auch als umfassenderes Nachschlagewerk interessant gemacht. Doch sie greift hier vor allem auf die ältere Publikation von G. Urban[2] und auf verschiedene (keineswegs immer neueste) Ausgaben der Dehio-Handbücher für Deutschland und Österreich sowie auf die Kunstführer durch die Schweiz[3] zurück. Die gewählte Darstellungsform eignet sich dabei kaum zum Nachschlagen: Für die drei Länder getrennt werden die entsprechenden Bauten in chronologischer Folge vorgestellt; Orts- und sonstige Register fehlen. Die Einträge selbst beschränken sich auf die Nennung von Ort, Bundesland, Bauwerk, Datierung, Konstruktionsform des Vierungsturms und einen gelegentlichen Literaturhinweis. Nicht durchgängig wird angegeben, ob der in der Bestandsaufnahme für eine Epoche erfaßte Vierungsturm auch heute noch besteht, wie das Beispiel Freiburgs zeigt.[4] Da Vierungstürme anderer Orte aber bei Caston durchaus als abgetragen bzw. abgegangen gekennzeichnet werden, bleibt für die Nutzung seiner Bestandsaufnahme nur die Schlußfolgerung zu ziehen, daß die Übersicht kaum ein den aktuellen Stand und die heutige Bausituation zuverlässig spiegelndes Instrumentarium darstellt. Als Nachschlagewerk zu den Vierungstürmen des deutschsprachigen Raums ist somit die Dissertation von Caston nur sehr bedingt geeignet.

Der Wert dieser Arbeit liegt aber letztlich auch in einem ganz anderen Bereich: Die fast monographisch konzipierten Einzelstudien zu elf ausgewählten Vierungstürmen mit jeweils detaillierten Ausführungen zu Baugeschichte und Bauforschung, zu Forschungs- und Quellenlage machen den primären Wert dieser Dissertation aus und bereichern hier sicher verdienstvoll den wissenschaftlichen und denkmalpflegerischen Diskurs zu den betreffenden Bauten. Dies im einzelnen zu diskutieren und zu würdigen, ist IFB jedoch nicht der richtige Ort, steht hier doch die Funktion eines Werkes als Informationsmittel (im engeren und durchaus formalen Verständnis) im Zentrum der Literaturschau.[5] Daß aber in der vorliegenden Publikation Studienteil und Verzeichnungsteil in so deutlichem Qualitätskontrast stehen, ist mehr als bedauerlich.

Angela Karasch


[1]
Es handelt sich um die Vierungstürme folgender Bauten: St. Matthäus zu Murau, Dom zu Regensburg, Liebfrauenkirche zu Schotten, Stiftskirche in Rasdorf, Katharinenkirche in Oppenheim, ehem. Zisterzienserkirche in Kaisheim, St. Ulrici in Sangerhausen, ehem. Zisterzienserkirche Bebenhausen, Liebfrauenkirche in Worms und Dom zu Passau.
Als Zeitschriftenaufsatz erschien bereits: Der Vierungsturm von St. Matthäus in Murau / Philip S. C. Caston. // In: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege. - 50 (1996), S. 9 - 19.
Der Beitrag über Bebenhausen wurde auch als Separatdruck vorgelegt: Der Vierungsturm der ehemaligen Klosterkirche Bebenhausen : mit einem Beitrag zur Liebfrauenkirche in Worms / Philip S. C. Caston. - Petersberg : Imhof, 1997. - VIII S., S. 107 - 168 : Ill ; 30 cm. - Aus: Caston, Philip S. C.: Spätmittelalterliche Vierungstürme im deutschsprachigen Raum, mit neuer Einleitung. - Zugl. Teildr. von: Bamberg, Univ., Diss., 1996. - ISBN 3-932526-11-2 : DM 19.80 [4564]. (zurück)
[2]
Vgl. Der Vierungsturm bis zum Ende des romanischen Stils : unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Entwicklung / Günter Urban. - Frankfurt, Univ., Diss., 1953. Diese Dissertation stand zu einem Abgleich im Rahmen der Besprechung nicht zur Verfügung; die bibliographische Angabe erfolgt nach Caston. (zurück)
[3]
Die bibliographischen Angaben (S. 228) zu den der Bestandsaufnahme zugrundegelegten Denkmälerverzeichnissen sind von einer von allen Standards wissenschaftlicher Quellenangabe abstrahierenden Knappheit, so daß an dieser Stelle auf eine detaillierte Referierung der benutzten Quellen verzichtet werden muß. Zu den verschiedenen Ausgaben der Dehios vgl. aber den Übersichtsbeitrag in IFB 95-3-403 - 410. (zurück)
[4]
So wird - in Anlehnung an Urban - in der Rubrik Vierungstürme: Übergang zum- und Anfang des gotischen Stils: Deutschland das Freiburger Münster aufgeführt mit der Datierung "um 1200" und dem Konstruktionshinweis "polygonal, Vierungskuppel". Verzichtet aber wird auf jegliche Angabe, daß der Vierungsturm (Zentralturm) aus dieser Zeit dem späteren Neubau des Chores ab 1354 und damit verbundener weiterer Bauänderungen zum Opfer fiel und seitdem die vollständige ursprüngliche Situation nur noch zu rekonstruieren ist. Für eine Bestandsaufnahme von Vierungstürmen ist im Falle Freiburgs der bloße Hinweis auf die polygonale Vierungskuppel, die als Relikt im Innenbau erkennbar geblieben ist, zu wenig; den Außenbau des Freiburger Münsters markiert jedenfalls seit den Baumaßnahmen des Spätmittelalters kein Vierungsturm mehr. (zurück)
[5]
Im weiteren Verständnis leistet dies letztlich jede fundierte wissenschaftliche Arbeit für das betreffende Thema; diese inhaltsorientierte Begrifflichkeit kann im vorgegebenen Rahmen jedoch nicht zugrundegelegt werden. (zurück)

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