Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 6(1998) 1/2
[ Bestand in K10plus ]
[ Bestand in K10plus ]
[ Bestand in K10plus ]

Historische Theater in Deutschland


98-1/2-104
Historische Theater in Deutschland : ein Katalog. - Hannover [u.a.]. - 30 cm. - (Berichte zu Forschung und Praxis der Denkmalpflege in Deutschland ; ...). - Teil 2 mit Ersch.-Ort Erfurt. - (Verlag Ausbildung + Wissen, Postfach 2425, 61294 Bad Homburg)
[4309]
Teil 1. Westliche Bundesländer / [Textbearb.: Gabriele Diedrich. Hrsg. Manfred F. Fischer]. - 1991. - 116 S. : Ill., graph. Darst. - (... ; 3). - ISBN 3-927879-57-6 : DM 19.80
Teil 2. Östliche Bundesländer : Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen / [Textbearb. ...: Ludger J. Sutthoff. Hrsg.: Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland]. - 1994. - 228 S. : Ill., graph. Darst. - (... ; 4). - ISBN 3-927879-55-X : DM 42.00

Im Bereich der Denkmälerverzeichnisse findet man neben den übergreifenden Groß- und Kurzinventaren vielfach auch spezielle, meist typologische Zusammenstellungen von Baudenkmälern. Grundlage einer solchen Zusammenschau ist hierbei allerdings nicht der christliche Typologiebegriff, wie er vor allem in der mittelalterlichen Kunst begegnet und immer noch geläufig ist, sondern eine eher funktionale, aufgabenspezifische und - gegebenenfalls auch - formal-stilistische Kategorisierung von Bauwerken. Unterschwellig prägend für eine derartige Klassifizierung von Architektur dürfte auch das seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert erschienene und mehrfach erweitert wieder aufgelegte Handbuch der Architektur[1] gewesen sein. Hier findet sich - auch mit Blick auf die Praxis - der gesamte Bereich der Architektur grundlegend geordnet nach Bauaufgaben.

Ein dem Praxisbereich zuzuordnendes Movens liegt nun sicher auch der zweiteiligen Zusammenstellung der Historischen Theater in Deutschland zugrunde. Wie der Reihentitel Berichte zu Forschung und Praxis der Denkmalpflege in Deutschland andeutet und wie die Vorworte zu den beiden Heften verdeutlichen, war die Anregung zu dieser Übersichtserfassung durchaus von den Bedürfnissen der Praxis nach erster Bestandsaufnahme geleitet; umfassendere architekturhistorische Publikationen ersetzen diese beiden Hefte in vielen Teilen jedenfalls nicht. Zu den wenigen Arbeiten, die sich überhaupt über Einzelbauten hinaus umfassender mit dem Theaterbau in Deutschland befassen, gehört die Monographie von Harald Zielske von 1971,[2] die nach wie vor mit Nutzen zu konsultieren ist, ebenso wie ein von Urs Boeck konzipiertes Themenheft im Jg. 46 (1988) der Zeitschrift Deutsche Kunst und Denkmalpflege, das sich ganz der Denkmalpflege an Theaterbauten in der Bundesrepublik Deutschland widmet.[3] Diesen Arbeiten stellen die beiden vorliegenden Publikationen nun ein knappes Übersichtsinstrument - im Untertitel als Katalog bezeichnet - zur Seite.

Teil 1 von 1991 erfaßt die historischen Theater der westlichen Bundesländer, wobei die zeitliche Grenzziehung, ohne daß dies allerdings direkt formuliert wird, bei 1945 liegt. Die Anordnung der Einträge ist gegliedert nach Bundesländern und danach im Ortsalphabet; eine differenziertere bautypologische Einordnung - wie etwa bei Zielske oder auch einführend im genannten Heft der Zeitschrift Deutsche Kunst und Denkmalpflege - wird nicht versucht. Grundlage für die jeweils strikt auf eine Seite begrenzten Einträge waren Fragebögen, deren Erfassungskriterien sich im Beschreibungsraster der Publikation spiegeln: Standort, Nutzer, Bauzeit, Eröffnung, Bauherr, Architekt, Baugeschichte, Städtebauliche Einbindung, Äußeres, Zuschauerraum, Bühneneinrichtung, Nebenräume, Fundus, Würdigung, Zustand/Planungen, Literaturhinweise und Grundriß und eine Abbildung (mit Datierung) nach Belieben. Es liegt auf der Hand, daß diese Angaben, fast stichwortartig zusammengedrängt auf einer Seite, nicht viel anderes leisten können als Kurzinventare. Während diese sich aber meist gattungsübergreifend unter vorrangig topographischen Gesichtspunkten organisieren, somit auch praktische Funktion "vor Ort" übernehmen, tritt im vorliegenden Fall der topographische Gesichtspunkt zugunsten des bauaufgabenspezifischen zurück, ohne hier jedoch merkmalbildend zu verfahren. Dies könnte zwar auch ohne eine solche weitergehende bautypologische Differenzierung grundsätzlich wertvoll im Sinne eines Spezial(kurz)inventars sein, setzte dann aber wenigstens Vollständigkeit voraus. Diese fehlt jedoch: der Anspruch auf Vollständigkeit wurde gar nicht erst gestellt, von der grundsätzlichen Begrenzung auf historische Theaterbauten sowieso schon abgesehen. So lebt diese Zusammenstellung mit den Unzulänglichkeiten und mancher Zufälligkeit in der Auswahl, wie sie viele Kurznachschlagewerke kennzeichnet; dennoch bietet sie den Wert eines ersten Einblicks in das Vorhandene, ohne aber über das Datengerüst hinaus für den Einzelfall allzu hilfreich zu sein - selbst im Einzelfall werden verschiedene historische Bauzustände nur schwer nachvollziehbar, der aktuelle Zustand nicht für jeden Teil erkennbar usw. - und ohne eine weitergehende Bezugsetzung dieser Einzeleinträge zueinander - etwa im Sinne einer speziellen Architekturgeschichte - zu bieten.

Das 1994 als Teil 2 der Darstellung Historischer Theater in Deutschland erschienene Heft für die historischen Theaterbauten der östlichen Bundesländer weist inhaltlich erheblich zu Teil 1 divergierende Auswahlkriterien auf. Entscheidend ist die Aufgabe der Beschränkung auf historische Theaterbauten vor 1945. Vielmehr wird hier - wohl auch unter dem Druck der Praxis und der Frage nach der Fortexistenz so mancher Spielorte nach 1990 - die Erfassung ausgedehnt auf Theaterneubauten der Nachkriegszeit, auf Konzerthäuser (wie etwa die Berliner Philharmonie von Scharoun) und auf die DDR-spezifischen Kulturhäuser (Bitterfeld, Chemnitz-Siegmar, Espenhain, Harbke, Schwedt usw.). Dies macht beide Teilpublikationen (westliche und östliche Bundesländer) in der Zusammenschau, an die allerdings ursprünglich gar nicht gedacht werden konnte, einfach zu divergierend, um von einer einheitlichen Gesamtpublikation zum historischen Theaterbau in Deutschland sprechen zu können. Auch im Einzelnen wurden im Heft für die östlichen Bundesländer die Erfassungsmodalitäten verändert. Zwar blieb das Beschreibungsraster bestehen, erweitert wurde aber - zum Teil erheblich - der Abbildungsteil, so daß Bauzustände und Baugeschichte im Einzelfall besser nachzuvollziehen sind. Insgesamt gewinnt so dieser Teil der Publikation trotz aller informatorischen Kargheit durch die Grundkonzeption nun an Wert: Eine reiche historische Theaterlandschaft dokumentiert sich etwas augenfälliger und läßt sogar Sonderformen wie die historischen Gartentheater (Dresden, Weimar) wiederentdecken.

Angela Karasch


[1]
Handbuch der Architektur. - Hier speziell: Theater / Manfred Semper. - Stuttgart : Bergsträsser, 1904. - VIII, 523 S. : zahlr. Ill., graph. Darst. - (Handbuch der Architektur : Teil 4, Entwerfen, Anlage und Einrichtung der Gebäude : Halb-Bd. 6, Gebäude für Erziehung, Wissenschaft und Kunst ; 5).
Dieser Bd. liegt in einem Reprint vor: Wuppenau : E & A, 1995. - VIII, 523, [72] S. : zahlr. Ill., graph. Darst. - ISBN 3-905537-14-1 : DM 250.00.
Vergleichbar konzipiert sind auch die Kapitel Gebäudekunde der Baukunde des Architekten. - Berlin : Verlag Deutsche Bauzeitung, die in mehreren Auflagen um die Jahrhundertwende erschienen ist. (zurück)
[2]
Deutsche Theaterbauten bis zum Zweiten Weltkrieg: typologisch-historische Dokumentation einer Baugattung / von Harald Zielske. - Berlin : Gesellschaft für Theatergeschichte, 1971. - 305 S. : zahlr. Ill. - (Schriften der Gesellschaft für Theatergeschichte ; 65). (zurück)
[3]
Primär für den Praktiker gedacht ist die empfehlend-kommentierte bibliographische Zusammenstellung des Fraunhofer-Informationszentrums Raum und Bau (IRB) zum Thema: Historische Theaterbauten / [Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau. Red. Ulrike Stark]. - 3. überarb. Aufl. - Stuttgart : Fraunhofer IRB-Verlag, 1997. - 87 S. - (IRB-Literaturauslese ; 3055). - ISBN 3-8167-2979-7. (zurück)

Zurück an den Bildanfang