Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 6(1998) 1/2
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Handbuch der Geschichte der Philosophie


98-1/2-068
Handbuch der Geschichte der Philosophie / Wilhelm Totok. - Frankfurt am Main : Klostermann. - 28 cm. - ISBN 3-465-00837-5
[4412]
1. Altertum : indische, chinesische, griechisch-römische Philosophie / unter Mitarb. von Horst-Dieter Finke ... - 2., völlig neu bearb. und erw. Aufl. - 1997. - XXXVI, 733 S. - ISBN 3-465-02871-6 : DM 298.00

Die 1. Aufl. von Bd. 1. des Handbuches der Geschichte der Philosophie von Wilhelm Totok erschien 1964 und umfaßte XXIV + 400 Seiten. Verzeichnet war damals die einschlägige Literatur bis zum Jahr 1961. In der jetzt vorliegenden 2. Aufl., in der die Literatur bis einschließlich 1993 berücksichtigt ist, sind "zum weit überwiegenden Teil neue Titel und darüber hinaus das detailliert auf Aktualität und philosophischen Erkenntniswert geprüfte Schrifttum der ersten Auflage enthalten" (S. XI). Mit jetzt XXXVI + 733 Seiten ist der Umfang auf knapp das Doppelte angewachsen. Der Aufbau ist in den Grundzügen der gleiche geblieben: Einem einleitenden Teil mit dem Titel Allgemeine Geschichte der Philosophie (S. 1 - 28) folgen ein Teil Die Philosophie im Orient (S. 29 - 102) mit den beiden Abschnitten Die Philosophie der Inder (S. 31 - 76) und Die Philosophie der Chinesen (S. 77 - 102) und ein Teil zur abendländischen Philosophie bis zum Ende der Antike (früher unter dem Obertitel Die Philosophie des Abendlandes, jetzt ohne gemeinsamen Obertitel) mit den beiden Abschnitten Griechisch-römische Philosophie (S. 103 - 474) und Hellenistisch-römische Philosophie (S. 475 - 630).[1] Als deutliche Verbesserung gegenüber der 1. Aufl. ist zu verzeichnen, daß das Druckbild an Übersichtlichkeit erheblich gewonnen hat, vor allem dadurch, daß die einzelnen Abschnitte in sich stärker untergliedert wurden und daß die Titel jetzt in zwei Spalten gedruckt und mit fortlaufenden Nummern versehen sind. Was den Inhalt betrifft, besteht jedoch Anlaß zu massiver Kritik.[2]

Zu vielen Bereichen der antiken Philosophie gibt es ausgezeichnete Spezialbibliographien aus neuerer Zeit. Als Bibliographie, die die antike Philosophie insgesamt umfaßt, ist der Totok jedoch konkurrenzlos. Vor allem der Nichtfachmann wird daher gerne zu ihm greifen. Leider sind die Informationen, die er erhält, nicht so zuverlässig, wie dies zu wünschen wäre. Vor allem zwei Mängel mindern den Wert des Werkes erheblich. Der erste besteht darin, daß die 'großen' Philosophen gegenüber den 'kleinen' deutlich bevorzugt sind. Was die letzteren betrifft, so ist es häufig nicht einfach, überhaupt etwas zu ihnen zu finden. Das liegt nicht nur daran, daß sie, wie schon angedeutet, stiefmütterlich behandelt worden sind; hinzu kommt, daß die sie betreffende Literatur nur schwer auffindbar ist, weil in das kärgliche Sachregister (S. 631 - 633) nur solche Namen von Philosophen und Titel von Schriften aufgenommen sind, die in Überschriften erscheinen. Philosophen wie z.B. Arkesilaos, Eukleides aus Megara, Hippias aus Elis, Menedemos aus Eretria, Prodikos und Theodoros Atheos wird man daher im Sachregister vergeblich suchen. Im Sachregister der 1. Aufl. waren alle diese Philosophen noch verzeichnet.

Noch gravierender scheint mir der zweite Mangel zu sein. Jede intensivere Beschäftigung mit einem Philosophen beginnt mit dem Studium der Texte, die er hinterlassen hat bzw. die über ihn und seine Ansichten berichten, je nach Vermögen im Originalwortlaut oder in einer Übersetzung. Gerade in diesem Punkt ist der Totok völlig unzureichend. Aus mir unerfindlichen Gründen hat er durchgehend darauf verzichtet, den Benutzer darüber zu informieren, wo er Ausgaben des Originaltextes findet. Nehmen wir als Beispiel den ersten Fall, in dem Totok die Rubrik Textausgaben einführt, den des Diogenes Laertios (Nr. 4959 - 4981).[3] Unter der Überschrift Textausgaben finden wir hier die Unterabschnitte Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Lateinisch, Niederländisch und Spanisch und katalanisch; einen Abschnitt, in dem die heutzutage gebräuchlichen Ausgaben des Originaltextes verzeichnet sind, gibt es dagegen nicht. Auch Hinweise darauf, welche der aufgeführten Textausgaben den Originaltext, sei es allein, sei es mit Übersetzung, bietet, fehlen. Der Benutzer muß sie wie in einem Vexierbild suchen, d.h. er muß sie, um sie zu finden, zuvor schon kennen. Die Ausgabe des griechischen Textes von R. D. Hicks findet er dann im Abschnitt Englisch (Nr. 4963 Lives of eminent philosophers. Trad.: R. D. Hicks. London 1925. 2 Bde.; daß es sich um eine zweisprachige Ausgabe handelt, wird nicht vermerkt) und die von H. S. Long im Abschnitt Lateinisch (Nr. 4969 Diogenis Laertii. Vitae philosophorum. Oxf. 1964. 2 Bde.; der Herausgeber H. S. Long wird nicht genannt, der Punkt zwischen Laertii und Vitae ist sinnlos; in den Abschnitt Lateinisch ist die Ausgabe offenbar deshalb geraten, weil der Werktitel wie bei wissenschaftlichen Ausgaben antiker Texte üblich in lateinischer Form erscheint). Im Abschnitt Lateinisch ist des weiteren die griechisch-deutsche Ausgabe des 10. Buches (Epikur) verzeichnet, die K. Reich und H. Zekl 1968 in der Philosophischen Bibliothek herausgegeben haben (Nr. 4970 Vitae et sententiae philosophorum. Hbg. 1968. 164 S.; daß es sich allein um das 10. Buch handelt, ist nicht erkennbar, da der entsprechende Zusatz im Titel weggefallen ist) sowie die alte Textausgabe von H. G. Huebner (Nr. 4971 De vitis, dogmatis et apophthegmatis clarorum philosophorum libri decem. Nachdr. der Ausg. Lpz 1828 - 1833. Hildesheim 1981. 4 Bde; daß zwei der 4 Bände Kommentare enthalten, bleibt unerwähnt). Die Ausgabe von Huebner taucht im übrigen ohne Angabe eines Titels auch in dem Abschnitt Deutsch auf, vielleicht deshalb, weil sie ursprünglich in Leipzig erschienen ist (Nr. 4959 Diogenes Laertius. Lpz 1828 - 1833. 4 Bde.). Dubletten gibt es auch sonst. Von O. Apelts Übersetzung des Diogenes Laertios ist die 2. Aufl. unter Nr. 4960 (ohne Angabe des Übersetzers) und die 3. unter Nr. 4962 (mit Angabe des Übersetzers) verzeichnet.

Das angeführte Beispiel ist symptomatisch, die angeführten Mängel tauchen in gleicher oder ähnlicher Form auch sonst auf. Etwas besser wäre die Situation und etwas leichter die Orientierung, wenn bei Textausgaben, zweisprachigen Ausgaben und Übersetzungen wenigstens immer der Herausgeber und/oder der Übersetzer genannt wären. Das ist indessen eher die Ausnahme als die Regel. Um ein zufällig herausgegriffenes Beispiel zu nehmen: Zu Platons Kriton sind 27 Textausgaben verzeichnet (Nr. 8561 - 8587), nur in zwei Fällen ist ein Übersetzer genannt. Viele der Angaben lesen sich wie die folgende: Nr. 8561 K. Bln 1934. 73 S. Der Kenner weiß, daß sich hinter dieser Kurzangabe die zu Recht hochgeschätzte Ausgabe des Kriton mit Übersetzung und Nachwort von Richard Harder verbirgt. Welchen Nutzen ein Laie von einer Angabe wie dieser haben soll, ist mir rätselhaft.

Im übrigen ist es auch sonst mit den Angaben zu den Textausgaben nicht immer zum besten bestellt: Eine der wichtigsten Textausgaben zu den Vorsokratikern, nämlich G. S. Kirk, J. E. Raven, M. Schofield, The presocratic philosophers (Cambridge, 1983), fehlt völlig; ihre Vorgängerin, herausgegeben von G. S. Kirk und J. E. Raven (Cambridge, 1957) findet sich, mit falscher Jahresangabe (1983), als Nr. 5305 unter den Allgemeinen Monographien. Bei den Sophisten sind unter der Rubrik Fragmente, die hier die Rubrik Textausgaben ersetzt, zwei vermeintliche Ausgaben verzeichnet, die keine sind: Bei den beiden unter Nr. 6854 und Nr. 6859 verzeichneten, von C. J. Classen und B. Cassin herausgegebenen Bänden handelt es sich um Sammlungen von Aufsätzen zur Sophistik; der von B. Cassin herausgegebene Band erscheint im übrigen unter Nr. 6893 noch einmal und hier an der richtigen Stelle. Im Falle des Sokrates findet man die Textsammlungen teils im Sokrates-Kapitel unter der Überschrift Überlieferung (Nr. 7512 - 7543), teils im Kapitel über die Sokratiker (Nr. 7544 - 7558); hier allerdings sind in irreführender Weise auch einige Textsammlungen verzeichnet, die weit über die Sokratiker hinausgehen und Texte aus der gesamten Antike seit Sokrates (z.B. Nr. 7555 Socrate: Tutte le testimonianze: da Aristofane e Senofonte ai Padri cristiani), ja bis zur Gegenwart enthalten (Nr. 7547 The Socratic enigma. A collection of testimonies throught twenty-four centuries). Von F. Wehrlis Sammlung Die Schule des Aristoteles ist unter Nr. 16168 nur die 2. Aufl. verzeichnet,[4] wo Einzelbände aufgeführt werden (Nr. 16253 unter Textausgaben; Nr. 16410 - 16412 unter Sekundärliteratur), ist stets nur die 1. Aufl. genannt. Die für jeden, der sich mit der hellenistischen Philosophie befaßt, unentbehrliche zweisprachige kommentierte Textsammlung The Hellenistic philosophers von A. A. Long und D. N. Sedley ist unter Allgemeine Monographien verzeichnet (Nr 16441; anders als angegeben sind beide Bände 1987 erschienen). Die Sammlung der Hermetica von W. Scott (1924 - 1936, Nachdr. 1968) hat es - wohl durch eine Panne - unter die Textausgaben zur Stoa verschlagen (Nr. 16590);[5] unter Nr. 19422 ist sie mit ausführlicheren bibliographischen Angaben nochmals an der richtigen Stelle verzeichnet.

In den Abschnitten mit der Sekundärliteratur sieht es besser aus, schon deshalb, weil hier im Normalfall wenigstens vollständige Titel genannt werden, der Benutzer also einen genaueren Eindruck davon erhält, worum es überhaupt geht. Im allgemeinen scheint hier auch das Wichtigste einigermaßen vollständig berücksichtigt zu sein. Daß bei einer solchen Menge des Materials hier und da Schnitzer unterlaufen, ist gewiß unvermeidlich; eine zusätzliche Kontrolle hätte dem Werk jedoch auch hier gutgetan. Ein Beispiel: In dem nicht sehr umfangreichen Abschnitt Megariker und die elisch-eretrische Schule (Nr. 7801 - 7831) finden sich z.B. folgende Versehen: Nr. 7806 B. A. Kyrkos, Menedemos und die eretrische Schule gehört zu den Textausgaben, nicht zu den Studien; Nr. 7810 und Nr. 7812 sind identisch; Nr. 7818 muß es heißen: Time and modality (nicht morality) in Diodorus Cronus; Nr. 7823 Diodorus (nicht Diudurus); in dem unter Nr. 7825 verzeichneten Buch von W. Spoerri geht es nicht um Diodoros Kronos, sondern um den Historiker Diodorus Siculus, das Buch ist also fehl am Platz.

Mehr Sorgfalt hätte man sich schließlich auch bei der Angabe der Namen innerhalb des Bibliographie und im Index gewünscht. Daß gleiche Personen in Indizes mehrfach erscheinen, weil sie in ihren Publikationen bei der Angabe ihres Namens manchmal einen, manchmal mehrere Vornamen nennen und diese bald abkürzen, bald nicht abkürzen, hat man hinzunehmen gelernt. Bei Totok kommt es jedoch bisweilen vor, daß der Vor- oder Nachname eines Autors innerhalb der Bibliographie zwar richtig, im Index aber falsch angegeben ist: Nr. 6579 J. B. statt J. Bollack; Nr. 13754 K. statt T. Ebert; Nr. 13238 G. E. statt G. F. Else; Nr. 13940 Moreaux statt Moreau. Schlimmer ist es, wenn der Nachname oder auch Vor- und Nachname hier wie dort in entstellter Form erscheinen: A. Patzer erscheint auch als A. Platzer (Nr. 7106), A. Dihle auch als A. Diehle (Nr. 5447), K. Döring auch als K. Dörring (Nr. 7289) und K. Doring (Nr. 19717), F. Longo Auricchio auch als L. Longon Auricchio (Nr. 17346).

Eine solche Auflistung mag pedantisch erscheinen, doch ist zu bedenken, daß der Wert einer Bibliographie nicht zum wenigsten von ihrer Zuverlässigkeit abhängt. Was dies betrifft, ist es mit dem 1. Band der Neuauflage des Totok leider nicht zum besten bestellt. Natürlich kann der Band trotz aller Schwächen als Fundgrube dennoch nützlich sein; jede größere Bibliothek wird nicht darum herumkommen, ihn anzuschaffen. Doch steht der Benutzer ständig vor der Aufgabe, unzureichende Angaben ergänzen, falsche verbessern und kryptische enträtseln zu müssen. Der Experte wird sich dieser Mühe mit Verdruß unterziehen und kann dann von der Fülle des beigebrachten Materials durchaus profitieren. Schwieriger hat es der Nichtexperte. Ihm kann die Neuauflage des Totok kaum empfohlen werden.

Klaus Döring


[1]
Der Abschnitt Griechisch-römische Philosophie umfaßt die griechische Philosophie bis zum Ende des 4. Jahrhunderts, der Abschnitt Hellenistisch-römische Philosophie die Philosophie des Hellenismus und der Kaiserzeit. Gegen diese Zweiteilung ist von der Sache her nichts einzuwenden, die Überschriften sind jedoch einigermaßen unsinnig, wie sich schon allein daran zeigt, daß es einen römischen Philosophen, der während der ersten Epoche gelebt hätte, schlechtweg nicht gibt. Auch von einer hellenistisch-römischen Philosophie zu sprechen, ist wenig sinnvoll, weil es so klingt, als habe sich die römische Philosophie an die hellenistische angeschlossen. Richtig wären folgende Überschriften: Griechische Philosophie bis zum Ende des 4. Jahrhunderts und Hellenistische und kaiserzeitliche Philosophie. (zurück)
[2]
Ausdrücklich hinweisen möchte ich darauf, daß die im folgenden geübte Kritik sich nur auf die beiden Teile zur antiken Philosophie bezieht; den Teil zur orientalischen Philosophie vermag ich mangels Sachkenntnis nicht zu beurteilen. (zurück)
[3]
In der Überschrift (S. 148), im Inhaltsverzeichnis (S. VI) und im Sachregister (S. 731) heißt er übrigens D. Laertes, im Einführungstext (S. 148) zunächst D. Laertios, dann wenige Zeilen später D. Laertius. (zurück)
[4]
Die beiden 1974 und 1978 veröffentlichten Supplementbände Hermippos der Kallimacheer und Sotion scheinen nirgends verzeichnet zu sein. (zurück)
[5]
Bei der unter Nr. 16592 verzeichneten vermeintlichen Textausgabe von J. M. Rist handelt es sich in Wirklichkeit um eine Sammlung von Aufsätzen zu den Stoikern. (zurück)

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