Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 6(1998) 1/2

Brockhaus


98-1/2-034
Brockhaus , oder: aus eins mach zwei : Brockhaus, Die Enzyklopädie (rotes Buckramleinen) und Brockhaus, Die Bibliothek (blaues Buckramleinen)
von
Klaus Schreiber

Die Brockhaus-Enzyklopädie mußte sich mit der neuesten 20. Auflage einer Titeländerung zu Brockhaus, Die Enzyklopädie unterziehen. Wer da allerdings meinte, der Verlag folge der Mode und wolle erreichen, daß man den neuen Titel als Brockhaus, DIE Enzyklopädie verstehe, irrt, dürfte dabei doch eher die aus demselben Mannheimer Hause stammende Produktlinie des Duden Pate gestanden haben. Der Verlag hatte sich wohl keine Gedanken darüber gemacht, daß er mit dem seinen Produkten vorangestellten Markenzeichen DUDEN[1] Die Deutsche Bibliothek in Schwierigkeiten bringen könnte. Nachdem diese für die Duden-Titel im Laufe der Jahre alle möglichen Varianten angeboten hatte,[2] einigte man sich bibliotheksintern Ende 1996 auf die Form mit Komma-Abtrennung, also Duden, Das Fremdwörterbuch oder Duden, mein erstes Rechenbuch.[3] Im Fall der neu benannten Produktlinie Brockhaus, die der Verlag zumeist als Brockhaus. Die Enzyklopädie und nur ausnahmsweise BROCKHAUS. Die Enzyklopädie schreibt, meinte Die Deutsche Bibliothek freilich, eine neue (jetzt allerdings von Anfang an einheitlich durchgehaltene) Variante anbieten zu müssen und schreibt Brockhaus - die Bibliothek, was den Rezensenten nicht hindert, für die Titelaufnahme auch in diesem Fall bei der Komma-Form à la Duden zu bleiben, für die folgende Darstellung jedoch die vom Verlag gewählte Form beizubehalten.

Nach diesem mehr bibliothekarischen Vorspann nun zu Zweck und Inhalt von Brockhaus. Die Bibliothek. Der Grund für die durch die Zweiteilung des Brockhaus bedingte Titeländerung liegt in Vermarktungsstrategien, die keineswegs neu sind, wurde doch auch bereits bei früheren Auflagen der Brockhaus-Enzyklopädie versucht, durch die Dreingabe von Publikationen, die nicht notwendig zu einem Lexikon gehören, zusätzliche Umsätze zu erzielen: dabei handelte es sich allerdings um Produkte aus demselben Verlag, die zunächst selbständig erschienen und die als Beigabe zur BE (z.T. mit beträchtlich höheren Preisen) erneut vermarktet wurden.[4]

Diese früheren Produkte aus demselben Verlagshaus nehmen sich jedoch bescheiden aus im Vergleich mit dem, was den Käufern der 20. Aufl. von Brockhaus. Die Enzyklopädie jetzt als Brockhaus. Die Bibliothek an Zusatzangeboten angedient wurde, waren doch im Rahmen der letzteren ursprünglich nicht weniger als 6 Reihen vorgesehen, und zwar, zitiert nach der Herbstvorschau 1996 des Verlages (S. 8 - 9) in jeweils 6 Bd.: 1. Lebensläufe; 2. Weltgeschichte; 3. Kunst und Kultur; 4. Mensch, Natur, Technik; 5. Grzimeks Enzyklopädie Säugetiere und schließlich in nicht weniger als 24 Bd. 6. Länder und Städte. An derselben Stelle hieß es werbend: "Brockhaus. Die Bibliothek., das neue ergänzende Reihenwerk zu Brockhaus. Die Enzyklopädie., erschließt ausgewählte Wissensgebiete im Zusammenhang. Die Bände wurden von namhaften Kennern verfaßt und sind spannend zu lesen und hervorragend bebildert." Bei der diesen Bänden zugrundeliegenden "Methode erschließen wir uns über die Beschäftigung mit übergreifenden Themen eine allgemeine Weltkenntnis mit ihrem wechselseitigen Bedingungsgefüge und ihren Zusammenhängen." Für die in den Bänden von Brockhaus, Die Bibliothek gewählte Darstellungsweise ist "ein eher erzählender Tonfall charakteristisch. Nicht zuletzt durch den höheren Bildanteil eignet sich die 'Brockhaus Bibliothek' daher besonders für die Wissensvermittlung in der Familie. ... Die Seitengestaltung ... ist nach den Kriterien moderner Wahrnehmung und mit den höchsten Ansprüchen an eine gleichzeitig seriöse und dennoch lebendig-vielfältige Darstellung von führenden Buchgestaltern entworfen worden. Grafische Gestaltungselemente wie Formsatz, Informationskästen, Quellenzitate, Kommentare und Tabellen lockern die Seitengestaltung auf." Ein bißchen viel "Gestaltung", die hoffentlich nicht auf Kosten des Inhalts geht.

Es handelt sich also um den Versuch, das "in alphabetischer Reihenfolge ... (in) rund 260.000 Stichwörtern" fragmentierte Wissen, wie es Brockhaus. Die Enzyklopädie (die ja trotz des Namens den Typ "Lexikon" repräsentiert) bietet, wieder in einen lesbaren Zusammenhang zu bringen, und zwar unter Beschränkung auf ursprünglich sechs, inzwischen nur noch fünf "große Themenkomplexe". Dieses "in inhaltlicher und gestalterischer Hinsicht völlig neue Konzept" ist nun, zumindest was ersteres angeht, freilich nicht so neu, wie der Verlag es uns weismachen möchte, denn an Versuchen, Lexika durch Themenbände zu ergänzen, hat es auch bisher nicht gefehlt. Erinnert sei nur an Den neuen Herder, dessen Lexikonbände 1 - 6 als "Wissen im Alphabet" eine Ergänzung durch die Bände 7 - 14 "Wissen im Überblick" erfuhren, die allerdings völlig unverbunden neben den eigentlichen Lexikonbänden standen. Letzteres gilt in gleichem Maße auch für den Brockhaus, zwischen dessen beiden Teilen - sieht man von den zitierten programmatischen Äußerungen ab - keine Verbindung hergestellt wird. Hatte Herder noch - ohne sich freilich auf eine Wissenschaftssytematik zu beziehen - das Wissen nach praktischen Gesichtspunkten in immerhin 8 Themenbände verpackt, stellt sich das thematische Programm bei Brockhaus. Die Bibliothek wesentlich enger dar.

Durch Erfahrung gewitzigt, pflegt der Rezensent programmatische Prospekte und sonstige habhafte Verlagswerbung[5] eine zeitlang aufzuheben, was sich nicht nur in diesem Fall als nützlich erwies, da das ursprüngliche Programm für Brockhaus. Die Bibliothek bereits kurz nach der ersten Ankündigung "redimensioniert" werden mußte und gleichzeitig die Erscheinungstermine drastisch gestreckt wurden. Hier der Stand Ende März 1998:

1. Lebensläufe erscheint nicht. Die geplanten 6 Bd. sollten statt der "mehr als 30.000 Biographien" im Brockhaus. Die Enzyklopädie nur "rund 400 Persönlichkeiten" behandeln, soz. die crème der crème, von Adenauer und Churchill über Van Gogh und Kant bis Shakespeare und Zwingli (um die Ecknamen der Bd. 1, 3 und 6 zu nennen).

2. Weltgeschichte. - Bd. 1 (1997, März). - Bd. 2 (1997, November). - Zum Inhalt der Bände s.u. - Bd. 3 soll im April 1998 erscheinen, Bd. 6 ist für Februar 1999 vorgesehen.

3. Kunst und Kultur. - Bd. 1 (1997, März). - Bd. 2 (1997, Juli). - Bd. 3 (1997, Dezember). - Zum Inhalt der Bände s.u. - Bd. 4 soll im Juni 1998 erscheinen, Bd. 6 ist für Februar 1999 vorgesehen.

4. Mensch, Natur, Technik. - Bd. 1 soll im Herbst 1998 erscheinen, Bd. 6 im Frühjahr 2000.

5. Grzimeks Enzyklopädie Säugetiere. - Die Lizenzausgabe in 6 Bd. erschien im März 1997.

6. Länder und Städte. - Bd. 1 (1997, März). - Bd. 2 (1997, März). - Bd. 3 (1997, Mai). - Bd. 4 (1997, November). - Zum Inhalt der Bände s.u. IFB 98-1/2-145. - Die Bd. 5 und 6 sollen im Mai bzw. im Oktober 1998 erscheinen.

Zunächst aber zu Brockhaus. Die Enzyklopädie und ihrem derzeitigen Stand.


[1]
Zumindest in neuerer Zeit verfährt wenigstens der Verlag weitgehend einheitlich, verwendet er doch in seiner Werbung die Form DUDEN Das Fremdwörterbuch, daneben eher selten die Form DUDEN - Richtiges und gutes Deutsch. - Auf den Titelblättern steht DUDEN immer auf einer eigenen Zeile. (zurück)
[2]
Duden, das grosse Fremdwörterbuch; Duden - das Fremdwörterbuch; Duden "Fremdwörterbuch"; Duden Fremdwörterbuch; Duden-Schülerlexikon. (zurück)
[3]
Um die Einheitlichkeit nicht zu übertreiben, findet sich auch Duden, Mein erstes Lexikon A - Z. (zurück)
[4]
Als Bd. 26 - 28 der 19. Aufl. erschien: Deutsches Wörterbuch, eine auf 3 Bd. zusammengestauchte Ausgabe von Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in 8 Bd. (vgl. IFB 94-1-031). - Bei Bd. 29. Wörterbuch Englisch. - 1996 handelt es sich um das Duden-Oxford Großwörterbuch Englisch von 1990, das damals DM 79.00 kostete, während die edlere Ausgabe im Rahmen der BE bei Einzelbezug mit DM 216.00 zu Buche schlug. (zurück)
[5]
Hier nimmt der Mannheimer Verlag eine absolute Spitzenstellung ein, werden Rezensenten von ihm doch mit Informationen aller Art verwöhnt und man könnte sich, wenn man wollte, viel Mühe sparen, und die mundfertig vorbereiteten Texte einfach übernehmen (vielleicht bekommt man sie eines Tages als Diskette oder könnte sie sich aus dem Internet herunterladen). Dabei sind diese Texte als Selbstdarstellung des Verlages und seines Programms unentbehrlich, da die Bände selbst keine (Brockhaus. Die Enzyklopädie) oder nur wenige (Brockhaus. Die Bibliothek, jeweils in Bd. 1) aussagekräftige Texte enthalten. - Am meisten bedauert der Rezensent freilich, daß IFB keine Abbildungen enthält, da er sonst die vom Verlag gelieferten farbigen Reproduktionsvorlagen verwenden könnte. (zurück)

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