Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 6(1998) 1/2
[ Bestand in K10plus ]

Quellenbibliographie zur Rhetorik, Homiletik und


98-1/2-017
Quellenbibliographie zur Rhetorik, Homiletik und Epistolographie des 18. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum / Joachim Dyck und Jutta Sandstede. - Stuttgart- Bad Cannstatt : frommann-holzboog. - Bd. 1 - 3. - LXXII, 1478 S. ; 25 cm. - ISBN 3-7728-1862-5 : DM 1530.00
[4207]

1977 stellte Walter Jens fest, daß das 18. Jahrhundert unter rhetorischen Aspekten in der deutschen Forschung kaum behandelt worden ist,[1] und zehn Jahre später schrieb Gert Ueding, daß die Forschungen zur Rhetorik als Theorie, Technik und Methode, die die Kulturentwicklung im 18. Jahrhundert in allen Phasen bestimmt hat, gerade erst begonnen haben.[2] 1996 können die Autoren des vorliegenden Bandes zwar sagen, "daß in den letzten Jahren mancher Stein zusammengetragen wurde, daß sich aber das Gesamtbild der Entwicklung von 1700 bis 1800 noch immer nicht deutlich genug abzeichnet" (Einleitung, S. IX).[3] Auch wenn, wie die Autoren betonen, die Bedeutung der Rhetorik für die Theorie der Literatur und ihre Praxis im Deutschland des 18. Jahrhunderts heute unbestritten und aus dem literarischen und geselligen Leben des 18. Jahrhunderts nicht wegzudenken ist (vgl. Einleitung, S. IX), so wird diese Epoche doch nach wie vor "als rhetorikgeschichtlich uninteressant" eingestuft.[4]

Diesem Vorurteil entgegenzuwirken ist erklärtes Ziel der Quellenbibliographie, die an der Arbeitsstelle Rhetorik der Universität Oldenburg entstanden ist. Sie will die Rhetorik dem interessierten Forscher als das vermitteln, was sie nach Meinung der Autoren einmal war und was in der abendländischen Bildung ihren Rang ausmachte: als ein "dynamisches Prinzip, eine psychagogische und anthropologisch bezogene Kunst, die als Überzeugungstechnik, Schulfach und soziale Praxis das literarische und sprachlich-gesellschaftliche Leben seit dem 5. vorchristlichen Jahrhundert bis zu Lessing und Herder, bis zu Klopstock und Schiller, Kant und Friedrich Schlegel bestimmt hat." (Einleitung, S. XXIII - XXIV). Emphatisch fügt man hinzu, daß niemand sich in Zukunft darauf hinausreden könne, daß ihm die Ubiquität der Rhetorik unbekannt geblieben sei (vgl. Einleitung, S. XV).

Die Bibliographie versammelt mehr als 4000 derjenigen selbständig erschienenen Publikationen, die zwischen 1700 und 1800 zur Rhetorik als Theorie, zur Beredsamkeit als Praxis der Rhetorik, zur Homiletik und Epistolographie im deutschsprachigen Raum, einschließlich aller Neuauflagen und Nachdrucke, erschienen sind. Die Ausklammerung der unselbständig erschienenen Literatur des Zeitraums muß, dessen sind sich die Autoren bewußt, zunächst ein Desiderat bleiben, was aber vertretbar ist, da sich das bei der Erfassung der selbständigen Publikationen gewonnene historische Bild "im Grundsätzlichen wahrscheinlich nicht von dem Rhetorikbild der Journale unterscheidet" (Einleitung, S. XXV).

Bd. 1 bietet neben einer ausführlichen Einleitung und der Einführung in die Benutzung ein Verzeichnis der Sekundärliteratur, das Siglenverzeichnis für bundesdeutsche Bibliotheken und Abkürzungen ausländischer Bibliotheken sowie einem Abkürzungsverzeichnis den ersten Teil der Quellenbibliographie von 1700 bis 1742. Bd. 2 enthält die Quellenbibliographie der Jahre von 1743 bis 1800. Erfaßt wurden Veröffentlichungen der Kernbereiche Rhetorik, Homiletik und Epistolographie, denen auch in drei selbständigen Registern Rechnung getragen wird. Um der Omnipräsenz der Rhetorik gerecht zu werden, sind auch Titel aus den Grenzbereichen Poetik, Bildungsgeschichte des Geschmacks und Ästhetik aufgenommen worden, sofern sie einschlägige Kapitel enthielten. Des weiteren enthält die Bibliographie Ausgaben antiker Autoren, wenn sie kommentiert waren, Lehrpläne, enzyklopädische und methodische Werke, Schriften zur juristischen Redepraxis, zum Referieren, Anweisungen zur Kanzelberedsamkeit und Schriften der Jesuitenrhetorik. Ausgeschlossen bleiben Grammatiken, Anweisungen zur Orthographie oder zur Rechtschreibung, Emblembücher, Florilegien, obwohl die Redner sich auch ihrer nachweislich bedienten.

Die Titel sind in der Bibliographie chronologisch nach Erscheinungsjahren geordnet, um die "Geschichte der Entwicklung des literaturtheoretischen, poetologischen und ästhetischen Bewußtseins im 18. Jahrhundert" (Einleitung, S. XXIV) zu dokumentieren.[5] Innerhalb eines Jahres erfolgen die Titeleintragungen alphabetisch nach dem Verfassernamen, bei nicht zu ermittelnden anonymen Titeln nach Sachtiteln gemäß den Preußischen Instruktionen. Die Beschreibungen der einzelnen Titel erfolgte in der Regel nach Autopsie, nicht autopsierte Werke wurden mit Asteriskus gekennzeichnet. Der "Numerierungszeile", bestehend aus "Numerierungssigle" (Erscheinungsjahr und fortlaufende Nummer innerhalb des Erscheinungsjahres sowie Bandzahl bei mehrbändigen Werken) und Verfassernamen, folgt die diplomatisch getreue Beschreibung mit Beigabenvermerk, Umfangs- und Formatangabe sowie der Standortnachweis mit Signaturangabe des zugrundegelegten Exemplars. Zu den ermittelten Angaben werden Erläuterungen gegeben, bei Erstausgaben wird auf andere Ausgaben oder Auflagen, Nachdrucke, Bearbeitungen und Übersetzungen sowie auf deren Beziehungen untereinander hingewiesen, die die Rekonstruktion der jeweiligen Publikationsgeschichte ermöglichen sollen. Auch zu diesen anderen Ausgaben und Auflagen wären die Standortnachweise hilfreich gewesen, da sie dem Benutzer zum Teil mühsame Nachforschungen hätten ersparen können.

In Bd. 3 erschließen drei alphabetische Teil- und ein Gesamtregister die Bibliographie. Durch die Teilregister Epistolographie, Homiletik und Rhetorik ist eine grobe inhaltliche Zuordnung der einzelnen Titel zu den Kernbereichen der Rhetorik möglich.[6] Im Gesamtregister erhält man den Überblick über alle Werke eines Verfassers unter seinem Namen sowie auf die Titel, in denen der Autor als Beiträger erwähnt ist. Ebenso wird bei anonymen und pseudonymen Schriften auf ermittelte Verfasser verwiesen.

Vermißt werden Register zu den Druckorten sowie zu den Druckern und Verlegern. Bei der bibliographischen Beschreibungssituation auch des 18. Jahrhunderts und der Ubiquität der Rhetorik wäre ein solches Register allerdings durchaus von Nutzen.

Kathrin Paasch


[1]
Rhetorik / Walter Jens. // In: Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte / begr. von Paul Merker und Wolfgang Stammler. Hrsg. von Werner Kohlschmidt und Wolfgang Mohr. - Berlin [u.a.] : de Gruyter. - Bd. 3 (1977), S. 432 - 456, hier: S. 443. (zurück)
[2]
Klassik und Romantik : deutsche Literatur im Zeitalter der Französischen Revolution 1789 - 1815 / Gert Ueding. - München : dtv, 1987. - (Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart ; 4), S. 771. (zurück)
[3] Einen Eindruck von der Fülle der Einzelforschungen vermittelt die im Jahrbuch Rhetorik erscheinende laufende Bibliographie zur deutschsprachigen Rhetorikforschung: Rhetorik : ein internationales Jahrbuch. - Tübingen : Niemeyer. - Bd. 1 (1980) - .
Ein "Kompendium unseres gesamten aktuellen Wissens über die Rhetorik" bietet das auf acht Bände angelegte und vom Herausgeber Ueding als "Zentrum der weltweiten Rhetorik-Renaissance" bezeichnete Historische Wörterbuch der Rhetorik, von dem drei Bände vorliegen: Historisches Wörterbuch der Rhetorik / hrsg. von Gert Ueding. Mitbegr. von Walter Jens. - Tübingen : Niemeyer. - ISBN 3-484-68100-4 (Gesamtwerk) : DM 248.00 (à Bd.). - Bd. 1 (1992) - 3 (1996). - Bd. 4 (1998) ist für das erste Halbjahr angekündigt. (zurück)
[4]
So eine Exponatbeschreibung einer im Seminar für Allgemeine Rhetorik an der Universität Tübingen erarbeiteten Ausstellung: 500 Jahre Tübinger Rhetorik - 30 Jahre Rhetorisches Seminar : Katalog zur Ausstellung im Bonatzbau der Universitätsbibliothek Tübingen vom 12. Mai bis 31. Juli 1997 / Joachim Knape (Hg.). [Mit Beitr. von Wilfried Barner... - Tübingen : Seminar für Allgemeine Rhetorik, 1997. - 198 S. : Ill. ; 17x24 cm. - ISBN 3-00-001546-9. - Das Zitat auf S. 197. - Der solide und handlich gestaltete, mit schwarz-weißen Abbildungen und Photos versehene Katalog gibt einen fundierten Überblick über die Rhetorikentwicklung an der Tübinger Universität. Jedes Jahrhundert wird zunächst in einem einleitenden Überblick über die Fachgeschichte, der von Studenten erarbeitet wurde, charakterisiert, dann folgen wissenschaftliche Beiträge zu einzelnen Persönlichkeiten oder Fragestellungen und abschließend Exponatbeschreibungen. (zurück)
[5]
Die Ausnahme bilden mehrbändige Werke, bei denen sämtliche Bände im Erscheinungsjahr des zuerst publizierten Bandes aufgeführt werden. An der Stelle des Erscheinungsjahres eines Folgebandes wird dann auf den Haupteintrag verwiesen. (zurück)
[6]
Stichproben haben nicht ergeben, daß das Gesamtregister andere Titel als die Teilregister enthält, mithin sämtliche Titel auf die drei Teilregister aufgeteilt wurden. (zurück)

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