Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 5(1997) 3/4
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Jahresberichte für deutsche Geschichte [Computerdatei]


97-3/4-405
Jahresberichte für deutsche Geschichte [Computerdatei] : Datenbank ; System: Biblio / hrsg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. - [Berlin] : Akademie-Verlag
[3944]
N.F. 1991/95 (1996). - 1 CD-ROM. - ISBN 3-05-003068-2 : DM 248.00 (Institutionen), DM 78.00 (Privatbezieher)

3. Jahresberichte für deutsche Geschichte

3.1 Inhalt

Die Jahresberichte für deutsche Geschichte erschienen 1996 erstmals neben der gedruckten Ausgabe auch als CD-ROM. Die Datenbank weist über 54.000 Titel nach und entspricht damit in etwa der Datenmenge der Historischen Bibliographie. Die Titel stimmen mit den Jahrgängen 1991 bis 1995 der gedruckten Ausgabe überein und decken damit nahezu den gleichen Berichtszeitraum ab wie die Historische Bibliographie. Im Gegensatz zu dieser werden jedoch nur Titel zur deutschen Geschichte nachgewiesen. Im Unterschied zur ÖHB werden auch keine Titel zur außerdeutschen Geschichte berücksichtigt, die in Deutschland erschienen sind. Diese Begrenzung leuchtet ein, gibt den Benutzern eine klare Vorgabe, welche Titel in der Bibliographie zu erwarten sind und welche nicht. Problematisch ist jedoch, daß an keiner Stelle, weder auf der CD-ROM noch im gedruckten Begleitheft, dargelegt wird, in welchen Grenzen Deutschland aufgefaßt wird. Bei der Recherche erschließt sich jedoch, daß im wesentlichen der in der jeweiligen Zeitepoche gültige Grenzverlauf berücksichtigt wird. Abweichungen von dieser Regel betreffen z.B. die zum Heiligen Römischen Reich zugehörigen italienischen Grenzmarken des Mittelalters. Zeitlich wird Literatur zur gesamten deutschen Geschichte von den Grundlagen in der römisch-germanischen Frühzeit bis zum Jahr 1990 nachgewiesen, unabhängig von Sprache und Erscheinungsland. Neben Monographien finden sich Aufsätze aus Sammelwerken und Zeitschriften. Keine Berücksichtigung finden ungedruckte Hochschulschriften und Rezensionen.

3.2 Recherche

Die Installation der Jahresberichte ist einfach und unproblematisch. Nach dem Start der Datenbank werden drei Suchmöglichkeiten angeboten: freie Suche, Registersuche und Expertensuche. Solche differenzierten Suchmöglichkeiten, die bei den zuvor besprochenen Produkten schmerzlich vermißt wurden, sind nur möglich, wenn eine detaillierte formale und inhaltliche Erschließung vorgenommen wurde. Jedes auf der CD-ROM verzeichnete Dokument ist nach dem Autopsieprinzip aufgenommen worden. Inhaltlich wird das gesamte Material durch eine alphanumerische Klassifikation chronologisch-systematisch strukturiert und durch Personen-, historisch-geographische und Sachschlagwörter erschlossen. Bei der Übersicht der Systematik fällt auf, daß Gliederungspunkte, die in der gedruckten Ausgabe vorhanden sind, fehlen. Suchbar sind sie jedoch, so daß man davon ausgehen kann, daß bei der Zusammenstellung der Texte ein Fehler unterlaufen ist.

3.2.1 Freie Recherche

Die Suchmöglichkeiten sind entsprechend der Suchkompetenz der Benutzer angeordnet. Die einfachste Suche, die freie Suche, steht am Anfang. Nach Anklicken der Option wird ein Fenster geöffnet, in das man Suchworte eintragen kann. Die Suchworte werden mit dem Booleschen Operator UND verknüpft. Diese Voreinstellung läßt sich jedoch in eine ODER-Suche ändern, indem man den entsprechenden Menüpunkt ankreuzt. Bei der Suche werden nicht alle Felder durchsucht, sondern nur die Kategorien Beteiligte Personen, Titel, Reihen, Epochen, Sachbereiche, Schlagwörter und Zeitschriften.

3.2.2 Registersuche

Für fortgeschrittene Benutzer bietet sich die Registersuche an. Nach Auswahl der Option erscheint eine Suchmaske, die eine Recherche sowohl nach formalen als auch nach inhaltlichen Gesichtspunkten ermöglicht. Hier wie bei der Expertensuche läuft auf dem rechten Teil der Suchmaske das zum jeweils ausgesuchten Feld zugehörige Register mit. Auf diese Weise kann der Benutzer sofort erkennen, ob sein Suchbegriff vertreten ist. Gerade für die Schlagwortsuche ist dies eine wichtige Hilfe, zumal wenn kein Thesaurus verwendet wird, der z.B. von synonym verwandten Begriffen auf den Hauptdeskriptor verweist. Falls ein Suchwort im Register nicht vertreten ist, muß man eventuell einen anderen Begriff für den gesuchten Sachverhalt wählen.

Innerhalb der Felder lassen sich die Booleschen Operatoren UND und ODER einsetzen. Das parallel zur Suchmaske mitlaufende Register funktioniert allerdings nur beim ersten Suchwort, bei weiteren Suchwörtern muß man ohne diese hilfreiche Unterstützung auskommen. Wenn in mehreren Feldern ein Suchwort eingetragen wird, so verknüpft sie das System mit dem Operator UND.

3.2.3 Expertensuche

Die dritte Form der Suche in den Jahresberichten ist die Expertensuche, die weitere Operatoren ermöglicht (ODER, NICHT, BIS) und alle Felder in die Suche einbeziehen kann. Eine kontextbezogene Hilfestellung vermittelt hier wie an anderen Stellen nützliche Informationen.

Als Trunkierungsmöglichkeit steht in allen Suchmöglichkeiten der * zur Verfügung. Trunkiert werden kann sowohl links (außer in der freien Suche) als auch rechts des Suchworts. Die Antwortzeit ist zufriedenstellend, selbst bei der Linkstrunkierung, die erwartungsgemäß erheblich länger ausfällt.

3.3 Ergebnisanzeige

Als Ergebnis erscheint zunächst eine Kurztitelliste, in der jeder Einzeltitel durch Anklicken als Volltext angezeigt werden kann. Will man alle Titel der Liste in der Volltextanzeige sehen, so genügt ein Druck auf einen Button, der zum ersten Titel führt. Mit Pfeiltasten in der Symbolleiste kann man vor- und zurückblättern, zum ersten bzw. zum letzten Titel der Liste springen. Durch Betätigen desselben Buttons wird wieder zurück in die Kurztitelliste geschaltet. Wer statt der Buttons seine Auswahl lieber über Menüs vornehmen will, kann dies hier leider nicht. Während sonst die meisten Aktionen sowohl per Buttonauswahl als auch über Menüs ausgewählt werden können, ist dies an dieser Stelle nicht möglich.

3.4 Weiterverarbeitung

Die recherchierten Ergebnismengen gehen innerhalb einer Arbeitssitzung nicht verloren. Über einen Button oder über ein Menü kann man sich seine Recherchen auflisten lassen und die zugehörige Trefferliste erneut aktivieren. Darüber hinaus lassen sich Ergebnismengen vereinigen oder schneiden. Darunter ist die Möglichkeit zu verstehen, die Booleschen Operatoren UND und ODER auf Ergebnismengen anzuwenden. Die Benutzung erschließt sich jedoch nicht ohne weiteres. Untereinanderstehende Ergebnismengen lassen sich vereinigen oder schneiden, indem man sie durch Betätigen der Shift- und Pfeiltasten markiert. Weiter entfernt stehende Ergebnismengen markiert man, indem man die Strg- (Ctrl-) Taste gedrückt hält und mit der Maus die gewünschten Ergebnismengen auswählt. Diese nützliche Funktion sollte besser dokumentiert werden, denn es handelt sich um eine Möglichkeit, die in den meisten vergleichbaren Produkten nicht zu finden ist. Schließlich ist es möglich, Ergebnismengen abzuspeichern und bei einer späteren Arbeitssitzung zu laden.

Insgesamt bietet die Datenbanksoftware eine Vielzahl von nützlichen Arbeitsmöglichkeiten. Durch die Unterscheidung von freier Suche, Registersuche und Expertensuche werden sowohl Einsteiger als auch Vielnutzer unterstützt. Insofern eignet sich die CD-ROM sowohl für den Einsatz in Bibliotheken als auch als Arbeitsinstrument für Historiker.

3.5 Inhaltserschließung

Die Qualität der Benutzeroberfläche nützt jedoch erst dann, wenn sie mit der Qualität der Erschließung korrespondiert. Auch in dieser Hinsicht vermitteln die Jahresberichte einen guten Eindruck. Unterhalb der ausreichenden formalen bibliographischen Beschreibung finden sich die Schlagwörter, der Sachbereich, die Epochenbezeichnung und die Klassifikationsnotation. Bedauerlicherweise wird auf Körperschaftsschlagwörter verzichtet, so daß man sich, wenn etwa Literatur zur Geschichte des Paulinums in Münster gesucht wird, entweder auf eine Stichwortsuche einlassen oder alle 45 Einträge zum Schlagwort Gymnasium durchsehen muß. Die Auswahl der Schlagwörter ist nicht immer nachvollziehbar. So kann man etwa unter dem Schlagwort Universitätsbibliothek 5 Einträge finden. Alle anderen Dokumente, die sich mit Bibliotheken beschäftigen, sind unter dem Schlagwort Bibliotheken zusammengefaßt. Unter den Stichwörtern Kirchenbibliothek bzw. Kirchenbibliotheken finden sich jedoch immerhin 14 Treffer, die man mit Kirchenbibliothek hätte verschlagworten können.

Problematischer ist, daß unterschiedliche Schlagwörter für gleiche Inhalte benutzt werden. Der Titel von Rainer Sabelleck über Die Entwicklung jüdischer Religions- und Volksschulen im 19. Jahrhundert : dargestellt am Beispiel der Verhältnisse in den Landrabbinatsbezirken Hannover und Hildesheim. // In: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte. - 43 (1991),3, S. 215 - 232, wird u.a. mit dem Schlagwort Schule erschlossen. Die Monographie von Helmut Schirmer, die sich ebenfalls mit der Volksschule beschäftigt (Volksschullehrer zwischen Kreuz und Hakenkreuz : der Untergang des evangelischen Religionsunterrichts an den Volksschulen in Oldenburg während des Nationalsozialismus. - Oldenburg : Isensee, 1995) erhielt das Schlagwort Volksschule. Eine Recherche im Stichwortfeld zum Begriff Volksschule ergibt 6 Treffer, die durchgängig mit Volksschule hätten verschlagwortet werden müssen, nur drei wiesen jedoch das Schlagwort auf.

Zusammenfassend kann man die Rechercheoberfläche mit den angebotenen Recherchemöglichkeiten, den kontextbezogenen Hilfestellungen, den Ausgabemöglichkeiten als eindeutig positiv bewerten. Positiv ist auch die formale und inhaltliche Erschließung, wenngleich es bei letzterer Verbesserungsbedarf gibt.

Christian Ritzi

4. Vergleichende Bewertung

Grundlegend für die Beurteilung der Jahresberichte ist des weiteren die Frage nach der Vollständigkeit der Verzeichnung der im Berichtszeitraum erschienenen Literatur. Dabei drängt sich der Vergleich mit der Historischen Bibliographie auf, da sich beide Bibliographien sowohl im Berichtszeitraum als auch im Berichtsgegenstand in weiten Teilen decken. Relativ unabhängig ist dagegen die ÖHB mit ihrem eigenständigen Profil.

Quantitativ sind die Jahresberichte und die Historische Bibliographie nahezu gleich. Allerdings weisen die Jahresberichte ausschließlich Titel zur deutschen Geschichte nach, während die Historische Bibliographie alle Gebiete der Geschichtswissenschaft berücksichtigt. Daraus resultieren erhebliche Unterschiede in der Anzahl der Nachweise in einzelnen Epochen. Eine Suche in den Jahresberichten zur Epoche Nationalsozialismus fördert über 7500 Titel zutage. Erstellt man bei der Historischen Bibliographie eine Übersicht zum Gliederungspunkt II.4.3.3.1.3, Deutschland zur Zeit des Nationalsozialismus, so erhält man 1837 Treffer. Diese sind allerdings noch durch die Treffer zu ergänzen, die durch die Systemstelle II.4.3.3.1.4 (Länder 1914-1945) gefunden werden, wobei in diesem Abschnitt natürlich unter den 1425 gefundenen Titeln auch solche aus der Zeit vor 1933 verzeichnet sind. Schließlich muß der Gliederungspunkt II.4.3.3.2., Österreich 1914 - 1945 mit 142 Titeln sowie weitere europäische Länder der gleichen Gliederungsebene mit zusammen 1174 Treffern hinzugezählt werden. Damit kommt man in der Historischen Bibliographie auf eine maximale Titelanzahl von rund 4500, ca. 60 % im Vergleich zur Anzahl der Jahresberichte.

Dieses Verhältnis findet sich allerdings nicht durchgängig. Von dem Bielefelder Mediävisten Klaus Schreiner, um nur ein Beispiel auszuwählen, werden in der Historischen Bibliographie 32 Titel nachgewiesen, in den Jahresberichten nur 28. Vollständig ist allerdings auch die Auflistung der Historischen Bibliographie nicht. Titel, die in den Jahresberichten nachgewiesen sind, fehlen in der Historischen Bibliographie und umgekehrt.

Dies führt schließlich zurück zur Ausgangsfrage: sind zwei deutsche historische Bibliographien in Zeiten, die durch Sparhaushalte geprägt sind, sinnvoll und notwendig? Zugunsten der Jahresberichte spricht zunächst das abgegrenzte Sammlungsprofil. Obwohl - wie schon gesagt - verbesserungsbedürftige Lücken existieren, sind die Jahresberichte ein verläßliches Instrument für die historische Forschung. Auf der Grundlage einer ausgereiften Datenbanksoftware ist die CD-ROM empfehlenswert und sollte in dieser Form fortgeführt werden.

Die CD-ROM-Ausgabe der Historischen Bibliographie weist nicht unerhebliche Schwächen auf. Vielleicht deutet der Wechsel auf den Internet Explorer darauf hin, daß die CD-ROM-Produktion demnächst gegen ein Internetangebot ausgetauscht wird. Ein solcher Umstieg könnte ein interessantes Angebot werden und würde über die Mängel hinwegtrösten, zumal wenn die Recherche kostenlos wäre. Vor allem würde ein solches Angebot in viel besserer Weise die Forderung nach Aktualität berücksichtigen können. Dann wären auch Vorankündigungen von Büchern nützlich, die gleichwohl nach Erscheinen des Bandes überprüft und korrigiert werden müßten.

Christian Ritzi


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