Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 5(1997) 3/4
[ Bestand in K10plus ]
[ Bestand in K10plus ]
[ Bestand in K10plus ]
[ Bestand in K10plus ]
[ Bestand in K10plus ]
[ Bestand in K10plus ]

Die Kunstdenkmäler von Oberfranken


97-3/4-349
Die Kunstdenkmäler von Oberfranken / hrsg. von Michael Petzet und Tilmann Breuer. - München [u.a.] : Deutscher Kunstverlag. - 26 cm. - (Die Kunstdenkmäler von Bayern : [8], Regierungsbezirk Oberfranken). - Teilw. im Verl. Oldenbourg, München. - Teilw. außerdem in der Bayerischen Verl.-Anst., Bamberg
[4147]
6 : Stadt Bamberg ; 4. Bürgerliche Bergstadt / von Tilmann Breuer und Reinhard Gutbier. Mit Beitr. von Thomas Korth ... - Bamberg : Bayerische Verlagsanstalt ; München [u.a.] : Deutscher Kunstverlag, 1997. - Halb-Bd. 1 - 2. - XXII, 1711 S. : Ill., Kt. - ISBN 3-87052-562-2 (Bayer. Verl.-Anst.) - ISBN 3-422-00575-7 (Dt. Kunstverl.) : DM 198.00
7 : Stadt Bamberg ; 5. Innere Inselstadt / von Tilmann Breuer und Reinhard Gutbier. - München : Oldenbourg, 1990. - Halb-Bd. 1 - 2. - XVIII, 1339 S. : Ill., Kt. - ISBN 3-486-54591-4 : DM 168.00

Im Frühjahr 1997 erschienen die beiden Halbbände 4,1 - 2 des auf acht Bände geplanten Großinventars der Stadt Bamberg. Damit ist nach der bereits 1990 als Bd. 5,1 - 2 erschienenen Inneren Inselstadt nun auch die Bürgerliche Bergstadt erfaßt. Die Einteilung des Bamberger Inventars in topographische Teileinheiten entspricht der historischen Zusammensetzung der Stadt. Sie wuchs aus einem Konglomerat von Stadtteilen mit unterschiedlicher Entstehungsgeschichte, Rechtsstellung und Sozialschichtung. Historisch entscheidend wurde im Spätmittelalter der Gegensatz zwischen den fünf vom Domkapitel dominierten Immunitäten um die Stifte Dom, St. Stephan, St. Jakob, St. Gangolf und das Kloster Michelsberg einerseits und der bürgerlichen "stat" andererseits. Diese Bürgerstadt wurde bisher von der Forschung relativ wenig beachtet und so ist es um so erfreulicher, daß nunmehr mit den Inventarbänden eine hervorragende Forschungsgrundlage[1] vorliegt, die die beiden Zentren der mittelalterlichen Bürgerstadt behandelt.

Als Heimatpflegerin der Stadt Bamberg habe ich mit Ungeduld auf dieses wichtige Arbeitsinstrument gewartet und durfte häufig schon in den vergangenen Jahren Texte aus den Manuskripten der Bearbeiter als Informationsquelle heranziehen. Jetzt benütze ich die Bände beinahe jeden Tag, dankbar für ihre Qualität und Zuverlässigkeit. Die Rezension ist also ein Bericht aus der Praxis.

Meine erste Reaktion vor diesem Werk war Erstaunen angesichts der Fülle - Staunen ob der Reichhaltigkeit dessen, was in Bamberg entstand und erhalten blieb, Bewunderung für die Arbeit, die diese Menge von Informationen zutage gefördert hat. Den wachsamen Augen der gründlichen Gelehrten Tilmann Breuer und Reinhard Gutbier entgeht fast nichts: kaum ein noch so entlegenes Literaturzitat, kein Plan und keine Akte. Jede der 3050 Seiten der vier bisher erschienenen Halbbände zeigt, daß sie das Ergebnis jahrzehntelanger geduldiger und kritischer, auch selbstkritischer Arbeit ist. Das hohe wissenschaftliche Niveau der Texte bedarf angesichts der Namen der Bearbeiter keiner Erörterung, schließlich ist Tilmann Breuer der Grandseigneur der deutschen Inventarisation und Reinhard Gutbier so vertraut mit der Bamberger Inventarisation wie kein anderer.

Neben den Texten ist die reiche Bebilderung ein besonders wichtiges Stilmittel des Großinventars, deren didaktische Wirksamkeit gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Vor allem die "Vorher - Nachher" Bildkompositionen zeigen besser als jede Beschreibung die Problematik mancher "Sanierung" für das Stadtbild; besonders aufschlußreich sind die Beispiele des Kaulbergfußes nach dem Abbruch des mittelalterlichen Hauses zum Marienbild[2] oder die durch den Abbruch der Eckertsmühle und den Umbau weiterer Mühlengebäude veränderte Situation bei den "Oberen Mühlen".[3] Doch auch die Bedeutung von kleineren Details wie Gauben, Schornsteine, Fensterläden oder Treppenstufen werden in der Gegenüberstellung historischer und neuer Aufnahmen klar, meist zuungunsten der Gegenwart, die erstaunlicherweise viel weniger lebendig wirkt als das Vergangene, wie das etwa die Ecke Obere Sandstraße 32/34 zeigt.[4] Die Aufnahmen von Dieter Komma, Joachim Sowieja u.a. sind durchweg technisch hervorragend.

Meine kritischen Überlegungen beziehen sich schlicht auf die praktische Benutzbarkeit der Bücher. Wer täglich damit umgeht, merkt: sie sind nicht benutzerfreundlich. Das fängt damit an, daß sie einfach zu dick sind - ein Buch, daß über fünfeinhalb Pfund wiegt, kann man weder am Bibliotheksregal stehend befragen noch auf einem Stuhl sitzend, auch am Computer macht es ziemliche Beschwer. Der Buchbinder allerdings ist zu loben - wenn man die Bände ordentlich vor sich auf den Tisch legt, bleiben sie regelmäßig geöffnet liegen und die Seiten schnappen nicht zu. Der zweite Kritikpunkt betrifft die Verteilung der Texte. In den 1990 erschienenen beiden Bänden zur Inneren Inselstadt folgte diese einem logischen Prinzip: der erste Halbband enthält nach der Einleitung die Kapitel Sakralbauten, Befestigung und Öffentliche Gebäude; der zweite Halbband beginnt mit den Straßen und Plätzen der Inneren Inselstadt und ihrer Bebauung, also der Beschreibung der einzelnen Häuser, geordnet nach Straßen und Hausnummern.[5] Er schließt mit den Brücken und Brunnen. Leider hat man diese Logik bei den beiden neuen Halbbänden nicht beibehalten. Bd. 4,1 wird eröffnet von der ausführlichen und tiefschürfenden Einleitung von Tilmann Breuer, die eine Übersicht über die historisch-topographische Entwicklung der bürgerlichen Bergstadt bietet. Dann folgen die Abschnitte: 1. Kirchliche Bauten, unter denen die "Obere Pfarre" mit 290 Seiten fast eine eigene Veröffentlichung rechtfertigen würde, 2. Stadtbefestigung, 3. Hofhaltungsbauten, 4. Öffentliche Gebäude staatlicher Hoheit, 5. Öffentliche Gebäude der sozialen Fürsorge. Es hätte der Übersichtlichkeit gedient, den Band nach diesem Kapitel, immerhin auf S. 672, zu schließen. Stattdessen brachte man die Straßen von "Am Leinritt" bis zum "Hinteren Bach" noch in diesem Halbband unter; der zweite beginnt dann mit der "Judenstraße" und beendet die Inventarisation der Häuser mit dem "Vorderen Bach" auf S. 1620. Es schließt sich die Beschreibung der Flurdenkmale, der Wasserbauten, Brücken und Brunnen und des abgegangenen jüdischen Friedhofs an. Die Folgen dieser Aufteilung sind lästig: was auch immer man sucht, irgendwie landet man dauernd im falschen Halbband. Eine Dreiteilung der Bände hätte das handling sicher erleichtert.

Besonders beschwerlich für die Arbeit mit dem Inventar ist jedoch die Behandlung der Karten und damit die Möglichkeit, Gesuchtes zu lokalisieren. Im Doppelband zur Inneren Inselstadt gab es überhaupt keinen Stadtplan mit Straßennamen und Hausnummern. Zwar wurde im Vorderdeckel ein verkleinerter Katasterplan abgebildet, der das Bearbeitungsgebiet farblich hervorhebt. Er nennt jedoch nur einen Teil der Straßennamen und keine Hausnummern. Wer etwa wissen will, wo in Bamberg das Haus Kleberstraße 8 liegt, muß sich zusätzlich einen Stadtplan besorgen.

Das ist in den beiden neuen Bänden besser geworden. Es gibt Katasterplanausschnitte im Maßstab 1:2000, die von Tilmann Breuer bearbeitet und von Sabine Linderberger-Schalper umgezeichnet wurden. Sie sind klar und übersichtlich, man findet sich gut auf ihnen zurecht, sie zeigen deutlich die Straßennamen, die Hausnummern und die Grundstücksgrenzen. Nur findet man leider die Pläne nicht. Sie sind irgendwo in den 1711 Seiten der beiden Bände versteckt und keine Liste gibt darüber Auskunft, wo nun welcher Ausschnitt abgebildet wird. Ich habe mir deshalb in mein Arbeitsexemplar eine Übersicht geschrieben, die ich aus dem umfangreichen Abbildungsnachweis entnahm und die folgendermaßen aussieht:

<PRE> 1. Halbband

S. 769, Abb. 820: Geyerswörthplatz, Untere Mühlbrücke, Schranne, Geyerswörthstraße;

2. Halbband

S. 838, Abb. 879: Judenstraße, Unterer Kaulberg und Umgebung;

S. 892, Abb. 933: Karolinenstraße, Obere Sandstraße und Umgebung;

S. 1091, Abb. 1158: Mühlwörth, Obere Mühlbrücke und Umgebung;

S. 1456, Abb. 1498: Untere Sandstraße, Oberer Teil und Umgebung;

S. 1527, Abb. 1544: Untere Sandstraße, Unterer Teil und Umgebung.

</PRE> Es wäre dem Benutzer eine große Hilfe, wenn diese Katasterpläne zusammengefaßt in den Vorderdeckeln der Bände abgedruckt würden. Dort findet sich jetzt eine schematische Darstellung des Bearbeitungsgebiets, die besser bei der Einleitung untergebracht wäre, da dort die Grenzen der "Bürgerlichen Bergstadt" beschrieben sind. Auch auf dem Schutzumschlag wäre eine verkleinerte schematisierte Skizze des jeweiligen Bearbeitungsgebiets sinnvoll.

Neben diesen 6 großen Katasterplanausschnitten finden sich noch mehrere kleine, auf Einzelobjekte bezogene (meist im Maßstab 1:1000), die hier ebenfalls aufführt werden sollen:

<PRE> 1. Halbband

S. 357, Abb. 426: Ehem. Franziskanerkloster St. Anna;

S. 395, Abb. 444: Ehem. Dominikanerkloster St. Christoph;

S. 520, Abb. 582: Schloß Geyerswörth;

S. 624, Abb. 672: Ehem. Allgemeines Krankenhaus;

S. 705, Abb. 748: Concordiastraße 11, ehem. Riegelhof;

2. Halbband S. 889, Abb. 931: Judenstraße 17, Haus zur Trommel;

S. 976, Abb. 1021: Karolinenstraße 18 und 20, Marschalk-von-Ost-heimsches Haus, Hofapotheke;

S. 1014, Abb. 1067: Karolinenstraße 24;

S. 1615, Abb. 1624: Vorderer Bach 8, ehem. Kunigundenwerkamt.

</PRE> In den Rückdeckeln der Bände sind in Einstecktaschen gefaltete Tafeln untergebracht; sie zeigen Grund- und Aufrisse z.B. der Oberen Pfarre, von Dominikanerkirche und -kloster, vom Ebracher Hof usw. Eine Liste auf dem hinteren Vorsatzblatt gibt Auskunft darüber, um welche Tafeln es sich handelt. Diese selbst sind jedoch nur auf ihrer Innenseite bezeichnet. Wenn man also eine bestimmte Tafel sucht, ist man gezwungen, all die mehrfach gefalteten Blätter aufzufalten und wieder zusammenzulegen, bis man das richtige gefunden hat. Eine Zahl auf der Außenseite der gefaltenen Tafeln würde dieses Problem lösen.

Die Grundrißpläne auf den Tafeln ebenso wie die dankenswerterweise zahlreichen Grundrisse bei den Inventartexten erschweren dem Benutzer die Orientierung dadurch, daß die Ausrichtung des jeweiligen Gebäudes zur Straße nicht angegeben ist. Nehmen wir als Beispiel die Abb. 1233; sie zeigt die Grundrisse der drei Stockwerke und des Kellers des Hauses Obere Sandstraße 2, Eckhaus von Oberer Sandstraße und Kasernstraße. Man würde sich viel schneller zurechtfinden, wenn unter der Längsfront des Grundrisses - auf den Zeichnungen jeweils unten - das Wort "Kasernstraße" und neben der Schmalseite - dem linken Teil der Zeichnungen - "Sandstraße" stünde. Damit würde klar, daß die beiden anderen Seiten zum Hof, bzw. zu den Nachbaranwesen hin liegen, was aus dem isolierten Grundriß nicht ohne weiteres ersichtlich ist.[6]

Alle genannten Kritikpunkte fallen nicht ins Gewicht für diejenigen Benutzer des Inventars, die Informationen nur zu einem bestimmten Gebäude suchen. Hausbesitzer und Architekten, die ein Haus in der Altstadt herrichten wollen, finden im Inventar gebündelt, ausführlich und detailreich die wichtigsten Wissensgrundlagen, die sie benötigen: die Erwähnungen des Hauses in der Sekundärliteratur, die Abbildungen und Pläne, eventuell vorhandene Dokumentationen, eine Zusammenfassung der Baugeschichte[7] und eine fundierte Baubeschreibung, die auch Elemente wie Treppengeländer, Fensterriegel, Türrandleisten und Ähnliches erfaßt - für die Arbeit in der Denkmalpflege sehr wünschenswert, da diese Details bei Umbauten erfahrungsgemäß als erstes zu verschwinden pflegen.

Wer jedoch das Inventar für die Erforschung größerer stadtgeschichtlicher Zusammenhänge benutzen will, tut sich schwer. Das liegt vor allem an der grundlegenden Konzeption für die Anordnung des Stoffes der Großinventare:[8] sie lösen die größeren, vor allem öffentlichen Gebäude aus ihrem baulichen Umfeld heraus und beschreiben sie isoliert[9] und sie ordnen die Texte zu den Einzelanwesen nach der alphabetischen Reihung der Straßennamen und innerhalb der Straßen nach den Hausnummern. Damit wird zugunsten eines pragmatischen Schemas das gewachsene Stadtgefüge in lauter unzusammenhängende Einzelstücke zerrissen. Das schadet weniger in den Stadterweiterungsgebieten des 19. und 20. Jahrhunderts. Im Mittelalter und noch in der barocken Stadt jedoch waren die Baublöcke vernetzte Funktionseinheiten mit gemeinsamen Brunnenzugängen, Feuergassen, Durchgängen usw. Nebeneinander liegende Grundstücke, im Inventar getrennt durch die straßenseitigen geraden und ungeraden Hausnummern, haben sehr häufig eine gemeinsame Geschichte, waren Teile ehemaliger Großanwesen, wurden zusammengelegt oder aufgeteilt. Zwar wird in den Beschreibungen auf solche Teilungen meist hingewiesen, dennoch gehen die Zusammenhänge größerer Einheiten verloren - beim Leser durch die Suche nach den Texten auf verschiedenen Seiten, vielleicht auch schon teilweise bei der Bearbeitung durch die gesonderte Materialsammmlung.

Zur Illustration dieses Aspekts sei der alte Zollnerhof ausgewählt, zufälligerweise die erste Information, die ich meinen neuen Inventarbänden entnehmen wollte. Zum mittelalterlichen Freihof der Zollner gehörten die Gebäude mit den heutigen Adressen Dominikanerstraße 5, Herrenstraße 1 und 2, Karolinenstraße 14 und 16 und die 1832 abgebrochenen Häuser mit den alten Hausnummern 1177 und 1185. Die Beschreibungen der Einzelanwesen finden sich auf den Seiten 716 - 722, 804 - 812, 957 - 964; dazu gehört eine Erläuterung zur Entstehung der Herrenstraße auf S. 803 - 804. Das Ganze umfaßt also insgesamt 22 weit auseinanderliegende Seiten in zwei Halbbänden. Zahlreiche Angaben wiederholen sich bei den einzelnen Texten: Literatur, Fußnoten, Pläne, Abbildungshinweise, Notizen zu Baugeschichte, Trennungen und Abbrüchen. Vier bis fünf Seiten hätte man sich mit einem gemeinsamen Einleitungstext sparen können, ebenso hätte man Abweichungen vermieden, die sich bei den Einzelbeschreibungen finden. So werden etwa im Text zu Dominikanerstraße 5 nur die Gebäude Karolinenstraße 16 und Herrenstraße 2 als zum Zollnerhof gehörig bezeichnet - beim abgegangenen Haus Nr. 1185 werden auch die Anwesen Karolinenstraße 14 und Herrenstraße 1 genannt - Karolinenstraße 16 wird als "ursprünglich ein Teil des Zollner'schen Freihofes" beschrieben, ohne die Nennung weiterer zugehöriger Anwesen, die vollständig nur die Beschreibung zum abgebrochenen Haus Nr. 1177 aufzählt. Die frühesten urkundlichen Erwähnungen des Anwesens im 12. Jahrhundert werden ausschließlich bei Dominkanerstraße 5 zitiert, bei den anderen Texten findet sich darauf keine Querverweisung. Auch die Hinweise zu Abbildungen und Plänen weichen bei den zusammengehörenden Passagen etwas von einander ab.

Nun ist sicherlich der Zollnerhof ein besonders komplizierter Fall, da er zwei heute getrennte Baublöcke betraf. Doch das Problem des Verschwindens struktureller Zusammenhänge ließe sich auch mit zahlreichen anderen Beispielen belegen. Untersuchungen wie die zum ehem. Münzerhof[10] oder die zu den Anwesen des Bach-Viertels[11] zeigen, wie sehr die Strukturen in Bamberg bis heute von den mittelalterlichen Ursprüngen geprägt sind, von den ehemaligen Parzellen und ihren Funktionszusammenhängen. 14jährige Mitarbeit in der Denkmalpflege hat erkennen lassen, daß es beim Umgang mit dem Stadtdenkmal Bamberg sehr nützlich ist, die zugrundeliegenden Strukturen in die alltägliche Praxis einzubeziehen. Doch diese Vorgehensweise erleichtert das Inventar in seiner vorliegenden Form nicht, im Gegenteil: das Anordnungsschema erschwert entsprechende Erkenntnisse. %

Damit entspricht das Inventar auch seinen eigenen Vorgaben nur bedingt. Im Vorwort zum Doppelband zur Inneren Inselstadt[12] wird als Ziel des Inventars formuliert: "der Aufbau [muß] zuerst die städtebaulichen Zusammenhänge spiegeln", "zum andern durfte sich die Darstellung eines solchen innerstädtischen Kernkomplexes als Element eines Stadtdenkmals nicht selektiv auf einzelne Parzellen mit Baudenkmälern beschränken; vielmehr mußte der historische Stadtorganismus im Ganzen, also auch in jenen Teilen, in denen seine Vergangenheit nur verschleiert anschaulich wird ... durchgehend erläutert werden."

Eine zusammenfassende Erläuterung erfährt der Leser in dem (es sei wiederholt) ungemein dichten, von profundem Gespür für Bamberg zeugenden Einleitungsteil Breuers zur Bürgerlichen Bergstadt. Die stadtstrukturelle Übersicht soll, wie die Bearbeiter versichern, ausführlich geliefert werden in dem als Abschluß des ganzen Unternehmens Großinventar Bamberg geplanten Band 1. Und das bedeutet, daß man darauf noch eine geraume Zeit wird warten müssen. Wir brauchen die notwendigen Erkenntnisse aber jetzt, in der täglichen Arbeit vor Ort.

Deswegen wurden die Überlegungen zum vorgegebenen Gliederungsschema hier zur Diskussion vorgestellt. Übersichtlichkeit ist für ein Arbeitsinstrument wie ein Inventar zweifelsohne ein primärer Wert. Doch ließe sich m.E. diese Übersichtlichkeit auch durch ein ausführliches Inhaltsverzeichnis, geordnet nach Straßennamen und Hausnummern und eine entsprechend klare graphische Gestaltung gewährleisten. Auch das vorhandene sorgfältig gearbeitete Register (was für eine Riesenarbeit wurde allein hiermit bewältigt!) ermöglicht raschen Zugang zu den verschiedenen Objekten.

Fazit: Es ist ein Glück für die Stadt Bamberg, daß für sie noch einmal ein Großinventar erstellt wird. Es ist dem Rang dieser Stadt, die seit 1993 in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes eingetragen ist, angemessen. Damit die Arbeit und der finanzielle Aufwand, die in ein solches Großinventar investiert werden, noch mehr für die Allgemeinheit wirksam werden, wäre ein Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit wünschenswert. Die dazu angesprochenen Punkte dürften sich für die nächsten Bände relativ leicht verwirklichen lassen. Schwieriger wird das Problem der Anordnungskonzeption des Stoffes zu lösen sein, steht dahinter doch eine lange Tradition. Vielleicht lohnt es sich aber doch, einmal darüber nachzudenken, ob eine Anordnung nach Struktureinheiten grundsätzlich machbar wäre. Die Bamberger jedenfalls warten gespannt auf die nächsten Bände ihres Inventars.

Karin Dengler-Schreiber


[1]
Vgl. Grundsätze für die Inventarisation der Kunst- und Geschichtsdenkmäler Bayerns : Entwurf / Michael Petzet. // In: Denkmalinventarisation : Denkmalerfassung als Grundlage des Denkmalschutzes / hrsg. von Wolfram Lübbecke. - München, 1989. - Hier etwa: "Das Inventar ist nicht eine rein beschreibende Aufzählung, sondern eine wissenschaftliche Quellensammlung ... [es muß] für weitere Untersuchungen die nötige Orientierung und die entsprechenden Anhaltspunkte bieten" (S. 101). (zurück)
[2]
Bürgerliche Bergstadt, S. 1304, Abb. 1377 und 1378; dazu die durch den Abbruch verlorene Torsituation Abb. 1335 und 1336. (zurück)
[3]
Bürgerliche Bergstadt, Abb. 1212 und 1213. (zurück)
[4]
Bürgerliche Bergstadt, Abb. 1331 und 1332. (zurück)
[5]
Vgl. auch die Rezension dieser Inventarbände durch Franz Matsche in: Bericht des Historischen Vereins Bamberg. - 127 (1991), S. 119 - 136. Zum Problem mit dem Stadtplan v.a. S. 123. (zurück)
[6]
Dies gilt erst recht für komplizierte Grundrisse wie Judenstraße 7/9 und Sonnenplätzchen 1 (Abb. 907 - 908), wo mehrere Häuser, deren Fronten zu verschiedenen Straßen zeigen, ineinander verschachtelt sind, Lugbank 6 (Abb. 1137 - 1138) oder Dominikanerstraße 5 (Abb. 765 - 766). (zurück)
[7]
Die Baugeschichte der Häuser stützt sich allerdings für die mittelalterlichen Perioden überwiegend auf die nicht immer zuverlässigen Studien zur Bamberger Geschichte und Topographie / von Hans Paschke. - Bamberg. - H. 1 (1953) - 56 (1957). Dies ist aus zeitlichen Gründen verständlich, fällt aber gerade in der bürgerlichen Bergstadt, wo ein Großteil der Gebäude aus dem Mittelalter stammt, besonders auf. An dieser Stelle sei auch angemerkt, daß R. Gutbier zu selten eine Datierung der Keller wagt. Zwar sind Keller zeitlich schwer einzuordnen, doch bekommt man im Lauf der Zeit einen Blick dafür, ob ein Keller aus dem Mittelalter, der Barockzeit oder dem 20. Jahrhundert stammt. Wenn jemand die entsprechende Erfahrung hat, dann ist es R. Gutbier. Gerade in Anbetracht des fehlenden Kellerplanes von Bamberg - ein schmerzliches Desiderat, das das Wachstum der Stadtstrukturen aufzeigen könnte - ist es unbefriedigend, wenn häufig nur eine Beschreibung der Keller ohne zeitliche Einordnung geboten wird. So heißt es etwa bei der Beschreibung von Hinterer Bach 1: "Unter dem Vorderhaus längstonnengewölbter Keller, Wölbung aus hochkant gestellten Backsteinen, Umfassungsmauern aus Sandstein. An der Nordostseite liegt der alte, ehem. gewölbte Kellerhals, am unteren Ende ist der Rest eines rundbogigen Türstocks aus Sandstein mit abgefaster Bogenkante erhalten" (S. 820). Aus dieser Beschreibung wird nicht ersichtlich, daß es sich hier um das ehemalige Erdgeschoss des 1292 (d) datierten Hottermann-Anwesens (heute Hinterer Bach 1, 3 und 5) und dessen einstige Eingangstür handelt. Gerade in der praktischen Denkmalpflege nützt eine reine Beschreibung der Keller ohne Datierung nichts, da sie keine Wertung geplanter Baumaßnahmen ohne Ortstermin ermöglichen. Dem "integrierten Baualtersplan" - im Vorwort des Bandes Innere Inselstadt, S. VII, als zusätzliche Aufgabe des Inventars apostrophiert - fehlt auf diese Weise die Basis. (zurück)
[8]
Vgl. Anm. 1, S. 102. (zurück)
[9]
Auf diesen Aspekt geht Franz Matsche bei seiner Rezension der Inventarbände zur Inneren Inselstadt" (s. Anm. 9) intensiv ein. Er legt dabei vor allem den Ensemblegedanken mit dem Blick auf die Fassaden zugrunde und fordert: "Zumindest einige der gesonderten sakralen und profanen Baukomplexe ... hätten im Zusammenhang mit den sie umgebenden Häusern, in die sie häufig als städtebauliche Dominanten hineingesetzt wurden, behandelt werden sollen." Ich möchte diese Überlegungen durch die Suche nach den Stadtstrukturen ergänzen. Als Strukturen einer Stadt definiere ich die Beziehungen zwischen Raum und Funktion. (zurück)
[10]
Sondergutachten Denkmalpflege Sanierungsgebiet Kaulbergfuß/Schranne / K[arl] Schöppner ; [Adolf Mörtl u.a.]. - Bamberg, 1992. - Manuskript. (zurück)
[11]
Der Bach / Karin Dengler-Schreiber. // In: Ein Haus von 700 Jahren : die Kemenate Hinterer Bach 3 in Bamberg ; Geschichte, Funktion und Umwelt 1292 - 1996. - Publikation demnächst als Arbeitsheft des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege. (zurück)
[12]
Innere Inselstadt, S. VII. (zurück)

Zurück an den Bildanfang