Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 5(1997) 3/4
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Hauptwerke der französischen Literatur


97-3/4-336
Hauptwerke der französischen Literatur : Einzeldarstellungen und Interpretationen / [zsgest. von Wolfgang Rössig]. - München : Kindler. - 25 cm. - Auszug aus: Kindlers neues Literaturlexikon
[3643]
Bd. 1. Von den Anfängen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. - 1996. - 680 S. - ISBN 3-463-40274-2 : DM 48.00
Bd. 2. Das 20. Jahrhundert ; die Literaturen außerhalb Frankreichs. - 1996. - 787 S. - ISBN 3-463-40275-0 : DM 48.00

Erneut ist mit den Hauptwerken der französischen Literatur eine Auswahl aus Kindlers neuem Literatur-Lexikon (KNLL)[1] erschienen: eine Auswahl, die, wie etwa auch das Pendant zur deutschen Literatur,[2] ihr Material nicht ausschließlich alphabetisch anordnet, sondern als oberstes Gliederungsprinzip eine chronologische bzw. räumliche Einteilung wählt: Die französische Literatur aus Frankreich und angrenzenden französischsprachigen Gebieten[3] wird nach Jahrhunderten getrennt und erst innerhalb dieser Kapitel wie in KNLL alphabetisch geordnet, damit die einzelnen Autoren und Werke in ihrem jeweiligen "literarhistorischen Zusammenhang" stehen, wie Wolfgang Rössig im Vorwort (S. 7 in Band 1 und 2) ausführt. Ohne chronologische Untergliederung finden sich im Anschluß an diese Darstellung der französischen Literatur gesonderte, in sich wiederum alphabetisch aufgebaute Kapitel für die okzitanische Literatur einerseits, für die französischsprachigen Literaturen des Maghreb, Schwarzafrikas, der Karibik und Kanadas andererseits.

Alle sechs Literaturen und zusätzlich die Französische Literatur seit 1945 werden durch die Überblicksartikel eingeleitet, die in KNLL in Band 19 und 20 enthalten sind, und am Ende eines jeden Bandes findet sich ein Register der Autoren und Werke, das allerdings nur die im jeweiligen Band vertretenen Autoren mit den besprochenen Werken aufführt: Weder die im anderen Band aufgenommenen Autoren noch die ausschließlich in den Essays erwähnten, nicht mit eigenen Werkartikeln bedachten Schriftsteller werden berücksichtigt, obwohl doch beides mit relativ geringem Aufwand zu bewerkstelligen gewesen wäre und die Benutzung erleichtert hätte. So bleibt bei bestimmten Fragen doch wieder nur der Weg über das vielbändige KNLL, das nicht nur ein Autorenregister zu den Essays enthält, sondern zudem und unter anderem ein Titelregister mit Original- wie Übersetzungstiteln und ein Register anonymer Werke, was insbesondere für die Literatur des Mittelalters unerläßlich ist.

Die Hauptwerke der französischen Literatur berücksichtigen im Alphabet ihres Registers ausschließlich Werke einzelner Autoren und führen im ersten Band, anschließend an Z wie Zola unter A wie Anonyme Werke, noch die Liste der Anonyma auf, zu denen allerdings auch Le voyage de saint Brendan von Benoît oder die heute Guilleragues zugeschriebenen Lettres portugaises gezählt werden, nicht hingegen Werke wie die Encyclopédie (s.u.). Weder die beiden Inhaltsverzeichnisse noch im zweiten Band das Register machen darauf aufmerksam, daß überhaupt die ersten drei Kapitel sowie die Kapitel zur okzitanischen und zur kanadischen Literatur jeweils mit einer Rubrik Anonyme Werke schließen, obwohl diese Rubrik beim Mittelalter immerhin 60 Seiten und damit gut die Hälfte des Kapitels umfaßt. So bleibt es der Findigkeit des Lesers überlassen, beispielsweise die Chanson de Roland zu entdecken, die doch unter den "Hauptwerken" nicht fehlen darf und folglich irgendwo auftauchen muß.

Kollektivwerke wie etwa die Encyclopédie ou dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, wenn sie denn aufgenommen wurden, finden sich im Register wie im Text unter einem der Autoren, in diesem Falle unter Diderot, was sich für ein weitgehend nach Autoren geordnetes Lexikon gewiß rechtfertigen läßt; nicht rechtfertigen läßt sich hingegen, weshalb beispielsweise von d'Alembert, dessen Discours préliminaire de l'Encyclopédie mit einem eigenen Artikel bedacht wurde, ebensowenig auf den Encyclopédie-Artikel verwiesen wird wie vom Encyclopédie-Artikel auf den Artikel zum Discours préliminaire, obwohl er diese Vorrede erwähnt: Beide Entdeckungen bleiben erneut dem Zufall einer Entdeckungsreise durch diese beiden Bände überlassen.

Nach welchen Kriterien die Hauptwerke der französischen Literatur ausgewählt wurden, wird nicht weiter präzisiert; das Vorwort weist lediglich darauf hin, daß "seit jeher bevorzugte Werke neben zu Unrecht vernachlässigten oder ganz aktuellen zu finden sind" und daß "Orientierungspunkte ... vor allem die Bedürfnisse von Schule und Universität", d.h. "entsprechende Lektürepläne und Leseempfehlungen" (S. 7) waren. Rein statistisch läßt sich feststellen, daß allein dem 19. Jahrhundert mehr Raum zugemessen wird als dem 16., 17. und 18. Jahrhundert insgesamt und daß der eindeutige Schwerpunkt auf dem in zwei Abschnitte - Das Zeitalter der Moderne: 1900 - 1945 und Die französische Literatur seit 1945 - aufgeteilten 20. Jahrhundert liegt, das natürlich, abgesehen von einzelnen Ausnahmen im Kanada-Teil, auch in den Kapiteln über die Literaturen außerhalb Frankreichs alleiniger Gegenstand ist, so daß sich der zudem ungefähr 100 Seiten stärkere zweite Band fast ausschließlich mit dem gegenwärtigen Jahrhundert befaßt; lediglich das fünfzigseitige Kapitel über die okzitanische Literatur fällt aus diesem Rahmen.

Wie bereits die Erwähnung der Encyclopédie deutlich macht, wird unter "französischer Literatur" nicht ausschließlich die sogenannte schöne Literatur verstanden: Vom Mittelalter an werden beispielsweise auch historiographische Texte wie jene von Commynes und Froissart aufgenommen, Du Bellays Deffence et illustration de la langue françoyse findet ebenso Eingang wie Rousseaus Contrat social und Bergsons Le Rire, und Texte von Barthes oder Foucault, von Derrida oder Lacan zählen ebenfalls bereits zu den "Hauptwerken". Verglichen mit KNLL läßt sich kein so eindeutiges Verhältnis in der Auswahl ausmachen wie bei den Hauptwerken der deutschen Literatur, wo offenbar jeweils etwa die Hälfte der Titel übernommen wurde. Das Spektrum reicht von vollständiger Übernahme, etwa bei Rabelais, de Beauvoir oder Butor, über den goldenen Mittelweg wie bei Restif de la Bretonne oder Barthes bis zur Beschränkung auf einen von drei Titeln im Falle Sorels oder auf zwei von sechs Titeln im Falle Célines, wobei auch hier die Tendenz zu bestehen scheint, bei Autoren des 20. Jahrhunderts eher Hauptwerke zu vermuten als bei früheren. So wurden etwa von Sartres 25 in KNLL besprochenen Werken 20 überdurchschnittlich lange Artikel in diese Ausgabe übernommen, so daß diesem einen Autor über 30 Seiten gewidmet sind.

Wiederum verglichen mit KNLL scheinen die Einträge weitestgehend samt den Literaturangaben identisch übernommen worden zu sein, ohne neue Autoren oder Texte wie etwa Patrick Chamoiseau, der mit seinem 1992 erschienenen Texaco einen größeren Bekanntheitsgrad erlangte, zu berücksichtigen. Lediglich in Fällen wie dem von Edmond Jabès, der zwischen den beiden Erscheinungszeitpunkten verstorben ist, wurde der Artikel aktualisiert, doch nicht einmal hier wurde die Gelegenheit ergriffen, zugleich in die Bibliographie neue Titel aufzunehmen: Der jüngste Eintrag stammt von 1990, obwohl Jabès 1991 gestorben ist und die Hauptwerke der französischen Literatur erst 1996 erschienen. So gilt auch für diese Auswahl aus KNLL, daß sie zwar für diejenigen interessant sein mag, die sich vor allem für französischsprachige Literatur interessieren, daß sie aber gegenüber dem Gesamtwerk zu wenig Neues bietet, um zusätzlich zu diesem irgendwelchen Gewinn zu bringen.

Barbara Kuhn


[1]
ABUN in ZfBB 36 (1989),1, S. 51 - 54 und IFB 93-1/2-057. (zurück)
[2]
Vgl. IFB 94-3/4-457. (zurück)
[3]
Wie so oft wird die französische Literatur beispielsweise Belgiens, ohne ein Wort darüber zu verlieren, von jener Frankreichs gleichsam vereinnahmt und mit ihr in ein Alphabet geordnet. (zurück)

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