Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 5(1997) 3/4
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Österreichische Literatur von aussen


97-3/4-329
Österreichische Literatur von aussen : Personalbibliographie zur Rezeption der österreichischen Literatur in deutschen und schweizerischen Tages- und Wochenzeitungen, 1975 - 1994 / zsgest. von Margareth Almberger und Monika Klein. Hrsg. von Michael Klein. - Innsbruck : Innsbrucker Zeitungsarchiv, 1996. - 534 S. : graph. Darst. ; 22 cm. - (Innsbrucker Veröffentlichungen zur Alltagsrezeption ; 1). - ISBN 3-9500390-0-7 : ÖS 478.00, DM 74.00. - (Innsbrucker Zeitungsarchiv, Innrain 52, A-6020 Innsbruck, FAX ++512 507 2881, E-Mail: Germanistik@uibk.ac.at)
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Die vorliegende Sammlung von Personalbibliographien, die zwei Jahrzehnte umfaßt, ist vom österreichischen Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst angeregt und gefördert worden, und zwar anläßlich der Frankfurter Buchmesse 1995, deren Schwerpunkt Österreich war. Die Durchführung des Projekts wurde einer Gruppe von Wissenschaftlern des Germanistischen Instituts der Universität Innsbruck anvertraut, denen das Innsbrucker Zeitungsarchiv zur deutsch- und fremdsprachigen Literatur zur Verfügung steht, d.h. eine der wenigen universitären Forschungseinrichtungen, die - wie der Herausgeber Michael Klein im Vorwort betont - "eine genaue und kontinuierliche Beobachtung der Alltagsrezeption in deutschsprachigen Printmedien [...] ermöglicht." Das in Innsbruck vorhandene Material wurde "in der Zeitungsausschnittsammlung der Bibliotheken der Stadt Dortmund gegengeprüft und, wo notwendig, ergänzt": Es handelt sich also um eine auf Autopsie beruhende Primärbibliographie. Die Publikation bildet die erste Nummer einer neuen Schriftenreihe, die über dieses spezifische retrospektive Projekt hinaus, weitere Beiträge zur Rezeptionsforschung umfassen soll.

Die Bibliographie verzeichnet die österreichische Autoren betreffenden Beiträge aus zwölf deutschsprachigen Tages- und Wochenzeitungen, von denen zehn in der Bundesrepublik Deutschland bzw. in der ehemaligen DDR und zwei in der Schweiz (NZZ und Weltwoche) erscheinen bzw. erschienen und deren volle Titel samt den verwendeten Abkürzungen auf S. 47 zusammengestellt sind. Obwohl es sich dabei um die meistgelesenen Tages- und Wochenzeitungen handelt, wird hier der paradigmatische Wert der Unternehmung ebenso deutlich, wie ihre quantitative Begrenzung, verzeichnet sie doch - trotz des im Titel benutzten Begriffs "von außen" - keine fremdsprachigen Veröffentlichungen, sondern beschränkt sich auf eine Auswahl der deutschen und schweizerischen Presse.

In je einem kurzen einleitenden Beitrag kommentieren ein deutscher und ein schweizerischer Literaturwissenschaftler das Verhältnis der österreichischen Literatur zu derjenigen der anderen deutschsprachigen Länder. Von der immer noch vieldiskutierten Frage ausgehend, ob es überhaupt eine österreichische Literatur gäbe, vertritt der Schweizer Ernst Nef die Meinung, die Autoren der letzten Generationen aus Österreich hätten - abgesehen von ihrer nationalen Herkunft - mit ihren Werken ein "ästhetisches Neuland" im deutschsprachigen Raum erschlossen. Als anachronistisch dagegen beurteilt "angesichts der ökonomischen und politischen Auflösung inneneuropäischer Grenzen" der Deutsche Thomas Anz die Abgrenzung einer "Literatur aus Österreich" von der Literatur aus Deutschland oder aus der Schweiz. "Pluralität und Differenz müssen sich nicht unbedingt zwischen den Nationen behaupten, sondern innerhalb einer gemeinsamen Kultur". Nach dieser Feststellung fordert er die Kritik auf, Werke nach ihrer Vielfältigkeit in der Gleichzeitigkeit ohne Rücksicht auf ihre regionale Herkunft zu beurteilen.

Interessanter als diese eher vagen Stellungnahmen sind aber die der Bibliographie vorangestellten "Erläuterungen zum quantitativen und distributiven Befund" von Michael Klein, die dem Benutzer konkret erklären, wie mit diesem Nachschlagewerk umzugehen ist, und anhand einer Reihe von Diagrammen auch optisch unmittelbar zeigen, zu welchen Gesamtergebnissen die Recherche geführt hat.

Entgegen einem weit verbreiteten Vorurteil konnte man z.B. feststellen, daß in der letzten Zeit österreichischen AutorInnen (sic!) in Deutschland (besonders von der FAZ und der SZ) und in der Schweiz (besonders von der NZZ) große Aufmerksamkeit geschenkt wird und daß die eigentlichen Buchbesprechungen in einigen der ausländischen Blätter sogar zahlreicher und qualitativ gehaltvoller sind als in der Presse des eigenen Landes, obwohl "die meisten Beiträge, in absoluten Zahlen, sich nach wie vor in den österreichischen Zeitungen" finden. Ein weiteres statistisches Ergebnis ist, daß die Mehrzahl der behandelten Autoren ihre Bücher in Österreich veröffentlicht. Der für sie wichtigste Verlag ist der Salzburger Residenz-Verlag, dem allerdings bereits auf dem zweiten Platz das deutsche Verlagshaus Suhrkamp folgt.

Als Gesamtresultat läßt die Auswertung des Materials eine lebendige Dialektik unter den deutschsprachigen Literaturen erkennen, der gegen jede chauvinistische Angst keine spezifische Identität zum Opfer fällt, wie Klein betont: "Nur weil die österreichische Literatur in Deutschland und der Schweiz als deutsche Literatur aus Österreich - in den allermeisten Fällen auch durchaus als solche markiert - wahrgenommen wird, ist sie in den beiden Nachbarländern so präsent, wie sie ist".

Die bibliographischen Angaben zu den behandelten österreichischen - in der "Legende" (S. 43 ff.) findet man eine genaue Definition der Kategorie "österreichisch" - Autoren von ausschließlich "belletristischer Literatur", die alphabetisch geordnet sind, sind objektiver Art (mit Ausnahmen der Titel der rezensierten Bücher und der Reden anläßlich der Preisverleihungen) und werden nach folgendem inhaltlichen Schema präsentiert: Porträts, Geburtstage, Nachrufe, Todestage, Ehrungen/Preise, Gespräche/Interviews, Symposien/Tagungen, Ausstellungen, Veranstaltungen/Lesungen, Artikel allgemeiner Art, Gedichtinterpretationen, Buchkritik zur Primär- und Sekundärliteratur. Diese Rubriken sind natürlich nur bei den wichtigeren (und dazu schon verstorbenen) Schriftstellern vollständig vertreten - Thomas Bernhard ist der Autor mit den meisten Eintragungen -, während bei den Minores die Informationen auch sehr sparsam und reduziert sein können. Die Einträge in den einzelnen Rubriken sind chronologisch geordnet.

Die Bibliographie basiert auf der Überzeugung, daß nicht nur die Literaturkritik für die Literaturwissenschaft von großer Bedeutung ist, sondern daß vor allem "das Literaturverständnis einer Zeit nirgendwo sonst so unmittelbar deutlich wird wie aus den Kultur- und Feuilletonseiten der Tages- und Wochenzeitungen". Die meisten Informationen nimmt man mit Interesse zur Kenntnis und kann den Folgerungen ohne weiteres zustimmen. Angesichts der zahlreichen Einschränkungen und der schon aus den Auswahlkriterien resultierenden Unvollständigkeit muß man sich bei der Arbeit mit dieser Bibliographie, die durch ein Register der Kritiker und der Verlage erschlossen wird, trotz des umfangreichen gesammelten Materials stets vor Augen halten, daß sie der Forschung nur ein Teilgebiet der Rezeption erschließt, vieles andere aber - z.B. die Literaturkritik in literarischen bzw. Kulturzeitschriften - weiterhin durch eigene Recherchen zu ermitteln ist. Der Wert des Bandes liegt nicht zuletzt darin, daß die mitgeteilten Informationen auf Autopsie beruhen.

Gabriella Rovagnati


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