Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 5(1997) 3/4
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Storia del libro italiano


97-3/4-301
Storia del libro italiano : libro e società in Italia dal Quattrocento al Novecento / Marco Santoro. - Milano : Editrice Bibliografica, 1994. - 446 S. ; 21 cm. - (Bibliografia e biblioteconomia ; 47). - ISBN 88-7075-376-X : Lit. 45.000
[2459]

Das hier vorgestellte Werk beschäftigt sich mit dem gedruckten Buch und seiner Bedeutung für die Gesellschaft Italiens von den Anfängen (1465) bis in die jüngste Gegenwart (1990). Ein wahrlich weites Feld, das uns der Verfasser mit der Absicht vor Augen führt, durch seine Gesamtdarstellung weiterführende Arbeiten zu Einzelaspekten anzuregen.

Der Autor stellt seine Interpretationen zu Grundsatzfragen im Vorwort zur Diskussion und nennt explizit die vorgenommene Periodisierung. Nach einem einleitenden Kapitel zum geschriebenen Buch folgen die Kapitel 2 bis 7, denen eine zeitliche Abfolge zugrunde liegt. Diese Periodisierung bietet allerdings kaum Stoff für die geforderten Diskussionen, da es sich um keine neue, sondern um eine in der Forschung weitgehend etablierte Einteilung handelt. Kapitel 2 bespricht die Phase von 1465 - 1500, die Zeit der Wiegendrucke in Italien. Kapitel 3 stellt das folgende Jahrhundert vor, die Zeit der Renaissance, der in Kapitel 4 der Abschnitt von 1600 - 1750 folgt, eine Periode des Niedergangs, berücksichtigt man die Höchstleistungen der vorangegangenen Epoche. Den von einer langen Friedensphase (1748 - 1792) und den Eroberungen Bonapartes geprägten Zeitraum von 1750 - 1815 behandelt Kapitel 5. Der Beginn des Risorgimento nach dem Wiener Kongreß (1814/15) und der Anfang des Faschismus in Italien, Mussolini wurde 1922 Ministerpräsident, bilden die Ausgangspunkte für die beiden abschließenden Phasen.

Die Struktur der Kapitel folgt einem weitgehend eingehaltenen Schema. Zunächst werden für den jeweiligen Zeitraum die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erläutert, denen stets Überlegungen zum kulturellen Klima folgen. Da derartige Ausführungen auch andernorts nachzulesen sind, braucht hier nicht näher darauf eingegangen werden. Die eigentliche Essenz des Werkes stellt der jeweils dritte Abschnitt der Kapitel vor. Dort wird versucht, das für die Buchgeschichte Wesentliche einer Epoche festzuhalten. Eine skizzenhafte Darstellung der für die jeweilige Periode maßgeblichen Druckzentren schließt die Kapitel in der Regel ab.

Im zweiten Kapitel ist der gewichtige dritte Abschnitt der ars artificialiter scribendi gewidmet. Es wird versucht, die Frage zu beantworten, welchen Weg die Verbreitung der Schwarzen Kunst in Italien nahm, die ihren Siegeszug vom Benediktinerkloster Subiaco aus antrat. Dorthin lud bekanntlich der spanische Kardinal Juan de Torquemada die deutschen Kleriker Sweynheym und Pannartz ein, um im Tal des Anio die erste Offizin Italiens einzurichten. Überraschenderweise versieht Santoro die Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg mit einem Zweifel "incerta, come si è detto, l'attribuzione dell'invenzione della stampa" (S. 46), ohne jedoch neue Argumente für diesen Zweifel in die Diskussion einzubringen. Es ist aber der Forschung bereits im 18. Jahrhundert gelungen, namentlich durch die Untersuchungen von Johann David Köhler und Johann Daniel Schöpflin, den Mainzer mittels Indizienbeweisen als Begründer des gedruckten Buches auszumachen.[1] Von Subiaco aus zogen Sweynheym und Pannartz nach Rom, wo sich Ende der sechziger Jahre verschiedene deutsche Frühdrucker etabliert hatten.[2] In Venedig erreichte dann der frühe italienische Buchdruck seinen ersten Höhepunkt, den der Autor auch treffend als solchen herausstellt.

Die folgenden Seiten enthalten zu den verschiedenen Druckzentren zahlreiche Druckernamen und Zahlen, denen zu entnehmen ist, was und in welchen Mengen gedruckt wurde. Die Freude an der Statistik nimmt jedoch bisweilen übertriebene Züge an. So werden auf der Basis des Indice generale degli incunabuli delle biblioteche d'Italia (IGI), dem italienischen Gesamtkatalog der Wiegendrucke, prozentgenau proportionale Anteile einzelner Städte am Gesamtaufkommen der Drucke errechnet, obwohl der IGI lediglich drei Viertel der Druckwerke in Italien im Quattrocento verzeichnet.

Mit einem Rückgriff auf das 17. Jahrhundert beginnt im fünften Kapitel der Abschnitt drei, in dem das Panorama der Zeitungsentwicklung aufgezeigt wird. Hier weist sich Santoro als versiert und kenntnisreich aus und stellt eindrucksvoll die bunte Palette italienischer Zeitungen vor, deren Aufkommen in den 40er Jahren des Seicento eng mit dem Namen Luca Assarino verbunden ist. Das 1668 in Rom erschienene Giornale de' letterati ist die erste literaturkritische Zeitung in Italien. Auch bei den Ausführungen zum 19. Jahrhundert gehört der Beginn des dritten Teiles, betitelt Territorio di conquista, den Zeitungen. Mit der Situation in Deutschland im 19. Jahrhundert vergleichbar, werden sie von Zensur bzw. Pressefreiheit geprägt. Tageszeitungen wie Il Messaggero (Rom 1878), La Nazione (Florenz 1859) oder La Stampa (Turin), die noch heute die Auslagen der Kioske bestimmen, wurden in der zweiten Hälfte des Ottocento erstmals herausgegeben. Ihre Geschichte dokumentiert die zunehmende Bedeutung der Zeitung als Organ der öffentlichen Meinung.

Für den Buchhandel in Italien waren die 60er Jahre bedeutsam. 1867 wurde die Bibliografia d'Italia veröffentlicht, 1869 schlossen sich Buchhändler und Verleger erstmals zu einem Verband zusammen. Santoro versäumt es, an dieser Stelle zu differenzieren, daß der Verband zunächst unter dem Namen Associazione Editoriale Libraria Italiana gegründet, aber erst zwei Jahre später, nach Integration der Drucker, in Associazione Tipografico Libraria Italiana umbenannt wurde. In diesem Kapitel wird die Buchproduktion erneut anhand von Zahlen und Tabellen ausgedrückt, diesmal stehen sie aber auf sichererem Grund. Der Catalogo dei libri italiani dell'Ottocento (CLIO)[3] verkörpert die umfangreichste bibliographische Quelle für den entsprechenden Zeitraum.

Das Abschlußkapitel über Bücher und Leser heutzutage erinnert an eine Ausgabe von Buch und Buchhandel in Zahlen. Aktuelle Themen wie die Auswirkungen des Internets auf Verleger, Buchhändler und Leser bleiben ausgeklammert. Statt dessen zeichnet Santoro die Verlagslandschaft nach, in der sich eine zunehmende Konzentration feststellen läßt: einige wenige Verlagshäuser veröffentlichen überproportional viele Bücher, das Gros der Verlage aber bringt nur verhältnismäßig wenig Neuerscheinungen heraus. Durchaus interessante Betrachtungen zum Leseverhalten der Bevölkerung schließen das Kapitel ab.

Bedauerlich ist, daß das als Paperback erschienene Buch keine Abbildungen enthält, denn die 415 eng bedruckten Seiten hätten durchaus der Auflockerung und Veranschaulichung bedurft. Die stilistische Entwicklung von Buch und Einband, integraler Bestandteil der Buchgeschichte, wird leider nicht erörtert. Zweifellos bietet Santoro in seinem Parforceritt durch sechs Jahrhunderte des italienischen Drucks dem Leser zahlreiche Einblicke in die traditionsreiche Buchgeschichte seines Landes. Der ausgewiesene Buchwissenschaftler freilich wird in manchen Fällen die Berücksichtigung relevanter gesamteuropäischer Forschungsergebnisse vermissen.

Johannes W. Pommeranz


[1]
Die deutsche Forschung ist in den für ein Überblickswerk zahlreichen Anmerkungen und der ausführlichen Bibliographie (S. 363 - 415) unterrepräsentiert. Einschlägige Beiträge in deutscher Sprache werden zudem häufiger mit Schreibfehlern wiedergegeben. (zurück)
[2] Zu den Frühdruckern in Rom gibt der Autor nur 5 Literaturtitel an, während die folgende Bibliographie (Tl. 1, S. 568 - 576) mit zahlrei- chen Titeln zu den Frühdruckern in Rom aufwartet, die bei Santoro un- erwähnt bleiben.
Der Buchdruck im 15. Jahrhundert : eine Bibliographie / hrsg. von Se- verin Corsten und Reimar Walter Fuchs. Unter Mitarbeit von Kurt Hans Staub. - Stuttgart : Hiersemann. - 28 cm. - (Hiersemanns bibliographi- sche Handbücher ; 7). - ISBN 3-7772-8812-8 [0574]. - Tl. 1. Bibliogra- phie. - 1988. - XVIII, 699 S. - ISBN 3-7772-8813-6 : DM 1300.00. - Rez.: ABUN in ZfBB 36 (1989),5, S. 447 - 450 (zurück)
[3]
Catalogo dei libri italiani dell'Ottocento : (1801 - 1900) ; CLIO = Catalogue of nineteenth century Italian books / [progetto e direzione: Michele Costa ; Giuliano Vigini]. - Milano : Editrice Bibliografica, 1991. - 1 - 19 ; 30 cm. - ISBN 88-7075-200-3 : Lit. 8.500.000 [1282]. - Rez.: ABUN in ZfBB 39 (1992),1, S. 44 - 46. - Eine CD-ROM-Ausg. ist geplant. Bei Subskription bis 31.12.1997 gibt es auf die genannten Preise 10 % Nachlaß: Lit. 3.900.000 zzgl. 20 % IVA, Lit. 1.200.000 zzgl. 20 % IVA (für Käufer der gedruckten Ausg.) [sh] (zurück)

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