Den Grundstock dieser eindrucksvollen Sammlung bilden die Bücherverzeichnisse der ehemaligen Hofbibliothek, die im 16. Jahrhundert einsetzen. Im 17. und 18. Jahrhundert wurden sie - mit größeren zeitlichen Lücken - erneuert, ergänzt und differenziert, bis schließlich ab 1829 nach mehreren Anläufen eine umfassende Neukatalogisierung der durch den Zustrom aus den säkularisierten Klöstern enorm angewachsenen Bestände gelang. Die in den Klöstern und Stiften selbst oder bei ihrer Auflösung angelegten Kataloge bilden dann auch - zusammen mit den Katalogen von weiteren kirchlichen oder einzelnen anderen Institutionen, deren Bibliotheken oder Bibliotheksteile von der Hofbibliothek bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts übernommen wurden - die zweite und größte Gruppe der im vorliegenden Band beschriebenen Kataloge. Eine dritte Gruppe von Bücherverzeichnissen schließlich betrifft 46 Privatbibliotheken (vor allem von Humanisten, bayerischen Staatsbeamten und Angehörigen des Hauses Wittelsbach), die bis um 1900 von der BSB übernommen wurden.
Die Notwendigkeit, ein brauchbares Arbeitsinstrument zur Hand zu haben, aber auch Weitblick und historisches Verständnis hatten den mit der Einordnung und Verzeichnung der immensen Neuzugänge befaßten Sprachwissenschaftler und Bibliothekar Andreas Schmeller (1785 - 1852) veranlaßt, die zum Teil bereits im 16. Jahrhundert auf herzogliche Anordnung hin erstellten, bis zum 18. Jahrhundert oft mit zunehmend verfeinerter Systematik angelegten Kataloge der Klöster sowie Übergabe- und Sonderverzeichnisse anzufordern, in der BSB zu konzentrieren und einen eigenen Bestand daraus zu formieren.
Dieses naheliegende Vorgehen, das die bibliothekarische Arbeit und das
Wissen von vielen Gelehrtengenerationen sicherte und fruchtbar machte,
war durchaus nicht selbstverständlich. Vielmehr illustriert z.B. der
Bestand von alten Katalogen in der Württembergischen Landesbibliothek
Stuttgart,[2] der Haupterbin der im ehemaligen Königreich Württemberg
gelegenen säkularisierten Bibliotheken, wie gering das Interesse der
dortigen Bibliothekare an dieser wichtigen bibliotheksgeschichtlichen
Quelle war: nur ein kleiner Teil der Verzeichnisse verblieb nach der
Übernahme der ausgewählten Bücher bei den königlichen Bibliotheken, wo
sie zunächst nur teilweise dem Handschriftenbestand zugeordnet wurden.
Eine größere Anzahl der von der Rezensentin bislang vor allem in
staatlichen Archiven ermittelten Verzeichnisse befindet sich
bezeichnenderweise bei den Akten der Finanzbehörden oder anderer mit
der Klosterauflösung befaßter Stellen, die dieses Geschäft weniger
unter wissenschaftsgeschichtlichen und bildungspolitischen als unter
finanziellen Aspekten betrieben.
Wenn nun also auch der Eigenanteil historischer Kataloge in der BSB
den anderer Bibliotheken in beträchtlichem Maß übertrifft, so
beschränkt sich der vorliegende Katalog doch keineswegs auf diesen
Bestand, sondern setzt sich das ehrgeizige Ziel, alle mit vertretbarem
Aufwand erreichbaren und erwähnenswerten Verzeichnisse aller Bestände,
die in der BSB aufgegangen sind, zu erfassen. Die Arbeitsleistung der
beiden Autoren - einerseits die Überlieferungsgeschichte der einzelnen
Bibliotheksbestände aus verstreuten Quellen zu eruieren (um dadurch
eventuelle Fundorte von Katalogen auszumachen), andererseits die
Archivalien der einschlägigen großen, aber auch entlegener Archive und
Bibliotheken systematisch durchzusehen - ist nicht weniger
eindrucksvoll als es die Ergebnisse ihrer Recherchen sind:
- eine Vielzahl verschiedenster Katalogtypen vom vielbändigen
Universalkatalog mit ausgefeilter Systematik bis zum Sonderkatalog
einzelner Fachgruppen (als Rarität z.B. die Zellenverzeichnisse von
Franziskanerkonventen)
- eine Beschreibung der verschiedenen Entwicklungsstufen der
Büchererfassung von der summarischen Verzeichnung bis zur
detaillierten und kommentierten Titelaufnahme und schließlich
- ein Kompendium der bis 1829 bzw. 1900 in der BSB aufgegangenen
Büchersammlungen mit ihrer Geschichte, ihrer Überlieferung, ihrer
Größe und dem Stand ihrer Erschließung.
Die Fülle der dargebotenen Daten liefert eine solide Grundlage für
vergleichende Bibliotheksforschung, die allein die alten
Bibliothekskataloge für den heutigen Benutzer "lesbar" und
aussagekräftig macht.
Sind nun auch die Bücherverzeichnisse zu den in der BSB aufgegangenen
Beständen so vollständig wie möglich erfaßt und für ein breites
Spektrum von Fragestellungen aufbereitet worden, so weisen die Autoren
doch auf einige geographische und formale Eingrenzungen hin:
Entsprechend dem Vorgehen der Bücherkommission bei der Aufhebung der
Klöster und Stifte liegt der Schwerpunkt der beschriebenen Kataloge
auf Altbayern, während Schwaben und die Oberpfalz nur in Auswahl
vertreten sind, Franken überhaupt nicht berücksichtigt ist;
andererseits wird mit Ulm und Salzburg, die Anfang des 19.
Jahrhunderts zeitweise bayerisch waren, über diesen Raum
hinausgegriffen.
Weniger transparent für den mit den Beständen der BSB nicht vertrauten
Benutzer ist ein formales Kriterium: je nachdem, wie viele Bände aus
anderen Institutionen übernommen wurden, sind die überlieferten
Kataloge ausführlich oder nur summarisch verzeichnet bzw. nur erwähnt
- Abstufungen, die auch bei den verschiedenen Katalogtypen
(Gesamtkataloge, Teilverzeichnisse, Vorarbeiten) zur Anwendung kommen.
Daß dabei, wie bei allen neueren Handschriften, pragmatisch und nicht
streng systematisch vorzugehen ist und solche Entscheidungen im
Einzelfall Ermessenssache sind, versteht sich von selbst.
Orientierungshilfe bieten immerhin eine Übersicht nicht verzeichneter
Kataloge sowie Kennzeichnungen im Orts- und Personenregister. Überaus
nützlich aber sind vor allem die den Katalogisaten jeweils
vorangestellten kurzen Abrisse über Geschichte und Überlieferung der
einzelnen Bibliotheken, die den historischen Kontext zu den
Bibliotheksverzeichnissen herstellen.
In der Anlage der Einzelbeschreibungen folgen die Bearbeiter den
Richtlinien der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die
Katalogisierung neuzeitlicher Handschriften,[3] allerdings in einer für
das besondere Material großzügig modifizierten Form, die im
Inhaltsteil alle wesentlichen Merkmale eines Bücherverzeichnisses
enthält und die äußere Beschreibung auf knappe Angaben konzentriert.
Es wäre wünschenswert, daß die Maßstäbe, die der vorliegende Katalog
im Hinblick auf die Gründlichkeit der Recherchen, die Herstellung
historischer Zusammenhänge und die Entwicklung eines differenzierten
Beschreibungsschemas setzt, bei der Erschließung der Altkataloge
weiterer Bibliotheken zur Anwendung kämen.
Magda Fischer
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