Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 5(1997) 3/4
[ Bestand in K10plus ]
[ Bestand in K10plus ]

Historische Kataloge der Bayerischen Staatsbibliothek


97-3/4-254
Historische Kataloge der Bayerischen Staatsbibliothek München : Münchner Hofbibliothek und andere Provenienzen / verz. von Stephan Kellner und Annemarie Spethmann. - Wiesbaden : Harrassowitz, 1996. - XXXI, 609 S. ; 26 cm. - (Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monacensis ; 11). - ISBN 3-447-03444-0 : DM 134.00
[4167]

In der Reihe der Handschriftenkataloge der Bayerischen Staatsbibliothek konnte mit dem Erscheinen des Bandes 11, dem Verzeichnis historischer Bibliothekskataloge, nicht nur ein weit über hundert Jahre bestehender Plan dieser Bibliothek, sondern auch ein dringendes Desiderat der buch- und bibliothekswissenschaftlichen Forschung verwirklicht sowie ein wichtiger Beitrag zur Erforschung der Bildungsgeschichte geleistet werden. Dieses Projekt, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft im größeren Rahmen der "Erschließung historischer Quellen zur Geschichte des Buch- und Bibliothekswesens" förderte, wurde nicht zufällig von der BSB initiiert und durchgeführt: Sie kann nicht nur einen sehr umfangreichen, sondern auch relativ alten Bestand an historischen Katalogen vorweisen, der bereits um 1830 systematisch angelegt wurde und heute mehr als 1800 Bände zählt.[1]

Den Grundstock dieser eindrucksvollen Sammlung bilden die Bücherverzeichnisse der ehemaligen Hofbibliothek, die im 16. Jahrhundert einsetzen. Im 17. und 18. Jahrhundert wurden sie - mit größeren zeitlichen Lücken - erneuert, ergänzt und differenziert, bis schließlich ab 1829 nach mehreren Anläufen eine umfassende Neukatalogisierung der durch den Zustrom aus den säkularisierten Klöstern enorm angewachsenen Bestände gelang. Die in den Klöstern und Stiften selbst oder bei ihrer Auflösung angelegten Kataloge bilden dann auch - zusammen mit den Katalogen von weiteren kirchlichen oder einzelnen anderen Institutionen, deren Bibliotheken oder Bibliotheksteile von der Hofbibliothek bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts übernommen wurden - die zweite und größte Gruppe der im vorliegenden Band beschriebenen Kataloge. Eine dritte Gruppe von Bücherverzeichnissen schließlich betrifft 46 Privatbibliotheken (vor allem von Humanisten, bayerischen Staatsbeamten und Angehörigen des Hauses Wittelsbach), die bis um 1900 von der BSB übernommen wurden.

Die Notwendigkeit, ein brauchbares Arbeitsinstrument zur Hand zu haben, aber auch Weitblick und historisches Verständnis hatten den mit der Einordnung und Verzeichnung der immensen Neuzugänge befaßten Sprachwissenschaftler und Bibliothekar Andreas Schmeller (1785 - 1852) veranlaßt, die zum Teil bereits im 16. Jahrhundert auf herzogliche Anordnung hin erstellten, bis zum 18. Jahrhundert oft mit zunehmend verfeinerter Systematik angelegten Kataloge der Klöster sowie Übergabe- und Sonderverzeichnisse anzufordern, in der BSB zu konzentrieren und einen eigenen Bestand daraus zu formieren.

Dieses naheliegende Vorgehen, das die bibliothekarische Arbeit und das Wissen von vielen Gelehrtengenerationen sicherte und fruchtbar machte, war durchaus nicht selbstverständlich. Vielmehr illustriert z.B. der Bestand von alten Katalogen in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart,[2] der Haupterbin der im ehemaligen Königreich Württemberg gelegenen säkularisierten Bibliotheken, wie gering das Interesse der dortigen Bibliothekare an dieser wichtigen bibliotheksgeschichtlichen Quelle war: nur ein kleiner Teil der Verzeichnisse verblieb nach der Übernahme der ausgewählten Bücher bei den königlichen Bibliotheken, wo sie zunächst nur teilweise dem Handschriftenbestand zugeordnet wurden. Eine größere Anzahl der von der Rezensentin bislang vor allem in staatlichen Archiven ermittelten Verzeichnisse befindet sich bezeichnenderweise bei den Akten der Finanzbehörden oder anderer mit der Klosterauflösung befaßter Stellen, die dieses Geschäft weniger unter wissenschaftsgeschichtlichen und bildungspolitischen als unter finanziellen Aspekten betrieben.

Wenn nun also auch der Eigenanteil historischer Kataloge in der BSB den anderer Bibliotheken in beträchtlichem Maß übertrifft, so beschränkt sich der vorliegende Katalog doch keineswegs auf diesen Bestand, sondern setzt sich das ehrgeizige Ziel, alle mit vertretbarem Aufwand erreichbaren und erwähnenswerten Verzeichnisse aller Bestände, die in der BSB aufgegangen sind, zu erfassen. Die Arbeitsleistung der beiden Autoren - einerseits die Überlieferungsgeschichte der einzelnen Bibliotheksbestände aus verstreuten Quellen zu eruieren (um dadurch eventuelle Fundorte von Katalogen auszumachen), andererseits die Archivalien der einschlägigen großen, aber auch entlegener Archive und Bibliotheken systematisch durchzusehen - ist nicht weniger eindrucksvoll als es die Ergebnisse ihrer Recherchen sind:

- eine Vielzahl verschiedenster Katalogtypen vom vielbändigen Universalkatalog mit ausgefeilter Systematik bis zum Sonderkatalog einzelner Fachgruppen (als Rarität z.B. die Zellenverzeichnisse von Franziskanerkonventen)

- eine Beschreibung der verschiedenen Entwicklungsstufen der Büchererfassung von der summarischen Verzeichnung bis zur detaillierten und kommentierten Titelaufnahme und schließlich

- ein Kompendium der bis 1829 bzw. 1900 in der BSB aufgegangenen Büchersammlungen mit ihrer Geschichte, ihrer Überlieferung, ihrer Größe und dem Stand ihrer Erschließung.

Die Fülle der dargebotenen Daten liefert eine solide Grundlage für vergleichende Bibliotheksforschung, die allein die alten Bibliothekskataloge für den heutigen Benutzer "lesbar" und aussagekräftig macht.

Sind nun auch die Bücherverzeichnisse zu den in der BSB aufgegangenen Beständen so vollständig wie möglich erfaßt und für ein breites Spektrum von Fragestellungen aufbereitet worden, so weisen die Autoren doch auf einige geographische und formale Eingrenzungen hin: Entsprechend dem Vorgehen der Bücherkommission bei der Aufhebung der Klöster und Stifte liegt der Schwerpunkt der beschriebenen Kataloge auf Altbayern, während Schwaben und die Oberpfalz nur in Auswahl vertreten sind, Franken überhaupt nicht berücksichtigt ist; andererseits wird mit Ulm und Salzburg, die Anfang des 19. Jahrhunderts zeitweise bayerisch waren, über diesen Raum hinausgegriffen.

Weniger transparent für den mit den Beständen der BSB nicht vertrauten Benutzer ist ein formales Kriterium: je nachdem, wie viele Bände aus anderen Institutionen übernommen wurden, sind die überlieferten Kataloge ausführlich oder nur summarisch verzeichnet bzw. nur erwähnt - Abstufungen, die auch bei den verschiedenen Katalogtypen (Gesamtkataloge, Teilverzeichnisse, Vorarbeiten) zur Anwendung kommen. Daß dabei, wie bei allen neueren Handschriften, pragmatisch und nicht streng systematisch vorzugehen ist und solche Entscheidungen im Einzelfall Ermessenssache sind, versteht sich von selbst. Orientierungshilfe bieten immerhin eine Übersicht nicht verzeichneter Kataloge sowie Kennzeichnungen im Orts- und Personenregister. Überaus nützlich aber sind vor allem die den Katalogisaten jeweils vorangestellten kurzen Abrisse über Geschichte und Überlieferung der einzelnen Bibliotheken, die den historischen Kontext zu den Bibliotheksverzeichnissen herstellen.

In der Anlage der Einzelbeschreibungen folgen die Bearbeiter den Richtlinien der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Katalogisierung neuzeitlicher Handschriften,[3] allerdings in einer für das besondere Material großzügig modifizierten Form, die im Inhaltsteil alle wesentlichen Merkmale eines Bücherverzeichnisses enthält und die äußere Beschreibung auf knappe Angaben konzentriert.

Es wäre wünschenswert, daß die Maßstäbe, die der vorliegende Katalog im Hinblick auf die Gründlichkeit der Recherchen, die Herstellung historischer Zusammenhänge und die Entwicklung eines differenzierten Beschreibungsschemas setzt, bei der Erschließung der Altkataloge weiterer Bibliotheken zur Anwendung kämen.

Magda Fischer


[1]
Vgl. folgende Beschreibung des Katalogprojekts, die auch mehrere Abbildungen ausgewählter Seiten aus den verzeichneten Bibliothekskatalogen enthält: "... von mancher als Ganzes zu Grunde gegangenen Bibliothek das einzige noch übrig gebliebene Monument ..." / Stephan Kellner. // In: Bibliotheksforum Bayern. - 25 (1997),1, S. 62 - 71 : Ill. (zurück)
[2]
Soweit sich diese in den Beständen der ehem. Hofbibliothek befinden, sind sie im folgenden Katalog beschrieben: Die Handschriften der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart. - Wiesbaden : Harrassowitz. ; 29 cm. - Reihe 2, Die Handschriften der ehemaligen Hofbibliothek Stuttgart. - 5. Codices wirtembergici : (HB XV 1 - 127) ; Codices militares : (HB XVI 1 - 2) / beschrieben von Magda Fischer. - 1975. - XIII, 185 S. - ISBN 3-447-01640-X : DM 88.00. - Die alten Bibliothekskataloge auf S. 13 (HB XV 12), 59 - 60 (HB XV 102), 63 - 70 (HB XV 108 - 113) und 72 - 84 (HB XV 117 - 127). (zurück)
[3]
Richtlinien Handschriftenkatalogisierung / Deutsche Forschungsgemeinschaft, Unterausschuß für Handschriftenkatalogisierung. - 5., erw. Aufl. - Bonn-Bad Godesberg : Deutsche Forschungsgemeinschaft, 1992. - 94 S. - Kostenlos für Bibliotheken. - (DFG, Kennedyallee 40, 5300 Bonn-Bad Godesberg) [1451]. - Vgl. IFB 93-1/2-004. - 4. Aufl. (1985). (zurück)

Zurück an den Bildanfang