1 Entstehungsgeschichte
Fußend auf dem 1991 begonnenen Gemeinschaftsprojekt von sieben
deutschen Museen zur "EDV-gestützten Katalogisierung in Großen
Museen", dem seit 1993 bestehenden Programm zur "EDV-gestützten
Inventarisation und Dokumentation des Historischen Baubestands in
Ostdeutschland" einzelner Landesdenkmalämter, dem seit 1994 laufenden
Programm "EDV-gestützte Dokumentation in Forschung und Lehre
Ausgewählter Universitätsinstitute", im Verbund mit der Redaktion des
Allgemeinen Künstlerlexikons (AKL) in Leipzig, der Deutschen Photothek
der Sächsischen Landesbibliothek in Dresden, dem Rheinischen
Bildarchiv in Köln und der Photothek des Kunsthistorischen Instituts
in Florenz und inzwischen weiterer Institutionen führt das Bildarchiv
Foto Marburg alle diese auf Grundlage des Regelwerks MIDAS (Marburger
Informations-, Dokumentations- und Administrationssystem) erstellten
Daten unter der Bezeichnung "Digitales Informationssystem für
Kunst- und Sozialgeschichte" (DISKUS) zusammen.[3] Aus dieser Datenbank werden
seit 1994 nun Teilbereiche auf CD-ROM publiziert, nämlich
Bestandskataloge einzelner Museumssammlungen sowie - als umfassenderes
Produkt - die Marburger-Index-Datenbank.
2 Inhalt und Funktion
Diese 1995 erstmals und 1996 in aktualisierter Form publizierte
Ausgabe der Marburger-Index-Datenbank stellt somit im Gegensatz zu
manch anderen CD-ROM-Produkten in ihrer Basis keine bloße
Medienkonvertierung der bisherigen (Bild-)Datensammlung dar. Vielmehr
ist sie als ein eigenständiges Nachfolgeprojekt konzipiert, das die
Marburger Mikrofiche-Bildsammlung mit ihren komplizierten und
letztlich begrenzten Erschließungsformen nicht nur mit den
verbesserten Möglichkeiten des neuen Mediums fortschreibt, sondern
wesentlich umfassendere Informationen zur Kunst in Deutschland in Form
einer einheitlichen Datenbank anbieten will. Inhaltlich liegt der
Schwerpunkt dabei derzeit nicht in der Veröffentlichung und
Erschließung von Architekturabbildungen (sie bildeten die Basis der
Mikrofiche-Sammlung), sondern in Informationen zu "beweglichen"
Kunstwerken in Deutschland. Die Ausgabe 1996 der
Marburger-Index-Datenbank erschließt insgesamt ca. 150.000 Kunstwerke
in Deutschland aus den Gebieten Malerei, Skulptur, Zeichnung,
Buchmalerei, Graphik und Photographie. Die direkten Informationen in
digitalisierter Text- und Bildform werden durch Angabe der jeweiligen
Mikrofiche- und Feldnummer für jene Objekte ergänzt, die auch in der
Mikrofiche-Ausgabe abgebildet sind. Ebenso wird auf die
Mikrofiche-Ausgabe des Archivs der Witt Library in London[4] verwiesen.
Die Marburger-Index-Datenbank übernimmt somit auch Registerfunktion
für einen Teil des Marburger Index und - in geringerem Umfang - auch
für die Witt Library. Trotz dieser Funktion wird spätestens mit der
neuen Ausgabe der Marburger-Index-Datenbank deutlich, daß deren
primäre Intention tendenziell weder in der EDV-gestützten
Registerzusammenführung für die Mikrofiche-Ausgabe noch primär in der
Ermöglichung multidimensionaler Einstiegs- und Recherchemöglichkeiten
für den alten Marburger Index liegt. Vielmehr wird eine zunehmend von
diesem unabhängige neue Datensammlung aufgebaut und bereits jetzt in
beachtlichem Umfang mit Abbildungen in digitalisierter Form
ausgestattet. Demgegenüber hat die Erschließung des Altbestandes, die
sich auf die Überschneidungsfälle beschränkt, eher den Charakter eines
zusätzlichen Service. Der Rekurs auf den Altbestand an Bilddaten ist
nur noch in den Fällen von elementarer Bedeutung, in denen die
Marburger-Index-Datenbank noch keine digitalisierte Abbildung
anbietet, sie ist dagegen nicht primär als Hilfsinstrument oder
Ergänzung zur Erschließung des Marburger Index anzusehen, weshalb
dessen Register auf Mikrofiche weiterhin zu benutzen ist, da vorerst
eine Bearbeitung der Architektur-Abbildungen für die
Marburger-Index-Datenbank zurückgestellt wird.
Es bleibt also festzuhalten, daß es sich bei der
Marburger-Index-Datenbank um eine eigenständig konzipierte Datenbank
zur Kunst in Deutschland handelt, die alle Informationen möglichst
einschließlich digitalisierter Abbildungen und die zugehörigen
Erschließungswerkzeuge in einem Medium zusammengefaßt anbietet und für
die der Marburger Index nur Ergänzungsfunktion für alle beweglichen
Kunstwerke besitzt, für die derzeit noch keine digitalisierten
Abbildungen verfügbar sind.
3 Anlage und Erschließung
Alle CD-ROM-Produkte von DISKUS folgen - da auf einem einheitlichen
Datenbankkonzept beruhend - einem einheitlichen Schema (Datenstruktur
und -aufbereitung, Zugriffs- und Recherchemöglichkeiten, technische
Anforderungen usw.).[5] Dies gilt außer für die
Marburger-Index-Datenbank auch für die in der Reihe DISKUS
publizierten (Teil-)Bestandskataloge deutscher Museen auf CD-ROM.[6]
Der Eröffnungsbildschirm bietet sofort den Einstieg für individuell
gestaltete Anfragen zu Kunstbeständen in Deutschland; Suchmasken
differenzieren die Anfrage nach: 1. Objekten (Art des Objekts,
Gattung, Material, Technik, Stichwörter), 2. Künstler (Künstlernamen,
Geburtsort, Sterbeort, Geschlecht, Werkstatt, Auftraggeber), 3. Ort
und Zeit (Entstehungsländer, Standort, Sammlung, Zeitrecherche), 4.
Themen (dargestellte Personen, Orte, Regionen und Länder,
Themenschlagwörter, thematischer Zusammenhang). Anfragen aus diesen
verschiedenen Kategorien sind darüber hinaus mittels Boolescher
Operatoren miteinander verknüpfbar. Zusätzlich besteht die Möglichkeit
einer sehr differenzierten ikonographischen Recherche über das
Erschließungssystem ICONCLASS[7] mit Suchmöglichkeit über die Notationen
der Systematik oder über die englischsprachigen Schlagwörter des
ICONCLASS-Browsers. Wer die Praxis ikonographischer Recherchen mit
Hilfe der gedruckten ICONCLASS-Systematik und des Mikrofiche-Registers
zum Marburger Index kennt, wird die Vereinfachung dieses
Suchverfahrens auf der CD-ROM zu schätzen wissen, dürfte doch erst
jetzt diese Erschließungsform über einen kleinen Expertenkreis hinaus
genutzt werden. Anders als die CD-ROMs der DISKUS-Reihe erlaubt die
Marburger-Index-Datenbank in der vorliegenden Ausgabe aber keine
Recherche im sog. Expertenmodus, also keine Suche über das gesamte
Kategorienschema des Regelwerks MIDAS. Benutzermenüs und
Hilfefunktionen (umfassend und übersichtlich präsentiert) werden
deutsch- oder englischsprachig angeboten; die Objektbeschreibungen
sind deutschsprachig; der ICONCLASS-Browser arbeitet dagegen nur mit
englischen Schlagwörtern. Als Form der Ergebnis-Anzeige stehen zur
Verfügung: Überblicksliste (Kurzanzeige zu Künstler und Werk mit
Kleinstabbildung), Galerie (Zusammenschau aller Abbildungen zu einer
Anfrage), Vollanzeige (ausführlicher Eintrag zu einem Werk; er ist
durch Markierung sowohl von der Überblicksliste als auch von der
Galerie aus zu erreichen) und Großbild. In der Vollanzeige zu einem
Werk, also dem Haupteintrag, kumulieren schließlich alle
Informationseinstiege und werkspezifischen Recherchemöglichkeiten.
Die Einzelobjektbeschreibung in der Vollanzeige orientiert sich am
Standard der Kunstwerkinventarisierung: Künstler, Titel des Werks,
Datierung, technische Angaben, Maße, Signaturhinweis, Abbildung
(direkt in digitalisierter Form und/oder indirekt durch
Lokalisierungshinweis auf dem Marburger Index und gegebenenfalls dem
Mikrofiche der Witt Library), Besitz- und Zugangsvermerke der
besitzenden Institution, Ausstellungs- und Literaturnachweise, Angabe
der Urheber-Institution für den Eintrag und entsprechender
Photonachweis. Ergänzt werden diese Grundinformationen im Eintrag
durch umfangreiche ikonographische Informationen zum Objekt. Sie
werden sowohl als ICONCLASS-Notation als auch in deutscher und
englischer (rudimentärer) Verbalisierung angeboten. Über die einzelne
ICONCLASS-Notation ist ein direkter Zugriff auf die Systematik im
unmittelbaren Umgebungsbereich möglich. Sensitiv von der Oberfläche
und somit vom Inhalt her mehrschichtig angelegt sind auch weitere
Informationen: Über den Künstlernamen sind in jedem Fall biographische
Eckdaten auf Grundlage des Thieme/Becker/Vollmer abrufbar, zunehmend
aber auch als Volltext auf Grundlage des AKL. Allerdings geht die
Nutzung des AKL-Materials nicht unbedingt Hand in Hand mit dem
Bearbeitungsstand des AKL zum Zeitpunkt der Datenbankpublikation,
sondern spiegelt eher den Stand zur Zeit der Objekteintragserstellung
für die Datenbank. Für die Updates der Datenbank wäre natürlich auch
eine Aktualisierung dieser Sekundärdaten sehr wünschenswert. Des
weiteren sind die Kurzangaben im bibliographischen Teil durch Aufruf
spezifizierbar.
4 Gesamtbewertung
Trotz dieser in vielen Punkten nur summarischen Charakterisierung der
Marburger-Index-Datenbank dürfte deutlich geworden sein, daß mit
dieser Datenbank ein insbesondere für wissenschaftliche Bibliotheken
unverzichtbares, eigenständiges Nachweis- und Erschließungsinstrument
zur Kunst in Deutschland vorliegt, das zudem mit jedem Update an
Bedeutung gewinnt, dabei aber den alten Marburger Index samt seinem
Register auf Mikrofiche noch längere Zeit nicht ersetzen wird. Die
inhaltliche und technische Aufbereitung der Daten in der
Marburger-Index-Datenbank gibt kaum Anlaß zu grundlegender Kritik.
Eine schnelle Gewöhnung an diese (wirklich unkomplizierte) Form der
Datenpräsentation ist zudem für die Benutzung anderer deutscher
kunsthistorischer Datenbanken auf CD-ROM sehr zweckdienlich, haben
doch Verlag und Herausgeber der Marburger-Index-Datenbank zur Zeit in
Deutschland soz. ein Monopol für digitalisierte kunsthistorische
Verzeichnungsprojekte und bieten ihre Produkte entsprechend
gleichartig strukturiert an. Dieser Vorteil ergibt sich letztlich vor
allem aber aus der fast einzigartigen Bündelung von EDV-gestützten
kunsthistorischen Erfassungs- und Erschließungsunternehmungen in
Deutschland unter dem Dach vom Bildarchiv Foto Marburg, der dabei
erfolgten Zugrundelegung eines einheitlichen Regelwerks und der
Nutzung der so erstellten einzelnen Datensammlungen in einer
umfassenden gemeinsamen Datenbank, die in der hier besprochenen
Marburger-Index-Datenbank vermarktet wird. Bei den CD-ROMs der
DISKUS-Reihe handelt es sich um Teilpublikationen für die Bestände
einzelner Museen, deren Daten selbstverständlich auch über die
Marburger-Index-Datenbank auf CD-ROM abrufbar sind. Überschneidungen
gibt es ferner im Bereich der künstlerbiographischen Informationen
zwischen der Marburger-Index-Datenbank und der ebenfalls bei Saur
erscheinenden Künstler-Datenbank mit den Grunddaten aus dem
Thieme/Becker/Vollmer und zunehmend aus dem AKL.[8] Abonnenten der
Marburger-Index-Datenbank können also i.d.R. auf den Kauf der
einzelnen CD-ROMs der DISKUS-Reihe verzichten, da die hier angebotenen
Informationen über einzelne Museumsbestände - wenn sicher auch nicht
immer zeitgleich, so doch längerfristig - immer auch in der
Marburger-Index-Datenbank zur Verfügung stehen werden. In Zeiten
knapper Haushaltsmittel ist dies ein für Kaufentscheidungen nicht ganz
unwesentlicher Aspekt.
Angela Karasch
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