Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 5(1997) 1/2
[ Bestand in K10plus ]

The Oxford companion to American literature


97-1/2-149
The Oxford companion to American literature / James D. Hart. - 6. ed. with revisions and additions / by Phillip W. Leininger. - New York ; Oxford : Oxford University Press, 1995. - IX, 779 S. ; 24 cm. - ISBN 0-19-506548-4 : $ 49.95, ś 35.00
[3742]

Der neue Oxford companion to American literature ist die 6. Aufl. eines seit Jahren in den Bibliotheken eingeführten Standardlexikons. Es greift, entgegen der Titelfassung, weit in die amerikanische Landes-, Kultur-, Geistes- und Sozialgeschichte aus und bringt in alphabetischer Reihenfolge Artikel zu Personen, Werken, literarischen Bewegungen und vielen anderen Gebieten, die in irgendwelcher Form einen Bezug zur amerikanischen Literatur und zur Amerikakunde haben. Am Schluß des Bandes steht ein Chronological index, der in zwei Spalten Fakten aus der Literary history (das heißt Autoren und Werke) Ereignissen aus der Social history (das heißt Politik-, Kultur- und Sozialgeschichte) chronologisch geordnet gegenüberstellt (S. 751 - 779). Da die Artikel des Lexikons durch Querverweisungen gut erschlossen sind, kann auf ein separates Register verzichtet werden.

Das erstmals 1941 erschienene, jahrelang von James D. Hart betreute Lexikon ist jetzt von Philip W. Leininger weitergeführt und vornehmlich im Bereich der Gegenwartsliteratur aktualisiert[1] worden. Das Werk, das jetzt rund 5000 Einträge enthält, blieb, obwohl natürlich von Auflage zu Auflage geändert, aktualisiert und verbessert, in seinen Stärken und Grenzen unverändert. Leider ist in der neuen Auflage, wohl auch um den Umfang als einbändiges Werk halten zu können, die Breite des Satzspiegels und die Schriftgröße verkleinert und somit die Lesbarkeit deutlich verschlechtert worden. Auch diese Auflage enthält zahlreiche neue Artikel; dafür sind sowohl Autoren-Artikel, vor allem aber solche aus den Randgebieten, so etwa zu den Präsidenten der USA, den Universitäten oder zur Druck- und Verlagsgeschichte entfallen; die kanadischen Autoren waren bereits in der 5. Aufl. weggelassen worden. Aus diesen Gründen sollte auch die ältere Auflage weiterhin in den Lesesälen angeboten werden.

Da der Companion der 5. Aufl. in den Bibliographien und den Führern zu den Informationsmitteln der Amerikanistik hinreichend beschrieben und bewertet[2] ist, kann hier das Augenmerk bevorzugt auf einige Erfahrungen in der bibliothekarischen Praxis fallen. So gut dieses Lexikon nämlich in präziser, verläßlicher Form alle Gebiete der amerikanischen Geschichte und Kultur abdeckt und dabei in der klugen Auswahl der Einträge, der Bewertung, der Information und Genauigkeit der verwendeten Daten Vorzügliches leistet, muß es aufgrund seiner Ausführlichkeit in den nichtliterarischen Teilen gerade in der Literaturgeschichte und Literaturwissenschaft zum Teil versagen: Die Breite des Ansatzes innerhalb der Grenzen eines einbändigen Werkes bedingt gerade bei den Autoren und allen literaturbezogenen Stichwörtern eine deutliche Beschränkung - nicht nur, wie im Vorwort zur 5. Aufl. ausgeführt, den Ausschluß aller "literary terms that are sufficiently defined in dictionaries ... unless they have a distinctive history in the United States or warrant definition by American examples" (S. VII), sondern auch den mancher wichtiger Gegenwartsautoren und einer Vielzahl von Begriffen, die in einem Lexikon zur amerikanischen Literatur zu erwarten sind. Aufgrund dieser Desiderata sowie der inkonsequenten und stellenweise unbefriedigenden Verzeichnung der Primärliteratur am Schluß des jeweiligen Autoreneintrags ist das vorliegende Lexikon nur als erster, freilich vorzüglicher Einstieg nützlich, auf allen Gebieten der Literatur aber nur in Verbindung mit anderen Titeln sinnvoll verwendbar - beispielsweise mit Jack Salzmans Cambridge handbook of American literature, Daniel L. Kirkpatricks Reference guide to American literature und insbesondere George Perkins' Benét's reader's encyclopedia of American literature.[3] Diese Bewertung stützt sich auf folgende Belege:

1. Allgemein gesprochen verfügt der Companion zwar über mehr Einträge zu Werktiteln, bringt aber im Vergleich zu obigen Lexika weniger Artikel zu Autoren, so daß trotz der deutlichen Aktualisierung des Werkes von der 5. zur 6. Aufl. vornehmlich im Bereich der ethnischen Literaturen oder der Schriftstellerinnen merkliche Defizite bleiben. Da die Autoren der Minderheitenliteraturen in der Regel gut abgedeckt sind - so gibt es bei der afro-amerikanischen, jüdisch-amerikanischen oder der indianischen Literatur (abgesehen etwa von D'Arcy McNickle) kaum Desiderata - überrascht es, daß bei der Chicano-Literatur zwar Rudolfo A. Anaya oder Cherrie Moraga mit Artikeln vertreten sind, nicht aber Namen wie Ron Arias, Gloria AnzaldŁa, Ana Castillo, Sandra Cisneros, Lucha Corpi, Richard Rodriguez, Tomás Rivera oder Alma Luz Villanueva. Ähnliche Lücken fallen in der asiatisch-amerikanischen Literatur auf: Neben David Henry Hwang, Maxine Hong Kingston oder Amy Tan wären auch Garrett Hongo, Bharati Mukherjee oder Cathy Song in Frage gekommen. Unverständlich bleibt auch, speziell bei den Schriftstellerinnen, das Fehlen von Ellen Gilchrist oder Gloria Naylor, nachdem Autorinnen wie Ann Beattie, Joan Didion oder Marylin French berücksichtigt wurden.

2. Während bei allen Artikeln außerhalb der Literaturwissenschaft großzügig verfahren wird, fehlen, wohl aufgrund des oben erwähnten Ausschlußprinzips, in der Literaturkritik und der Literaturtheorie Einträge zu Termini wie Deconstruction, Modernism, New historicism, New journalism, Postmodernism oder Yale School, obwohl sie auch in den USA eine zentrale Rolle spielen. Man vermißt auch Begriffe wie Essay, Long poem oder Slave narratives. Von der Konzeption her entfallen leider auch die Überblicksartikel, wie sie etwa in Benét's ... encyclopedia zu den Gattungen, literaturgeschichtlichen Perioden oder zu literaturtheoretischen Leitbegriffen, jeweils mit ausgewählter Sekundärliteratur, enthalten sind. Zudem überrascht es, daß bei einem Lexikon, das an den Rändern so weit ausgreift, in den Sachartikeln zum Teil wesentliche Informationen fehlen. So hätte beispielsweise im Artikel Philadelphia, dessen Bedeutung als frühe Drucker- und Universitätsstadt zu Recht betont wird, auch auf die wichtige Rolle der Stadt in der Geschichte des amerikanischen Dramas und Theaters hingewiesen werden müssen.

3. Obwohl ein einbändiges Lexikon natürlich auch in der Tiefe der bibliographischen Beschreibung Grenzen hat, ist der Unterschied etwa zum Cambridge handbook recht deutlich.

4. Das größte Manko des Companion liegt in der unzureichenden Verzeichnung der Primär- und Sekundärliteratur. Obwohl auch eine knappe Auswahl von Sekundärtiteln, wie etwa in Alfred Hornungs hervorragendem Lexikon amerikanische Literatur,[4] wünschenswert gewesen wäre, wiegen doch die Lücken und Mängel bei der Verzeichnung der Primärliteratur schwerer. Während in Benét's ... encyclopedia oder in Kirkpatricks Reference guide die Gesamt- oder Teilausgaben aufgeführt und in knappem Umfang auch Sekundärliteratur verzeichnet sind, sind im Companion die Angaben[5] zum Teil inkonsequent, oft nicht aktualisiert, manchmal auch zu knapp und lückenhaft und die Sekundärliteratur fehlt, von einigen Ausnahmen bei Biographien[6] abgesehen, völlig. Dies vermindert den Nachschlagewert des Bandes erheblich. Verglichen damit sind die fehlende Bibliographie am Ende des Bandes oder die vereinzelt auftretenden "blinden Verweisungen"[7] eher Schönheitsfehler. Als Fazit ergibt sich, daß dieses Lexikon den Anspruch des Klappentextes als "unparalleled guide to America's literary culture" bei weitem nicht einlöst. Es bleibt freilich ein in der Praxis unerläßliches Nachschlagewerk der Amerikanistik, das in seiner Konzeption hin zu einer stärkeren Berücksichtigung der genuinen Literaturgeschichte und Literaturwissenschaft geändert werden müßte, um seinem Titel gerecht zu werden.

Sebastian Köppl


[1]
Vgl. die Kurzbesprechung in Choice. - 32 (1996), S. 1096. (zurück)
[2]
Vgl. etwa: Literary research guide / James L. Harner. - New York, 1993, S. 363 - 364 und A reference guide for English studies / Michael J. Marcuse. - Berkeley, Calif., 1990, S. 381.
Die Kurzfassung des Companion, der Concise Oxford companion to American literature, verdient den Kauf ebensowenig wie der Cambridge paperback guide to literature in English, die Kurzfassung von Ousbys Cambridge guide to literature in English (IFB 95-4-583), da in beiden Fällen, verglichen mit dem Grundwerk, zuviel an Information entfällt. (zurück)
[3]
The Cambridge handbook of American literature / ed. Jack Salzman. - Cambridge [u.a.]: Cambridge University Press, 1986. - Reference guide to American literature / ed. by Jim Kamp. - 3. ed. - Chicago [u.a.] : St. James Press, 1994. - Benét's reader's encyclopedia of American literature / ed. by George Perkins. ... - New York, NY : HarperCollins, 1991.
Zu einer kurzen Bewertung von Benét's ... encyclopedia vgl. Wilson library bulletin, Dec. 1991, S. 117, Library journal, Jan. 1992, S. 104 und Guide to reference books, 11. ed., 1996, S. 522.
Die knappen Sätze, die Harner (s.o.) für das Cambridge handbook ... und Benét's ... encyclopedia im Nachtrag zur Beschreibung der 5. Aufl. des Oxford Companion bringt (S. 363 - 364), tun beiden vorzüglichen Werken Unrecht. Zutreffender, wenn auch recht knapp, ist die Gegenüberstellung der drei Werke durch Deborah L. Madsen im Reader's guide to literature in English / ed. Mark Hawkins-Dady. - London [u.a.], 1996, S. 24. (zurück)
[4] Vgl. IFB 93-1/2-061 oder Literatur in Wissenschaft und Unterricht. - 26 (1993), S. 88 - 89 (Jens P. Becker). (zurück)
[5]
Die großen Werkausgaben werden oft in äußerst knapper, für den Anfänger nur mit Mühe identifizierbarer Form, zum Teil auch ohne Nennung des Herausgebers oder Verlags angeführt. Bei einigen Autoren, so etwa bei William C. Bryant, James R. Lowell, Eugene O'Neill oder Thomas Paine fehlt jeder Hinweis auf die älteren, noch gültigen oder die neuen Ausgaben der letzten Jahre. Nachzutragen wären beispielsweise bei Edgar Allan Poe die Collected works in der Edition von Thomas O. Mabbott und die Collected writings von Burton R. Pollin, sowie die vorzüglichen Teilausgaben, zum Beispiel der Essays and reviews (Library of America ; 20). Bei Benjamin Franklin wird zwar auf die große Ausgabe der Papers durch Leonard W. Labaree und William B. Willcox verwiesen, aber die noch unersetzte, bislang vollständigste Werkausgabe, die Writings von Albert Henry Smith, 1907 (Reprint 1970), bleiben ebenso ungenannt, wie die Collected works von J. A. Leo Lemay, 1987 (Library of America ; 37). Im Falle von Anne Bradstreet wären die Complete works in der Ausgabe von Joseph R. McElrath und Allan P. Robb, 1981, aufzuführen: Die im Companion genannte Ausgabe von "1867" meint wohl die Works in der Ausgabe von Jeannine Hensley, 1967. In der bibliothekarischen Arbeit sind somit Benét's ... encyclopedia und insbesondere Kirkpatricks Reference guide unter diesem Aspekt besser einsetzbar.
Nachzutragen wären ferner: Collected poems / Theodore Roethke. - Garden City, NY : Anchor Press, 1975. - Collected works / Phillis Wheatley. Ed. John C. Shields. - New York : OUP, 1988. - Complete prose / Marianne Moore. Ed. Patricia C. Willis. - New York : Viking Press, 1986. - God's plot : the paradoxes of puritan piety ; being the autobiography and journal of Thomas Shepard / Thomas Shepard. - Amherst : Univ. of Massachusetts Press, 1972. (zurück)
[6]
So etwa im Artikel zu H. P. Lovecraft und wenigen anderen. (zurück)
[7]
Z.B. bei Thomas Paines' American crisis oder Robert T. Paines' Adams and liberty (jeweils fehlende Werkeinträge). (zurück)

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