Das erstmals 1941 erschienene, jahrelang von James D. Hart betreute
Lexikon ist jetzt von Philip W. Leininger weitergeführt und
vornehmlich im Bereich der Gegenwartsliteratur aktualisiert[1] worden.
Das Werk, das jetzt rund 5000 Einträge enthält, blieb, obwohl
natürlich von Auflage zu Auflage geändert, aktualisiert und
verbessert, in seinen Stärken und Grenzen unverändert. Leider ist in
der neuen Auflage, wohl auch um den Umfang als einbändiges Werk halten
zu können, die Breite des Satzspiegels und die Schriftgröße
verkleinert und somit die Lesbarkeit deutlich verschlechtert worden.
Auch diese Auflage enthält zahlreiche neue Artikel; dafür sind sowohl
Autoren-Artikel, vor allem aber solche aus den Randgebieten, so etwa
zu den Präsidenten der USA, den Universitäten oder zur Druck- und
Verlagsgeschichte entfallen; die kanadischen Autoren waren bereits in
der 5. Aufl. weggelassen worden. Aus diesen Gründen sollte auch die
ältere Auflage weiterhin in den Lesesälen angeboten werden.
Da der Companion der 5. Aufl. in den Bibliographien und den Führern zu
den Informationsmitteln der Amerikanistik hinreichend beschrieben und
bewertet[2] ist, kann hier das Augenmerk bevorzugt auf einige
Erfahrungen in der bibliothekarischen Praxis fallen. So gut dieses
Lexikon nämlich in präziser, verläßlicher Form alle Gebiete der
amerikanischen Geschichte und Kultur abdeckt und dabei in der klugen
Auswahl der Einträge, der Bewertung, der Information und Genauigkeit
der verwendeten Daten Vorzügliches leistet, muß es aufgrund seiner
Ausführlichkeit in den nichtliterarischen Teilen gerade in der
Literaturgeschichte und Literaturwissenschaft zum Teil versagen: Die
Breite des Ansatzes innerhalb der Grenzen eines einbändigen Werkes
bedingt gerade bei den Autoren und allen literaturbezogenen
Stichwörtern eine deutliche Beschränkung - nicht nur, wie im Vorwort
zur 5. Aufl. ausgeführt, den Ausschluß aller "literary terms that are
sufficiently defined in dictionaries ... unless they have a
distinctive history in the United States or warrant definition by
American examples" (S. VII), sondern auch den mancher wichtiger
Gegenwartsautoren und einer Vielzahl von Begriffen, die in einem
Lexikon zur amerikanischen Literatur zu erwarten sind. Aufgrund dieser
Desiderata sowie der inkonsequenten und stellenweise unbefriedigenden
Verzeichnung der Primärliteratur am Schluß des jeweiligen
Autoreneintrags ist das vorliegende Lexikon nur als erster, freilich
vorzüglicher Einstieg nützlich, auf allen Gebieten der Literatur aber
nur in Verbindung mit anderen Titeln sinnvoll verwendbar -
beispielsweise mit Jack Salzmans Cambridge handbook of American
literature, Daniel L. Kirkpatricks Reference guide to American
literature und insbesondere George Perkins' Benét's reader's
encyclopedia of American literature.[3] Diese Bewertung stützt sich auf
folgende Belege:
1. Allgemein gesprochen verfügt der Companion zwar über mehr Einträge
zu Werktiteln, bringt aber im Vergleich zu obigen Lexika weniger
Artikel zu Autoren, so daß trotz der deutlichen Aktualisierung des
Werkes von der 5. zur 6. Aufl. vornehmlich im Bereich der ethnischen
Literaturen oder der Schriftstellerinnen merkliche Defizite bleiben.
Da die Autoren der Minderheitenliteraturen in der Regel gut abgedeckt
sind - so gibt es bei der afro-amerikanischen, jüdisch-amerikanischen
oder der indianischen Literatur (abgesehen etwa von D'Arcy McNickle)
kaum Desiderata - überrascht es, daß bei der Chicano-Literatur zwar
Rudolfo A. Anaya oder Cherrie Moraga mit Artikeln vertreten sind,
nicht aber Namen wie Ron Arias, Gloria AnzaldŁa, Ana Castillo, Sandra
Cisneros, Lucha Corpi, Richard Rodriguez, Tomás Rivera oder Alma Luz
Villanueva. Ähnliche Lücken fallen in der asiatisch-amerikanischen
Literatur auf: Neben David Henry Hwang, Maxine Hong Kingston oder Amy
Tan wären auch Garrett Hongo, Bharati Mukherjee oder Cathy Song in
Frage gekommen. Unverständlich bleibt auch, speziell bei den
Schriftstellerinnen, das Fehlen von Ellen Gilchrist oder Gloria
Naylor, nachdem Autorinnen wie Ann Beattie, Joan Didion oder Marylin
French berücksichtigt wurden.
2. Während bei allen Artikeln außerhalb der Literaturwissenschaft
großzügig verfahren wird, fehlen, wohl aufgrund des oben erwähnten
Ausschlußprinzips, in der Literaturkritik und der Literaturtheorie
Einträge zu Termini wie Deconstruction, Modernism, New historicism,
New journalism, Postmodernism oder Yale School, obwohl sie auch in den
USA eine zentrale Rolle spielen. Man vermißt auch Begriffe wie Essay,
Long poem oder Slave narratives. Von der Konzeption her entfallen
leider auch die Überblicksartikel, wie sie etwa in Benét's ...
encyclopedia zu den Gattungen, literaturgeschichtlichen Perioden oder
zu literaturtheoretischen Leitbegriffen, jeweils mit ausgewählter
Sekundärliteratur, enthalten sind. Zudem überrascht es, daß bei einem
Lexikon, das an den Rändern so weit ausgreift, in den Sachartikeln zum
Teil wesentliche Informationen fehlen. So hätte beispielsweise im
Artikel Philadelphia, dessen Bedeutung als frühe Drucker- und
Universitätsstadt zu Recht betont wird, auch auf die wichtige Rolle
der Stadt in der Geschichte des amerikanischen Dramas und Theaters
hingewiesen werden müssen.
3. Obwohl ein einbändiges Lexikon natürlich auch in der Tiefe der
bibliographischen Beschreibung Grenzen hat, ist der Unterschied etwa
zum Cambridge handbook recht deutlich.
4. Das größte Manko des Companion liegt in der unzureichenden
Verzeichnung der Primär- und Sekundärliteratur. Obwohl auch eine
knappe Auswahl von Sekundärtiteln, wie etwa in Alfred Hornungs
hervorragendem Lexikon amerikanische Literatur,[4] wünschenswert gewesen
wäre, wiegen doch die Lücken und Mängel bei der Verzeichnung der
Primärliteratur schwerer. Während in Benét's ... encyclopedia oder in
Kirkpatricks Reference guide die Gesamt- oder Teilausgaben aufgeführt
und in knappem Umfang auch Sekundärliteratur verzeichnet sind, sind im
Companion die Angaben[5] zum Teil inkonsequent, oft nicht aktualisiert,
manchmal auch zu knapp und lückenhaft und die Sekundärliteratur fehlt,
von einigen Ausnahmen bei Biographien[6] abgesehen, völlig. Dies
vermindert den Nachschlagewert des Bandes erheblich. Verglichen damit
sind die fehlende Bibliographie am Ende des Bandes oder die vereinzelt
auftretenden "blinden Verweisungen"[7] eher Schönheitsfehler. Als Fazit
ergibt sich, daß dieses Lexikon den Anspruch des Klappentextes als
"unparalleled guide to America's literary culture" bei weitem nicht
einlöst. Es bleibt freilich ein in der Praxis unerläßliches
Nachschlagewerk der Amerikanistik, das in seiner Konzeption hin zu
einer stärkeren Berücksichtigung der genuinen Literaturgeschichte und
Literaturwissenschaft geändert werden müßte, um seinem Titel gerecht
zu werden.
Sebastian Köppl
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