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Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 5(1997) 1/2
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The Cambridge history of American literature


97-1/2-148
The Cambridge history of American literature / gen. ed. Sacvan Bercovitch. - Cambridge [u.a.] : Cambridge University Press. - 24 cm
[3196]
Vol. 8. Poetry and criticism, 1940 - 1995. - 1. publ. - 1996. - VII, 545 S. - ISBN 0-521-49733-7 : œ 50.00, $ 59.95

Der Band 8 der großen neuen Literaturgeschichte[1] der USA besteht aus zwei Teilen: Teil 1, verfaßt von Robert von Hallberg, behandelt Poetry, politics, and intellectuals (S. 9 - 259), Teil 2, von Evan Carton und Gerald Graff, beschreibt Criticism since 1940 (S. 263 - 471). Beide Teile schließen mit Anhängen: Teil 1 mit Biographies of poets (S. 213 - 259), Teil 2 mit Biographies of critics (S. 454 - 471). Darauf folgt eine chronologisch angeordnete, synoptische Übersicht in drei Rubriken: Texts, American events und Other events. Diese Chronology 1940 - 1995 soll, angelehnt an die "narrative lines set out in this volume", die drei Erzählstränge zur "American poetry, American literary criticism, and literary criticism in America" (S. 473) miteinander verknüpfen. Am Schluß des Bandes, der keine Fußnoten enthält, folgt dann eine nicht annotierte, nicht untergliederte, aber sehr gut ausgewählte Bibliographie von elf Seiten, die auf den Vorschlägen der Mitarbeiter beruht und sich auf wichtige allgemeine Monographien (ohne Dissertationen und ohne Primär-Sekundärliteratur zu einzelnen Autoren) beschränkt, sowie ein sehr knapper, nicht fehlerloser Index.

Vergleicht man das vorliegende Werk mit Literaturgeschichten, die den gleichen Zeitraum abdecken, so stellen sich zwei Fragen: Es wird nicht geklärt, warum im Rahmen der Neukonzeption, die dieser Literaturgeschichte zugrunde liegt, das Drama und die Prosa der behandelten Epoche ausgeschlossen bleiben. Zum anderen bleibt offen, ob auf der Basis dieser Planung eine Literaturgeschichte, die diesen Namen verdient, überhaupt möglich wird. Die Verfasser gehen nämlich davon aus, daß die "American literary history" nicht länger die "history of a certain, agreed-upon group of American masterworks" (S. 1) sei, so daß eine feste, allgemein akzeptierte historische Perspektive entfällt. So sollen im Lyrikteil nicht mehr die "representative poems but the exceptional ones" (S. 210) ins Auge gefaßt werden, und auch im Teil 2 rücken vornehmlich "complex relations between identity, politics, and the principles and parameters of literature and literary study" (S. 268) ins Zentrum. Analog liegt in diesem Teil der Schwerpunkt der Erörterung in der Darstellung der "partisans and opponents of the various collective critical projects of the last half century" (S. 452), wobei in Kauf genommen wird, daß "many particularistic critics who have produced brilliant and enabling readings of specific writers, texts, and genres" (S. 452) bewußt außer Acht gelassen werden.

Nach Meinung des Rezensenten liegt hier keine Literaturgeschichte mehr vor, sondern eine Verbindung von zwei stellenweise brillanten Erörterungen und Überblicken, die besser in zwei selbständigen Monographien mit einer durchaus respektablen spezifischen Grundrichtung angeboten worden wären. Die Verfasser bringen in mitunter hervorragenden Analysen eine Fülle von wertvollen Einzelbeobachtungen, werden aber der in einer Literaturgeschichte erwarteten Aufgabe der repräsentativen Darstellung in Einzelbeispielen und der verläßlichen Darbietung des Wissensstandes im Rahmen einer historischen Perspektive nicht mehr gerecht. Erschwerend kommt hinzu, daß auch dieser Band, wie schon die beiden Vorgängerbände,[2] Defizite im Nachschlagewert aufweist. Abgesehen von dem sehr knappen, nicht völlig verläßlichen Register sind es gerade die beiden oben erwähnten Anhänge zu den Lyrikern und Kritikern, die Anlaß zur Beanstandung geben. Sie wollen zwar "the fullest and most up-to-date biographical information available" (S. 213) geben, sind aber aufgrund der mißlichen Ausrichtung des Werkes nur für den bereits hochspezialisierten Leser nutzbar, den die unausgewogene, verzerrte Auswahl der Dichter und Kritiker[3] nicht zu falschen Schlüssen verleitet, da er das Gesamtfeld bereits überblickt.

Will man, um beim zweiten Teil dieser Literaturgeschichte zu beginnen, einen guten Überblick zur amerikanischen Literaturkritik der Moderne und zum hier behandelten Zeitraum gewinnen, ist einem mit den Werken von Wendell V. Harris, von Frank Lentricchia & Thomas McLaughlin oder mit dem vorzüglichen Sammelband Encyclopedia of literature and criticism und nicht zuletzt mit den Modern American critics since 1955[4] weit besser gedient. Ähnliches gilt auch für den ersten Teil, die Lyrik: Die Werke von Robert F. Kiernan, Douglas Tallack und Marcus Cunliffe sowie insbesondere die drei Literaturgeschichten von Cunliffe, Ruland/Bradbury und Conn[5] sind sowohl in der Darstellung wie auch im Nachschlagewert deutlich besser zu beurteilen.

Faßt man alle Punkte zusammen, kann man den Autoren keinen überzeugenden Beitrag zur Literaturgeschichtsschreibung des Zeitraums bescheinigen, wohl aber anerkennenswerte neue Interpretationen und Überblicke im Rahmen einer sehr zeitgebundenen, kritikwürdigen Gesamtkonzeption.[6] Aus bibliothekarischer Sicht ist leider der vorliegende Band 8 für den Bestandsaufbau und die Bestandssichtung nur sehr bedingt brauchbar.

Sebastian Köppl


[1]
Vgl. die Rezension der Bd. 1 und 2 in IFB 96-1-043: Vol. 1. 1590 - 1820. - 1. publ. - 1994. - XIII, 829 S. - ISBN 0-521-30105-X : œ 55.00, $ 69.95. - Vol. 2. 1820 - 1865. - 1. publ. - 1995. - XVIII, 887 S. - ISBN 0-521-30106-8 : œ 55.00, $ 69.95. - Dort in der Fußnote auch ausgewählte Belege der Fachkritik.
Die Bände sollen offensichtlich nach und nach auch in preiswerten Paperback-Ausgaben erscheinen, die von Band 1 im März 1997: ISBN 0-521-58571-6 : œ 22.95. (zurück)
[2]
Vgl. z.B. auch die Besprechung von Bd. 2. durch Kate Fullbrook im Journal of American studies. - 30 (1996), S. 162 - 163. (zurück)
[3]
So werden John Berryman, Elizabeth Bishop, Louise Bogan, James Dickey, Randall Jarrell, W. S. Merwin, Theodore Roethke, Anne Sexton oder James Wright und andere praktisch übergangen oder mit einem Halbsatz abgetan, während beispielsweise Elizabeth Alexander, David Ferry, Susan Howe, Thomas McGrath oder Jay Wright sogar im Anhang der Lyriker aufgenommen sind. Angesichts der Blickrichtung der Verfasser überrascht es nicht, daß die "Nachromantiker" wie Muriel Rukeyser oder William Stafford nicht erscheinen, so gravierend dieser Mangel in einer Geschichte der Nachkriegslyrik auch sein mag. Auffallend ist jedoch, daß Lawrence Ferlinghetti entfiel, nachdem Adrienne Rich so viel Raum erhielt. Ähnlich problematisch und einseitig ist die Auswahl der Kritiker: Während Theodor Adorno oder Jacques Derrida im biographischen Anhang erscheinen, bleibt kein Raum für Leslie A. Fiedler, Ihab Hassan, Murray Krieger, Perry Miller oder René Wellek, die neben den gewiß wichtigen Namen wie Harold Bloom oder Stephen Greenblatt Platz verdient hätten. (zurück)
[4]
Dictionary of concepts in literary criticism and theory / Wendell V. Harris. - New York [u.a.] : Greenwood Press, 1992. - Critical terms for literary study / ed. Frank Lentricchia ; Thomas McLaughlin. - Chicago [u.a.] : Univ. of Chicago Press, 1995. - Encyclopedia of literature and criticism / ed. Martin Coyle ... - London : Routledge, 1991 (insbesondere das Kapitel 6, S. 653 - 805, mit jeweils knapper, gut ausgewählter weiterführender Literatur). - Modern American critics since 1955 / ed. Gregory S. Jay. - Detroit, Mich. : Gale, 1988. - (Dictionary of literary biography ; 67). (zurück)
[5]
American writing since 1945 : a critical survey / Robert F. Kiernan. - New York : Ungar, 1983. - Twentieth century America : the intellectual and cultural context / Douglas Tallack. - London [u.a.] : Longman, 1991 (in der vorzüglichen Reihe Longman literature in English). - American literature since 1900 / ed. Marcus Cunliffe. - London : Barrie & Jenkins, 1973 (später auch im Rahmen der Sphere history of literature in the English language bzw. der Penguin history of literature erschienen). - The literature of the United States / Marcus Cunliffe. - New York : Penguin, 1986. - From puritanism to postmodernism : a history of American literature / Richard Ruland ; Malcolm Bradbury. - New York [u.a.] : Viking Press, 1991. - Literature in America : an illustrated history / Peter Conn. - Cambridge [u.a.] : Cambridge University Press, 1989 (zu letzterer vgl. IFB 3 (1995),1, S. 136 - 137). (zurück)
[6]
Vgl. hierzu das Vorwort von Sacvan Bercovitch in Bd. 1, S. 2 - 5 und die Diskussion im vorliegenden Bd. 8, S. 273 - 277. (zurück)

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