Vergleicht man das vorliegende Werk mit Literaturgeschichten, die den gleichen Zeitraum abdecken, so stellen sich zwei Fragen: Es wird nicht geklärt, warum im Rahmen der Neukonzeption, die dieser Literaturgeschichte zugrunde liegt, das Drama und die Prosa der behandelten Epoche ausgeschlossen bleiben. Zum anderen bleibt offen, ob auf der Basis dieser Planung eine Literaturgeschichte, die diesen Namen verdient, überhaupt möglich wird. Die Verfasser gehen nämlich davon aus, daß die "American literary history" nicht länger die "history of a certain, agreed-upon group of American masterworks" (S. 1) sei, so daß eine feste, allgemein akzeptierte historische Perspektive entfällt. So sollen im Lyrikteil nicht mehr die "representative poems but the exceptional ones" (S. 210) ins Auge gefaßt werden, und auch im Teil 2 rücken vornehmlich "complex relations between identity, politics, and the principles and parameters of literature and literary study" (S. 268) ins Zentrum. Analog liegt in diesem Teil der Schwerpunkt der Erörterung in der Darstellung der "partisans and opponents of the various collective critical projects of the last half century" (S. 452), wobei in Kauf genommen wird, daß "many particularistic critics who have produced brilliant and enabling readings of specific writers, texts, and genres" (S. 452) bewußt außer Acht gelassen werden.
Nach Meinung des Rezensenten liegt hier keine Literaturgeschichte mehr
vor, sondern eine Verbindung von zwei stellenweise brillanten
Erörterungen und Überblicken, die besser in zwei selbständigen
Monographien mit einer durchaus respektablen spezifischen
Grundrichtung angeboten worden wären. Die Verfasser bringen in
mitunter hervorragenden Analysen eine Fülle von wertvollen
Einzelbeobachtungen, werden aber der in einer Literaturgeschichte
erwarteten Aufgabe der repräsentativen Darstellung in Einzelbeispielen
und der verläßlichen Darbietung des Wissensstandes im Rahmen einer
historischen Perspektive nicht mehr gerecht. Erschwerend kommt hinzu,
daß auch dieser Band, wie schon die beiden Vorgängerbände,[2] Defizite
im Nachschlagewert aufweist. Abgesehen von dem sehr knappen, nicht
völlig verläßlichen Register sind es gerade die beiden oben erwähnten
Anhänge zu den Lyrikern und Kritikern, die Anlaß zur Beanstandung
geben. Sie wollen zwar "the fullest and most up-to-date biographical
information available" (S. 213) geben, sind aber aufgrund der
mißlichen Ausrichtung des Werkes nur für den bereits
hochspezialisierten Leser nutzbar, den die unausgewogene, verzerrte
Auswahl der Dichter und Kritiker[3] nicht zu falschen Schlüssen
verleitet, da er das Gesamtfeld bereits überblickt.
Will man, um beim zweiten Teil dieser Literaturgeschichte zu beginnen,
einen guten Überblick zur amerikanischen Literaturkritik der Moderne
und zum hier behandelten Zeitraum gewinnen, ist einem mit den Werken
von Wendell V. Harris, von Frank Lentricchia & Thomas McLaughlin oder
mit dem vorzüglichen Sammelband Encyclopedia of literature and
criticism und nicht zuletzt mit den Modern American critics since
1955[4] weit besser gedient. Ähnliches gilt auch für den ersten Teil,
die Lyrik: Die Werke von Robert F. Kiernan, Douglas Tallack und Marcus
Cunliffe sowie insbesondere die drei Literaturgeschichten von
Cunliffe, Ruland/Bradbury und Conn[5] sind sowohl in der Darstellung wie
auch im Nachschlagewert deutlich besser zu beurteilen.
Faßt man alle Punkte zusammen, kann man den Autoren keinen
überzeugenden Beitrag zur Literaturgeschichtsschreibung des Zeitraums
bescheinigen, wohl aber anerkennenswerte neue Interpretationen und
Überblicke im Rahmen einer sehr zeitgebundenen, kritikwürdigen
Gesamtkonzeption.[6] Aus bibliothekarischer Sicht ist leider der
vorliegende Band 8 für den Bestandsaufbau und die Bestandssichtung nur
sehr bedingt brauchbar.
Sebastian Köppl
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