Bei der schwierigen Frage, in welche Hände die Lexika wirklich gelangt sind, kommt die Untersuchung gegenüber den älteren Studien von Reinhard Wittmann und Heinz Sarkowski zu keinen neuen Ergebnissen. Natürlich stammten die Käufer nicht aus "allen sozialen Schichten" (S. 52), aber 300.000 verkaufte Exemplare sind 300.000 verkaufte Exemplare. Aber wieviele benutzte Exemplare? Und wievielen Lesern mag, als zu kritischer Distanz unfähigen Angehörigen einer aufstrebenden Mittelschicht, für unbezweifelbar wahr gegolten haben, was sie im Konversationslexikon gedruckt fanden?
Im Kern ist die Arbeit eine rein äußerliche Geschichte der Auflagen
des Brockhaus. Daher muß sie nicht - so interessant gerade das wäre
- den Brockhaus explizit anderen Lexika gegenüberstellen oder gar
fragen, in welcher Weise dieses deutsche Konversationslexikon - etwa
im Vergleich zu italienischen oder amerikanischen Werken - Anteil an
der Stiftung nationaler Identität gehabt hat. Aber auch zu den im
engeren Sinne auf den Brockhaus bezogenen Themen, z.B. zu der
Zusammenarbeit der Redaktion mit Zeitgenossen, für die ein Eintrag
vorgesehen war, fehlen vertiefende Untersuchungen. Wieviel da noch aus
der Aufarbeitung von Archivalien herauszuholen ist, zeigt eine jüngst
von Erhard Hexelschneider erarbeitete Studie.[1]
Um nicht mißverstanden zu werden: eine Magisterarbeit muß nicht aus
den Archivalien erarbeitet werden, muß nicht sonderlich originelle
Fragestellungen wählen usw. Aber wenn sie als Buch publiziert wird,
sollte sie mehr sein als eine bloße Magisterarbeit, die im
wesentlichen Bekanntes zusammenfaßt.
Hans-Albrecht Koch
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