Der Inkunabelbesitz der nordamerikanischen öffentlichen und privaten
Bibliotheken ist seit langem nahezu vollständig erfaßt. Schon der
erste Census von 1919 war ein Meilenstein in der Verzeichnung
nationaler Inkunabelbestände.[1] Er war aber nicht nur der erste
Gesamtkatalog der Inkunabeln eines ganzen Subkontinents, sondern
zugleich ein Muster eines raumsparenden und dennoch präzis
informierenden Kurztitelkatalogs, der in den folgenden Jahrzehnten zum
Vorbild für zahlreiche ähnliche Kataloge wurde. Wie gewaltig die
Zunahme des Inkunabelbesitzes der nordamerikanischen Bibliotheken im
Laufe dieses Jahrhunderts war, zeigt ein Blick in die Einführung Goffs
zum Supplement von 1972 zum dritten und bisher letzten Census von
1964.[2] Grundlegende Veränderungen hat es seither zumindest bei den
institutional owners sicher nicht gegeben. Manche im Census
verzeichnete Privatsammlung wurde inzwischen aufgelöst; dafür
entstanden einige neue Sammlungen. Die vier größten amerikanischen
Inkunabelsammlungen können in Umfang und Qualität mit entsprechenden
europäischen Sammlungen ohne weiteres konkurrieren. Es sind dies in
der Reihenfolge ihrer Größe: 1. Library of Congress, Washington, DC;
2. Henry E. Huntington Library, San Marino, California; 3. Harvard
University Library, Boston-Cambridge, Massachusetts; 4. Yale
University Library, New Haven, Connecticut. Mit Ausnahme der
Huntington Library, die bereits 1937 einen längst überholten Katalog[3]
ihres damaligen Inkunabelbestands veröffentlichte, gab es bisher von
keiner dieser vier Bibliotheken einen Gesamtkatalog ihres Bestands an
Inkunabeln. Angesichts des vorzüglichen Census wäre ein solcher
Katalog heute nur sinnvoll, wenn er über die Aktualisierung des Census
hinaus die individuellen Merkmale (Abweichungen des Drucks von der
Norm, Defekte, Einbände, Provenienzen, etc.) der betreffenden Sammlung
ausführlich beschriebe.
2 Der Katalog der Harvard University Library
Einen Katalog dieser Art für die Bestände der Harvard University
Library erarbeitete im letzten Jahrzehnt James E. Walsh, der
langjährige Leiter der Rare Book Collections der Harvard University
Library, die in der sogenannten Houghton Library konzentriert sind.
Von 1991 bis 1996 erschienen nacheinander die vier Katalogbände, in
denen einschließlich einem Supplement in Band 4 insgesamt 3517
Ausgaben in 4187 Exemplaren (nach dem Besitzstand von Oktober 1994)
beschrieben sind. Ein abschließender fünfter Band mit kumulierten
Gesamtregistern und einer Geschichte der Sammlung soll noch folgen.
Vorweg darf man schon sagen, daß sich Walsh größte Mühe bei seinem
Unternehmen gegeben hat, dessen Schwierigkeiten bereits damit
begannen, daß er sich vorgenommen hatte, die Inkunabeln aller zur
Harvard University Library gehörenden Teilbibliotheken zu erfassen,
also auch der Außenstellen, die ihren Sitz gar nicht im Stadtgebiet
von Boston-Cambridge haben. Eine dieser Teilbibliotheken ist übrigens
die ehemalige Boston Medical Library, die in Goffs drittem Census noch
als selbständige Bibliothek aufgeführt ist.[4] Sie ist heute in die
Harvard Medical School Library eingegliedert und wird in Walshs
Katalog als Countway Library bezeichnet.
2.1 Anlage des Katalogs
Walsh hat seinen ganzen Katalog von 1 bis 4022 durchnumeriert. Die
Hebraica haben nach Goffs Muster ihre eigene Zählung (Heb-1 bis
Heb-35). Auch Mehrfachexemplare eines Drucks bekamen ihre eigene
Nummer, ebenso Fragmente, auch wenn es sich dabei nur um ein Blatt
handelt (wie z.B. 1318A oder 3990). Drucke, die nach Abschluß der
Durchnumerierung an bestimmten Stellen eingefügt werden mußten,
erhielten A-Nummern etc. (z.B. 2368A bis 2368C). Ergänzungen, die erst
am Schluß des vierten Bandes im 'Supplement' berücksichtigt werden
konnten, erhielten dort zusätzlich zur A-Nummer den
Vorschaltbuchstaben S (z.B. S-110A), damit von den Registern gleich
auf die richtige Stelle (im Supplement) verwiesen werden kann. Drucke,
die in der Literatur (vor allem bei Hain und Goff) noch als Inkunabeln
verzeichnet sind, in Wirklichkeit aber bereits dem 16. Jahrhundert
angehören, wurden von Walsh zwar ebenfalls in seinen Katalog
aufgenommen, aber mit keiner eigenen Nummer versehen. Ihnen wurde die
Nummer des vorhergehenden Drucks verpaßt, die durch einen
Kleinbuchstaben a ff. ergänzt und in runde Klammern gesetzt wurde wie
z.B. (3985a). Frühdrucke, die nach den Katalogen im Bestand Harvards
vorhanden sein müßten, aber bis jetzt nicht aufgefunden werden
konnten, wurden von Walsh ganz normal mit eigener Nummer aufgenommen
und nach den Katalogunterlagen beschrieben in der Hoffnung, daß sie in
absehbarer Zeit doch noch auftauchen, so "that I will be able to
describe them more fully in a supplement" (Bd. 1, S. X). Sie tragen im
Katalog den lapidaren Vermerk "Not located".
2.2 Ordnung der Eintragungen
Nach reiflicher Überlegung und Diskussion mit Fachkollegen entschied
sich Walsh bei der Anlage seines Katalogs nicht für das Alphabet der
Autoren und Sachtitel, sondern nach dem Vorbild der British Library in
London für deren leicht modifiziertes System des sogenannten Proctor
order, d.h. einer Abfolge nach typographisch-chronologischen
Gesichtspunkten. Die Abweichung im Inkunabelkatalog der British
Library (BMC) und damit auch bei Walsh gegenüber dem strengen Proctor
order besteht darin, daß unabhängig vom Zeitpunkt der Einführung des
Buchdrucks in den betreffenden Ländern alle deutschsprachigen Gebiete
des 15. Jahrhunderts samt den Ländern der österreichisch-ungarischen
Monarchie zu einem Block zusammengefaßt an die Spitze des Katalogs
gestellt wurden. Innerhalb der einzelnen Gebiete wird dann schon die
streng chronologische Abfolge des Proctor order eingehalten. Die Wahl
des Proctor order für einen mit weit über 4000 Nummern doch recht
umfangreichen Inkunabelkatalog hat sowohl für den Bearbeiter als auch
für den vorrangig am Buchdruck interessierten Benutzer große Vorteile.
Sie ermöglichte die Veröffentlichung von in sich abgeschlossenen
Teilbänden, die unabhängig vom Erscheinen des nächsten Bandes voll
benutzbar sind. Die geplanten Gesamtregister in einem fünften Band
werden die Einheit des ganzen Katalogs herstellen. Die vorliegenden
vier Katalogbände sind wie folgt gegliedert:
Band 1 umfaßt die Drucke aus allen deutschsprachigen Gebieten des 15.
Jahrhunderts (Nr. 3 - 1267) einschließlich der deutschen Schweiz (Nr.
1104 - 1267) sowie die aus den Territorien des damaligen
Habsburgerreichs mit Böhmen und Mähren und der Stadt Trient (Nr. 1268
- 1281). Den Anfang bilden zwei deutsche Blockbücher (Nr. 1 und 2).
Band 2 behandelt nur die beiden bedeutendsten und - nach Subiaco, das
in der Harvard-Sammlung nicht vertreten ist - frühesten Druckorte
Italiens: Rom (Nr. 1282 - 1508A) und Venedig (Nr. 1509 - 2761).
Band 3 enthält ebenfalls in Proctor order alle anderen Druckorte
Italiens (Nr. 2762 - 3588), die in Harvard vertreten sind.
Band 4, der mit rund 350 Seiten schmalste Teil des Katalogs, ist den
Frühdrucken aller anderen in der Chronologie des Buchdrucks folgenden
Länder gewidmet bis hin zu einem Druck aus Montenegro (Nr. 4022), der
sonst in keiner anderen amerikanischen Bibliothek vorhanden ist. Die
Gruppe der 35 Hebraica (ebenfalls in Proctor order) und das Supplement
zu den vorausgehenden Bänden beschließen den Katalog.
2.3 Gemeinsame Merkmale aller Bände
Da alle vier Bände nach dem gleichen Muster angelegt sind, ist es
angebracht, zuerst einen Blick auf die gemeinsamen Merkmale aller
Bände zu werfen. Beginnen wir mit dem Äußeren. Alle vier Bände sind in
robustes blaues Buckram gebunden und fadengeheftet. Wichtig ist der
Hinweis auf der Rückseite der Titelblätter: "This book is made to
last". Folglich ist das Papier holz- und säurefrei. Die Ränder könnten
etwas üppiger sein, um Platz für eventuelle Ergänzungen und sonstige
Notizen zu lassen. Jedem Band sind am Schluß 16 Tafeln mit Abbildungen
aus besonders seltenen oder bemerkenswerten Drucken beigegeben. In
Band 1 sind auch drei Einbände abgebildet. Leider läßt die Qualität
der Tafeln etwas zu wünschen übrig. Das gilt vor allem für die
Einbandabbildungen in Band 1.
Um jeden Band für sich allein benutzbar zu machen, hat jeder Band sein
eigenes Vorwort, Literaturverzeichnis, Register und Konkordanzen. Die
Inhaltsverzeichnisse der einzelnen Bände sollten für den eigentlichen
Katalogteil etwas detaillierter sein und wenigstens den Beginn eines
neuen Landes oder in Band 2 und 3 der einzelnen Druckorte anzeigen.
Stattdessen heißt es nur lakonisch: Items 1 - 1281 usw. Das Vorwort
und Literaturverzeichnis (References) in Band 1 ist für alle Bände
verbindlich und unentbehrlich. Sie werden in den anderen Bänden nicht
wiederholt. Vor allem der erste Teil des Literaturverzeichnisses mit
den Abbreviated references wird so in allen vier Bänden zitiert. In
den Literaturverzeichnissen der folgenden Bände treten weitere
Abbreviated references hinzu, während die Other references meist nur
den jeweiligen Band betreffen. Jeder Band enthält folgende vier
Konkordanzen: 1. Hain/HUL (= Harvard University Library =
Walsh-Nummer); 2. Proctor/HUL; 3. Gesamtkatalog der Wiegendrucke
(GW)/HUL; 4. Goff/HUL. Am Schluß der Konkordanzen folgt dann noch die
Rubrik Not in Goff mit den Walsh-Nummern der Drucke, die entweder dem
Census aus irgendwelchen Gründen entgingen (wie z.B. 1056) oder die
erst nach Erscheinen von Goffs drittem Census und dem Supplement in
die Bibliothek gelangten. Die Zahl der Not in Goff-Drucke ist in Band
4 natürlich am größten (Bd. 1 und 3 je 17, Bd. 2: 21, Bd. 4: 34).
2.3.1 Bibliographische Beschreibung
Bevor wir uns den Registern zuwenden, einige Bemerkungen zur Anlage
der Katalogeinträge selbst. Die bibliographische Beschreibung der
Drucke hat Walsh so kurz wie möglich gehalten. Nur in den seltenen
Fällen, in denen bisher noch keine ausführliche Beschreibung in der
Literatur vorlag, liefert Walsh eine detaillierte Aufnahme nach Art
des Inkunabelkatalogs der British Library. Ein Mangel ist, daß man aus
Walshs Kurzaufnahmen nicht ersehen kann, ob und gegebenenfalls wie ein
Druck firmiert ist. Dagegen werden sowohl das bibliographische Format
(fø, 4ø, 8ø) als auch die Blattgröße (in mm) sowie der Umfang eines
Drucks immer angegeben. Beim Umfang verzichtete Walsh jedoch auf die
Wiedergabe der Lagenformel und begnügte sich mit der Angabe der
Blattzahl einschließlich der leeren Blätter. Wenn ein Druck ganz oder
teilweise Blattzählung aufweist, dann geht dies aus der Umfangsangabe
hervor. Auf die Lagenstruktur geht Walsh hingegen nur gelegentlich in
seinen Erläuterungen ein, wenn sie in dem ihm vorliegenden Exemplar
von den Angaben in maßgebenden Katalogen wie z.B. dem GW oder BMC
abweicht. Walsh hat alle Drucke sehr sorgfältig kollationiert und mit
den Standardbeschreibungen verglichen. Dabei stieß er auf viele
Abweichungen und Textvarianten gegenüber diesen Beschreibungen, die er
akribisch verzeichnet. Bei den unzähligen undatierten und umstrittenen
Drucken hielt sich Walsh bei der Druckerbestimmung und Datierung in
der Regel an bewährte Autoritäten wie GW oder BMC. Häufig richtete er
sich in Zuschreibungsfragen auch nach dem sehr zuverlässigen
Freiburger Inkunabelkatalog von Vera Sack.[5] Die Erläuterungen zu den
Drucken bzw. zu den Exemplaren nehmen bei den meisten Katalogeinträgen
den größten Raum ein. In sie hat Walsh alles hineingepackt, was man an
Copy-specific details (Bd. 1, S. XI) in einem Katalog dieser Art
erwartet. Leider ging dabei die Übersichtlichkeit etwas verloren. Die
Angaben über Einbände und Provenienzen sind oft so in diesen
Erläuterungen versteckt, daß man sie buchstäblich suchen muß. Es wäre
besser gewesen, gerade die Informationen über die Einbände und
Provenienzen in eigenen Absätzen unterzubringen wie die
bibliographischen Zitate oder das Erwerbungsdatum und den Standort des
Buches innerhalb der Harvard University Library. Fast zu weit geht in
diesen Erläuterungen manchmal die Diskussion typographischer Probleme.
Im Falle des neuerdings sehr umstrittenen Mainzer Catholicons (Walsh
Nr. 28) referiert Walsh auf fast anderthalb Seiten den derzeitigen
Forschungsstand und die verschiedenen Hypothesen bezüglich des Drucks.
Dies wäre in einem Katalog natürlich nicht nötig, ist aber auch kein
Fehler. Viel wichtiger als solche Exkurse über Druckprobleme ist für
die Erschließung einer Inkunabelsammlung vom Range Harvards die
Ermittlung der Provenienzen und die Bestimmung der Einbände der
Drucke.
2.3.2 Angaben zu den Provenienzen
Zumindest auf die Ermittlung der Provenienzen hat Walsh viel Zeit und
Mühe verwandt. In diesem Bereich waren seine Schwierigkeiten aber auch
mit Sicherheit am größten. Im Gegensatz zu den alten europäischen
Bibliotheken, deren Inkunabelsammlungen zum überwiegenden Teil aus
einem geographisch fest umgrenzten Raum stammen (vor allem wenn die
betreffende Bibliothek von der Säkularisation der Klöster ihrer Region
profitierte), wurden die amerikanischen Sammlungen, die ohnehin erst
in den letzten l00 bis 150 Jahren entstanden, aus den verschiedensten
Quellen gespeist. Bei der Wanderung von Bibliothek zu Bibliothek und
von Sammlung zu Sammlung wurde auch manche alte Provenienz zerstört
oder bewußt verschleiert. Der Katalogbearbeiter so heterogener
Bestände, wie der der relativ jungen amerikanischen Bibliotheken,
braucht deshalb oft große Phantasie und Spürsinn, um seine Blicke bei
der Ermittlung alter Provenienzen in die richtige Richtung zu lenken.
Hinzu kommt, daß selbst in den größten amerikanischen Bibliotheken die
lokalgeschichtliche Literatur aus den Herkunftsländern der Bücher nur
teilweise vorhanden ist, was das Verifizieren von Provenienzen sehr
erschwert. Wenn man diese Schwierigkeiten kennt, dann wird man die
zahlreichen Fehler auf diesem Sektor milder beurteilen. Walsh hat im
Vorwort zu Band 1 auf diese Probleme hingewiesen und hinzugefügt: "I
need hardly add that corrections will be welcomed" (Bd. 1, S. XII).
Immerhin hat er sich bemüht, die älteren Besitzeinträge im Wortlaut
wiederzugeben, was ihm jedoch nicht immer gelang. In den Vorreden zu
Band zwei bis vier bekennt Walsh mit Dankbarkeit, daß sein Freund Paul
Needham von Sotheby's in New York durch seine breite Kenntnis
europäischer Klostergeschichte einige Provenienzen geklärt und ihn vor
manchem Irrtum bewahrt hat. Trotzdem ist gerade bei den Provenienzen
(aus den oben erwähnten Gründen) die Fehlerquote noch ziemlich hoch,
wie sich bei der Überprüfung der einzelnen Bände zeigen wird.
2.3.3 Bestimmung der Einbände
Mit der Bestimmung der Einbände hat es sich Walsh zweifellos zu leicht
gemacht. Freimütig schreibt er im Vorwort zu Band 1: "A great deal
more can (and I hope will) be done with the identification and
localizing of bindings in this collection than I have been able to
take time for, except in rare cases. In justification I can point out
that this is a very large, long-term project and that I am no longer
young" (S. XI). Sicher hätte sich das Erscheinen der vier Katalogbände
stark - vielleicht sogar um Jahre - verzögert, wenn Walsh auch dieser
wichtigen Komponente einer Inkunabelbeschreibung dieselbe
Aufmerksamkeit geschenkt hätte wie den Drucken selbst und den
Provenienzen. Dabei hat er jeden Einband in Worten so gut es ging zu
charakterisieren versucht, wie folgendes Beispiel verdeutlichen mag:
"Contemporary blind-stamped leather over wooden boards, rebacked;
marks of center bosses and clasps, no longer present; chain hole in
back cover; two MS vellum leaves from an 11th- or 12th-century missal
used as pastedowns inside front and back covers" (Nr. 51). Auch wenn
ihm die nähere Bestimmung eines solchen Einbands zu zeitaufwendig oder
gar unmöglich schien, hätte Walsh einen Mittelweg suchen und finden
müssen. Der Mittelweg hätte darin bestehen können, den Einband
wenigstens halbwegs geographisch (als deutsch, süddeutsch,
niederländisch etc.) einzuordnen und das Einbandregister entsprechend
zu gliedern. Es mutet wirklich seltsam an, wenn z.B. in Band 1, in dem
allein schon Hunderte von Inkunabeln in spätgotischen Einbänden
beschrieben werden, im einschlägigen Index of incunabula with
identified bindings (S. 586) gerade 19 Nummern unter 13 Stichwörtern
auftauchen, von denen zwei auch noch Buchbinder des frühen 20.
Jahrhunderts betreffen und einige andere fehlerhaft sind. Bei den
beiden modernen Buchbindern (Katharine Adams und Douglas B. Cockerell)
muß man sich fragen, warum gerade sie in diesen exklusiven Index
aufgenommen wurden, während alle anderen modernen Buchbinder, die in
den Katalogeinträgen natürlich auch genannt werden, übergangen wurden.
Dieselbe Frage stellt sich mutatis mutandis bei den ebenso dürftigen
Einbandregistern der anderen Bände, von denen das in Band 3 (S. 374)
sogar im Inhaltsverzeichnis vergessen wurde (ebenso wie der winzige
Index of incunabula containing manuscripts auf der vorhergehenden
Seite). Symptomatisch für die schludrige Behandlung der
Einbandbestimmung ist es, daß z.B. unter den References aller vier
Bände der Name Kyriss nicht ein einziges Mal auftaucht. Das Fehlen der
einschlägigen Werke von Tammaro de Marinis, Anthony R. A. Hobson oder
Howard M. Nixon in den Literaturverzeichnissen zeigt, daß Walsh auch
gar keinen Versuch unternommen hat, die Renaissanceeinbände wenigstens
ungefähr zu klassifizieren. Anthony Hobson scheint bei einem Besuch
der Houghton Library einige italienische Einbände untersucht und
lokalisiert zu haben, wie aus entsprechenden Bemerkungen Walshs im
Supplement in Band 4 hervorgeht (siehe S-1321, S-1809, S-2438, S-2503,
S-2906, S-3487). Bis auf einen (= S-3487), bei dem sich Hobson nicht
auf einen Ort ("From Venice or perhaps Vicenza") festlegen wollte, hat
Walsh diese Einbände dann noch in das schmale Einbandregister dieses
Bandes aufgenommen. Da gerade bei Inkunabeln mit einem hohen
Prozentsatz von Einbänden des 15. und 16. Jahrhunderts zu rechnen ist,
sollten diese auch vollständig in einem Einbandregister erfaßt werden.
Dafür ist es noch nicht zu spät, da Walsh ja einen weiteren Band mit
kumulierten Gesamtregistern angekündigt hat. Das Einbandregister
könnte dann aus mehreren Teilen bestehen. Die beiden wichtigsten Teile
beträfen die zeitgenössischen und die etwas späteren Einbände des 16.
Jahrhunderts. Es müßte auch ohne großen Aufwand möglich sein, die
Einbände dieser beiden Jahrhunderte einigermaßen zuverlässig nach
ihren Herkunftsländern (Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande
usw.) zu gruppieren. Genauso könnte natürlich auch bei den Einbänden
der folgenden Jahrhunderte verfahren werden. Bei den Einbänden des
19./20. Jahrhunderts mit ihrem hohen Anteil signierter Bände
bibliophilen Charakters genügte eine Zusammenstellung nach den Namen
der Buchbinder (von Adams bis Zaehnsdorf). Durch ein solch
differenziertes Einbandregister hätten es künftige Einbandforscher
leichter, an ihr Material zu kommen. Dies stünde auch im Einklang mit
Walshs Bemerkung im Vorwort des ersten Bandes: "I see my task more as
providing a body of material for others to work on than as producing a
final answer to every problem myself" (S. XI).
2.3.4 Register
Damit sind wir bei den Registern, durch die klugerweise schon jeder
einzelne Band erschlossen und damit voll benutzbar ist. Es handelt
sich um jeweils sechs Register in dieser Reihenfolge: 1. Author-title
index; 2. Editors and translators and secondary works, identified and
anonymous; 3. Printers and places; 4. Provenance index; 5. Incunabula
containing manuscripts; 6. Incunabula with identified bindings. Die
drei ersten Register sind notwendig durch die Anlage des ganzen
Katalogs nach druckgeschichtlichen Gesichtspunkten (Proctor order).
Wer Walshs Katalog auf der Suche nach bestimmten Autoren und Texten
benutzt, ist ganz auf die beiden ersten Register angewiesen. Erst das
Gesamtregister in Band 5 wird ihm das Nachschlagen in allen vier
Bänden ersparen. Es bietet auch die Möglichkeit, kleine Unebenheiten
und Druckfehler zu beseitigen (wie z.B. ZAZIUS statt Zasius im zweiten
Register des ersten Bandes). Das Register der Druckorte und Drucker
ist ein alphabetisches Kreuzregister. Da die Inhaltsverzeichnisse der
einzelnen Bände auf diesem Gebiet keinerlei Orientierung ermöglichen,
ist auch dieses Register unentbehrlich. Die Drucker mit Notnamen sind
übrigens im Alphabet alle unter Printer of: aufgeführt mit Ausnahme
des Druckers mit dem bizarren R (= Adolf Rusch), der im
Druckerregister des ersten Bandes beim R als R-Printer erscheint mit
einer halbherzigen Verweisung (see also R-Printer) von Rusch.
2.3.5.1 Provenienzenregister
Für die Erschließung und Geschichte einer Inkunabelsammlung ist
zweifellos der Provenance Index das wichtigste Register. Von den
Schwierigkeiten bei der Erstellung eines solchen Registers war oben
schon die Rede. Auf bestimmte Fehler, die Walshs Provenienzenregister
enthalten, wird bei der Besprechung der einzelnen Bände hingewiesen.
Hier nur noch einige allgemeine Bemerkungen. Vorbesitzer, von denen
nur die Initialen bekannt sind, wurden jeweils an den Anfang des
Buchstabens der ersten Initiale gestellt (z.B. J. W. G. am Anfang von
J). Gelegentlich hat Walsh die Reihenfolge umgedreht, wenn sicher
schien, daß die letzte Initiale auf den Nachnamen des Vorbesitzers
hindeutet (z.B. C., J. H. am Anfang von C statt unter J). Bei größeren
Initialenfolgen (wie z.B. A. T. V. E. W. V.) ist meist anzunehmen, daß
sich dahinter ein Wahlspruch verbirgt. Viele solcher Devisen stehen
auch im Klartext in den Bänden und werden von Walsh bei der
Beschreibung des betreffenden Bandes zitiert. Es läge nahe, sowohl die
Initialenfolgen als auch die Wahlsprüche in einem eigenen Index zu
erfassen, wie das der von Walsh in der Vorrede zu Band 1 (S. XII) als
Vorbild gepriesene J. C. T. Oates in seinem Inkunabelkatalog der
University Library des britischen Cambridge[6] auch tatsächlich tat.
Einen eigenen Index hätten auch die zahlreichen Exlibris verdient, die
in den Inkunabeln der Harvard University Library enthalten sind und
von Walsh im Katalog alle erfaßt wurden.[7] Wie mir durch zahlreiche
Stichproben auffiel, wurden die in frühen Kaufvermerken genannten
Orte, die für den Vertrieb und die Verbreitung der Inkunabeln wichtig
sind, überhaupt nicht ins Provenienzenregister aufgenommen,
ebensowenig die Herkunftsorte der frühen Vorbesitzer, auch wenn sie im
betreffenden Eintrag erwähnt werden. Auch dieser Mangel könnte im
Generalregister behoben werden. Andere Stichproben ergaben, daß auch
namentlich genannte Rubrikatoren (siehe z.B. Nr. 897) nicht in die
Register aufgenommen wurden. Auch sie sollten in einem eigenen
Register verzeichnet werden.
2.3.5.2 Register der Inkunabeln mit handschriftlichen Beigaben
Schon im Vorwort zu Band 1 (S. XI) hatte Walsh vorsorglich darauf
hingewiesen, daß er handschriftliche Beigaben zu den Drucken zwar in
den Beschreibungen erwähnte, aber in der Regel sich nicht um ihre
inhaltliche und paläographische Bestimmung kümmern konnte: "The same
[wie bei den Einbänden] can be said for manuscript leaves, in which
books are sometimes bound or which are inserted as pastedowns or
flyleaves: all I have felt I could do is provide an index of them and
leave it to others to do further work of identification if it seems
desirable." Diesem Zweck dient der Index of incunabula containing
manuscripts, der nur die Nummern der betreffenden Drucke aufführt.
2.3.5.3 Weitere wünschenswerte Register
Ergänzend dazu könnte Walsh in den abschließenden Registerband noch
ein ebenso knappes Nummernregister der Inkunabeln aufnehmen, in die
Druckfragmente oder Druckgraphik eingeklebt sind (wie z.B. in Nr.
890). Desgleichen sollte in einem Register festgehalten werden, welche
Drucke illuminiert sind oder Zeichnungen enthalten. Auch die auf
Pergament gedruckten Inkunabeln könnten leicht zusammengestellt
werden. Im Katalog selbst hat Walsh löblicherweise alle diese
Besonderheiten angegeben. Über den den Registerteil abschließenden
Index of incunabula with identified bindings wurde oben schon alles
Nötige gesagt.
2.4 Bemerkungen zu den einzelnen Bänden
Soviel zu Walshs Katalog im allgemeinen. Vor der Besprechung der vier
Bände im einzelnen ist eine Vorbemerkung angebracht. Den Inhalt aller
vier Bände Nummer für Nummer unter die Lupe zu nehmen und zu
überprüfen, wäre mit einem unzumutbaren Aufwand an Zeit verbunden
gewesen und hätte teilweise eigene Recherchen notwendig gemacht, die
fast der Arbeit des Katalogbearbeiters gleichgekommen wären. Das
Ergebnis hätte dann sicher auch den Rahmen einer Rezension völlig
gesprengt. Der Rezensent wählte den für ihn gangbarsten Weg und
richtete sein Hauptaugenmerk bei den Druckbeschreibungen auf die ihm
wohlvertrauten süddeutschen und bestimmte italienische Drucke. Von den
Registern wurde vor allem der Provenance index in allen vier Bänden
gründlich durchgesehen. Im jeweiligen Katalogteil wurden dann fast
alle Orts- und Personennamen überprüft, bei denen der Verdacht aufkam,
daß ein Fehler vorliegen könnte. Die Ergebnisse der Überprüfung werden
im folgenden nur dann mitgeteilt, wenn sie gleich zur definitiven
Korrektur des betreffenden Eintrags führten. Bei jedem Band stehen am
Anfang die Bemerkungen zu den Drucken, wenn dazu im einzelnen
überhaupt etwas anzumerken war, dann folgen die zu den Registern.
2.4.1 Zu Band 1
2.4.1.1 Zu einzelnen Drucken
Nr. 81
Walsh hat diesen Druck (HC 160; Goff P-716) Goff und damit der älteren
Literatur folgend dem Straßburger Drucker mit dem bizarren R
(R-Printer siehe oben) zugeschrieben. Hier hätte er sich (wie er es in
vielen anderen Fällen ja auch tat) ruhig dem Freiburger Katalog von
Vera Sack (Nr. 2885) anschließen können. Wie man seit langem weiß,
handelt es sich um einen Reutlinger Druck von Michael Greyff, der im
Sommer 1478 auf Reutlinger Papier, das von Straßburger Druckern nicht
benutzt wurde, hergestellt wurde. Auf diesen Sachverhalt hat Adolf
Schmidt schon 1927 in einem in der Folgezeit viel zu wenig beachteten
Aufsatz im Gutenberg-Jahrbuch hingewiesen, ebenso der Rezensent
mehrfach seit 1968.[8] Das Harvard-Exemplar hatte einen illustren
Erstbesitzer. Es enthält eine zeitgenössische, aber anscheinend
undatierte handschriftliche Widmung an den württembergischen gelehrten
Rat Dr. Ludwig Vergenhans, die Walsh leider nur unvollständig
wiedergegeben hat. Entweder fehlt der Name des Gebers heute
tatsächlich oder Walsh ließ ihn weg, weil er ihn nicht entziffern
konnte. Die Vermutung liegt nahe, daß es sich um ein Geschenk des
Herausgebers Niklas von Wyle an seinen Kollegen am Stuttgarter Hof
handelt. Da Niklas von Wyle bereits 1479 starb, müßte die Widmung dann
kurz nach Erscheinen des Bandes erfolgt sein. Eine Abbildung
(vielleicht als Zugabe in Band 5) könnte die erwünschte Klärung
bringen. Auf jeden Fall ist der Band schon sehr früh von seinem
Druckort Reutlingen ins nahe Stuttgart gelangt.
Nr. 107
Hier liegt der gleiche Fall vor wie bei Nr. 81. Obwohl auch in diesem
Fall schon Schmidt (siehe oben und Anm. 8) die richtige Spur gewiesen
hat, wurde dieser Druck noch 1930 im Gesamtkatalog der Wiegendrucke
(GW 4652) dem anonymen Straßburger Drucker des Henricus Ariminensis
zugewiesen. Auch in diesem Fall schließt das überwiegend Reutlinger
Papier Straßburg als Druckort aus. Dieser Greyff-Druck dürfte um 1475
entstanden sein. Im Hinblick auf einige problematische Drucke des
Druckers mit dem bizarren R und des Druckers des Henricus Ariminensis
schrieb der Rezensent in seiner erwähnten Sammelbesprechung von 1973
(siehe Anm. 8): "Mancher angeblich Straßburger Druck wird nach
Reutlingen verwiesen werden müssen" (a.a.O. S. 221).
Nr. 269
Die anderthalb Seiten langen Erläuterungen Walshs zu diesem Druck, der
einst im Gesamtkatalog der Wiegendrucke (GW 220) noch völlig falsch
datiert und lokalisiert worden war, schildern zunächst die Wege der
Forschung, die zur Klärung seiner geographischen Herkunft und zur
richtigen Datierung führten. Im zweiten Teil seiner Erläuterungen
erzählt er dann die spannende Geschichte, wie ihm bei der Untersuchung
dieses Drucks allmählich der Verdacht kam, es könne sich um eine
moderne Fälschung auf altem Papier handeln, der sich schließlich
bestätigte. Dieser Fall ist ein anschauliches Beispiel, wie vorsichtig
man heutzutage beim Ankauf kleinformatiger und schmaler Inkunabeln
sein muß, deren Seltenheit und Kostbarkeit eine Fälschung auf altem
Papier durchaus lohnend erscheinen lassen. Leider konnte Walsh nicht
ermitteln, wann der Druck angeschafft wurde. Er hätte aber erwähnen
können, daß der Sammler William Norton Bullard, mit dessen Sammlung
das Bändchen in die damalige Boston Medical Library gelangte, bereits
1931 starb.[9]
Nr. 293
Walsh folgte hier sowohl in der Druckerbestimmung als auch in der
Datierung "ca. 1499" dem Freiburger Katalog von Vera Sack (Nr. 3380).
Aufgrund des verwendeten Papiers ist der Druck jedoch etwa zehn Jahre
früher (um 1488/89) anzusetzen. Vielleicht handelt es sich auch nicht
um einen Straßburger Druck Peter Attendorns, sondern um einen
Heidelberger Druck Knoblochtzers.
Nr. 906 - 908
Diese drei Nummern fehlen ganz. Sie müßten auf Seite 351 stehen, wo
stattdessen der Satz von S. 350 mit den Nummern 902 bis 905 nochmals
wiederholt ist. Dieses Mißgeschick ist offensichtlich bis zum
Erscheinen von Band 4 nicht bemerkt worden, denn auch im dortigen
Supplement sind die in Band 1 fehlenden Nummern nicht nachgetragen. Es
ist zu hoffen, daß dieser Fehler in einem neuen Supplement in Band 5
bereinigt wird.
Nr. 914:
Dieser Einblattdruck stammt nicht von Zainer in Ulm, sondern von
Knoblochtzer in Heidelberg. Er gehört zu einer Gruppe von Drucken, die
in der Literatur aufgrund der darin verwendeten Initialen und
Randleisten aus dem Besitz des älteren Zainer diesem bzw. hier seinem
Sohn zugeschrieben werden. Es wurde nicht beachtet, daß Johannes
Zainer d.Ä. in den achtziger Jahren des 15. Jahrhunderts aus
finanzieller Not gezwungen war, Teile seines Druckmaterials zu
veräußern, das unter anderem nach Heidelberg gelangte.[10]
Nr. 917
Lirer ist tatsächlich ein sprechendes Pseudonym des nach wie vor
unbekannten Autors des 15. Jahrhunderts.[11]
S.356 f.
Es ist sehr ärgerlich, daß Walsh bei dem Ulmer Drucker Lienhart Holl
wider besseres Wissen die falsche Namensform Holle beibehalten hat,
obwohl er auf Schritt und Tritt meinen Frühdruck im deutschen
Südwesten (siehe Anm. 10) zitiert und sich dort auf den Seiten 261
- 262 absolute Klarheit über Holls Familiennamen hätte verschaffen
können. Natürlich taucht Holl bei Walsh auch an anderen Stellen und im
Register (S. 562) als Holle auf.
S. 414 - 417
Beim Druckort Heidelberg fiel Walsh in längst überholte Schemata
zurück und stellte den sogenannten Drucker des Lindelbach (bei ihm
sogar in der Mehrzahl Printers of Lindelbach wegen der vermuteten
Identität mit den Speyerer Druckern Johann und Konrad Hist) als
eigenen Drucker an die Spitze, statt ihn mit Heinrich Knoblochtzer zum
Erstdrucker Heidelbergs zu vereinigen. Nicht einmal im Druckerregister
(S. 562 - 564) wird ein Zusammenhang zwischen Knoblochtzer und den
Printers of Lindelbach hergestellt, während von den Gebrüdern Hist auf
sie verwiesen wird.
Nr. 1069
Während möglicherweise Nr. 293 (siehe oben) ein Heidelberger Druck
Knoblochtzers ist, dürfte umgekehrt dieser Druck eher von Peter
Attendorn in Straßburg als von Knoblochtzer in Heidelberg stammen.
Petrarca-Ausgaben passen ohnehin besser in das Straßburger Umfeld als
nach Heidelberg.
Nr. 1101
Die undatierten und unfirmierten Drucke des sogenannten Druckers des
Lotharius, die aber alle um 1474 herum entstanden sein dürften, werden
bisher in allen Katalogen unter der Rubrik Deutschland: unbestimmter
Druckort geführt. Eine stärkere Eingrenzung ist inzwischen jedoch
möglich. Durch die mehrfache Verwendung von Reutlinger Papier in
diesen wenigen Drucken scheiden Druckorte am Oberrhein (wie Hagenau
oder Straßburg) aus. Unter den innerschwäbischen Druckorten kämen in
dieser frühen Zeit eigentlich nur Reutlingen oder Blaubeuren in Frage.
Die Lotharius-Type wirkt wie eine Vorstufe der Typen von Mancz in
Blaubeuren. Da außerdem einige Blaubeurer Drucke auf identischem
Papier wie Drucke in der Lotharius-Type gedruckt wurden, hat sich der
Rezensent für Blaubeuren als mutmaßlichen Druckort dieser Drucke
ausgesprochen.
Nr. 1103
Auch diesen Druck hat Walsh im Abschnitt Germany (Unknown Towns)
untergebracht. Wie bei Nr. 914 (siehe oben) handelt es sich jedoch
eindeutig um einen Heidelberger Druck Knoblochtzers.
2.4.1.2 Bemerkungen zum Register der Provenienzen
Einige Hinweise auf Eigenheiten und Fehler im Druckerregister wurden
schon oben gegeben. Auf die in jeder Hinsicht ungenügenden
Einbandregister in allen vier Bänden wird hier nicht mehr eingegangen
(siehe oben). Am meisten anzumerken gibt es zum Provenance Index,
dessen relativ hohe Fehlerquote schon oben angedeutet wurde. In vielen
Fällen sind die Fehler bei Durchsicht des Registers gar nicht zu
erkennen, weil der normierte Registereintrag keine Zweifel aufkommen
läßt. Viele Ungereimtheiten könnten nur durch einen Blick auf das
Original geklärt werden, was ohnehin nicht möglich ist. So kann man
anhand der Transkription einiger Besitzvermerke nur resigniert
feststellen, daß hier etwas nicht stimmt, aber keine Korrektur
vornehmen. Stichproben haben außerdem ergeben, daß zumindest einige
verballhornt wiedergegebene Einträge überhaupt nicht ins Register
übernommen wurden. Hierfür ein Beispiel: Die Ulmer Ausgabe der
Goldenen Bulle Karls IV. von 1484 (Nr. 920) hat laut Walsh am Anfang
folgenden zeitgenössischen Eintrag: "das bouch gehort der kay agt
erhold der grafschaft zo Tyrol". Man spürt sofort den Fehler, zögert
aber zunächst mit der Rekonstruktion des wirklichen Wortlauts. Zum
Glück handelt es sich um einen Sammelband, der drei weitere Inkunabeln
enthält (vorgebunden Nr. 1243 und nachgebunden Nr. 575 und 637). Zwei
davon haben französische Einträge gleichen Inhalts wie der deutsche in
Nr. 920. Der in Nr. 1243 lautet: "A Tyrol herault de lempere(ur)
Maximilian Archid(uc) daustriche". Demnach dürfte der deutsche Eintrag
in Nr. 920 so zu transkribieren sein: "das buoch gehort der
kay(serlichen) Mayt (= Majestät) herold der grafschaft zu Tyrol". Im
Register ist weder ein Eintrag unter Herold noch unter Maximilian I.
oder Tirol (Tyrol). Auffällig in den Provenienzenregistern aller vier
Bände ist das relativ hohe Quantum an nichtidentifiziertem
Klosterbesitz. Meist ging wenigstens aus dem verstümmelten Eintrag der
Orden hervor, dem das Kloster angehörte. Sie erscheinen in den
Registern dann z.B. als Augustinian Hermits (unidentified monastery)
oder College of St. Mary Magdalene (unidentified) usw. Wenn auch der
Orden nicht bekannt war, heißt es einfach Monastery (unidentified). In
den vier Provenienzenregistern tauchen auch Einsprengsel auf, die
eigentlich in andere Register gehören wie z.B. Binding stamp,
unidentified, with motto: De maiorum ... oder Bookplate, unidentified,
with motto: Laboremus. Sie gehören in das oben vorgeschlagene Register
der Wahlsprüche mit Verweisungen vom Einband- bzw. Exlibris-Register.
Nun zu einzelnen Einträgen im Provenance Index des ersten Bandes:
Bibliotheca Rsti (?) Augustani ist wohl trotz der ungeklärten
Abkürzung Rsti eine Augsburger Bibliothek und gehört folglich unter
Augsburg ins Register.
Bolsano. Franciscans = Bozen (Bolzano)
Brixen. Franciscans / Brixen. Poor Clares: hier hat Walsh zwei
Provenienzen teilweise durcheinander gebracht und die betreffenden
Besitzeinträge nicht richtig entziffert. Zur Sachlage: Das
Klarissenkloster St. Elisabeth befand sich in Brixen in der Vorstadt
Runggad (Runkada) und stand unter der Aufsicht der Franziskaner, deren
Kloster an das Klarissenkloster angebaut war. Das erklärt den Wortlaut
der betreffenden Einträge. Nr. 257 gehörte den Klarissen und nicht den
Franziskanern. Statt cenofij moialium (?) heißt es natürlich cenobij
mo(n)ialium. Die von Walsh falsch interpretierten und teilweise falsch
transkribierten Einträge in Nr. 762 und 1097 weisen eindeutig auf die
Franziskaner als Besitzer der Bände hin. In Nr. 762 steht Runkada und
nicht kunkada, während bei Nr. 1097 das Fragezeichen hinter der
Transkription ru(n)kada wegfallen kann (siehe oben).
Brühl. Carthusians ist die Kartause St. Veit in Prüll (heute der
Stadtteil Karthaus-Prüll in Regensburg).
Brunus Aretinus, Leonardus ist keine Provenienz, sondern ein
Übersetzer und gehört in den Index of editors and translators, wo auf
S. 556 schon zwei weitere Nummern unter Brunus verzeichnet sind.
Deservitor (?), Johannes: Wenn man sich den Wortlaut dieses Eintrags
bei Nr. 236 genau ansieht, wird klar, daß Deservitor nicht der
Nachname eines gewissen Johannes ist, sondern seine Stellung als
deservitor Eccl(es)iae (= Kirchendiener) bezeichnet. Er schenkte den
Band dem Franziskanerkloster St. Trudo (wohl Sint-Truiden/Saint-Trond
in Belgien), das im Register fehlt.
Friedrichshafen (Bodensee) Benedictines: zu der hier aufgeführten Nr.
1159 gehört noch Nr. 905. Mit dem fast gleichlautenden dreifachen
Besitzvermerk Monasterij Weingartensis in Veldkirch. In Hofen hat es
folgende Bewandtnis. Zum Benediktinerkloster Weingarten gehörten auch
die Priorate in Feldkirch und Hofen (dem heutigen Friedrichshafen).
Die Bibliothek des Priorats Feldkirch wurde 1695 von dem
neugegründeten Priorat Hofen übernommen und bei der Säkularisation
wieder mit der Bibliothek des Mutterklosters Weingarten
zusammengeführt, dessen alten Besitzvermerk die Bände zusätzlich
tragen. Im Register sollte von allen drei Ortsnamen auf Weingarten
verwiesen werden.
Gerau (?) Monastery ist weder das hessische Groß-Gerau noch Gera in
Thüringen, sondern wahrscheinlich das Prämonstratenserstift Geras in
Niederösterreich.
Gmünd. Dominicans = Schwäbisch Gmünd.
Heidenheim (Bavaria) Benedictines = Kloster St. Wunnibald im
württembergischen Heidenheim.
Hesse. Grossherzogliche Bibliothek = Darmstadt, Großherzogl. Hessische
Hofbibliothek.
Mergenthal. Seminary Library = Mergentheim (heute Bad Mergentheim).
Die Seminarbibliothek ist ein Bestandteil der Deutschordensbibliothek,
die sich heute zum größten Teil in der Württembergischen
Landesbibliothek in Stuttgart befindet.
Muranius (?), Johannes: Der Name lautet sicher Murarius. Wie die
anderen frühen Vorbesitzer dieses Reutlinger Drucks dürfte auch dieser
Murarius aus dem Schwäbischen stammen. Er könnte mit einem der beiden
Träger dieses Namens identisch sein, die 1569 bzw. 1587 an der
Universität Tübingen immatrikuliert wurden. Der Murarius von 1587
stammte außerdem aus Reutlingen.
Philiatrus, Gablerus: Aus dem Wortlaut des Eintrags geht hervor, daß
der Vorbesitzer Venerandus Gabler(us) hieß und folglich im Alphabet
unter G einzuordnen ist. Wahrscheinlich ist er identisch mit dem aus
Nürtingen stammenden Mediziner Venerandus Gabler(us), der ab
Wintersemester 1536/37 in Tübingen studierte und später Dekan der
medizinischen Fakultät wurde. Ein weiterer Venerandus Gabler(us) -
wahrscheinlich der Sohn des Mediziners - wurde am 2.11.1563 ebenfalls
in Tübingen immatrikuliert.
Roth. Premonstratensians = Rot an der Rot. Da es in Deutschland
zahlreiche Orte gibt, die sich Roth schreiben, sollte das
oberschwäbische Rot an der Rot unter seinem amtlichen Namen im
Alphabet erscheinen.
Rottenbuch (Bavaria) Monastery (unidentified) = Rottenbuch, Propstei
der Augustinerchorherren.
Schemonshausen. Augustinian Hermits = Seemannnshausen/Niederbayern,
Augustinerchorherrenstift.
Snalb. Carthusians = Kartause Allerengelberg im Schnalstal (Südtirol).
Statt Snalb ist Snals zu lesen.
Stiefenhofen. Capitulum ruralis: Die Landkapitelsbibliotheken waren
eine Besonderheit des Bistums Augsburg. Sie entstanden im 18.
Jahrhundert und hatten ihre Blütezeit im l9. Jahrhundert. Landkapitel
heißt im Lateinischen Capitulum rurale und nicht C. ruralis wie bei
Walsh.
Tegging (?) Monastery of St. Martin (unidentified) = Deggingen (heute
Mönchsdeggingen/Bayer. Schwaben), Benediktinerkloster St. Martin.
Undensdorf (Bavaria) Augustinian Canons = Indersdorf/Oberbayern.
Vilshovium (?) Capuchins = Vilshofen/Niederbayern.
Wanheur (?), Erasmus: Wenn auch der Name dieses frühen Vorbesitzers
von Walsh nicht entziffert werden konnte, so sollte wenigstens sein
Herkunfts- und Wohnort chytzpüchl (= Kitzbühel in Tirol) ins spätere
Gesamtregister aufgenommen werden. Der wirkliche Name dieses
Kitzbüheler Vorbesitzers lautet übrigens mit Sicherheit Wanner. An der
Wiener Universität wurde am 13. 10. 1500 ein Martinus Wanher (=
Wanner) aus Kitzbühel immatrikuliert, der vermutlich aus derselben
Familie stammt.
Weissenbrunn (Bavaria) Benedictines = Wessobrunn.
Zeno, Saint, Monastery (unidentified) = Bad Reichenhall/Oberbayern,
Augustinerchorherrenstift St. Zeno.
Zahlreiche weitere Einträge sind zwar offensichtlich falsch
transkribiert, können aber ohne Einsicht ins Original in einer
Rezension nicht korrigiert werden. Dies gilt auch für die
Provenienzenregister der drei anderen Bände.
2.4.2 Zu Band 2
2.4.2.1 Zu einzelnen Drucken
Obwohl dieser Band nur die römischen (Nr. 1282 - 1508A) und
venezianischen (Nr. 1509 - 2761) Inkunabeln enthält, ist er der
umfangreichste des ganzen Katalogs. Das hängt natürlich mit Venedig
zusammen, dem mit Abstand größten Druckerzentrum des 15. Jahrhunderts.
Die Dominanz Venedigs spiegelt sich auch in den modernen
Inkunabelsammlungen wider. Vorsorglich macht Walsh in seinem kurzen
Vorwort zu diesem Band auf die schier unlösbaren Probleme aufmerksam,
die die Bestimmung zahlloser unfirmierter venezianischer Drucke aus
dem letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts bereitet. Bescheiden fügt
er hinzu: "Our holdings are here recorded, however, under one printer
or another, so that anyone who wishes to do further typographical
research will find the material ready to hand" (S. VII). Die beiden
wichtigsten Abbreviated references, die Walsh ab Band 2 seines
Katalogs zusätzlich zitiert, sind der bereits 1988 erschienene erste
Band des monumentalen Inkunabelkatalogs der Bayerischen
Staatsbibliothek in München[12] und der seit 1981 ganz abgeschlossene
Inkunabelgesamtkatalog der italienischen Bibliotheken (IGI),[13] den er
in Band 1 noch nicht zitieren mußte. AuffälIig ist jedoch, daß Walsh
das schon 1980 erschienene Gesamtverzeichnis der römischen Inkunabeln[14]
nicht unter seine References aufgenommen hat. Trotz seiner knappen
Angaben ist dieses Verzeichnis sehr nützlich und sollte künftig bei
allen römischen Frühdrucken zitiert werden. Es führt in
chronologischer Abfolge 1828 Drucke auf, die derzeit als römische
Inkunabeln gelten.
Zu den Druckbeschreibungen ist nur wenig anzumerken. Im Vorspann zu
den römischen Inkunabeln geht Walsh (S. 3) auf die erstmals 1981 von
John L. Sharpe III.[15] vorgetragene These ein, nicht die beiden
deutschen Kleriker Sweynheym und Pannartz seien (wie bisher in der
gesamten Literatur angenommen) die Erstdrucker Roms, sondern der aus
Straßburg zugewanderte Kleriker Sixtus Riessinger, der einige Jahre
später nach Neapel weiterzog. Da sich selbst ein so ausgewiesener
Kenner des italienischen Frühdrucks wie Dennis E. Rhodes von den
Argumenten Sharpes überzeugen ließ,[16] schloß sich Walsh dieser Meinung
an. Aber er konnte sich doch nicht dazu durchringen, deshalb die
Reihenfolge der römischen Drucker in seinem Katalog zu ändern: "In
view of the uncertainty, I retain the traditional order of the
printers" (S. 3). Damit war er gut beraten, denn die Hypothese Sharpes
wird sich wohl nicht durchsetzen, da gewichtige Argumente dagegen
sprechen.[17] Hier sei nur auf ein Faktum hingewiesen. Nach seiner
endgültigen Rückkehr ins heimatliche Straßburg gehörte Riessinger auch
zum Bekanntenkreis Jakob Wimpfelings, der ihm in seiner Epitome rerum
Germanicarum (1505) im 65. Kapitel über die Erfindung des Buchdrucks
ein schönes Denkmal setzte. Die darin enthaltenen Informationen
stammen sicher aus erster Hand d.h., was Riessinger angeht, von ihm
selbst. In diesem Abschnitt wird ihm lediglich die Einführung des
Buchdrucks in Neapel zugeschrieben, was der Wirklichkeit entspricht.
Unmittelbar danach ist von Ulrich Han die Rede, mit dem Riessinger in
Rom in enger Verbindung stand. Von ihm schreibt Wimpfeling: "Praeterea
Vdalricus cognomento han, sub idem ferme tempus formas librarias, rem
inauditam, nec unquam romanis visam, romam attulit" (Abkürzungen
aufgelöst). Auch diese Information dürfte von Riessinger stammen.
Demnach sah er in seinem Kollegen Han den Erstdrucker Roms.
Nach seinem achtjährigen Aufenthalt als Drucker in Neapel kehrte
Riessinger nochmals nach Rom zurück und betrieb dort Anfang der
achtziger Jahre des 15. Jahrhunderts erneut eine Druckerei. Zumindest
anfänglich war Riessinger bei seiner zweiten römischen Offizin mit
einem gewissen Georgius Teutonicus liiert, der von den einen (z.B. vom
GW) mit Georg Herolt und von den anderen (darunter BMC und IGI) mit
Georg Lauer identifiziert wird. Walsh schloß sich im Prinzip den
Lauer-Anhängern an, führte aber diese Druckerei separat auf: Georgius
Teutonicus (Lauer ?), in part with Sixtus Riessinger (third press) (S.
79). Harvard besitzt zwei Drucke (Nr. 1481 - 1482), die dieser
Druckerei zugeschrieben werden. Der erste (Nr. 1481) ist unfirmiert;
der zweite (Nr. 1482) ist ebenfalls unfirmiert, weist aber Riessingers
römische Druckermarke auf, was aus Walshs Beschreibung nicht
hervorgeht. Mit ziemlicher Sicherheit stammt dieser Druck aus der
Phase in Riessingers zweiter römischer Zeit, in der er seine Druckerei
wieder allein führte. Im Druckerregister hat Walsh Riessingers zweite
römische (und insgesamt dritte) Druckerei ganz unter den Tisch fallen
lassen. Außerdem fehlt die Verweisung von Lauer auf Georgius
Teutonicus, der nur unter seiner Herkunftsbezeichnung Teutonicus
erscheint; von Herolt wird ohnehin nicht verwiesen.
Damit sind wir bereits bei den Registern dieses Bandes. Im
Druckerregister fiel noch auf, daß der venezianische Drucker Antonio
di Bartolomeo da Bologna, der dann später in Florenz unter seinem
eigentlichen Familiennamen Miscomini firmierte, nur unter Bartolommeo
da Bologna ohne Verweisung von Miscomini aufgeführt wird (S. 610),
während er im dritten Band (S. 358) nur noch als Miscomini geführt
wird.
2.4.2.2 Bemerkungen zum Register der Provenienzen
Altenstenn (?), Cyriacus = Altenstein, Cyriacus von.
B.C.: Wenn die Initialen BC weiß auf schwarzem Grund in einem
eiförmigen Kreis stehen, dann handelt es sich um einen der Stempel der
Biblioteca Corsiniana in Rom.
Bib. Nor.(?) = Bibliotheca Norica - Stadtbibliothek Nürnberg. Der
Druck (Nr. 2111), in den dieses Besitzeretikett der alten Nürnberger
Stadtbibliothek eingeklebt ist, ist mit einem zweiten Druck (Nr.
3421), der in Band 3 beschrieben wird, zusammengebunden. Im
Provenienzenregister von Band 3 ist der Fehler in Band 2
stillschweigend korrigiert. In Band 4 ist ein weiterer Band (Nr. 3792)
mit dem Nürnberger booklabel gleich richtig unter Nuremberg.
Stadtbibliothek eingeordnet.
C. C. E. H. Z. W. O. = Carl Christian Erdmann Herzog zu
Württemberg-Oels (siehe dazu: Katalog der Inkunabeln der Sächs.
Landesbibliothek zu Dresden / Helmut Deckert. - Leipzig, 1957, S.
220).
Himmerode. Cistercians = Himmerod.
Hohenberg (Baden-Württemberg) Benedictines: In Baden-Württemberg gab
es nur eine Propstei Hohenberg, die zum Benediktinerkloster Ellwangen
gehörte und bereits um 1450 erlosch. Der betreffende Eintrag in Nr.
2137 lautet "Est Co(n)ve(n)tus altimo(n)tis S. S. ... & Filio(rum)".
Daraus geht hervor, daß es sich zwar um ein Kloster, aber nicht um ein
Benediktinerkloster handelt. Der betreffende Ort Altus Mons muß nicht
in Deutschland liegen.
Kempten (?) Parish Library: Läßt sich überhaupt nicht überprüfen, da
die Katalognummer fehlt.
Königliche Handbibliothek (unidentified) = Stuttgart, ehemalige
Königliche Hofbibliothek, deren Bestand sich heute in der
Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart befindet. Eine Reihe
von alten Drucken, die nicht unbedingt Dubletten waren, wurden noch im
l9. Jahrhundert (vor 1884) ausgeschieden. Sie tragen nur den älteren
Stempel Königliche Handbibliothek. Die gesamte Inkunabelsammlung der
Hofbibliothek wurde bereits (bis auf einige Nachzügler, die erst nach
dem Ende der Monarchie folgten) im Jahr 1884 der Königl.
Landesbibliothek übergeben.
Protzer, Johannes: Der aus Nördlingen stammende Nürnberger Jurist
vermachte bei seinem Ableben 1528 seine gesamte 290 Bände umfassende
Bibliothek seiner Heimatstadt, wo sich mehr als die Hälfte davon heute
noch befindet. Leider traten im 18. und 19. Jahrhundert größere
Verluste ein, weshalb Bände aus Protzers Besitz heute über die halbe
Welt verstreut sind. Zum Glück hat sich der lange Zeit verschollene
Katalog dieser Privatbibliothek in Straßburg erhalten. Er wurde sogar
zweimal (1920/21 und 1942) publiziert, so daß auch die heute in
Nördlingen fehlenden Bände wenigstens bibliographisch ermittelt werden
können. Vorausblickend hatte der Rezensent 1981 geschrieben: "Vor
allem in jenen Bibliotheken sind solche Bände zu erwarten, die ihren
Bestand an Frühdrucken im 19. und frühen 20. Jahrhundert durch
systematische Ankäufe vermehren konnten (also besonders in den
angelsächsischen Bibliotheken diesseits und jenseits des Ozeans)".[18]
Durch Walshs Katalog ist jetzt der Aufbewahrungsort von insgesamt fünf
weiteren Protzer-Bänden bekannt geworden.
Ranshofen. Augustinian Canons = Ranshofen am Inn (Oberösterreich),
Augustinerchorherrenstift. Die auf den Einband des betreffenden
Bandes (Nr. 1497) gestempelten Initialen B. M. S. R. mit der
Jahreszahl 1669 weisen ebenfalls auf dieses Kloster hin. Von ihnen
sollte im Register auf Ranshofen verwiesen werden.
Vuipacherus, Tobias = Wipacher.
Zobius, Paulus: möglicherweise Paolo Giovio (Jovius) in dialektaler
Schreibweise.
2.4.3 Zu Band 3
2.4.3.1 Zu einzelnen Drucken
Zu den Druckbeschreibungen ist fast nichts anzumerken. Zwei Druckorten
(Padua und Florenz) hat Walsh je eine preliminary note
vorausgeschickt. Im Vorspann zu Padua (S. 12) weist er darauf hin, daß
durch die inzwischen allgemein akzeptierte Identifizierung des früher
nach Florenz verlegten sogenannten Druckers des Mesue mit dem Paduaner
Drucker Lorenzo Canozzi (Canozius), Padua zeitlich vor Florenz rückt,
was eine Änderung des alten Proctor order zur Folge hat. In der
preliminary note zu Florenz (S. 28) mußte er darauf hinweisen, daß die
Bestimmung und zeitliche Einordnung vieler unfirmierter und
undatierter Florentiner Drucke vom Ende des 15. Jahrhunderts
mindestens so schwierig ist wie die entsprechender venezianischer
Drucke (siehe oben). Deshalb ist er bei Florenz in einigen Fällen von
seinem Grundsatz abgewichen, keine Drucke ausführlich zu beschreiben,
die mit ziemlicher Sicherheit nach 1500 erschienen sind und zwar "in a
number of cases where the book has been listed by many authorities as
an incunable and is rare enough so that only a few copies have been
recorded but never adequately described." Dagegen hat er am Schluß der
Florentiner Drucke unter der Zusatznummer (3035e) noch eine Gruppe von
zehn undatierten Savonarola-Ausgaben nur mit ihren Hain-, Proctor- und
Goff-Nummern aufgelistet, die nach seiner Meinung dem frühen 16.
Jahrhundert angehören. Darunter sind aber wieder einige, die
vielleicht doch noch ins 15. Jahrhundert gehören und deshalb vom
italienischen IGI als Inkunabeln erfaßt wurden (siehe IGI 8751, 8765,
8776, 8787). Diese unterschiedliche Behandlung illustriert tatsächlich
die Schwierigkeiten, die die zeitliche Einordnung solcher Drucke
bereitet.
Nr. 3332
Walsh hat diesen Mantuaner Druck noch unter dem Drucker P. A. de
Michaelibus eingeordnet, obwohl er in den Erläuterungen dazu auf die
Probleme eingeht, die die Zuweisung dieses Drucks bereitet. Inzwischen
weiß man, daß de'Micheli seine kurze Laufbahn als Drucker bereits im
Frühjahr 1473 definitiv beendete und folglich als Urheber dieses
Drucks von 1474 ausscheidet. Der Druck stammt von seinem ersten
Mitarbeiter Paul von Butzbach, der in der Harvard-Sammlung mit
weiteren Drucken (Nr. 3335A - 3339) vertreten ist. Der von Walsh in
der Erläuterung zu Nr. 3332 erwähnte Georgius war nicht Pauls Bruder,
sondern (wie erst seit kurzem bekannt ist) nur sein zeitweiliger
Partner. Er kam auch nicht aus Butzbach, sondern aus Augsburg.
S. 284
Bei dem Drucker Bevilaqua ist die italienische Schreibung Bevilacqua
vorzuziehen; das gilt auch schon für den zweiten Band und hier für das
Register (S. 356). Damit sind wir bei den Registern, wo im
Druckerregister bei Gallus, Bonus aus Versehen ein Teil des Ortsnamens
Colle di Valdelsa (nämlich Colle di) aus der Spalte mit dem Druckort
nach vorn zum Druckernamen gerückt wurde. Der Drucker mit dem Notnamen
Drucker des Mesue fehlt ganz unter Printer of:. Von ihm sollte aber im
geplanten Gesamtregister auf Canozius verwiesen werden, da er in den
meisten älteren Katalogen noch unter seinem Notnamen erscheint.
2.4.3.2 Bemerkungen zum Register der Provenienzen
Cistercians (unidentified monastery) = Oliva (Danzig),
Cistercienserkloster. Der Eintrag in Nr. 3120 Beatae Mariae de Oliua
Ordinis Cisterciorum in [illegible] ist entweder durch Dantisco oder
Gedano, die lateinischen Bezeichnungen für Danzig, zu ergänzen. Oliva
ist ein Vorort von Danzig.
Lier, - = R. Lier & Co., Antiquarian booksellers & publishers,
Florenz. Das in deren Cat. 9 (1926) unter Nr. 20 angebotene Exemplar
dieses Drucks (HC 6194) scheint jedoch nicht das von Walsh (Nr. 2989)
beschriebene zu sein. Entweder wurde das Harvard-Exemplar von Lier
außer Katalog angeboten oder es stammt aus einem anderen
Lier-Katalog.
Monastery of St. Euphemia (unidentified) = Brescia,
Benediktinerkloster Santa Eufemia.
Ol'denburg, - Prince of = Graf von Oldenburg (?).
Ricasoli Ridolfi, Laudomia: Bei ihr müßte auch von Ridolfi verwiesen
werden, da sie sich auch als Laudomia Ridolfi in ihre Bücher eintrug.
Die Württembergische Landesbibliothek besitzt einen Sammelband aus
ihrem Besitz mit einem solchen Eintrag.
Zellkis (?), Johannes: Der ungeklärte Besitzvermerk befindet sich in
Nr. 3310 (statt 33101).
2.4.4 Zu Band 4
2.4.4.1 Zu einzelnen Drucken
Band 4 enthält am Ende des Katalogs und vor dem Supplement die
separate Beschreibung des mit 27 verschiedenen Ausgaben in 35
Exemplaren eindrucksvollen Bestands an hebräischen Inkunabeln. Kurz
nachdem Walsh das Manuskript seines vierten Bandes in Druck gab,
erschien im Dezember 1994 eine weitere Publikation des derzeit besten
Kenners des hebräischen Frühdrucks, Adriaan K. Offenberg, in der er
die zeitliche Abfolge der hebräischen Inkunabeln aus Mantua einer
gründlichen Untersuchung unterzog.[19] Demnach lassen sich die beiden in
Harvard vorhandenen Mantuaner Hebraica, bei denen Walsh nur die
Eckdaten ca. 1474/77 angegeben hat, zeitlich etwas enger eingrenzen.
Nach Offenberg (a.a.O. S. 312) ist Heb-4 1474 - 75 und Heb-5 1475 - 76
anzusetzen.
2.4.2.2 Bemerkungen zum Register der Provenienzen
Carthusians (unidentified monastery) = Abbeville (worunter es im
Register schon erfaßt ist).
Martin, - of Louvain = Louvain (Löwen), St. Martin (?).
Rath, Eric von = Rath, Erich von.
Wie die der anderen Bände enthält auch der Provenance index dieses
vierten Bandes zahlreiche Einträge, die Walsh mit einem Fragezeichen
versehen mußte und die allenfalls durch Einsichtnahme in die Bände
selbst geklärt werden könnten. Hinzu kommen noch viele unidentified
Klöster, Exlibris und Wappen.
3 Zusammenfassende Würdigung
Die zahlreichen Korrekturen, die der Rezensent vor allem bei den
Provenienzen anbringen mußte, und die oben vorgetragenen Einwände
gegen die rudimentären Einbandregister dürfen nicht den Eindruck
erwecken, Walshs Katalog weise überhaupt größere Mängel auf. Es
handelt sich im Gegenteil um einen sehr sorgfältig erarbeiteten
Katalog einer der bedeutendsten Inkunabelsammlungen, die - wie gerade
die Durchsicht der Provenienzenregister offenbart - eine große Zahl
von Bänden aus den Bibliotheken berühmter Vorbesitzer aus allen
Jahrhunderten seit Beginn des Buchdrucks ihr eigen nennen kann. Ihr
inhaltlicher Reichtum rührt nicht zuletzt vom Mäzenatentum
amerikanischer Sammler her, die ihre kostbaren Sammlungen ganz oder
teilweise der Harvard University vermachten. Allein durch die
Inkunabelsammlung von James Frothingham Hunnewell, die sein Sohn James
Melville Harvard überließ, kamen schon 1919 seltenste Drucke in die
Bostoner Bibliothek. Philip Hofer (1898 - 1984), der jahrzehntelang
als Curator an der Harvard University Library tätig war, stiftete
seiner Bibliothek im Laufe der Jahre zahlreiche illustrierte
Inkunabeln von höchstem Wert, die er mit großer Kennerschaft gesammelt
hatte. Die Liste der Stifter, die die Inkunabelsammlung von Harvard
bereicherten, ist lang. Dazu kommen große Erwerbungen, die ebenfalls
häufig durch Stiftungen ermöglicht wurden. Daß die Harvard University
Library zum Beispiel seit langem die größte Savonarola-Sammlung
Amerikas besitzt, was sich besonders in der Inkunabelsammlung
widerspiegelt, ist dem vor allem durch Stifter (darunter kein
Geringerer als John Pierpont Morgan jr.) 1921 finanzierten Ankauf der
Savonarola-Sammlung von Henry Roderick Newman zu verdanken.
Gerade die außergewöhnliche Vielfalt und Bedeutung der jetzt in einem
vollständigen Katalog erfaßten Sammlung verpflichtet zur umfassenden
Erschließung ihrer individuellen Merkmale durch gründliche, umsichtig
angelegte Register, wie sie oben angeregt wurden. So ruhen die
diesbezüglichen Hoffnungen auf dem Gesamtregister im abschließenden
fünften Band des Katalogs.
Peter Amelung
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