Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 4(1996) 4
[ Bestand in K10plus ]

Länderbericht Japan


96-4-525
Länderbericht Japan : Geographie, Geschichte, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur / Hans Jürgen Mayer ; Manfred Pohl (Hrsg.). - Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1995. - XII, 556 S. : graph. Darst., Kt. ; 22 cm. - ISBN 3-534-12743-9 : DM 49.80, DM 39.80 (Mitgl.-Pr., Best.-Nr. B 12743-9)
[3267]

Im Länderbericht Japan wird in fünf Kapiteln, auf die 51 Sachartikel verteilt sind, ein umfassendes Spektrum des gegenwärtigen Japan geboten, das unter Mitwirkung der Bundeszentrale für Politische Bildung von zwei namhaften Japan-Kennern zusammengestellt und herausgegeben wurde. Das Schwergewicht liegt auf Themen der Bereiche Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, denen jeweils ein Kapitel gewidmet ist, wohingegen das Abschlußkapitel Kultur in gedrängter Kürze gehalten ist. Den Anfang bildet ein Übersichtskapitel über Geographie und Geschichte. Jedes Kapitel wird durch eine Überblicksbibliographie abgeschlossen. Die stets unbebilderten Artikel sind zumeist mit ausführlichen Literaturangaben versehen und werden durch eine Zeittafel mit den Hauptdaten der japanischen Geschichte sowie einer Liste der Ministerpräsidenten seit 1945 ergänzt. Zur weiteren Erschließung dient ein Personen- und ein ausführliches Sachregister.

Bei den meisten Artikeln handelt es sich um erstklassige Zusammenfassungen des wichtigsten Faktenmaterials, verbunden mit überzeugenden Kommentaren und Interpretationen. Hervorgehoben seien: die vorsichtig urteilende, klug auswählende und kritisch sichtende einleitende Beschreibung der Geographie durch W. Flüchter (S. 17 - 53); die kenntnisreichen und nuancierten Überblicke über die deutsch-japanischen Beziehungen von H. Kreft (S. 237 - 247, 384 - 394); die wohltuend nüchterne Analyse der Wirtschaftsbeziehungen Japans zur EU von K.-R. Korte (S. 337 - 350); die differenzierte und sorgfältig abwägende Darstellung von Jugend und Familie durch R. Mathias (S. 417 - 425); sowie nicht zuletzt der in seiner Kürze meisterhafte Essay über Sprache und Schrift von R. Schneider (S. 463 - 466).

Weniger gelungen sind einige Beiträge in den Kapiteln Politik und Wirtschaft. M. Pohls Ausführungen über japanisch-indische Beziehungen sind durch keinerlei Kenntnisse historischer Quellen getrübt; U. Wattenbergs Verlautbarungen über Forschung und Entwicklung reproduzieren das gängige Klischee der mangelnden Grundlagenforschung und lassen die Geistes- und Sozialwissenschaften außer Betracht; in P. Kevenhörsters Aphorismen zur Außenpolitik erscheint Japan wesentlich als Spiegelbild US-amerikanischer Perzeptionen; U. Teichlers Deutung der Erziehung und Ausbildung krankt daran, daß die Auswirkungen der "Bubble economy" auf das Bildungswesen (z.B. Zunahme des Interesses an weiterführenden Studien infolge des Angebotsrückgangs offener Stellen) nicht berücksichtigt werden. Daneben bestehen allgemeine Defizite: Die Außenbeziehungen Japans werden getrennt nach Politik und Wirtschaft dargestellt, wodurch Zusammenhänge zerrissen werde. Überdies gelten in beiden Bereichen verschiedene Auswahlkriterien; so findet sich ein emotional pauschalierender Artikel über Japan und die Koreaner im Kapitel Politik, wohingegen die japanisch-koreanischen Wirtschaftsbeziehungen nicht eigens thematisiert werden. Umgekehrt hat der Artikel Japan und Südostasien im Kapitel Wirtschaft unter Politik kein Pendant. Hinzu kommt, daß die Beziehungen Japans zur Außenwelt im Kapitel Kultur überhaupt nicht systematisch dargestellt werden. Unhaltbar sind schließlich die meisten Aussagen von R. Wuttkowski in ihrer einleitenden Übersicht zur Geschichte. Da es inzwischen auch im deutschen Sprachraum genügend Japanologen mit Kenntnissen der historischen Methode gibt, fragt man sich, wie es zu diesem Artikel kommen konnte. Gleichermaßen problematisch ist der Einfall der Herausgeber, einen nur leicht entstaubten Ladenhüter aus der Artikelsammlung des Zeit-Herausgebers T. Sommer anstelle einer Einleitung abzudrucken. Dieser in den 80er Jahren zuerst publizierte Artikel mag zwar als historische Quelle von Interesse sein, für das gegenwärtige Japan zeigt er aber nur, wie sehr Sommers altmodische Auffassungen und Einstellungen denen widersprechen, die in den fundierten Artikeln des Hauptteils vorgetragen werden.

Dieses in der Hauptsache gelungene Werk markiert einen deutlichen Fortschritt in der deutschsprachigen Erforschung des gegenwärtigen Japan. Es sollte in keinem Präsenzbestand fehlen.

Harald Kleinschmidt


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