Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 4(1996) 4
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China bibliography


96-4-523
China bibliography : a research guide to reference works about China past and present / by Harriet T. Zurndorfer. - Leiden [u.a.] : Brill, 1995. - XIV, 380 S. ; 25 cm. - (Handbuch der Orientalistik : Abt. 4, China ; 10). - ISBN 90-04-10278-7 : hfl. 174.00
[2958]

Das Handbuch der Orientalistik ist ein renommiertes vielbändiges Unternehmen, dessen Ehrgeiz dahin geht, in monographischer Form Standardwerke für einzelne Regionen und Sachbereiche des Orients zu liefern. Dies geht recht langsam vor sich, da oft nicht die geeigneten Spezialisten zur Verfügung stehen. Über China sind bislang erst wenige Bände, und dazu über ganz verschiedene Sachgebiete erschienen.[1] Mit dem nun erschienenen Band zur chinesischen Bibliographie liegt ein begrüßenswertes Hilfsmittel für einen breiteren Kreis von wissenschaftlichen Interessenten vor.

Es ist natürlich keine leichte Aufgabe, einen so umfassenden Kulturbereich wie China bibliographisch in einem Band zu behandeln. Es existiert eine solche Fülle von Material, daß Akzente zu setzen sind. Die Autorin hat versucht, einen Mittelweg zu gehen, indem sie einen Schwerpunkt auf die allerneueste Literatur gelegt hat. Dabei steht chinesisch- und englischsprachiges Material im Vordergrund. Von sonstigen Sprachen finden noch Französisch und Japanisch eine gewisse Berücksichtigung, während anderes Schrifttum nur selten erwähnt wird; besonders bedauerlich ist dies hinsichtlich der russischsprachigen Publikationen. Im Bereich der Geschichte, der der Autorin besonders naheliegt, sind wegen des Vorhandenseins einiger guter Nachschlagewerke zum kaiserlichen[2] wie modernen China[3] zahlreiche Titel ausgeschlossen oder mit Hinweis auf diese Publikationen besprochen. Das gleiche gilt für frühe chinesische Texte[4] und traditionelle chinesische Nachschlagewerke.[5] Darüber hinaus sind auch Gebiete wie Kunst, Archäologie, Religionswissenschaft, Recht, Missionsgeschichte nur ganz am Rande behandelt. "Sondergebiete" wie Hong Kong und Taiwan werden nur marginal berücksichtigt. Während also auf eine Reihe von existierenden Nachschlagewerken Bezug genommen wird, so auch auf die exzellente Bibliographie der Bibliographien von T. H. Tsien,[6] sind andere, wie die von P. Cheng und E. Wolff,[7] nicht genannt.

Der Literaturführer von Wolff verfolgt eine durchaus praktisch-didaktische Absicht - er ist für Sinologie- u.a. Studenten gedacht. Damit kommen wir zu einem anderen Aspekt, der in diesem Kontext denkbar wäre, nämlich die Einführung in den Umgang mit den Bibliographien. Ist dies schon für den Bereich der westlichen Länder ordentliches Lehrfach, so ist der Bedarf für den orientalischen Bereich um so größer. Auch hier geht die Autorin einen Mittelweg - hinsichtlich einiger wichtiger Punkte gibt sie nützliche und ausführliche Hinweise, so zur Umrechnung chinesischer Daten. Generelle Darstellungsmethode ist jedoch, im Rahmen der Gliederung in einzelne Sachbereiche (1. Introduction, 2. Bibliographies, 3. Journals and newspapers, 4. Biography in China: past and present, 5. China's geography, 6. Dictionaries, 7. Encyclopedias, yearbooks, and statistical concordances, 10. The Chinese calendar, 11. Translations) zunächst einen einleitenden Essay zu geben, auf den dann die annotierten Listen der betreffenden Nachschlagewerke folgen. - Ein weiterer Aspekt der Bibliographie, der besonders im angelsächsischen Raum eng mit dem Begriff verbunden ist (übrigens ebenso in China), nämlich die Beschreibung von Büchern, ihren Ausgaben und Einbänden, ihrem Erscheinungsverlauf, und der Technik dieser Beschreibung, spielen in vorliegender Darstellung nur eine geringe Rolle.

In den Anhängen wird eine der heutzutage im Westen bekanntesten Bibliotheksklassifikationen wiedergegeben, die des früheren chinesischen Bibliothekars der Harvard-Universität, K'ai-ming Ch'iu (das sog. Harvard-Yenching System). Die sonstigen Klassifikationen, wie die der Library of Congress und das klassische Szu-k'u-System werden in der Einleitung nur gestreift. Chinesische und japanische Schriftzeichen sind durchweg gegeben. Als Umschrift ist die traditionelle Wade-Giles-Umschrift gewählt worden, die ja in vielen Bibliotheken, besonders durchweg in den USA, gebraucht wird. Die Register umfassen Personen-, Titel- und Sachregister und erweisen sich als sehr nützlich. Am Anfang steht eine historische Einleitung zur Sinologie, die sich auf die Frühzeit und die Entwicklung in Frankreich bezieht und dann auf Japan, China und die USA in der neueren Zeit übergeht. So wertvoll insbesondere die Mitteilungen über Naitô Torajirô, Wang Kuo-wei usw. sind, so entsteht doch ein ziemlich unausgewogener Eindruck - ein großer Teil Europas wird nicht berücksichtigt.

Im einzelnen fielen bei flüchtiger Durchsicht allerlei Dinge auf, die als Anregung im Hinblick auf eine Neuauflage mitgeteilt seien:

S. 6: Among the nations of Asia (in the broadest sense), China was the last to be studied seriously. Japan war auf jeden Fall später!

S. 7: Da bei Martin Martinis Sinicae historiae decas prima (München, 1658) auf das T'ung-chien kang-mu als Quelle hingewiesen wird, hätte man es bei Martinis Novus atlas sinensis (Amsterdam, 1655) auch tun können (Kuang-yü-t'u).

S. 8: Hier wird der erste Druck chinesischer Zeichen in Europa Jacob Golius zugeschrieben. Aber bekanntlich finden sich schon drei Zeichen in Mendozas Historia de las cosas mas notables ... de la China (Roma, 1585), die von Bernardino Escalante Discurso de la navegación que los Portugueses hazen en los reinos y provincias del oriente (Sevilla, 1577) übernommen wurden.

S. 11: P. Amiot wird mit einem Dictionnaire mandchou-française [sic] und einem Dictionnaire polyglotte sanskrit-tibétain-mandchou-mongolchinois erwähnt. Ersteres heißt korrekt Dictionnaire tartare-mantchou françois, composé d'après un dictionnaire mantchou-chinois / rédigé [...] par L. Langlès. - Paris, 1789 - 1790. Das zweite Wörterbuch, bei dem es sich eigentlich um eine Version des Mahâvyutpatti handelt, wurde von Amiot an die Bibliothèque Royale geschickt und erst von Rémusat teilweise ediert: Sur un vocabulaire philosophique en cinq langues, imprimé à Péking (Mélanges asiatiques / Rémusat. - 1. 1825, S. 153 - 183 und 452 - 454). Insofern hat die Autorin recht, daß letzteres schlecht erreichbar gewesen sei. Allerdings ist es ein Spezialwörterbuch für den Buddhismus, paßt also schlecht in die Diskussion um die Notwendigkeit eines chinesischen Wörterbuchs in Europa.

S. 12: Wörterbuch des Basilio Brollo de Glemona; es ist wahr, daß durch einen früheren Schreibfehler Padre Brollo meist als aus Glemona stammend bezeichnet wurde; heute aber sollte man den Schreibfehler Geschichte sein lassen und lieber korrekt Gemona sagen.

S. 13, Anm. 31: Hanayamas Bibliography of Buddhism (Tôkyô, 1961) ist doch wohl ein sehr unvollkommenes Hilfsmittel, um die Veröffentlichungen Abel Rémusats kennenzulernen. Rémusats erste Publikation erschien keineswegs 1818, sondern bereits 1811: Essai sur la langue et la littérature chinoises : avec cinq planches, contenant des textes chinois, accompagnés de traductions, de remarques et d'un commentaire littéraire et grammatical ; suivi de notes et d'une table alphabétique des mots chinois / par J. P. Abel-Rémusat. - Paris ; Strasbourg : Treuttel et Wurtz, 1811. - X, 160 S. : 4 Falttafeln ; 23 cm. Das chinesische Titelblatt ("gravé par Miller") ist gar 1810 datiert. - Die für 1818 erwähnte Arbeit über Jade, übrigens: Notice sur la substance minérale appelée par le Chinois pierre de Iu / J. P. Abel-Rémusat. // In: Journal des savants. - 1818, S. 748 - 757 ist keineswegs Rémusats erste Veröffentlichung nach Antritt der Professur. - Da Rémusat (mit Recht) ausführlich behandelt wird, sollte auch Julius Klaproth (1783 - 1835) erwähnt werden, der als zweite wichtige Persönlichkeit für die Entwicklung der europäischen Sinologie zu einer kritischen Wissenschaft verantwortlich ist.

S. 17: ist aus dem Historiker Ludwig Riess ein Reiss geworden. Überhaupt sind die wenigen deutschen Zitate recht ungenau (z.B. Anm. 40).

S. 31: The Germans Paul Carus and Bernard Laufer, both at the University of Chicago ... Ob Paul Carus unbedingt bei den Sinologen genannt werden muß, wenn bedeutendere Namen auf diesem Gebiet fehlen, sei dahingestellt. Laufer, übrigens nicht Bernard, sondern Berthold, lehrte nicht an der Universität, sondern war Kustos am Field Museum.

S. 34, Anm. 91: Über die Sammlungen der Library of Congress hat nicht Shu Chao-hu, sondern James S. C. Hu gearbeitet.

S. 61: Das Autorenregister zu Cordiers Bibliotheca sinica ist nicht nur "somewhat unreliable in part", sondern enthält nur gut 50 % der im Originalwerk verzeichneten Namen. - Yüang Tung-lis China in Western literature enthält nicht nur "monographs in English, French, German, and Portuguese", sondern auch auf Schwedisch und Lateinisch, wahrscheinlich auch Spanisch und Italienisch (nicht geprüft).

S. 62: Die Qualität von John Lusts Western books on China ... in allen Ehren, aber warum ist gerade dieser Bibliothekskatalog "an invaluable source for following publishing trends on China in Europe"? All das findet sich auch bei Cordier u.a.

S. 64: Revue bibliographique de sinologie: "The value of this series is that it 'introduces' the beginning student to the names of well-known scholars and publications". Das erscheint doch als sehr vordergründig. Die Revue ist ein wertvolles Hilfsmittel auch für den Spezialisten, der weder Zeit noch Gelegenheit hat, alle Publikationen selbst durchzulesen und so bequem die Abstracts durchsehen kann.

S. 69: Hervouet und Balazs waren Herausgeber, nicht Autoren der Sung bibliography.

S. 71: Zu W. Bauers German impact on modern Chinese intellectual history (1982) ist ein umfangreicher Index[8] erschienen, da das Werk ohne Index kaum zu gebrauchen ist.

S. 74: Es ist bedauerlich, daß das immens wichtige Wörterbuch Hôbôgirin ohne Annotation geblieben ist, auch wenn es nur in Lieferungen sehr langsam erscheint.

S. 79: Die jährlich in der Zeitschrift Isis erscheinende Bibliographie gibt einen Überblick über neue Publikationen zur Wissenschaftsgeschichte. Insofern sollte die Eintragung nicht auf die hier genannte 96. Bibliographie aus dem Jahre 1971 beschränkt bleiben.

S. 120: Die Liste wichtiger chinesischer Zeitschriften gibt keinerlei Auskunft über Beginn und Erscheinungsort.

S. 142: Bei der Erläuterung chinesischer Namen wäre doch ein Hinweis auf W. Bauers umfangreiche Habilitationsschrift Der chinesische Personenname (Wiesbaden, 1959) zu erwarten.

S. 164: Retsujoden sakuhin, wohl eher Index zu Ausgaben des Lieh-nüchuan, als "index to various traditional biographies of virtuous women".

S. 268: Das Szu-k'u ch'üan-shu war großenteils nicht gedruckt. Insofern kann es sich nur teilweise um ein Faksimile handeln, nämlich der Teile, die während der Republik gedruckt wurden.

S. 320: Sources of Chinese traditions. Die Beschreibung ist nicht unrichtig, aber die Vielfalt der Texte ist doch eher literarisch und philosophisch ausgerichtet. Die Sammlung unter Official documents einzureihen, scheint etwas einseitig.

S. 271: Pai-pu ts'ung-shu. Die Angabe, daß es sich um eine "large number of ts'ung-shu found on Taiwan" gehandelt habe, ist richtig. Es könnte jedoch der Eindruck entstehen, es handele sich um etwas speziell Taiwanesisches, was nicht der Fall ist. Selbstverständlich mußte man die Originale besitzen, um den Neudruck zu unternehmen. Die "large number" ist hundert, wie der Titel sagt.

S. 285: Man-wen T'u-erh-hu-t'e tang-an i-pien ... Manchu archives of T'u-erh-hu-t'e. Das ist zwar korrekt, führt aber nicht weiter. Es handelt sich um eine Auswahl aus den Dokumenten über die Torguten, einen mongolischen Stamm, der während der Ch'ien-lung-Zeit aus Rußland nach China zurückkehrte. Sven Hedin hat übrigens diesen Vorgang in seinem Buch Jehol eindrucksvoll geschildert.

S. 286: Chung-kuo hai-kuan mi-tang - Ho-te, Ching-teng-kan han-tien hui-pien. Es wäre besser auf die folgende Edition zu verweisen, da es sich ja um Originale in englischer Sprache handelt: Archives of China's imperial maritime customs : confidential correspondence between Robert Hart and James Duncan Campbell, 1874 - 1907. - Peking : Foreign Languages Press, 1990. - Vol. 1 - 4.

Zusammenfassende Würdigung: Ein sehr bemühter Versuch einer umfassenden bibliographischen Darstellung, deren Hauptschwerpunkt und größter Nutzen in der Verzeichnung der aktuellsten chinesischen Literatur liegt. Für die älteren Veröffentlichungen sollte man tunlichst die Arbeiten von Teng/Biggerstaff, Cordier, Yüan, Wolff, Tsien usw. usw. heranziehen. Der Aspekt der deskriptiven Bibliographie verdient eine eigene Darstellung, da er hier kaum behandelt ist. Das didaktische Element - Einführung in die Benutzung der Nachschlagewerke - ist in einigen Fällen (Chronologie, Personennamen) im Ansatz gut ausgeführt. Dieser Aspekt verdiente weitere Aufmerksamkeit und Förderung.

Hartmut Walravens


[1]
2. Literatur, 1. Chinesische Dichtung. 1989. - 4. Religion und Brauchtum, 1. Die alte chinesische Religion und das Staatskultwesen. - 1976. - 6. Recht : chinesische Rechtsgeschichte. - 1980. - 9. Iron and steel in ancient China. - 1993. (zurück)
[2]
The history of imperial China : a research guide / Endymion Wilkinson. - Cambridge, Mass. : Harvard University Press, 1973. - 213 S. - (Harvard East Asian monographs ; 49). - Updating Wilkinson : an annotated bibliography of reference works on imperial China published since 1973 / James H. Cole. - New York, 1991. - VII, 111 S. - ISBN 0-9629122-0-4. (zurück)
[3]
Modern China 1840 - 1972 : an introduction to sources and research aids / Andrew J. Nathan. - Ann Arbor, Mich., 1973. - VI, 95 S. - (Michigan papers in Chinese studies ; 14). - Modern China : a bibliographical guide to Chinese works 1898 - 1937 / John K. Fairbank ; Liu Kwang-ching. - Cambridge, Mass. : Harvard University Press, 1960. - 608 S. - (Harvard-Yenching Institute studies ; 1). (zurück)
[4]
Early Chinese texts : a bibliographical guide / Michael Loewe. - Berkeley, Calif., 1993. - XIV, 546 S. - (Early China special monograph series ; 2) - ISBN 1-55729-043-1. (zurück)
[5]
An annotated bibliography of selected Chinese reference works : 1898 - 1937 / Ssu-yü Teng ; Knight Biggerstaff. - 3. ed. - Cambridge, Mass. : Harvard University Press, 1971. - 250 S. - (Harvard-Yenching Institute studies ; 2) (zurück)
[6]
China : an annotated bibliography of bibliographies / T. H. Tsien. - Boston, 1978. - XXVII, 604 S. (zurück)
[7]
China / Peter Cheng. - Oxford [u.a.] : Clio Press, 1983. - XX, 390 S. - (World bibliographical series ; 35).
Chinese studies : a bibliographic manual / Ernst Wolff. - San Francisco : Chinese Materials Center, 1981. - XIV, 152 S. - (Bibliographical series ; 1). (zurück)
[8]
Indices to Bauer/Hwang: German impact ... / Hartmut Walravens. - Hamburg : Bell, 1982. - 136 Bl. - (Han-bao-dong-ya-shu-ji-mu-lu ; 12). (zurück)

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