Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 4(1996) 2/3
[ Bestand in K10plus ]
[ Bestand in K10plus ]

Medieval France


96-2/3-349
Medieval France : an encyclopedia / William W. Kibler, Grover A. Zinn, eds. - New York ; London : Garland, 1995. - XXVI, 1047 S. : Ill. ; 29 cm. - (Garland encyclopedias of the Middle Ages ; 2) (Garland reference library of the humanities ; 932). - ISBN 0-8240-4444-4 : $ 95.00
[3076]
96-2/3-350
Dictionnaire de la France médiévale / Jean Favier. - [Paris] : Fayard, 1993. - 982 S. ; Ill., 25 cm. - ISBN 2-213-03139-8 : FF 750.00
[3361]

Mit Medieval France legt Garland das zweite Werk in einer Reihe von Lexika zum Mittelalter vor, nachdem ein Band über das mittelalterliche Skandinavien 1993 den Anfang gemacht hatte.[1] Medieval France reicht zeitlich vom fünften bis ins späte fünfzehnte Jahrhundert und bezieht neben dem heutigen französischen Territorium gelegentlich auch Nachbarregionen mit ein. Inhaltlich werden Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kunst und Kultur etwa zu gleichen Teilen berücksichtigt, womit das Lexikon fachübergreifende Bedeutung erhält. Die Artikel des Nachschlagewerks stammen von über 200, überwiegend angelsächsischen Wissenschaftlern und sind etwa zwischen 50 und 3000 Wörter lang. Sie schließen mit Literaturangaben und meist auch mit Verweisungen auf andere, verwandte Einträge (z.B. bei Marie de France "see also: Anglo-Norman Literature; Gautier d'Arras; Lai, narrative" u.a., bei Reims "see also: Champagne; Gothic architecture; Hincmar of Reims" u.a.). Das schwergewichtige Lexikon enthält zahlreiche Schwarzweiß-Abbildungen, Graphiken und Karten. Verschiedene Verzeichnisse (Abkürzungen, Regententabellen, Fachbegriffe aus Architektur und Musikwissenschaften) sowie ein umfangreiches Gesamtregister der Lemmata und ausgewählter Stichwörter aus den Lexikoneinträgen vervollständigen den Band.

Medieval France wendet sich in erster Linie an Studenten und interessierte Laien. Gerade die Artikel aus den Nachbardisziplinen werden aber gewiß auch manchem Wissenschaftler nützlich sein. Die gebotenen Auskünfte sind im allgemeinen unkompliziert, gehaltvoll und zuverlässig. Nicht gut gelöst ist das Problem der Stichwortansetzung, insbesondere bei Personennamen. Hier unterscheiden die Herausgeber prinzipiell zwischen frühen eingliedrigen (bis ins 13. Jh., der Vorname ist maßgeblich) und späten zweigliedrigen Namen (14./15. Jh., Ansetzung nach dem Bei- bzw. Familiennamen). Um jeweils den mutmaßlich geläufigsten Zugriff zu gewährleisten, lassen sie obendrein Ausnahmen zu. Im Ergebnis ist die Verwirrung komplett. So finden wir etwa den Verfasser des Roman du Mont-Saint-Michel unter Guillaume de Saint-Par (zweite Hälfte 12. Jh.), den Dichter und Komponisten Guillaume de Machaut (ca. 1300 - 1377) dagegen unter Machaut, Guillaume de. Andererseits ist Christine de Pizan (ca. 1364 - ca. 1430) wieder unter Christine de Pizan angesetzt. Weder im Haupttext noch im Register helfen Verweisungen. Die Auswahl der Stichwörter kann bei dem gewählten Thema natürlich nicht erschöpfend sein. Da andere Autoren vergleichbaren Ranges verzeichnet sind, hätten z.B. auch die Geschichtsschreiber Frechulf von Lisieux, Guilelmus Brito oder Walther von Chatillon einen eigenen Eintrag verdient. Ähnlich inkonsequent ist, daß der genannten französischen Königin Adelaide of Savoy nicht Königin Adélaide de Poitou vorausgeht. Französische und deutsche Benutzer werden eventuell auch die deutliche Dominanz der englischsprachigen Forschungsliteratur mißbilligen. Fremdsprachige Arbeiten scheinen vielfach nur da berücksichtigt, wo englischsprachige fehlen.

Ein spezielles Mittelalter-Lexikon, das im deutschen Sprachkreis bestehen will, muß sich am Lexikon des Mittelalters[2] messen lassen. Ein Vergleich der Lemmata von R - Roland ergibt, daß das Lexikon des Mittelalters 61 der 73 Stichwörter aus Medieval France ebenfalls behandelt und lediglich Kleinigkeiten übergeht. Obendrein sind die Artikel in dem deutschsprachigen Nachschlagewerk im allgemeinen ausführlicher, wissenschaftlich ergiebiger und in den Literaturangaben aktueller.[3] Gleichwohl dürfte Medieval France als Ergänzung oder preiswerte Alternative für viele Bibliotheken noch interessant sein.

Achim Bonte Im Gegensatz zu dem amerikanischen Vielverfasserwerk Medieval France (MF) ist das im Jahr zuvor erschienene Dictionnaire de la France médiévale das Werk nur eines einzigen Verfassers, des bekannten Mittelalter-Spezialisten Jean Favier. Er hat damit, wie man in der Einleitung lesen kann, einen bereits in seiner Schulzeit gefaßten Plan in die Tat umgesetzt. Ansonsten sind die Angaben in Einleitung und Benutzungshinweisen ausgesprochen dürftig. Behandelt werden "ces dix siŠcles de notre histoire que l'on appelle le Moyen Age" (S. 7); über die Grenzen des heutigen Frankreich wird dann hinausgegangen, wenn die Behandlung der mittelalterlichen Geschichte dies erfordert (also z.B. bei den Kreuzzügen oder bei den Beziehungen zu England). Der Schwerpunkt liegt stärker als bei MF bei der politischen Geschichte. Die Ansetzung der Namen ist auch hier nicht einheitlich und bevorzugt den "Familiennamen". Die Zahl der Artikel ist nirgends genannt und auch nur schwer durch Auszählung und Hochrechnung zu ermitteln, da ihre Länge sehr stark schwankt: Artikel von 11 Seiten (Paris) sind freilich die Ausnahme, Artikel von einer halben bis einer Seite finden sich häufiger, doch entfällt die große Masse auf ganz kurze Artikel von einer bis zu ca. 10 Zeilen, so daß die Gesamtzahl der Artikel deutlich über der von MF liegt. Während die längeren Artikel - nach einer kleinen Stichprobe im Bereich R - Ra zu schließen - alle auch in MF bzw. im Lexikon des Mittelalters (LdM) begegnen, fehlen umgekehrt die meisten kurzen Artikel für Orte und Personen. Die Nützlichkeit des Dictionnaire wird erheblich durch das Fehlen jeglicher Literaturangaben beeinträchtigt, so daß man selbst bei den umfangreicheren Artikeln eher zum LdM und zu MF greifen wird.[4] Somit kommt auch dem Dictionnaire eher eine Ergänzungsfunktion zu, insbesondere zur Information über weniger bedeutende Orte und Personen der französischen Geschichte des Mittelalters.

sh


[1]
Medieval Scandinavia : an encyclopedia / ed. by Phillip Pulsiano and Kirsten Wolf. - New York ; London : Garland, 1993. - XIX, 768 S. : Ill. ; 29 cm. - (Garland encyclopedias of the Middle Ages ; 1) (Garland reference library of the humanities ; 934). - ISBN 0-8240-4787-7 : $ 95.00. (zurück)
[2]
Lexikon des Mittelalters. - München : LexMa-Verlag. - 1 (1980) - . - Der jüngste Bd. 7 (1995), aus dem die folgenden Vergleichsbeispiele stammen, reicht von Planudes bis Stadt (Rus'). - Vgl. (zu Lfg. 1. 1977) ABUN in ZfBB 25 (1978),5, S. 427 - 428. (zurück)
[3]
Vgl. z.B. die jeweiligen Einträge zu den Troubadouren Raimbaut d'Aurenga, Raimbaut de Vaqueiras und Raimon de Miraval oder zu den Städten Reims und Rennes. (zurück)
[4]
So müßte die Reihenfolge z.B. für Gilles de Rais (im Dictionnaire unter Retz) lauten; der Artikel im LdM verdient hier nach Länge und Informationsgehalt, Zahl der Verweisungen sowie Zahl und Aktualität der Literaturangaben eindeutig den Vorzug. (zurück)

Zurück an den Bildanfang