Medieval France wendet sich in erster Linie an Studenten und interessierte Laien. Gerade die Artikel aus den Nachbardisziplinen werden aber gewiß auch manchem Wissenschaftler nützlich sein. Die gebotenen Auskünfte sind im allgemeinen unkompliziert, gehaltvoll und zuverlässig. Nicht gut gelöst ist das Problem der Stichwortansetzung, insbesondere bei Personennamen. Hier unterscheiden die Herausgeber prinzipiell zwischen frühen eingliedrigen (bis ins 13. Jh., der Vorname ist maßgeblich) und späten zweigliedrigen Namen (14./15. Jh., Ansetzung nach dem Bei- bzw. Familiennamen). Um jeweils den mutmaßlich geläufigsten Zugriff zu gewährleisten, lassen sie obendrein Ausnahmen zu. Im Ergebnis ist die Verwirrung komplett. So finden wir etwa den Verfasser des Roman du Mont-Saint-Michel unter Guillaume de Saint-Par (zweite Hälfte 12. Jh.), den Dichter und Komponisten Guillaume de Machaut (ca. 1300 - 1377) dagegen unter Machaut, Guillaume de. Andererseits ist Christine de Pizan (ca. 1364 - ca. 1430) wieder unter Christine de Pizan angesetzt. Weder im Haupttext noch im Register helfen Verweisungen. Die Auswahl der Stichwörter kann bei dem gewählten Thema natürlich nicht erschöpfend sein. Da andere Autoren vergleichbaren Ranges verzeichnet sind, hätten z.B. auch die Geschichtsschreiber Frechulf von Lisieux, Guilelmus Brito oder Walther von Chatillon einen eigenen Eintrag verdient. Ähnlich inkonsequent ist, daß der genannten französischen Königin Adelaide of Savoy nicht Königin Adélaide de Poitou vorausgeht. Französische und deutsche Benutzer werden eventuell auch die deutliche Dominanz der englischsprachigen Forschungsliteratur mißbilligen. Fremdsprachige Arbeiten scheinen vielfach nur da berücksichtigt, wo englischsprachige fehlen.
Ein spezielles Mittelalter-Lexikon, das im deutschen Sprachkreis
bestehen will, muß sich am Lexikon des Mittelalters[2] messen lassen.
Ein Vergleich der Lemmata von R - Roland ergibt, daß das Lexikon des
Mittelalters 61 der 73 Stichwörter aus Medieval France ebenfalls
behandelt und lediglich Kleinigkeiten übergeht. Obendrein sind die
Artikel in dem deutschsprachigen Nachschlagewerk im allgemeinen
ausführlicher, wissenschaftlich ergiebiger und in den Literaturangaben
aktueller.[3] Gleichwohl dürfte Medieval France als Ergänzung oder
preiswerte Alternative für viele Bibliotheken noch interessant sein.
Achim Bonte
Im Gegensatz zu dem amerikanischen Vielverfasserwerk Medieval France
(MF) ist das im Jahr zuvor erschienene Dictionnaire de la France
médiévale das Werk nur eines einzigen Verfassers, des bekannten
Mittelalter-Spezialisten Jean Favier. Er hat damit, wie man in der
Einleitung lesen kann, einen bereits in seiner Schulzeit gefaßten Plan
in die Tat umgesetzt. Ansonsten sind die Angaben in Einleitung und
Benutzungshinweisen ausgesprochen dürftig. Behandelt werden "ces dix
siŠcles de notre histoire que l'on appelle le Moyen Age" (S. 7); über
die Grenzen des heutigen Frankreich wird dann hinausgegangen, wenn die
Behandlung der mittelalterlichen Geschichte dies erfordert (also z.B.
bei den Kreuzzügen oder bei den Beziehungen zu England). Der
Schwerpunkt liegt stärker als bei MF bei der politischen Geschichte.
Die Ansetzung der Namen ist auch hier nicht einheitlich und bevorzugt
den "Familiennamen". Die Zahl der Artikel ist nirgends genannt und
auch nur schwer durch Auszählung und Hochrechnung zu ermitteln, da
ihre Länge sehr stark schwankt: Artikel von 11 Seiten (Paris) sind
freilich die Ausnahme, Artikel von einer halben bis einer Seite finden
sich häufiger, doch entfällt die große Masse auf ganz kurze Artikel
von einer bis zu ca. 10 Zeilen, so daß die Gesamtzahl der Artikel
deutlich über der von MF liegt. Während die längeren Artikel - nach
einer kleinen Stichprobe im Bereich R - Ra zu schließen - alle auch in
MF bzw. im Lexikon des Mittelalters (LdM) begegnen, fehlen umgekehrt
die meisten kurzen Artikel für Orte und Personen. Die Nützlichkeit des
Dictionnaire wird erheblich durch das Fehlen jeglicher
Literaturangaben beeinträchtigt, so daß man selbst bei den
umfangreicheren Artikeln eher zum LdM und zu MF greifen wird.[4] Somit
kommt auch dem Dictionnaire eher eine Ergänzungsfunktion zu,
insbesondere zur Information über weniger bedeutende Orte und Personen
der französischen Geschichte des Mittelalters.
sh
Zurück an den Bildanfang