Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 4(1996) 2/3
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Komponistinnen aus 800 Jahren


Siehe auch die Vorbemerkungen

96-2/3-316
Komponistinnen aus 800 Jahren / [Antje] Olivier ; [Sevgi] Braun. - 1. Aufl., Originalausg. - [Kamen] : Sequentia, Buch- und Musikverlag, 1996. - 475 S. : Ill., Notenbeisp. ; 24 cm. - Frühere Ausg. u.d.T.: Olivier, Antje: Komponistinnen von A - Z. - ISBN 3-931984-00-1 : DM 79.00. - (Sequentia, Hammer Str. 18, 59174 Kamen)
[3262]

Eines von vielen Beispielen dafür, wie wenig die Musiklexika den komponierenden Frauen zutrauen, stellt das Metzler Komponisten-Lexikon[1] dar. Bei internationaler Ausrichtung und mit Schwerpunkt auf dem 20. Jahrhundert, in dem sich inzwischen zahlreiche Komponistinnen profiliert haben, behandeln von den 340 Komponistenportraits nur ganze 6 Komponistinnen. Man muß also auch bei den deutschsprachigen Nachschlagewerken auf die wenigen zurückgreifen, die sich ganz auf Komponistinnen und deren Schaffen beschränken. Bis Anfang 1996 griff man deshalb zu der Bio-Bibliographie Komponistinnen von A - Z,[2] die nach Aussage der beiden Autorinnen angeblich das erste Lexikon seiner Art in deutscher Sprache und in Europa war. Das stimmt natürlich nicht, da es gerade in Deutschland ein frühes Beispiel für ein Spezialverzeichnis von Komponistinnen gibt, nämlich das oben erwähnte von Alfred Michaelis aus dem Jahre 1888. Die Autorinnen nahmen sich vor, die "Lücken innerhalb der Musikgeschichtsschreibung zu füllen" (S. 4). Die oben zitierte, ein Jahr zuvor erschienene International encyclopedia of women composers war den Autorinnen wohl noch nicht bekannt, obwohl sich die biographischen Angaben des deutschen Lexikons wie Abstracts der entsprechenden Teile des amerikanischen Werkes lesen, das, gleichfalls nach Stichproben zu schließen, reichere Bibliographien mit detaillierteren Angaben enthält. Vermutlich haben beide dieselben Quellen ausgewertet. Die Autorinnen kündigten "für Anfang der neunziger Jahre nicht nur die englischsprachige Bearbeitung des Lexikons ..., sondern (einen) Ergänzungsband mit weiteren 250 Komponistinnen aus aller Welt ..." (S. 4) an. Diese sind nicht erschienen. Dafür erfuhr der Rezensent während der Drucklegung der vorstehenden Texte von dem bevorstehenden Erscheinen eines ganz neuen Werkes, nämlich Komponistinnen aus 800 Jahren, weshalb er die Veröffentlichung der Rezensionen bis zu dessen Erscheinen zurückstellte.

Obwohl an diesem Werk fast alles neu ist - eine neue Mitverfasserin, ein neuer Verlag, ein wesentlich besseres Layout, sogar ein lesbares Titelblatt, Register, von den gleich zu erwähnenden inhaltlichen Verbesserungen ganz zu schweigen - befremdet es, daß das alte Lexikon im Vorwort völlig übergangen wird; lediglich in der "Bibliographie" mit wichtigeren Werken, aus denen die Autorinnen geschöpft haben, ist das Lexikon von 1988 ohne weitere Annotation verzeichnet (daneben jetzt auch die beiden eingangs besprochenen Lexika sowie das Werk von Cohen; das von Michaelis fehlt weiterhin.)

Im Prinzip werden Komponistinnen aller Länder und Epochen verzeichnet; der Schwerpunkt liegt beim 20. Jahrhundert. Über die Auswahlkriterien erfährt man leider nichts Präzises. Eine Auszählung des Registers nach Herkunftsland ergibt 326 Namen; die am besten vertretenen Nationen sind: Deutschland 65, (nimmt man die deutschsprachigen Länder insgesamt, so würde sich die Zahl um 13 für Österreich und um ca. 4 für die Schweiz erhöhen), USA 49, Frankreich 35, Großbritannien 26 und Italien 19; zahlreiche Länder von Äthiopien über Hawaii und Korea bis Venezuela sind nur mit einem einzigen Namen vertreten. Bei einem Stichprobenvergleich mit dem ersten Buchstaben des Alphabets stellt man verwundert fest, daß das alte Lexikon mit 23 Eintragungen nicht nur reichhaltiger ist als das neue, das nur 21 Namen kennt, sondern daß 6 Namen ganz weggefallen sind. Das bedeutet, daß man trotz der nicht übersehbaren Verbesserungen im neuen Werk auf das alte nicht völlig verzichten kann. Die Artikel für Komponistinnen, die in beiden Lexika vorkommen, sind im neueren wesentlich überarbeitet, Präzisierungen sind allenthalben unübersehbar, nicht zuletzt auch bei den nach Gattungen gegliederten Werklisten und vor allem bei dem im alten Lexikon meist fehlenden und jetzt ganz überwiegend vorhandenen Abschnitt Bibliographie; auch der Abschnitt Diskographie wurde ergänzt und aktualisiert, nur dürfte es hier erhebliche Probleme bei der Identifizierung der Tonträger geben, da nur die Plattenfirmen genannt sind. Die Zahl der Schwarzweiß-Abbildungen wurde gegenüber dem alten Lexikon etwas verringert, die Porträtphotos häufig durch neue ersetzt und die Zahl der Notenbeispiele ohne Verlust drastisch reduziert. Verfügte das alte Lexikon über gar keine Register, so hat das neue außer dem bereits erwähnten nach Herkunftsland noch ein alphabetisches Register der Namen mit Angabe von Lebensjahren und Herkunftsland; ein wünschenswertes chronologisches Register hätte nicht fehlen sollen. - Trotz der relativ beschränkten Zahl von Komponistinnen stellen das neue Lexikon - und für die nicht übernommenen Namen auch das alte - wegen der umfangreichen subjektiven und objektiven Personalbibliographien eine sinnvolle Ergänzung zu den beiden oben zuerst besprochenen englischsprachigen Lexika dar. Das amerikanische Werk von Cohen behält seinen Nutzen wegen der schieren Zahl der verzeichneten Komponistinnen. Einen ganz anderen Rang als diese Lexika wird eines Tages freilich das neue umfangreiche, durch lange Artikel ausgezeichnete Nachschlagewerk Women composers einnehmen.

sh


[1]
The new Grove dictionary of music and musicians / ed. by Stanley Sadie. - London : Macmillan, 1980. - Vol. 1 - 20 ; 26 cm. - ISBN 0-333-23111-2 : œ 850.00 [0599]. - Vgl. ABUN in ZfBB 28 (1981),4, S. 299 - 303. - Für Herbst 1996 ist eine preisgünstige broschierte Ausgabe angekündigt, die in den deutschsprachigen Ländern über den Akademischen Lexikadienst Münster, Rosenstr. 12 - 13, 48143 Münster zu beziehen ist. - ISBN 1-56159-174-2 : DM 890.00, DM 780.00 (Subskr.-Pr. bis 30.04.96). (zurück)
[2]
Es ist dies nur ein Bruchteil der in folgendem Nachschlagewerk verzeichneten 6196 Komponistinnen:
International encyclopedia of women composers / Aaron I. Cohen. - 2. ed., rev. and enl. - New York ; London : Books & Music. - 30 cm. - ISBN 0-9617485-2-4 [3265]. - Vol. 1. A - Sai. - 1987. - [32], 608 S. - Vol. 2. Sai - Zyb. Appendices. - 1987. - S. 609 - 1151 : Ill. - Das Werk war nicht mehr in BiP 1995,Dez. verzeichnet, ist also vermutlich vegriffen.
Das Werk bietet Kurzbiographien, gefolgt von Listen 1. der Kompositionen, untergliedert nach Gattungen, 2. sonstiger Publikationen und 3. der Sekundärliteratur. Der Verfasser, der Musikliebhaber und nicht Musikwissenschaftler ist, strebte nach Vollständigkeit und wertete dazu nicht weniger als 653 Quellen (Nachschlagewerke und sonstige Werke, die Komponistinnen in nennenswertem Umfang enthalten) aus, die im Anhang in numerischer Folge mit Verfasser- sowie Sachtitelregister verzeichnet sind; mit diesen Nummern als Siglen werden die einschlägigen Quellen im Anschluß an die Bibliographien der einzelnen Komponistinnen zitiert. Der umfangreiche Anhang enthält außer der genannten Bibliographie: Photos und sonstige Porträts auf 48 Tafeln; statistische Übersichten und Register; Adressen einschlägiger Institutionen; eine Diskographie im Alphabet der Komponistinnen mit Register nach Plattenfirmen. [sh] (zurück)

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