Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 4(1996) 2/3
[ Bestand in K10plus ]

Répertoire international des sources musicales


96-2/3-311
Répertoire international des sources musicales : RISM = International inventory of musical sources = Internationales Quellenlexikon der Musik. - München [u.a.] : Saur
[3290]
Serie A
2, Manuscrits musicaux aprŠs 1600 [Computerdatei] : Catalogue thématique = Music manuscripts after 1600 = Musikhandschriften nach 1600. - Frühere Ausg. auf Mikrofiche
3 (1996). - 1 CD-ROM + Handbuch in Ringordner. - ISBN 3-598-40293-7 (CD-ROM) - ISBN 3-598-40345-3 (Handb.) : DM 1280.00 (bei Abn. von 3 Ausg.)

1. Inhaltliche Aspekte

Nach den beiden ersten Ausgaben 1984 und 1985 in Form von Mikrofiches stellt die RISM-Zentrale Frankfurt nun einen sehr viel umfangreicheren Materialvorrat auf CD-ROM zur Verfügung.[1] Damit besteht die Möglichkeit, den fortwährend aktualisierten Stand in der Quellenerfassung für in verschiedensten Recherchen zu erschließen.

Die CD-ROM enthält Titel vom 17. Jahrhundert bis in die jüngste Zeit.[2] Auch sind einige Handschriften des 16. Jahrhunderts insbesondere aus Schweden und Dänemark aufgenommen worden. Hatte die erwähnte Mikrofiche-Ausgabe nicht den erhofften Erfolg,[3] so verspricht man sich demgegenüber jetzt größere Akzeptanz durch die quantitativ wesentlich erweiterte Form des Quellennachweises.[4]

Um diesem Ziel näherzukommen, wäre dem Erstling aus dem Hause RISM ein wesentlich besser ausgestattetes Handbuch zu wünschen. So erfährt der Leser auf sieben Seiten Vorwort zwar einiges über das Vorhaben und den Umfang von RISM, doch werden dann auf nur sechs, der Praxis gewidmeten Seiten (S. 20 ff. Einige Suchbeispiele) lediglich 3 Beispiele[5] vorgeführt; zu wenig, um die unterschiedlichen Fragestellungen bei der Suche nach Handschriften zu repräsentieren. Darüber hinaus enthält das Handbuch Angaben zu Systemvoraussetzungen[6] und Installation; eine nach Bibliothekssigeln geordnete Statistik der Einträge; eine Beschreibung der Indizes; von Inhalt und "Sortierung der Ergebnisliste"; des Aufbaus der Titelbeschreibungen; eine Liste der Abkürzungen und Beschreibungen; einen Zahlenschlüssel für Besetzungsangaben; eine Beschreibung der Kodierung der Musikincipits in deren Index. Wollte man das Handbuch nicht unnötig anschwellen lassen, so wäre doch eine Kurzdarstellung der Abfragemöglichkeiten mit einer kurzen Erklärung der anzuklickenden Symbole und ihrer Befehle eine wesentliche Erleichterung.

Die CD-ROM bietet die Auswahl zwischen einer deutsch-, einer englisch- und einer französischsprachigen Version der Bedienungsoberfläche; so bleibt dem user die gedankliche Schwierigkeit erspart, Komponist in composer oder componiste zu übersetzen. Da der Datenbankinhalt selbst aber englisch ist, kann der deutsch- bzw. französischsprechende Benutzer trotzdem auf englische Fachbegriffe nicht verzichten: bei der Suche nach Motetten und Sonaten beispielsweise ist das englische Wort als Suchbegriff einzugeben. Zudem müssen die (aufs Englische zurückgehenden) Abkürzungen enträtselt werden, die bei Datierung und Stichwort erscheinen. Die sprachliche Diversifikation hat also im wesentlichen kosmetischen Charakter. Andererseits sind dann doch fachbezogene Sprachkenntnisse erforderlich: so erscheinen die sehr kurz gehaltenen Angaben zur Handschrift in allen Versionen nur in deutscher Sprache (z.B.: "Italienische Lautentabulatur. Enthalten in Sammelhandschrift"). Dazu kommen gelegentlich weitere Kurzangaben. Die bibliothekarische Aufarbeitung der enthaltenen Bestände zeigt verschiedenen Stand und ist oft zu knapp. Dementsprechend sind die bereitgestellten Daten oft nicht gleichermaßen informativ. Die angebotene Suche z.B. nach Tonarten führt daher nicht grundsätzlich zum Erfolg, da sie auf diejenigen Titel beschränkt bleibt, die derartige Angaben in der Quelle aufweisen. Damit wird nur ein Ausschnitt des bereitgestellten Materials erfaßt. Auch Angaben zu Wasserzeichen, der Blattgröße (selten), ggf. zu verschiedenen Schrifttypen wären erwünscht.[7]

Der Benutzer wäre sicherlich auch dankbar gewesen, wenn man es ihm erspart hätte, die Mechanismen des "Blätterns" durch die Technik des trial and error selbst allzu lange auszuprobieren. Dem Suchenden - etwa von Motetten - bleibt nicht erspart, den Titel anzuklicken, um die Stimmenanzahl zu erfahren. Notenincipits bleiben bis auf wenige Fälle auf die Darstellung der Oberstimme beschränkt. Damit wurde leider von dem Verfahren im RISM-Sonderband zum Tenorlied,[8] die Incipits aller Stimmen darzustellen, abgewichen; beim Vergleich mit anderen Quellen ist man auf deren Vollständigkeit angewiesen. Auf die Darstellung in Noten wird ganz verzichtet, wenn der Notentext in irgendeiner Ausgabe greifbar ist, ein Verfahren, das eine lange Tradition besitzt, hier aber endlich aufgegeben werden sollte. Die Notenschrift erscheint groß und recht deutlich; schlecht lesbar ist nur die punktierte Ganze.

Die im Umgang mit Büchern gewohnte Art, übergreifendes Wissen durch Redundanz zu erschließen, ist hier kaum intendiert: Bekanntwerden mit nicht gesuchtem, doch gefundenem Material ist kaum möglich, denn nur gezieltes Suchen hat Aussicht auf Erfolg. - Insgesamt ist der eingeschlagene Weg nur ein erster, wenngleich recht großer Schritt in die richtige Richtung, auch wenn die schlechte technische Umsetzung den potentiellen Nutzen erheblich schmälert.

Reinald Ziegler 2. Technische Aspekte

Die Angaben zur Installation der Datenbank sind - wie das ganze Handbuch - zu wenig präzis (z.B. was die Speicherfrage betrifft).

Die Bildschirmaufteilung ist äußerst unkomfortabel und für ein schnelles und ökonomisches Arbeitsverhalten hinderlich:

Mindestens die Hälfte des Bildschirms wird für die ständige Anzeige aller möglichen Suchkategorien und für das jeweils dazugehörende Index-Feld verschwendet. Nach mehreren Suchvorgängen dehnen sich dabei diese Index- und Sucheingabefelder durch ihre überlappende Anordnung noch weiter auf der Bildschirmfläche aus.

Die eigentlich interessanten und wichtigen Bereiche, nämlich die Felder Suchkombination (das die Recherchestrategie memorisiert und verknüpfte Anfragen ermöglicht) und Ergebnis sind dagegen schon in der Bildschirmgrundeinteilung unangemessen klein und werden darüber hinaus zeitweise auch noch von den Indexfeldern überlappt.

Aus dieser unangemessenen Grundaufteilung des Bildschirms und der Konzeption der Einzelfenster ergibt sich, daß man, anstatt sich auf die Recherche zu konzentrieren, immer erst damit beschäftigt ist, sich die Fenstergröße richtig zuzuschneiden. Da z.B. beim Markieren von Index-Einheiten in größerem Umfang, als es die voreingestellte Fenstergröße erlaubt, es nicht vorgesehen ist, daß der Index automatisch weiterläuft, solange man die Markierungsfunktion hält, muß vor der Markierung extra das Indexfenster vergrößert werden, bis alle gewünschten Indexeinheiten erfaßt sind! (Beispiel "masses"). Aufgrund der Index-Konzeption von RISM ist diese Bastelei keine Ausnahme. Liegen nach mehreren Suchschritten schon einige Fenster überlappt, ist es durchaus möglich, daß der gewünschte Rahmen nicht sauber getroffen wird usw. Hinzu kommt auch, daß nach mehreren Arbeitsgängen im Hintergrund durchaus noch nicht vollständig geschlossene Fenster dabei aus Versehen aktiviert werden können. Will man sich dieser Prozedur entziehen, ist man ständig gezwungen, auf Vollbildschirm umzuschalten.

Einzelne Indizes haben kein Eingabefeld (so z.B. der Index Besetzung); für die Recherche ist man hier gezwungen, gegebenenfalls den ganzen Index durchzugehen, um das Gewünschte markieren zu können: ein zu langsames und umständliches Verfahren.

Bei einigen Indizes wäre eine Verknüpfung der verwendeten Abkürzungen/Sigel etc. mit dem Vollbegriff sinnvoll gewesen. Gibt man z.B. im Index Werkverzeichnis "Hoboken" ein, erzielt man null Treffer, da nur "hob" zu einem angemessenen Stop im Index geführt hätte. Vermeidbar wäre dies Problem auch, wenn der Indexdurchlauf schneller wäre. Komfortabel wäre etwa beim Index Bibliothek eine Verknüpfung von Ortsname und möglichen Sigeln gewesen, wie dies ja bereits bei der Auflösung der abgekürzten Besitzangaben in der Vollanzeige eines Titels realisiert ist.

Das Ergebnisfenster ist nicht nur zu mickrig, sondern leider ist die Anzeige auch noch so konzipiert, daß nicht - wie sonst bei den meisten Datenbanken üblich - jeweils nur das Ergebnis des letzten Rechercheschritts präsentiert wird, sondern daß die Ergebnisse kumulieren, wobei die letzten an den Schluß gehängt werden. Will man also kurz einen Blick auf das Ergebnis des jeweils letzten Schritts werfen, ist man ständig gezwungen, das Ergebnisfenster vorher aufzuräumen bzw. zu leeren. Gerade anhand der Suchstrategie sollte doch der Rechercheur (und nicht die Technik) entscheiden, welche Ergebnisse letztlich zu kumulieren sind; eine automatische Addierung der Ergebnisse Schritt für Schritt ist in der Regel nicht sinnvoll. Ein schneller Zwischenblick auf die jeweils letzte Kurztitelergebnisliste muß zudem ohne Bildschirmwechsel möglich sein.

Ein allgemeines Phänomen begegnet insbesondere nach Wechsel von Vollanzeigen, Zusatzangaben usw.: die einmal geöffneten Fenster werden nicht vollständig geschlossen, sondern weiterhin im Hintergrund offengehalten. Dies hat zur Folge, daß der Bildschirm schnell durch verstreute "Fensterteile" vermüllt. Man ist gezwungen, sie entweder an den Rand zu schieben oder wird ständig von diesen Einsprengseln gestört.

Alles in allem: Man muß unangemessen Energien auf das Anpassen und Aufräumen des Bildschirms verwenden und kann sich nicht auf die Recherche konzentrieren.

Auch das Handbuch ist mit dem gebotenen Suchbeispiel "Haydn-Messen" irreführend: Der undifferenzierte Hinweis auf die Übernahme von "masses" aus dem Index Einordnungstitel legt den Schluß nahe, daß Werkgattungen immer über diesen Index zu suchen sind. Das ist jedoch keineswegs der Fall: Gattungen sind vielmehr über den Index Stichwort zu suchen. Gattungsbegriffe tauchen nur insofern im Index Einordnungstitel auf, als sie zufällig im Titel der Komposition vorkommen. Da dies insbesondere bei Messen häufiger vorkommt, lassen sich hier auch Treffer erzielen; bei Werken aber, die einen eigenständigen Titel haben und nicht ihren Gattungsbegriff im Titel führen - wie etwa Opern -, führt diese Suche in die Irre: Hier muß die Gattungssuche für die Mehrzahl der Treffer über den Stichwort-Index laufen; man vergleiche nur die Anzahl der Treffer für "operas" über das Register Einordnungstitel mit der über das Register Stichwort. Dies klar zu verdeutlichen, wäre sicher Aufgabe des Handbuchs gewesen, zumal es keine Marginalie, sondern einen elementaren Aspekt der Suchstrategie betrifft.

Angela Karasch


[1]
Vgl. die folgende Selbstdarstellung: RISM Serie A/II: Musikhandschriften nach 1600 : thematischer Katalog auf CD-ROM. - In: Info RISM. - Nr. 6/7 (1995/96), S. 8 - 18. - Eine englischsprachige Version folgt auf S. 18 - 28. - Wiederabdruck der deutschen Fassung u.d.T.: Thematischer Katalog auf CD-ROM / Klaus Keil. // In: Forum Musikbibliothek. - 1996,2, S. 133 - 143. (zurück)
[2]
Ein Eintrag beschreibt i.d.R. ein einzelnes Werk, das auch in einer Sammelhandschrift - zusätzlich als Collective manuscript beschrieben - enthalten sein kann. Ein Eintrag kann aber auch mehrere (meist Instrumental-) Werke zusammenfassen, z.B. 6 Quartets (vgl. Handbuch S. 30: Der Aufbau der RISM A/II Titel). - Die Erfassung der Drucke nach einzelnen Stücken bleibt weiterhin ein Desiderat. (zurück)
[3]
Vgl. Handbuch S. 9: "Die komplizierte Handhabung der Microfiches und ihre auf eine kurze Indicierung beschränkten Angaben der jeweiligen Handschriften waren wohl der Grund dafür, daß das Echo der Fachwelt, etwa in der Form drastisch zunehmender Anfragen bei der Zentralredaktion, hinter den Erwartungen zurückblieb." (zurück)
[4]
160.000 Werke von über 800 Komponisten aus Bibliotheken und Archiven in 22 Ländern gegenüber ca. 20.000 Titeln 1984 und ca. 45.000 1985. (zurück)
[5]
1. Suche nach Komponist und Einordnungstitel: Messen von Haydn. - 2. Suche nach Manuskriptdatierung und Bibliothek. - 3. Suche nach Musikincipits. (zurück)
[6]
IBM-kompatibler PC mit 30386 Prozessor (empfohlen 80486 oder mehr); mindestens 8 MB Arbeitsspeicher (RAM); empfohlen 17 MB freier Speicherplatz auf der Festplatte; MS-DOS 3.3 oder höher; MS-Windows 3.1 oder höher; MS-DOS CD-ROM Extension (MSCDEX); DIN/ISO 9660 CD-ROM-Laufwerk; Maus. (zurück)
[7]
Die Erklärung dieser Mängel findet sich im Vorwort des Handbuchs, das auf die Schwierigkeiten einer einheitlichen Erschließung von Handschriften verschiedenster Epochen und Überlieferungen sowie die unterschiedliche für Erschließung und Ausfüllen der RISM-Formulare zur Verfügung stehende personelle und technische Ausstattung der einzelnen Bibliotheken hinweist: "So tritt das Werk in einer heterogenen Form in die musikwissenschaftliche Welt, die von Perfektion weit entfernt ist" (S. 13). Diese Form wurde in Kauf genommen als "erster Versuch", die RISM-Musikhandschriftendatenbank der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. (zurück)
[8]
Das Tenorlied : mehrstimmige Lieder in deutschen Quellen 1450 - 1580 / hrsg. vom Deutschen Musikgeschichtlichen Archiv, Kassel und vom Staatlichen Institut Für Musikforschung Preussischer Kulturbesitz, Berlin. Zsgest. und bearb. von Norbert Böker-Heil ... - Kassel [u.a.] : Bärenreiter. - 1 (1979) - 3 (1986). - (RISM : Sonderbd.) - (Catalogus musicus ; 9. 10. 11). (zurück)

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