Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 4(1996) 2/3
[ Bestand in K10plus ]

Dictionnaire des oeuvres littéraires africaines de langue


Siehe auch die Vorbemerkungen

96-2/3-252
Dictionnaire des oeuvres littéraires africaines de langue fran‡aise / Pius Ngandu Nkashama. - Ivry-sur-Seine : Editions Nouvelles du Sud, 1994. - 745 S. ; 24 cm. - ISBN 2-87931-093-8 : FF 300.00
[3049]

Der Aufbau dieses einbändigen Dictionnaire ist gewiß nicht übermäßig kompliziert, doch den Artikel zu einem bestimmten Werk zu finden, erfordert ein gewisses Vorwissen seitens seiner Leser: Zum einen besteht das Lexikon nicht aus einem Alphabet, sondern gleich aus dreien, da es als sein oberstes Gliederungskriterium die Einteilung in die drei Großgattungen Roman-récit-conte, Poésie und Théƒtre verwendet, was insofern recht interessant ist, als es die Gewichtung der schwarzafrikanisch-französischen Literaturproduktion und die Vorlieben der Autoren (oder zumindest des Verfassers dieses Lexikons) zeigt, die Suche nach einem konkreten Titel jedoch erschwert. Zum anderen handelt es sich zwar, wie der Sachtitel ankündigt, um ein Werklexikon, doch sind die einzelnen Werke im Rahmen einer Gattung alphabetisch nach ihren Autoren und unterhalb dieser Ebene, d.h. wenn ein Autor mehrere Werke einer Gattung verfaßt hat, chronologisch nach dem Datum der Erstveröffentlichung geordnet, so daß der Benutzer zunächst die Gattung, dann den Verfassernamen und möglichst noch den ungefähren Erscheinungszeitpunkt eines Textes wissen muß, will er nicht allzu lange blättern und suchen.

Dem helfen in einem gewissen Maße die beiden Register am Ende des Bandes ab: Das Autorenregister führt anschließend an den Namen eines Autors dessen Werke samt Erst- und gegebenenfalls Neuausgabe in derselben chronologischen Reihenfolge wie im Hauptteil, nur nicht nach Gattungen sortiert, auf und ergänzt diese Angaben jeweils durch den Buchstaben R, P oder T, um auf das Alphabet zu verweisen, in dem der betreffende Titel zu finden ist. Das Werkregister enthält erneut nicht das erwartete eine Alphabet sämtlicher besprochenen Titel, sondern noch einmal die drei Teile Roman, Poesie und Theater, und es verweist zudem lediglich auf den jeweiligen Autor und nicht, ebensowenig wie das Autorenregister, auf eine genaue Seitenzahl, die doch den kürzesten Suchweg garantiert hätte.

Wer sich also beispielsweise über die Werke Senghors informieren möchte, erfährt im Index I zunächst, daß acht Titel dieses Autors besprochen wurden, die alle der Lyrik zuzurechnen sind, so daß der zweite Schritt zum Inhaltsverzeichnis führt, dem zu entnehmen ist, daß dieses mittlere Alphabet sich zwischen den Seiten 385 und 580 befindet. Die Einträge nennen zunächst Herkunftsland und Geburtsjahr des Verfassers, danach die einzelnen Titel mit denselben editorischen Informationen wie im Autorenregister und gehen dann fast ausschließlich auf inhaltliche Aspekte der Gedichtsammlungen sowie auf die Verknüpfung mit biographischen Elementen ein, kaum auf sprachliche Besonderheiten, Musikalität, Rhythmus, Art der Verse oder auch irgendwelche intertextuellen Bezüge. Hingegen sind vor allem im Lyrikteil, in geringerem Ausmaß auch in den beiden anderen Alphabeten, für ein Lexikon relativ viele Zitate eingefügt, die dem Leser immerhin einige Anhaltspunkte zur Beantwortung solcher Fragen geben können. Sekundärliteratur (die es zu vielen der hier aufgenommenen Texte freilich noch gar nicht gibt), nennen die Artikel an keiner Stelle, lediglich, wie im Autorenregister, die erste und eventuell eine weitere Ausgabe eines Textes, nicht jedoch, etwa im Falle Senghors, die 1990 bei Seuil erschienene vorläufige Gesamtausgabe des Oeuvre poétique.

Ngandu Nkashamas Lexikon richtet sich nicht ausschließlich und auch nicht primär an ein französisches oder französischsprachiges Publikum, sondern sehr gezielt und vor allem an ein afrikanisches, wie der Verfasser im Vorwort bemerkt, und es muß und will daher anderen Kriterien genügen als ein in erster Linie für europäische Leser konzipiertes Nachschlagewerk.[1] Für dieses europäische Publikum ist der Dictionnaire daher in erster Linie aufgrund der Fülle der hier - und oft wahrscheinlich nur hier - aufgenommenen Titel interessant; was die auch anderswo berücksichtigten Autoren oder Texte anbelangt, scheinen die auf hiesige Bedürfnisse ausgerichteten Nachschlagewerke oft eher die hierzulande interessierenden Informationen zu liefern als das afrikanische Pendant. So enthält Ngandu Nkashamas Lexikon beispielsweise die Besprechung von neun Romanen des Kameruners Mongo Béti, deren Inhalt er weitgehend nacherzählt.[2] Der von Mitterand herausgegebene Dictionnaire des oeuvres du XXe siŠcle hingegen nimmt nur drei Titel dieses Autors auf, aber informiert zusätzlich zum Inhalt über erzähltechnisch interessante Charakteristika der jeweiligen Texte, etwa über die "multiplicité de points de vue" in Le roi miraculé oder über den "long monologue intérieur" mit seiner "série de couples antithétiques", der den gesamten Roman Ville cruelle beherrsche.

Sehr informativ sind im Vergleich insbesondere der Artikel zu Béti und die zwei Textanalysen in den beiden je vierbändigen bei Bordas erschienenen Dictionnaires, die politische Bezüge des Werks ebenso wie romantechnische Besonderheiten berücksichtigen, auch in den Einzelanalysen auf das Gesamtwerk eingehen und, im Falle des Dictionnaire des littératures de langue fran‡aise, zusätzlich auf den Artikel Négro-africaine (littérature d'expression fran‡aise) verweisen. Während der Guide to French Literature Béti nicht einmal eines Registereintrags würdigt, enthalten alle drei einbändigen, oben besprochenen Lexika einen entsprechenden Artikel, wobei derjenige im New Oxford companion am ausführlichsten ist und auch auf einzelne Werke eingeht, derjenige bei Engler mit Abstand der kürzeste: Er besteht im wesentlichen aus einer Kurzbiographie, einer Gesamteinschätzung des Autors und einer Aufzählung von einigen der bisher erschienenen Werke. Beide Lexika nennen im Unterschied zum Dictionnaire Bordas abschließend je einen Titel aus der Sekundärliteratur und laden damit zur näheren Beschäftigung mit diesem Autor ein.

Dies zu tun beabsichtigt im Prinzip natürlich jedes Lexikon bei jedem Text und jedem Autor, indem es, wie gesagt, weniger einen Überblick als ein Eintauchen oder Sich-Herantasten ermöglicht. Sollte letzteres eher denn ersteres auch der Effekt dieser Rezension sein, möge eine abschließende Tabelle dem zumindest ansatzweise Abhilfe schaffen und in einer Übersicht für einen ersten oder letzten Blick auf die Vielzahl dieser Lexika der französischsprachigen Literatur einige gewissermaßen formale Ergebnisse des Vergleichs zusammenfassen:

X = enthalten / XX = schwerpunktmäßig aufgenommen

1 = Dictionnaire des littératures de langue fran‡aise

2 = Dictionnaire des oeuvres littéraires de langue fran‡aise

3 = Guide to French literature

4 = Dictionnaire Bordas de littérature fran‡aise

5 = Lexikon der französischen Literatur

6 = The new Oxford companion to literature in French

7 = Dictionnaire des lettres fran‡aises - Le moyen ƒge

8 = Dictionnaire des oeuvres du XXe siŠcle

9 = Dictionnaire des oeuvres littéraires africaines de langue fran‡aise


[1]
Bereits der Titel des Dictionnaire des oeuvres littéraires africaines de langue fran‡aise ist für einen mit der französischsprachigen Literatur des afrikanischen Kontinents nicht vertrauten Leser keineswegs eindeutig, doch wird er etwa einen Roman des aus Marokko stammenden Nordafrikaners Tahar Ben Jelloun oder ein Theaterstück von Kateb Yacine aus Algerien im afrikanischen Werklexikon vergeblich suchen; er findet sie hingegen, außer in den oben besprochenen Nachschlagewerken, in ebenfalls spezielleren Lexika wie dem Dictionnaire des auteurs maghrébins de langue fran‡aise von Jean Déjeux (Paris : Editions Karthala, 1984) und dem von Christiane Achour herausgegebenen Dictionnaire des oeuvres algériennes de langue fran‡aise (Paris : Editions L'Harmattan, 1990). Auch wird in Ngandu Nkashamas Lexikon bei den häufig aus zwei Teilen bestehenden Autorennamen nicht von dem Namensbestandteil, der nicht ordnungsrelevant ist, auf den anderen verwiesen - vermutlich, weil afrikanischen Lesern sich nirgends die Frage stellt, was noch Vor- und was schon Nachname ist. (zurück)
[2]
Ausgesprochen informativ gerade auch für europäische Leser ist hingegen die oft völlig andere oder gar fremde afrikanische Perspektive, die leider selten so dezidiert deutlich gemacht wird wie im letzten Abschnitt der Besprechung von Bétis Le pauvre Christ de Bomba: "Sans doute l'écriture rappelle-t-elle encore la littérature coloniale. Si les lecteurs occidentaux pouvaient applaudir, les Africains eux ne se sentaient nullement concernés par ces gestes de désespoir." (zurück)

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