Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 4(1996) 2/3
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Dictionnaire des lettres fran‡aises


Siehe auch die Vorbemerkungen

96-2/3-249
Dictionnaire des lettres fran‡aises / publ. sous la direction du Cardinal Georges Grente. - [Paris] : Fayard ; [Paris] : Le Livre de Poche. - 19 cm. - (Le livre de poche : Encyclopédies d'aujourd'hui : La pochotŠque)
[1978]
Le moyen ƒge / ouvrage préparé par Robert Bossuat, Louis Pichard et Guy Raynaud de Lage. - Ed. entiŠrement revue et mise … jour sous la direction de GeneviŠve Hasenohr et Michel Zink. [Les mises … jour ... ont été réalisées sous la responsabilité scientifique de l'Institut de Recherche et d'histoire des Textes (C.N.R.S.)]. - 1992. - LXI, 1506 S. - ISBN 2-2530-5662-6 : FF 175.00
96-2/3-250
Dictionnaire des lettres fran‡aises / publ. sous la direction du Cardinal Georges Grente. - [Paris] : Fayard. - 24 cm
[3099]
Le moyen ƒge / ouvrage préparé par Robert Bossuat, Louis Pichard et Guy Raynaud de Lage. - Ed. entiŠrement revue et mise … jour sous la direction de GeneviŠve Hasenohr et Michel Zink. [Les mises … jour ... ont été réalisées sous la responsabilité scientifique de l'Institut de Recherche et d'histoire des Textes (C.N.R.S.)]. - 1994. - LXI, 1506 S. - ISBN 2-213-59340-X : FF 390.00

Ohnehin eine Art Mittelstellung nimmt die Neuausgabe des Bandes für die Literatur des Mittelalters des Dictionnaire des lettres fran‡aises ein, da sie im Rahmen des Gesamtwerks gesehen werden muß (das übrigens die zentrale Quelle für die 1. Aufl. des Lexikons der französischen Literatur darstellt, wenngleich zwischen beiden natürlich, wie auch Engler selbst im Vorwort zur 1. Aufl. betont, in jeder Hinsicht viele Unterschiede bestehen).[1] Da jedoch bisher allein dieser Band grundlegend überarbeitet und neu herausgegeben wurde, kann auch allein er mit den anderen aktuellen Nachschlagewerken verglichen werden.

Nicht nur das Format hat sich seit der früheren Ausgabe des Mittelalterbandes zum Positiven hin geändert - den 764 unhandlich großen Seiten vorher stehen jetzt beinahe doppelt so viele Dünndruckseiten im Taschenbuchformat[2] gegenüber -, auch was diese Seiten enthalten, macht deutlich, daß an den Spezialisten der altfranzösischen Literatur die Forschung der zwischen der 1. Aufl. 1964 und der 2. Aufl. 1992 liegenden fast 30 Jahre keineswegs spurlos vorübergegangen ist. Wie die jetzigen, als profunde Kenner der altfranzösischen Sprache und Literatur ausgewiesenen Herausgeber in ihrem Vorwort bemerken, wurde die Neuauflage nicht allein deshalb nötig, weil die viel benutzte alte vergriffen, sondern auch, weil sie mittlerweile entschieden veraltet war, so daß nur etwa ein Fünftel der Artikel weitgehend unverändert, lediglich mit aktualisierter Bibliographie, übernommen werden konnte; alle übrigen sind grundlegend überarbeitet oder völlig neu verfaßt worden, wobei teilweise anders ausgewählt, gewichtet und akzentuiert wurde als 1964.[3]

Eine weitere erfreuliche Änderung ist die Hinzufügung von Querverweisungen selbst innerhalb jener Einträge, die weitgehend übernommen wurden, wie etwa im Artikel Aristotélisme au moyen ƒge, in dem der Leser heute direkt und nicht erst durch ein seiner Vermutung folgendes Blättern erfährt, daß beispielsweise Siger de Brabant und Thomas d'Aquin auch mit eigenen Einträgen im Lexikon vertreten sind. Andere Artikel, z.B. den zum Drame liturgique, übernehmen die jeweiligen Verfasser ebenfalls teilweise wörtlich, verleihen ihnen aber durch die Nennung zahlreicher exakter Titel samt Jahreszahlen, durch die Aufnahme neuer Forschungsergebnisse zu heute relevanter erscheinenden Fragen und, so beispielsweise im Artikel Alchimie, durch die stärkere Untergliederung und das Einfügen von Überschriften weit größere Präzision, als die frühere Version sie aufwies.

Neuerungen lassen sich ferner in der Ordnung sowie vor allem der Anlage der einzelnen Autoren und Werken gewidmeten Artikel feststellen: So finden sich Chrétiens einzelne Romane nun nicht mehr an verschiedenen Stellen des Alphabets, sondern innerhalb des sehr ausführlichen und informativen Autoreintrags, der nach den wenigen, im wesentlichen den Romanen entnommenen Informationen zur Biographie zunächst das Gesamtwerk des Autors charakterisiert und zeitlich situiert, um anschließend detailliert auf die Einzeltexte einzugehen.[4] Hierbei beschränkt er sich weder auf eine Inhaltsangabe noch auf positivistische Auflistung möglicher Quellen; er analysiert die Struktur der Texte, ihre typischen Verfahren, ihre Weiterverarbeitung in anderen, z.B. mittelhochdeutschen Texten und nennt abschließend Ausgaben sowie selbständig und unselbständig erschienene Literatur zum jeweiligen Werk oder Autor. Leider enthält der Band kein Werkregister[5] und auch keine Verweisungen von Werktiteln auf Autornamen, so daß der Leser bereits wissen muß, daß etwa Perceval von Chrétien verfaßt wurde, um über das Vorbild von Wolframs Parzival etwas zu erfahren. Analog sind die Artikel zu den im Mittelalter ja häufigen anonymen Werken aufgebaut, die nicht nur eine genaue Inhaltsangabe beispielsweise der Prise d'Orange liefern, sondern darüber hinaus auch hier - und gerade hier, wo der Text nicht allein in einer bestimmten Tradition steht, sondern diese zugleich sie parodierend überwindet - auf besondere Verfahren und andere Elemente eingeht.

Von den einbändigen Lexika, die die ganze französischsprachige Literatur erfassen, interessiert sich offenbar allein der New Oxford companion für derlei Fragen, die er selbst in sehr kurzen Artikeln wie dem wiederum zur Prise d'Orange[6] angeht, während die jeweils etwa gleich langen Einträge im Dictionnaire Bordas und im Engler sich außer zu Gattung, Zyklus, Entstehungszeit und eventuell Verszahl oder Handschriften fast ausschließlich zum Inhalt dieser Chanson de geste äußern und allenfalls in den Autorartikeln noch eine Art Gesamtwertung hinzufügen. Im Unterschied zum Dictionnaire Bordas verweist aber Engler, wie oben bereits in anderem Zusammenhang erwähnt, zusätzlich auf interessante Literatur sowie, falls vorhanden, auf kritische Textausgaben.

Da Anthony Levis Guide die altfranzösische Literatur ebenso wie das ganze Mittelalter außer acht läßt, bleiben von den aktuellen mehrbändigen Lexika allein die beiden von Jean-Pierre de Beaumarchais und anderen herausgegebenen Dictionnaires als mögliche Informationsquellen über mittelalterliche Autoren, Texte und eventuell entsprechende Sachbegriffe. Davon abgesehen, daß das Werklexikon per definitionem keinen Artikel über Chrétien enthalten kann und daß es keine Sekundärliteratur, sondern nur Ausgaben und Übersetzungen nennt, liefern beide Nachschlagewerke trotz der teilweise identischen Herausgeber und Mitarbeiter keineswegs identische, aber in beiden Fällen sehr brauchbare und weiterführende Informationen,[7] wenngleich manchmal weniger ausführlich als das spezielle Mittelalterlexikon - das daher und dennoch für Bibliotheken, aber auch für "Einzel-Leser", deren Herz für das Mittelalter schlägt, in jedem Falle zur Anschaffung zu empfehlen ist.

Den zeitlichen Gegenpol zu diesem Nachschlagewerk bildet ein Lexikon, das nicht die allererste Literatur in französischer Sprache, sondern gewissermaßen die allerletzte, die des 20. Jahrhunderts, erfaßt und in Werkanalysen darstellt:


[1]
Nicht zuletzt der, daß dieses Dictionnaire des lettres fran‡aises seine Leser nur bis ins 19. Jahrhundert führt, weil ein Band zum 20. Jahrhundert frühestens ab ungefähr dem Jahr 2000 verfaßt werden könne. Zum großen Glück all derer, die sich auch für Gegenwartsliteratur interessieren, beweisen andere Nachschlagewerke mehr Mut zur Lücke und, wie etwa der Vergleich der beiden Companions zeigt, zum unvermeidlichen Irrtum - zumal erstens auch ein a posteriori verfaßtes Lexikon nicht vor dergleichen Lücken, Irrtümern und dem Veralten durch spätere Neuschreibungen der Literaturgeschichte geschützt ist und zweitens frühere Auflagen mit dem Erscheinen neuerer nicht völlig nutzlos werden, sondern eine Art impliziter Rezeptionsgeschichte beispielsweise von Autoren schreiben, die erst aufgenommen waren und dann entfielen oder umgekehrt früher totgeschwiegen und später hochgepriesen wurden. (zurück)
[2]
Bemerkenswert ist die Tatsache, daß entgegen der sonst üblichen Praxis die preiswerte Taschenbuchausgabe der mehr als doppelt so teuren gebundenen Ausgabe um zwei Jahre vorausging. (zurück)
[3]
Beispielsweise berücksichtigt die Neuauflage keine Literatur in katalanischer Sprache mehr, nur noch die katalanischen Autoren, die in der "langue d'oc" oder der "langue d'o‹l" geschrieben haben, da das Katalanische zum iberischen Bereich gehört und folglich neben ihm auch alle anderen romanischen Sprachen aufgenommen werden müßten, was wiederum den Rahmen dieses Lexikons sprengen würde. (zurück)
[4]
In der 1. Aufl. blieb der Autoreintrag sehr knapp und allgemein, während die Werkeinträge zwar in der Regel ausführlicher waren, jedoch zu großen Teilen einfach den Inhalt referierten oder sich in allgemeinen Feststellungen verloren (beispielsweise in der Erwähnung von "quelques-unes des plus belles scŠnes de Chrétien, et des plus vraies"), statt präziser auf den Text einzugehen. Zudem fallen hier nicht nur Unstimmigkeiten auf, sondern zugleich in der Neuauflage beseitigte Lücken: Der Leser wird in der alten Auflage vom Eintrag unter C, Le Chevalier au lion ou Yvain, auf Y verwiesen und liest dort "Yvain ou le chevalier au lion. Voir: Chrétien de Troyes". Schlägt er, falls er die Suche noch nicht aufgeben mag, auch dort noch nach, kann er den Yvain lediglich in einer Aufzählung von Chrétiens Werken entdecken, obwohl doch gerade dieser Text vielen Lesern als "Chrétien's most accomplished work" (New Oxford Companion) oder als "vollkommenster arthurischer Roman" (Engler) gilt. (zurück)
[5]
Auch die in der 1. Aufl. enthaltene Liste alphabétique des articles d'ensemble sur les genres, les institutions, les influences, etc. ist verschwunden, doch macht sich ihr Fehlen in einem einbändigen, handlichen und seinerseits alphabetisch geordneten Lexikon nicht sehr schmerzlich bemerkbar. (zurück)
[6]
Dieses Werk fehlt übrigens in der Ausgabe von 1959 ebenfalls, denn nicht nur die auf das 20. Jahrhundert bezogenen Interessen haben sich seit damals verschoben. (zurück)
[7]
Diese Pluralität nicht nur der Informationen, sondern auch der Ansätze wird dadurch erreicht, daß die jeweiligen Spezialisten des einen Dictionnaire häufig im anderen für andere Bereiche ihres Fachgebietes zuständig sind, also zwar alle fünf Artikel zu Chrétiens Romanen im Dictionnaire des oeuvres von einem Verfasser stammen, der Chrétien-Artikel im Autorenlexikon jedoch von einem anderen Spezialisten geschrieben wurde und so die Lektüre beider Seiten sich als durchaus fruchtbar für einen eigenen Einstieg erweisen kann. Lediglich bei (noch) unbekannteren oder unbedeutenderen Autoren und kürzeren Einträgen wie etwa denen von Gérard Gengembre zu Astolphe de Custine stammen öfter beide Seiten der Medaille von einem Verfasser, ohne sich freilich deshalb auf pure Wiederholung des an der jeweils anderen Stelle unter anderem Blickwinkel Gesagten zu beschränken. Hingegen hat Gengembre zwar beispielsweise Werkanalysen zu Texten von Hugo oder Balzac, nicht jedoch die entsprechenden Dossiers zu den Autoren geschrieben, so daß hier die erwähnte Pluralität oder auch Komplementarität schon allein in den Namen sichtbar wird. (zurück)

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