Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 4(1996) 2/3
[ Bestand in K10plus ]

Frank Wedekind


96-2/3-235
Frank Wedekind : a bibliographic handbook / comp. and annotated by Robert A. Jones and Leroy R. Shaw. - München [u.a.] : Saur, 1996. - Pt. 1 - 2 ; XXXV, 759 S. ; 24 cm. - ISBN 3-598-11306-4 : DM 348.00
[3395]

Frank Wedekind gehört zu den Autoren, derer sich die amerikanische Germanistik seit einiger Zeit mit großer Intensität annimmt. So kommt auch die erste umfassende Personalbibliographie aus den Vereinigten Staaten. Es handelt sich sogar um weit mehr als eine bloße Personalbibliographie; dies soll der Ausdruck bibliographic handbook andeuten. Das Werk liefert eine längst überfällige Grundlegung künftiger Wedekind-Forschung.

Es gliedert sich in vier große Abschnitte. Der erste weist die Werke Wedekinds nach - getrennt nach Sammlungen (hier weiter unterschieden nach gedruckten und ungedruckten), Einzelwerken und Übersetzungen, jeweils in alphabetischer Ordnung. Der zweite verzeichnet die Briefe von und an Wedekind, der dritte die Literatur über Wedekind, der vierte Vermischtes (z.B. Parodien, Tonträger). Die Einträge sind fortlaufend numeriert.

Jones und Shaw beschränken sich nicht auf gedruckte Publikationen, sondern erschließen zugleich - soweit das nach Lage der Dinge, z.B. der Sperrung von Nachlaßteilen, möglich ist - den handschriftlichen Nachlaß Wedekinds, der sich in der Stadtbibliothek München befindet. (Gelegentlich ist fälschlich von der Monacensia die Rede, unglücklich ist die Siglierung SB München.) Dazu kommen Handschriften aus anderen Einrichtungen, etwa aus der Kantonsbibliothek Aarau.

Die Titelaufnahmen sind durchweg gut verifizierbar. Anstoß nimmt man allerdings daran, daß die Artikel in Werktiteln mitsortieren und daß Umlaute nicht ausgedruckt werden: Rutten statt Rütten etc. Veröffentlichungen der Sekundärliteratur ohne Angabe des Verfassers erscheinen im Alphabet unter Anonymous. Bibliographisch unkorrekt ist die Übersetzung von deutschen Ortsnamen im Impressum; so führen z.B. alle in München verlegten Titel den Erscheinungsort Munich.

So ärgerlich das für den Bibliographen ist, es wird dadurch mehr als wettgemacht, daß die Autoren die fast vergessene Tugend der bibliographischen Annotation meisterhaft beherrschen und sie - zur Freude des Benutzers - reichlich praktizieren. Die Annotationen reichen von vorzüglichen Regestformulierungen bei den Briefen bis zu komprimierten Abstracts der Sekundärliteratur. In dieser Hinsicht kann man das Handbuch nicht genug rühmen. Es ist ein Beweis, wieviel eine Bibliographie gewinnt, wenn sie von Kennern der Sache erarbeitet wird.

Die Autoren haben ein gewaltiges Material gebändigt und aufbereitet. So sei ihnen zum Dank ein übersehenes Zeugnis für den Abschnitt Miscellaneous nachgereicht. Ernst Sander, in den zwanziger Jahren Wegbereiter der modernen Autoren als Lektor im Reclam-Verlag, später zu Ruhm gelangt als Übersetzer von Voltaire, Balzac, Flaubert, Monnier u.v.a.m., hat in seiner Sammlung kurzer Geschichten Eine Nuß und sieben Millionen[1] unter dem Titel Die Kehrseite eine Anekdote mitgeteilt, die so hübsch wie für die Einschätzung Wedekinds durch Künstler-Kollegen charakteristisch ist: "Diese Geschichte hat mir Wilhelm Weigand erzählt, vor vielen Jahren. Es kam jemand nach München, der seinen Ehrgeiz darein setzte, Frank Wedekind kennenzulernen. Weigand übernahm die Vermittlung, und zur verabredeten Stunde klopften sie bei Wedekind an. Da niemand antwortete, da aus dem Zimmer unbestimmte Geräusche drangen, öffneten sie: auf zerwühltem Bette lag Wedekind, unverkennbar selbst in dieser Lage, und schnarchte herzhaft. Sein Nachthemd hatte sich verschoben; er wies jene beiden Hemisphären, die man für gewöhnlich nicht zur Schau trägt, und die man nicht ohne zwingenden Grund einem unbekannten Besucher zukehrt. Dieser, ein Mann von Erziehung und Humor, faßte sich schnell. Mit spitzen, mit sehr spitzen Fingern steckte er seine Visitenkarte - nun: dorthin, verbeugte sich leicht, schloß die Tür und ging."

Hans-Albrecht Koch


[1]
Köln ; Berlin : Kiepenheuer & Witsch, 1959, S. 130 (zurück)

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