Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 4(1996) 2/3
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Mohammed und Der Heilige Koran


96-2/3-202
Mohammed und Der Heilige Koran = Mohammed and The Holy Qur'ƒn / dokumentiert von Marc-Edouard Enay. - Hamburg : Verlag im Orient-Antiquariat, 1995. - 223 S. ; 33 cm. - Weiterer PT in arabischer Sprache. - ISBN 3-00-000094-1 : DM 338.00, DM 860.00 (Vorzugsausg. mit 1 Koran-Blatt). - (Verlag ..., Blankeneser Landstr. 53, 22587 Hamburg, FAX 040/863287)
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Der Koran, als das dem Propheten Mohammed offenbarte Wort Gottes, war innerhalb der muslimischen Gemeinde schon früh Gegenstand theologischer Diskussion. Ging es dabei im Anfang vor allem um die Feststellung der Koranlesung, d.h. um die richtige Vokalisierung des nur in seinem Konsonantenbestand überlieferten arabischen Textes, so entstand bald auch eine reiche exegetische Literatur. Die rasche Ausbreitung des Islams machte es zudem nötig, den Koran auch in andere Sprachen zu übertragen. Als Gottes Wort ebenso wie wegen seiner sprachlichen Einzigartigkeit[1] gilt er zwar im Grundsatz als unübersetzbar, dennoch gab es schon früh Bemühungen, den Sinn der Offenbarung den eroberten und islamisierten Völkern in ihrer eigenen Muttersprache zu vermitteln.

Neben dem Korantext selbst galt auch dem Leben und Wirken des Propheten die besondere Aufmerksamkeit der islamischen Gelehrten. Gilt doch sein Lebensweg als vorbildlich für die Muslime, so sind die Beispiele seiner Handlungsweisen sowie seine Reden und Aussprüche neben dem Koran die zweite Quelle für die Ausformung des islamischen Religionsgesetzes.

Das christliche Abendland setzte sich seit dem frühen Mittelalter mit der zunächst als Gegnerin angesehenen Schwesterreligion auseinander. Erste Belege dafür sind die antiislamischen Polemiken des Johannes Damaskenos (ca. 680 - 750), der als arabischer Christ den Koran im Original lesen konnte und des Niketas von Byzanz (9./10. Jh.), dem möglicherweise eine griechische Übersetzung vorlag. Im westlichen Abendland wurde die erste noch erhaltene lateinische Koranübersetzung, die von Robert von Ketton (Mittelengland) im Auftrag des Petrus Venerabilis von Cluny angefertigt wurde, im Jahre 1143 vollendet. Nach Jahrhunderten durch Feindschaft und Polemik gekennzeichneter Auseinandersetzung beschäftigt sich die orientalistische Forschung seit dem 19. Jh. in wissenschaftlich-objektiver Form mit dem Islam im allgemeinen und dem Koran im besonderen.

Das hier vorzustellende Werk will einen Einblick in das Schrifttum über den Koran, die Biographie des Propheten und über den Islam ganz allgemein gewähren. Sein Verfasser, ein Antiquar mit - wie der Firmen- und Verlagsname zeigen - orientalistischem Spezialinteresse, verfolgt dabei allerdings weniger das Ziel einer möglichst umfassenden Bibliographie der existierenden Literatur zur Koranwissenschaft und Islamkunde, vielmehr möchte er dem Interessierten durch die Auswahl und katalogmäßige Präsentation von 300 meist älteren oder in bibliophilen Ausgaben vorliegenden Publikationen, darunter auch einige Handschriften (z.B. Nr. 1, 215), in die Thematik einführen.

Die getroffene Auswahl erfolgte nach wissenschafts- und buchgeschichtlichen Kriterien. Sie ist sicherlich subjektiv, dies räumt der Verfasser in seiner Einleitung selbst ein, dennoch ist sie nicht zufällig. Auch wenn bei der Aufnahme der Titel in den Katalog die Belange des Antiquars und diejenigen des bibliophilen Sammlers eine Rolle gespielt haben dürften, so kann das dargebotene Material durchaus als repräsentativ angesehen werden, insbesondere, weil neben älteren Publikationen (insgesamt 107 Titel; der älteste stammt von 1550) in großer Zahl auch jüngere und neueste Veröffentlichungen (bis Erscheinungsjahr 1994) Berücksichtigung fanden.

Der eigentliche Katalog gliedert sich in vier Hauptteile: 1. Mohammed-Biographien, 2. Der Koran, 3. Koran-Studien und 4. Islam-Literatur; jedem Kapitel geht eine kurze Einführung voraus, die - wie auch die Einleitung zum Katalog dreisprachig (deutsch, englisch, arabisch) - abgefaßt ist. Alle Titel sind zweisprachig annotiert (deutsch und englisch); die Annotationen bringen neben der physischen Zustandsbeschreibung des zugrundeliegenden Exemplars häufig noch - z.T. sehr ausführliche - Informationen über Autor und Inhalt des Werks sowie über seine Entstehungsgeschichte.

Zu den einzelnen Teilen des Katalogs: Das Kapitel Mohammed-Biographien (S. 11 - 48) enthält 78 Einträge und beginnt (Nr. 1) mit einer in der Türkei oder in Persien angefertigten arabischen Handschrift aus dem Jahr 1775. Sie enthält den Text des Kitab as-Sifa, der Prophetenbiographie des Qadi `Iyad, der 1083 - 1149 in Nordafrika lebte und wirkte. Unter den weiteren Titeln finden sich wissenschaftliche Darstellungen, wie die Mohammed-Biographien von Frants Buhl (Nr. 18), Alois Sprenger (Nr. 68) und Maxime Rodinson (Nr. 65), um nur drei Beispiele zu nennen, wie auch literarische Bearbeitungen der Vita Mohammeds, so z.B. Goethes Trauerspiel Mahomet (Nr. 37), eine Übertragung von Voltaires Le Fanatisme ou Mahomet le ProphŠte ins Deutsche.

Im Kapitel Der Koran (S. 49 - 150; Nr. 79 - 193), das den umfangreichsten Teil des Katalogs darstellt, sind insgesamt 115 Ausgaben und vor allem Übersetzungen des Hl. Buches der Muslime zusammengetragen. Natürlich bildet dies nur einen Bruchteil der bekannten Übersetzungen des Korans,[2] jedoch sind die wichtigen Textausgaben im arabischen Original (43 Ausgaben) und Übersetzungen in 13 verschiedenen Sprachen verzeichnet, angefangen von der lateinischen Übertragung Theodor Biblianders (Nr. 102) von 1550, der ersten gedruckten Koranübersetzung überhaupt, über Versuche literarischer Nachdichtungen, z.B. aus der Feder Friedrich Rückerts (Nr. 166), bis hin zu modernen wissenschaftlichen Übersetzungen, beispielsweise derjenigen Rudi Parets (Nr. 158). Die Anordnung der Titel erfolgt nach dem Übersetzer, nicht nach der Sprache. Dem Kapitel geht deshalb ein Register nach Sprachen voraus.

Im Kapitel Koran-Studien (S. 151 - 176; Nr. 194 - 246) sind einige ältere, zumeist aber jüngere und neueste Studien zum Koran zusammengestellt, einschließlich klassisch-arabischer Korankommentare (z.B. Nr. 196, 215), Bibliographien (Nr. 205), Konkordanzen (Nr. 211) und Wörterbüchern (Nr. 236). Auch hier sind die gängigeren Titel erwähnt; allerdings fehlt Theodor Nöldekes dreibändige, 1860 zum ersten Mal in Göttingen erschienene Geschichte des Qorƒns, die aus wissenschaftshistorischen Gründen in dieses Kapitel gehört.

Im letzten Kapitel, unter der Überschrift Islam-Literatur (S. 177 - 203; Nr. 247 - 300), sind schließlich etwas mehr als fünfzig meist neuere Abhandlungen über die Religion, Geschichte und Kultur des Islams zusammengetragen.

Der Katalog schließt mit einem Register der Verfasser- und Übersetzernamen, einem deutschen und einem englischen Sachregister, einem Verzeichnis der Druck- und Verlagsorte bis 1860 sowie dem Verzeichnis der benutzten Bibliographien.

Die bibliographischen Angaben sind genau und zuverlässig, wie Stichproben gezeigt haben. Kritisch anzumerken ist nur der Umgang mit der Umschrift arabischer Namen und Titel, hier wurden verschiedene Systeme miteinander vermengt. Besonders deutlich zeigt sich dies bei der Benutzung der Indizes; so findet man im englischen Index of subjects z.B. den Eintrag Gihƒd (Hl. Krieg), obwohl die korrekte englische Umschreibung Jihƒd lauten müßte; im Namensregister wiederum findet man, englisch umschrieben, Rumi, Maulana Jalƒl al-DŒn, nach der deutschen Umschrift müßte man aber R–mŒ, Maulƒnƒ Galal ad-DŒn schreiben. Der gleiche Buchstabe J wird an anderer Stelle zur Wiedergabe des arabischen Buchstabens Ya verwendet, wie in älteren Publikationen, z.B. beim Namen el-Sen–si, Ab– Abd-allƒh J–suf. Nach der korrekten deutschen Umschrift müßte es lauten: as-San–sŒ, Ab– Abdallƒh Y–suf. Weitere Beispiele ließen sich finden. Zumindest für die Indizes hätte man ein einheitliches System verwenden sollen. Es erleichtert die Suche.

Von der Umschrift abgesehen, ist der Katalog sehr sorgfältig bearbeitet und darüber hinaus auch in sehr ansprechender Typographie und Aufmachung präsentiert. Für den interessierten Laien und den Sammler alter, kostbarer Bücher stellt er mit Sicherheit eine Fundgrube und ein wichtiges Informationsmittel dar. Hilfreich für ihn sind nicht zuletzt auch die zahlreichen in die Beschreibungen eingestreuten Faksimiles von Titelblättern der behandelten Werke. Für den orientalistischen Fachmann dagegen dürfte dieser Katalog allenfalls hinsichtlich der älteren Titel von Interesse sein; an ihnen kann man in Ansätzen den Fortschritt der orientalischen und orientalistischen Studien in Europa beobachten.

Walter Werkmeister


[1]
Vgl. dazu den folgenden lesenswerten und informativen Artikel Gott ist schön : arabischen Fundamentalisten und westlichen Orientalisten gleichermaßen verborgen: Die ästhetische Bedeutung des Korans / von Navid Kermani. // In: Frankfurter Allgemeine. - 1996-06-08, Bilder und Zeiten, S. [1 - 2]. (zurück)
[2]
Die World bibliography of translations of the meanings of the Holy Qur'an : printed translations 1515 - 1980 / prep. by Ismet Binark ; Halit Eren. - Istanbul : Research Centre for Islamic History, Art and Culture, 1986. - XCIX, 880, 34 S. - (Bibliographical series / Research Centre for Islamic History, Art and Culture ; 1) verzeichnet 2672 vollständige und Teil-Übersetzungen in 65 Sprachen. (zurück)

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