Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 4(1996) 1
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Complete illustrated catalogue


96-1-052
Complete illustrated catalogue / The National Gallery / comp. by Christopher Baker and Tom Henry. - London : National Gallery Publications, 1995. - XXIV, 790 S. ; 29 cm + 1 CD-ROM. - ISBN 1-85709-050-0 (NGPL) - ISBN 0-300-06359-8 (Yale) : œ 35.00, $ 55.00 (book) - ISBN 1-85709-089-6 (NGPL) - ISBN 0-300-06362-8 (Yale) : œ 80.00 + VAT, $ 115.00 (book & CD-ROM). - (Distributed by Yale University Press)
[2916]

Nachdem ihr illustrierter Gesamtkatalog 1986 bereits in 2., revidierter Auflage erschienen war,[1] legte die National Gallery in London 1995 diesen Katalog erneut vor, wobei er nicht nur wiederum aktualisiert, sondern partiell neu konzipiert worden ist; der Katalog, traditionell an die Buchform gebunden, wird zudem erstmals von einer CD-ROM-Ausgabe begleitet.

Zuerst zum gedruckten Katalog: Die inzwischen über 2200 Einträge zu den Beständen an europäischer Malerei vom 13. bis zum frühen 20. Jahrhundert sind nach wie vor in einem Alphabet der Künstler- und der Notnamen (Master of ...) sowie von Schul-Attributionen wie Florentine präsentiert; waren die in der Mehrzahl kleinformatigen (kleines bis großes Briefmarkenformat) und nur ausnahmsweise eine viertel Seite einnehmenden Abbildungen in der Vorauflage nur schwarz-weiß, so sind sie in der neuen Ausgabe überwiegend farbig und trotz insgesamt etwas größerem Format und damit besserer Lesbarkeit durchaus unbefriedigend. Das ist der Nachteil aller vergleichbaren Kataloge großer Gemäldesammlungen - ob Berlin, Dresden, München oder Paris -, in denen die Masse des Abzubildenden das kleine Format der Bildchen bedingt.[2]

Das Layout ist allerdings gegenüber der Vorauflage wesentlich übersichtlicher geworden, und zwar dank der Einteilung jeder Seite in drei Spalten: die Kopfzeile nennt den Künstlernamen (er wird in jeder Spalte wiederholt), auf neuer Zeile folgen der Titel des Bildes und die Datierung, dann die Abbildung mit der Inventarnummer, Angaben zu technischer Ausführung und Malgrund sowie Maßen in cm[3] als Bildlegende. Darauf schließt sich ein werkbezogener Textteil an, der gegenüber den dürftigen Angaben der Vorauflage wesentlich erweitert wurde: Hinweis auf Signatur und Datierung; kurze Charakterisierung des Werks; Stellenwert im Werk des Künstlers bzw. in der Sammlung. Dann folgen Angaben zur Provenienz und - gleichfalls neu gegenüber der Vorauflage - in knappster Form ein bis drei bibliographische Hinweise, zumeist auf die neuesten Oeuvre-Kataloge und ähnliche Verzeichnisse. Wie Stichproben zeigen, läßt die Aktualität der bibliographischen Angaben gelegentlich zu wünschen übrig: so stammen etwa die neuesten Literaturhinweise zu den Bildern Memlings von 1991 bzw. 1993, während die gewichtigen Publikationen, die aus Anlaß des 500. Todestages 1994 erschienen sind, noch fehlen.[4] Der verbleibende Platz bis zum Fuß der Spalte bleibt frei, außer in der Spalte mit dem ersten Bild eines Künstlers, in der dann dessen Name, Lebensjahre und eine Vita auf knappstem Raum abgedruckt sind. Nur ausnahmsweise dient der untere Teil der Spalte zur Aufnahme einer weiteren Abbildung (etwa der Rückseite einer doppelseitig bemalten Tafel).

Als Beigaben sind zu erwähnen: ein Grußwort des Sponsors, eine kurze Geschichte des Museums und der Sammlungen, eine Benutzungsanleitung, sowie, am Schluß, eine Bibliographie, die allein der Auflösung der im Katalog nur mit Verfasser und Jahr zitierten Titel dient. Register: 1. der Inventarnummern in aufsteigender Folge mit Bezeichnung des betreffenden Gemäldes; 2. ein unglücklich als subject index bezeichnetes Verzeichnis der vertretenen Künstler (Name in Fettdruck) mit ihren Werken, sonstiger erwähnter Personen (unverständlicherweise fehlen die Namen von Vorbesitzern) und Orte sowie von Themen u.ä.

Auch wenn die Begleittexte zu den einzelnen Gemälden gegenüber der Vorauflage beträchtlich erweitert und auf den neuesten Stand gebracht worden sind, muß an dieser Stelle daran erinnert werden, daß die National Gallery neben ihren hier besprochenen illustrierten Gesamtkatalogen bereits seit 1945 detaillierte Hauptkataloge für einzelne Schulen und Epochen publiziert hat. So erfolgt - um beim Beispiel Memling zu bleiben - die ausführliche Verzeichnung seiner in der National Gallery vorhandenen Werke im Katalog Early Netherlandish school.[5] Obwohl dieser Katalog natürlich nicht mit der gleichen Aktualität aufwarten kann, wie der neue Gesamtkatalog, und dadurch im Einzelfall nicht mehr den Stand der Forschung widerspiegelt, vermag ein Vergleich der Einträge die Unterschiede zwischen beiden Katalogtypen zu verdeutlichen, die verschiedene Ansprüche befriedigen. Die Verzeichnung im Hauptkatalog (S. 123 - 130) ist insgesamt wesentlich umfassender und zugleich detaillierter: das betrifft den biographischen und bibliographischen Apparat (wobei die Angaben des letzteren nicht auf die neuesten Titel reduziert sind), die Werkbeschreibungen (die bei strittigen Punkten, bei Datierungsfragen usw. eine Diskussion des Forschungsstandes bieten) und ebenso die bildtechnischen Angaben, die Provenienz sowie erforderlichenfalls die Restaurierungsgeschichte etc. Es handelt sich dabei um Details, die der illustrierte Gesamtkatalog entweder summarisch oder gar nicht berücksichtigt. Vervollständigt werden die Einträge dieses - übrigens nicht illustrierten - Teilkatalogs für die Bestände an frühen niederländischen Gemälden um Abbildungsnachweise in anderen Publikationen. Nicht nur in diesem Punkt mag daher der illustrierte Gesamtkatalog somit nützliche Ergänzung sein. Wie bei den meisten großen Museen, so liegen ausführliche Hauptkataloge auch im Fall der National Gallery in London nur für ausgewählte Bestände vor, die dazu in Abhängigkeit vom Erscheinen einen unterschiedlichen, jedenfalls keinen aktuellen Forschungsstand spiegeln. Daher ist der illustrierte Gesamtkatalog für dieses Museum nicht nur ein gerafftes und zugleich die Bedürfnissen eines breiteren Publikums befriedigendes Bestandsverzeichnis, sondern schließt darüber hinaus in ansprechender und elementaren Katalogstandards genügender Form die vorhandenen Lücken in der Reihe der Hauptkataloge.

Parallel zur gedruckten Ausgabe des neuen illustrierten Katalogs der National Gallery erschien dieser auch in einer CD-ROM-Ausgabe. Die CD-ROM beinhaltet den vollständigen Text- und auch den Bildteil der gedruckten Ausgabe, bietet aber aufgrund der anderen Zugriffsmöglichkeiten einiges mehr an Informationen und an Suchkomfort. So sind bei den Abbildungen Vergrößerungen wie auch Ausschnitte in sehr guter Bildqualität gerade im Vergleich zu den "Briefmarken" der Buchausgabe von großem Visualisierungs- und Informationswert, da Details erst dadurch erkennbar werden. Um diesen Vorteil jedoch voll ausschöpfen zu können, ist eine sehr hochwertige technische Ausstattung (insbes. bei Grafickarte und Monitor) Voraussetzung.[6] Der Eröffnungsbildschirm bietet den Einstieg über das Künstleralphabet an. Da keinerlei Möglichkeit der aktiven Eingabe des Suchbegriffs besteht, sondern immer im Index markiert werden muß, wird zur Abkürzung des Durchlaufs eine Voreinstellung nach Buchstabengruppe angeboten. Markiert man etwa in der Buchstabengruppe V den Namen Vermeer, Jan, werden zunächst die biographischen Daten und im Kleinstformat die Abbildungen der in der National Gallery vorhandenen Werke Vermeers aufgezeigt. Durch Anklicken eines dieser Bilder (z.B. der "Sitzenden Virginalspielerin") erhält man neben einer etwas vergrößerten Ansicht den Text und weitere Angaben zum betreffenden Werk. Von dieser Ebene aus läßt sich das Bild weiter vergrößern oder eine freie Auswahl von Detailansichten (in voreingestellter Größe) vornehmen: so wird im genannten Beispiel erst die Malerei auf dem Deckel des Spinetts deutlich erkennbar oder der Ausschnitt des Wandbilds. Des weiteren ist der gesonderte Abruf der bibliographischen Daten möglich. Über den Index Related terms kann man andere thematisch, kompositorisch oder künstlerisch verwandte Gemälde der Galerie ermitteln. So führt z.B. die Eingabe des Begriffs virginal zu anderen Bildern der National Gallery, auf denen ein Spinett vorkommt oder die des Begriffs painting in paintings zu weiteren Bild-im-Bild-Darstellungen und somit eröffnet sich die Möglichkeit einer thematischen und typisierenden Suche innerhalb des Museumsbestandes. Selbstverständlich kann man auch über die Verweisungen in den Begleittexten direkt andere Künstler oder Werke aufrufen. Alles in allem nutzt diese CD-ROM die technischen Möglichkeiten, die die Datenverarbeitung im Hinblick auf die Verknüpfung von Informationen und die Erleichterung der Recherche bietet voll aus; dabei ist die Benutzerführung bequem und ansprechend. Die CD-ROM-Ausgabe des Katalogs der National Gallery ist nicht wie manches andere derartige Produkt, popularisierendes, bebildertes Beiwerk oder technische Spielerei, sondern ein der Buchausgabe ebenbürtiges, in den Recherchemöglichkeiten diese sogar übertreffendes und bequemer zu benutzendes Angebot. Da diese CD-ROM sicher noch weit von ihrer Kapazitätsgrenze entfernt ist, wäre es natürlich von unschätzbarem Vorteil, wenn sich die National Gallery entschließen würde, auch die ausführlichen Informationen ihrer Hauptkataloge - möglichst in aktualisierter Form - auf derselben CD-ROM anzubieten.

Wenn die technischen Voraussetzungen gegeben sind, sollten die Bibliotheken nicht darauf verzichten, ihren Benutzern diese CD-ROM - möglichst zusätzlich zur gedruckten Ausgabe - anzubieten.

Städelsches Kunstinstitut <Frankfurt am Main>


[1]
Illustrated general catalogue / National Gallery. - 2. rev. ed. - London : National Gallery Publications, 1986. - XX, 721 S. - Die 1. Aufl. erschien 1973. (zurück)
[2]
Kleinere Sammlungen können ihren Bestand gleichfalls in einem Band unterbringen und trotzdem größere und allein schon dadurch qualitätvollere Abbildungen beigeben: Alte Meister / Staatsgalerie <Stuttgart> / Edeltraud Rettich, Altdeutsche Gemälde ; Rüdiger Klapproth, Niederländische Gemälde ; Gerhard Ewald, Italienische Gemälde. - Stuttgart : Staatsgalerie, 1992 [1993]. - 524 S. ; 24 cm. - DM 28.00. - (Staatsgalerie Stuttgart, Konrad-Adenauer-Str. 30 - 32, 70173 Stuttgart) [1725]. - Vgl. IFB 95-1-097. (zurück)
[3]
Einen Schritt zur Europäisierung mag man darin bemerken, daß die Maße nicht mehr, wie noch in der Vorauflage, zusätzlich in Inches angegeben sind. (zurück)
[4]
Hans Memling : das Gesamtwerk / Dirk De Vos. - Stuttgart : Belser, 1994. - 431 S. : Ill. - Aus dem Niederl. übers. - ISBN 3-7630-2312-7. - Hans Memling : Brugge, Groeningemuseum, 12 augustus - 15 november 1994. - [Bruges] : Ludion. - 28 cm. - Catalogue / Dirk De Vos. - 1994. - 255 S. - Essays / onder leding voan Dirk De Vos. - 1994. - 128 S. (zurück)
[5]
Early Netherlandish school / by Martin Davies. - 3. ed. (rev.). - London : National Gallery of Art, 1968. - 206 S. - (National Gallery catalogues). - Ein Reprint erschien 1987. (zurück)
[6]
An technischen Mindestvoraussetzungen gibt der Hersteller an: 1. CD-ROM-Laufwerk; 2. Microsoft Windows 3.1 oder Apple Macintosh System 6.0.7 (oder neuer); 3. 4 MB RAM; 4. VGA oder 13" (640 x 480) 256-Farb-Display (8 bit). Allerdings werden 16 bit oder ein noch besseres Display empfohlen. Dies ist unbedingt zu berücksichtigen, wenn man sich nicht mit dem Niveau "Rasterbild" begnügen will, dem meist das kleinste Druckbild noch an Qualität überlegen sein dürfte. (zurück)

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