Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 4
[ Bestand in K10plus ]

Atlantes Austriaci


95-4-636
Atlantes Austriaci : kommentierter Katalog der österreichischen Atlanten von 1561 bis 1994 / hrsg. von Ingrid Kretschmer und Johannes Dörflinger. - Wien [u.a.] : Böhlau. - 25 cm. - ISBN 3-205-98396-3 : öS 2543.00, DM 362.00
[2959]
Bd. 1. Österreichische Atlanten 1561 - 1918 / Johannes Dörflinger und Helga Hühnel
Teil-Bd. 1. - 1995. - LIII, 436 S. - ISBN 3-205-98369-6
Teil-Bd. 2. - 1995. - XXXII S., S. 437 - 852 : Ill. - ISBN 3-205-98369-6
Bd. 2. Österreichische Atlanten 1919 - 1994 / Ingrid Kretschmer. - 1995. - XLV, 405 S. : Ill. - ISBN 3-205-98395-5

Dem ersten in Österreich erschienenen Atlas Typi chorographici provinciarum Austriae von Wolfgang Lazius, in Wien bei Zimerman 1561 verlegt, folgten bis zum Jahr 1994 über 1.600 weitere österreichische Atlasproduktionen. Sie werden in dem zweibändigen Werk Atlantes Austriaci von ausgewiesenen Fachleuten[1] ausführlich beschrieben und kommentiert. Nach C. Koemans Atlantes Neerlandici[2] liegt damit die zweite Bibliographie vor, die einen alle Epochen umfassenden Überblick über die Atlasproduktion eines Landes bietet. Ein derartiges Unternehmen setzt bei einem Land, das im Verlauf seiner Geschichte großen territorialen Veränderungen unterworfen war, klare Aufnahmekriterien voraus. So diktiert die Geschichte die Aufteilung in die zwei Bände, wobei Bd. 1 den Zeitraum von 1561 bis 1918 und Bd. 2 den von 1919 bis 1994 umfaßt. Ein "österreichischer Atlas" ist nach der Definition der Bearbeiter von Bd. 1 ein "gedruckter Atlas (mit Karten), der in der österreichischen Reichshälfte Österreich-Ungarns erschienen ist oder hergestellt wurde (S. XV, Kartenskizze S. XVIII und XIX). Die Bearbeiterin von Bd. 2 definiert dagegen: "gedruckter Atlas (mit Karten), der innerhalb der Republik Österreich hergestellt wurde und erschienen ist oder in Österreich konzipiert und verlegt wurde" (S. XV). Aus diesem Raster fallen demnach einige zwar in Österreich technisch hergestellte Atlanten (v.a. Schulatlanten), die aber in anderen Ländern konzipiert oder verlegt worden sind. Überhaupt dominiert der Typus Schulatlas seit der Mitte des 19. Jahrhunderts die österreichische Atlasproduktion (Schulreform ab 1849). Deswegen ist für Bd. 1 ein weiterer Einschnitt bei 1850 gewählt worden, der zudem damit begründet wird, daß bis zu diesem Zeitpunkt die Atlanten im allgemeinen keine inhaltlichen Kartenverzeichnisse aufwiesen, und ein Wechsel der Produktionsmechanismen vom Kupferstich zur Lithographie stattgefunden hatte.

Jede Atlasaufnahme wird durch eine Kopfzeile eingeleitet, die das sogenannte Atlas-Sigle enthält, eine aus bis zu 5 Elementen bestehende Abkürzung zur schnellen Identifizierung der Auflagen oder Ausgabenvarianten. Die Titelaufnahme selbst gibt den Wortlaut des Haupttitelblattes getreu wieder, Abweichungen sind gekennzeichnet. Erscheinungsvermerk und Verlagsangabe folgen auf eigener Zeile, sodann das gemessene Format des Titelblattes (Breite mal Höhe), das Approbationsdatum sowie Standort und Signatur des oder der eingesehenen Exemplar(e)s. Es folgen Inhaltsangaben und Erläuterungen: Die Aufnahmen für die Atlanten in Bd. 1, Tl. 1 (1561 - 1850) geben die einzelnen Kartentitel in den Formulierungen auf den Kartenblättern an. Damit kommt man den Kartenhistorikern entgegen, zumal ältere Kupferstich-Atlanten oftmals in die einzelnen Kartenblätter zerlegt wurden und heute noch werden. In einem derartigen Fall ist die Identifizierung mit Hilfe des Namenregisters möglich, das zum ursprünglichen Atlas führt. Bd. 1, Tl. 2 (1851 - 1918) sowie Bd. 2 übernehmen dagegen die vorhandenen Inhaltsverzeichnisse aus den Atlanten. Diese Inhaltsangaben bilden einen wesentlichen Bestandteil einer Atlasaufnahme, da dadurch die Unterschiede der Ausgaben oder Abweichungen bei einzelnen Exemplaren nachvollzogen werden können. Eine knappe Analyse des Inhalts bietet der Kommentar zu jedem Atlas mit Informationen über die Aufteilung der Kartenblätter, Gesamtzahl der Haupt- und Nebenkarten, Randangaben sowie Zusammenhänge mit anderen Atlanten. Darüber hinaus werden fakultativ Literaturhinweise oder zusätzliche Erläuterungen (Fundstellen für ermittelte, aber nicht vorliegende Atlanten) gegeben.

Ungewöhnlich ist die Ordnung der Titel: sie erfolgt nach dem Alphabet der Verlagsnamen und innerhalb nach den Autoren. Dieses Verfahren begründen die Bearbeiter damit, daß verschiedene Atlanten eines Autors meist sowieso im selben Verlag erschienen und bei den österreichischen Atlanten nur vereinzelte Verlagswechsel festzustellen seien.

Die Einleitungen zu den beiden Bänden mit Schaubildern und statistischen Angaben sowie chronologischen Listen der Verlage stellen einen wesentlichen Beitrag zur Geschichte der österreichischen Atlanten dar.

Insgesamt sind über 60 Sammlungen nach Belegstücken durchforstet worden, und die Öffnung Osteuropas hat auch hier ihren positiven Einfluß gehabt. Dennoch konnten bei über 200 Atlanten - vor allem Schulatlanten - keine Exemplare mehr aufgefunden werden, so daß ihre Verzeichnung nur aufgrund mehr oder weniger zuverlässiger Zitate erfolgen konnte. Diese Tatsache veranlaßt die Autoren zum Aufruf an die großen Staatsbibliotheken, ihren Sammelauftrag ernst zu nehmen, damit zukünftig die mühsame Suche in Antiquariaten und auf Flohmärkten entfallen möge.

Wolfgang Crom


[1]
Zweien von ihnen verdanken wir das Lexikon zur Geschichte der Kartographie : von den Anfängen bis zum Ersten Weltkrieg / verfaßt von zahlreichen Experten. Bearb. von Ingrid Kretschmer, Johannes Dörflinger und Franz Wawrik. - Wien : Deuticke, 1986. - Bd. 1 - 2 ; 25 cm. - (Die Kartographie und ihre Randgebiete ; Bd. C). - ISBN 3-7005-4562-2 : DM 430.00 [0263]. - Vgl. ABUN in ZfBB 34 (1987),4, S. 303 - 306. - Helga Hühnel ist wissenschaftliche Bibliothekarin an der Kartensammlung der Österreichischen Nationalbibliothek. (zurück)
[2]
Atlantes Neerlandici : bibliography of terrestrial, maritime and celestial atlases and pilot books, published in the Netherlands ... / comp. and ed. by C. Koeman. - Amsterdam : Theatrum Orbis Terrarum, 1967 - 1985. - 1 - 6. - Bd. 1 - 4 behandeln die bis 1880 erschienenen Atlanten, Bd. 5 ist das Register, Bd. 6 enthält ein Supplement und verzeichnet die zwischen 1880 und 1940 erschienenen Atlanten. (zurück)

Zurück an den Bildanfang