Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 4
[ Bestand in K10plus ]

Die Chronik des Films


95-4-605
Die Chronik des Films / [Autoren: Brigitte Beier ...]. In Zsarb. mit dem Deutschen Institut für Filmkunde, Frankfurt/M. - Gütersloh ; München : Chronik-Verlag im Bertelsmann-Lexikon-Verlag, 1994. - 640 S. ; 30 cm. - ISBN 3-570-14337-6 : DM 98.00
[2611]

Sprechen die jahresweise sortierten Filmanalysen der Fischer-Filmgeschichte den künstlerisch und filmphilologisch Interessierten an und versperren durch ihre sehr enge Auswahl (ein Film je Jahrgang) sogar den einfachen annalistischen Zugang zur Filmgeschichte, so bietet in diesem Fall Die Chronik des Films das Pendant. Hier wird Chronik tatsächlich zum Stilprinzip: Bis 1919 in Mehrjahreszusammenfassungen und anschließend für jedes einzelne Jahr werden zunächst kurze Ereignisnotizen geboten, danach werden in journalistischer Manier einige wichtige Spielfilme des Jahres vorgestellt und schließlich folgen, deutlich abgesetzt und nach Produktionsländern gegliedert, knappe Notizen zu einer unterschiedlichen Zahl von weniger "wichtigen" Premierenfilmen. Alle insgesamt mehr als 2000 Einzelartikel (lt. Klappentext; lt. Geleitwort zu 2500 Filmen) werden mit schwarz-weißen oder farbigen Standphotos illustriert. Für die Mehrzahl der Filme fallen sie trotz der Lexikongröße des Buches im vierspaltigen Satz einspaltig gedruckt leider nur sehr klein aus, dagegen werden die "wichtigen Filme" mit zwei- oder mehrspaltigen redaktionell bearbeiteten Photos (incl. Bildunterschriften) eindrucksvoller und optisch dominant illustriert. Zusätzlich werden je Jahr in weiteren "Kästen" einzelne Personen, historische Notizen, Zitate und Übersichten über Genres und Filmthemen (mit Verweisungen auf die betreffenden Filmartikel) angeboten. Sie lockern die optische Darstellung weiter auf und verleihen zusammen mit den anreißerischen Überschriften der größeren Beiträge und dem sachlicheren Nachrichten-Stil aller Artikel dem Buch den wohl gewünschten journalistischen - durch die Bilder und Überschriften: boulevard-journalistischen - Charakter. Die filmographischen Angaben sind für alle Filme gleich und fallen leider sehr knapp aus (keine Filmdauer, Produktionsfirmen oder Rollen, dafür aber Festival-Auszeichnungen), im Hauptteil werden die Filme unter ihren deutschen Verleihtiteln angeboten (mit Hinzufügung des Originaltitels), im Titelregister werden beide Titel genannt. Das Personenregister nennt für ausgewählte Personen auch einzelne Filmtitel und vermeidet dadurch unübersichtlich lange Zahlenreihen. Informativ ist noch das Verzeichnis der Tabellen für Genres, Personen und weitere Themen, während die Vorstellung der neun Autoren zwar die Zuständigkeiten für die verschiedenen Jahre klärt, aber ansonsten nichtssagend ist (alle sind freie Autoren und unter 45 Jahre alt). Die Autoren stellen ihre Individualität hinter das Kollektiv des den Band verantwortenden Harenberg-Verlags zurück, die Rolle des auf dem Titelblatt genannten Deutschen Instituts für Filmkunde bleibt undeutlich.

Das Buch verführt zum Schauen, zum Blättern und zum flüchtigen Lesen; zwar bietet es keine detaillierten Informationen und verzichtet auf Bewertungen, aber die Inhaltsangaben sind informativ und stellen insbesondere in den größeren Artikeln weitere Zusammenhänge her. Die übergeordnete annalistische Sortierung und die jährlich einleitenden historischen Notizen nimmt man als Leser dabei zwar wahr, beide werden aber überdeckt durch die optisch betonte Präsentation der Artikel. Sie prägt das Buch und rückt durch ihre strukturelle Gleichartigkeit die eigentliche Chronik nicht nur in den Hintergrund, sondern macht alle Filme eigentümlich zeitlos und gleichzeitig gegenwärtig. Das entspricht zweifellos der ubiquitären und ahistorischen Präsenz unzähliger älterer Filme in heutigen Fernsehprogrammen oder in Videotheken: der Hinweis auf historische Filmprogramme im Kino (Gerd Albrecht im Geleitwort), wo man die historischen Filme unbedingt anschauen solle, wirkt in diesem Band eher irritierend und unangebracht.


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