Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus:
Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 4
[ Bestand in K10plus ]

Antiquarian books


95-4-563
Antiquarian books : a companion for booksellers, librarians and collectors / comp. and ed. by Philippa Bernard with Leo Bernard and Angus O'Neill. - Repr. with minor corrections. - Aldershot, Hants : Scolar Press, 1995. - XIV, 461 S. ; 26 cm. - ISBN 0-85967-930-6 : œ 49.50
[3014]

Den langen nationalen Traditionen des Sammelns von Büchern und des Handels mit ihnen entspricht bis in die Gegenwart in England eine erhebliche Anzahl von Handbüchern, die sich mit diesem Thema befassen und an Benutzerkreise unterschiedlicher Strukturierung wenden. Die Herausgeber dieses Werkes haben ihre Erfahrungen vor allem im Antiquariatsbuchhandel gesammelt, als Autoren für die längeren, namentlich gezeichneten Artikel haben sie Berufskollegen, Buchhändler, Bibliothekare und Sammler gewonnen.

Das Werk ist unter Einschluß der längeren Artikel alphabetisch geordnet, mit Anhängen u.a. zu römischen Zahlen und ausländischen, meist lateinischen Ortsnamen versehen. Das Register ist nach den Worten der Herausgeber selektiv, die Prinzipien werden allerdings nicht schlüssig erläutert und sind auch bei Stichproben im praktischen Gebrauch nicht erkennbar. Die speziellen Artikel behandeln Buchhandel und Auktionen, einzelne Gattungen und Sammelgebiete wie Kunst und Architektur, Kinderbücher, Wörterbücher, Englische Literatur, Inkunabeln, Naturwissenschaften, Medizin, Reisebücher, viktorianische Bücher. Literaturangaben zu diesen wie zu den kleineren Artikeln umfassen vor allem englischsprachige Literatur, ausländische Literatur meist nur dann, wenn sie in Übersetzungen vorliegt. Die Abbildungen stammen zum Teil auch von weniger bekannten Vorlagen, nach den Quellenangaben durchweg aus dem Besitz von Antiquariaten und Sammlern. Der vorgesehene Leserkreis sind vor allem Buchhändler und Antiquare.

Die Beschäftigung mit dem alten Buch unter kommerziellen Aspekten bewegt sich in einem Grenzbereich zwischen buchkundlicher Darstellung (das Buch als Gesamtkunstwerk), Wissenschaftsgeschichte (hier oft die Aufzählung von Titeln) und Handelswert (Ergebnisse von Auktionen, Sammlerneigungen). Eine solche Betrachtungsweise ist nicht von vornherein zu verwerfen, solange die jeweiligen Teile in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen und auch die Besonderheiten und Spezialgebiete des Buchmarktes gebührend berücksichtigt werden, die außerhalb gängiger Trends des Marktes oder der Sammlerneigungen liegen.

Die speziellen Artikel sind von unterschiedlicher Qualität, da sie sehr stark von Erfahrungen ihrer Autoren geprägt sind. Didaktisch gut aufgebaut sind z.B. die Artikel Autographs & Manuscripts und Catalogues, oberflächlich und daher letztlich überflüssig der Artikel über Computer im Buchhandel. Der Artikel Illustrated Books 1850 - 1920 von Robin Greer hat leider keinen zeitlichen Vorläufer oder Anschlußartikel, es fehlt dadurch auch die Verbindung zu den Wechselbeziehungen zwischen Illustrationsverfahren und Literaturverbreitung.[1] Die Aufführung einzelner Techniques of Illustration bietet hierfür keinen Ersatz.

Die Abqualifizierung von Theodore Bestermans A world bibliography of bibliographies and of bibliographic catalogues zeugt von wenig Kenntnis und Einblick in die auch für einen Antiquar notwendige Wissenschaftsgeschichte. Seine ausführliche Verzeichnung von Bibliographien sog. erotischer Literatur hätte z.B. für die Herausgeber Anlaß sein können, sich diesem bei Sammlern beliebten Gebiet und den damit verbundenen Problemfeldern anonymer und pseudonymer Literatur und fiktiver Erscheinungsorte eingehender zu widmen. So fehlt nicht nur R. H. Lewis' The browser's guide to erotica,[2] sondern im Artikel The British Library auch der Hinweis auf deren Private Case Collection.[3] Weder unter Clandestine Printing noch unter anderen Begriffen findet sich eine Andeutung, daß England seit dem 19. Jahrhundert auch das Land war, in dem Emigranten die Literatur erscheinen ließen, die in ihrer Heimat verboten war. Damit mag es zusammenhängen, daß auch Shakespeare & Company, die Buchhandlung von Sylvia Beach in Paris, nicht erwähnt wird. Und da der Begriff Zensur nicht erscheint, begegnet auch nicht die gereinigte Ausgabe, die nach ihrem Urheber Thomas Bowdler (1754 - 1825) bowdlerized version genannt wurde und in der allein für den englischen Leser bis in die sechziger Jahre Lady Chatterley's lover von D. H. Lawrence zugänglich war. Zu knapp ist der Artikel Broadsheet, das Pendant Pamphlet fehlt gänzlich. Weder unter Collation noch unter Bibliography findet sich ein Hinweis auf das auch für Antiquare interessante Fingerprint-Verfahren. Zu ergänzen ist, daß den ästhetischen Reiz der preiswerten Everyman Library nicht nur der Art-Nouveau-Rücken ausmachte, sondern auch die bis in die dreißiger Jahre beibehaltene Gestaltung von Innendeckel und Vorsatzblättern durch L. C. Knowles.

In seinem einleitenden Artikel Bookselling in a changing world gibt Anthony Rota, ehemaliger Präsident der Antiquarian Booksellers' Association, einen vor allem an den wirtschaftlichen Gegebenheiten orientierten Überblick. Kenntnisreich geht er auf die Wechselwirkungen von wirtschaftlicher Kraft, Währungsrelationen und sich ändernden Käuferkreisen antiquarischer Bücher ein (USA, Fernost). Diese Erkenntnis, daß Bücher- und Käuferströme heute nationale Grenzen überwinden, macht seinen Artikel auch zum Ansatzpunkt der Kritik am vorliegenden Buch, das sich ausschließlich an den englischen, nicht einmal den englischsprachigen Leser wendet, und das Buchwesen im Ausland nur mit einigen wenigen Ausnahmen zur Kenntnis nimmt. Aber selbst nationale Leistungen werden ignoriert wie der Druck mit fremden, nichtlateinischen Lettern, wie er z.B. durch die Oxford University Press und die englische Bibelgesellschaft gefördert wurde.

Der Nutzen für den deutschsprachigen Leser, der ja, wenn er zu diesem Buch greift, schon Vorkenntnisse besitzt, liegt vor allem in einem unterschiedlichen theoretischen Ansatz, wie etwa im Artikel Bibliography erkennbar, dem Überblick über die englische Fachliteratur des Gebietes und einer Reihe bemerkenswerter Illustrationen.

Karl Klaus Walther


[1]
Hier bietet der folgende Katalog eine tiefergehende Darstellung: The art of illustration : englische illustrierte Bücher aus der Sammlung Dr. Ulrich von Kritter / Herzog-August-Bibliothek. [Ausstellung und Katalog: Regine Timm ...]. - Wolfenbüttel, 1984. - 215 S. : Ill. - (Ausstellungskataloge der Herzog-August-Bibliothek ; 44) (zurück)
[2]
The browser's guide to erotica / Roy Harley Lewis. - London : David & Charles, 1981. - 224 S. : Ill. (zurück)
[3]
The Private Case : an annotated bibliography of the Private Case erotica collection in the British (Museum) Library / compiled by Patrick J. Kearney. With an introduction by G. Legman. - London : Landesman, 1981. - 354 S. ; 26 cm. - ISBN 0-905150-24-4 : œ 45.00 [0616]. - Vgl. ABUN in ZfBB 28 (1981),6, S. 506 - 508. (zurück)

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